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Monat: September 2009

Elisabeth von Arnim: Verzauberter April

Elisabeth von Arnim: Verzauberter April

Vier Damen unterschiedlicher Herkunft aus England machen sich Mitte der zwanziger Jahre auf, um einen ungestörten Urlaub in der Toskana zu verbringen. Ihrer Ehen überdrüssig, voller Sehnsucht, den Alltagstrott einmal hinter sich zu lassen, gestatten sich zwei von ihnen, verwegen auf eigene Faust sich diesen Urlaub zu gönnen.
Zuerst sind es nur zwei, die sich verabreden, ein Castello unweit von Genua mit Blick auf das Meer zu mieten. Als die Miete ihnen zu hoch erscheint, gewinnen sie noch zwei weitere Damen zu ihrem Plan dazu.

Abenteuerlich und wirklich zuweilen etwas irritiert über den eigenen Mut, gehen sie die Reise an. Das adlige Fräulein Caroline und die alte Frau Fisher sind die neu hinzu gewonnenen Partnerinnen dieser ungewöhnlichen Reise.
Was es an Zauber zu bewundern gibt,–sie geben sich gerne und aufgeschlossen dem Anreiz der malerischen und bunten Landschaft mit den fremden Blumen und Früchtedüften hin.

Allerdings zeigt sich alsbald, dass sich Hierarchien wie überall entwickeln, und dass ohne Aufsicht des Personals der tägliche Arbeitsablauf nicht gelingen will. Jede denkt, die andere soll es richten, und so entsteht ein gruppendynamischer Prozess, der es in sich hat.

Fein und detailliert beobachtet die Autorin die Eigenarten der einen wie der anderen. Sie weiß genau zu berichten, was in den Köpfen der einzelnen vor sich geht. Wie da gerangelt und innerlich gestritten wird, und wie eine jede versucht, die andere zu übertrumpfen oder zu unterjochen….
Jede hat ihr Schicksal, sei es mit einem ungeliebten Mann, sei es ohne einen Gemahl, oder bei der hübschesten, jüngsten und adeligen unter den vieren in Erwartung einer Zukunft mit Familie!
Man erlebt einen wirklich zauberhaften April in Italien mit dem blauen Meer, einem herrlichen Ambiente, liebevollem Dienstpersonal und einer schrulligen Mrs. Fisher, die sich zur Obergouvernante über alle anderen erhebt.
Es ist ein Lust, das kleine Büchlein zu lesen, das in das England der zwanziger Jahre entführt, bürgerliche Konventionen berührt und vier ganz verschieden geartete Charaktere in Gestalt der vier Damen lebendig werden lässt.

Elisabeth von Arnim Verzauberter April
Broschiert 273 S.
Insel Verlag
ISBN-10: 345834957X
ISBN-13: 978-3458349570

Martin Haberer: Taschenatlas Gehölze

Martin Haberer: Taschenatlas Gehölze

Gehölze sind im Garten unentbehrlich, im Hausgarten genauso wie im Park. Ihre Vielfalt ist groß. Mal ist es die Blattfarbe, die Blicke auf sich zieht, mal die Blütenpracht oder auch die Früchte, die sehr schmückend wirken oder sogar essbar sind. Diese Vielfalt ist unüberschaubar geworden, auch weil es viele fremdländische Arten gibt, die auch gut in unseren Gärten gedeihen. Das vorliegende Buch bietet Orientierung für den Nachwuchs im Gartenbau und der Floristik und natürlich für jeden Hobbygärtner.

Vorgestellt werden im Buch 727 Laubgehölze und 48 Nadelgehölze. Immer vier Porträts stehen auf einer Seite. Unter dem Foto findet man kleine Symbole. Man sieht auf den ersten Blick, wie groß die Pflanze ist, wie groß die Blätter, wann Blütezeit ist und ob die Pflanze giftig ist oder nicht. Unter dem wissenschaftlichen Namen und ihrer Familienzugehörigkeit findet man auch die deutsche Bezeichnung. Weiter geht es stichpunktartig mit Informationen zu Heimat, Wuchs, Blatt, Blüte, Frucht, Standort, Verwendung, Arten und einigen Hinweisen unter dem Punkt Sonstiges.
Im Anhang findet man Informationen zur Vermehrung der Gehölze, eine Literaturliste und ein Register.

Das kleine Buch ist sehr nützlich zum Nachlagen und Informieren. Man bekommt einen guten Überblick über die verschiedenen Gehölzarten, was sich gerade bei der Gartenplanung bezahlt macht. Auf besonders schöne Gartensorten wird aufmerksam gemacht. Die Pflanzenbeschreibungen sind sehr kurz gehalten, enthalten aber alle benötigten Informationen. In Verbindung mit dem Foto ist das ausreichend.

Rezension von Heike Rau

Martin Haberer
Taschenatlas Gehölze
320 Gehölze für Garten und Landschaft
2. aktualisierte Auflage
192 Seiten, 325 Farbfotos
Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart
ISBN: 978-3-8001-5944-4

Ulrich Wickert: Der nützliche Freund

Ulrich Wickert: Der nützliche Freund

Der bereits aus den vorhergehenden Kriminalromanen des ehemaligen Tagesthemen-Moderators bekannte Pariser Richter Jacques Ricou wird erneut ganz persönlich in einen Fall hineingezogen, zu dem er zunächst einmal dienstlich und auch so keine Beziehung hat. Aus der Zeitung erfährt er von den Machenschaften eines französischen Ölkonzerns in Deutschland beim Erwerb einer Raffinerie. Unverkennbar handelt es sich um die Leuna-Affäre. Seine Freundin, die mal mehr oder weniger auch seine Lebensgefährtin ist, recherchiert und ermittelt als Top-Journalistin Jahre nach Abschluss und Todschweigen dieser Affäre erneut, weil ein ehemaliger Mitarbeiter des Geheimdienstes sein Schweigen brechen und auspacken möchte. Durch Ricou‘s Freundin Margaux bekommt die ganze Sache einen privaten Aspekt und ist nicht mehr rein dienstlich zu betrachten. Während sich die Journalistin zwecks eines Interviews mit dem ehemaligen Agenten in dessen Appartement trifft, versteckt sie sich beim Klingeln an der Wohnungstür, um nicht auf unerwartete Besucher zu treffen. Kurz darauf wird der Agent tot und sie bewusstlos aufgefunden. Richter Ricou wird mit den Ermittlungen in diesem Fall betraut, jedoch ahnt zunächst keiner, dass es sich hierbei um die Fortsetzung der fast vergessenen deutsch-französischen Affäre handelt und der Richter selber unter Verdacht gerät.

Faszinierend gestrickt bleibt die Handlung, selbst der Hintermänner des Mordes und anderer Taten dem Leser nicht verborgen. In zwei Handlungssträngen werden einerseits die Ermittlungen in diesem Fall und andererseits die Auftragsvergabe für die Verbrechen durch ein Genfer Bankhaus beschrieben. Kapitelweise wird zwischen beiden Szenen gewechselt und im Falle des Bankhauses, welches seinen Reichtum im zweiten Weltkrieg mit den Geldern der Juden erwarb, die Skrupellosigkeit einer speziellen gesellschaftlichen Kaste dargestellt. Mithilfe der „Genfer“ Kapitel wird der Leser auf bevorstehende Aktionen vorbereitet und es werden bereits abgeschlossene Handlungen plausibel erklärt. Der Strang für die Ermittlungen beansprucht mit Recht einen erheblich größeren Teil der Romanhandlung und der Autor bringt all sein Können ein, um dem Leser in äußerst dramatischer und abwechslungsreicher Weise seine Liebe zu und dem Charme von Paris nahezubringen. Durch die Offenlegung der wahren Hintermänner stellt sich dem Leser also nicht die Frage nach dem Täter, sondern die, ob und wie der Richter die Hintermänner dingfest machen kann.

Da die Akten der tatsächlichen Leuna-Affäre beim Umzug der deutschen Regierung von Bonn nach Berlin plötzlich verschwunden und in Frankreich nur Handlanger verurteilt worden waren, bleibt natürlich viel Raum für Spekulation, den sich Wickert sehr geschickt zu Eigen gemacht hat. Alles, was zu recherchieren war, wurde recherchiert und anschließend gekonnt mit den fiktiven Spekulationen verbunden. Auf diese Weise scheint der Roman sehr nah an der Realität zu sein und könnte beinah reportagenhaft einen Überblick zur Leuna-Affäre geben. Die Handlung um den Richter herum scheint also in erster Linie die fiktive Handlung zu sein, wobei der Leser berechtigten Zweifel an der Fiktion bei der Beschreibung des französischen Lebensgefühls anmelden darf. Wer selbst schon einige Zeit in den Straßen, Bistros und Cafés in Paris verbracht hat, der wird bestätigen, dass Paris so ist, wie es in dem Buch beschrieben wurde. Die Gespräche in den Bistros, das Verhalten der Menschen und vor allem der Beamten scheinen eher ein echter Spiegel der Realität zu sein. Das Pariser Umfeld des Richters mit all seinen Freunden, Bekannten, Kollegen und Nachbarn wird sehr detailliert und angenehm geschildert. Somit lässt die Lektüre des Buches an dieser Stelle einen, wenn auch eingeschränkten, Hauch einer Reise nach Paris aufkommen. Ob das Gleiche für die offenherzige Zusammenarbeit der deutschen und der französischen Behörden gilt, wird der Autor selbst am besten einschätzen können.

Der Autor hat nie verschwiegen, dass er Frankreich und Paris liebt, warum sollte er es also in seinen Romanen verbergen. Aus diesem Grund ist „Der nützliche Freund“ nicht nur ein spannender, unterhaltsamer und flüssig zu lesender Kriminalroman mit dem Hintergrund einer früheren großen Politaffäre, sondern das Buch gleicht auch einer Reisebeschreibung von Paris. Es vermittelt ein Stück Paris und Pariser Lebensart und ist damit aber nicht nur für jeden Balkonien-Urlauber ein Muss.

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Ulrich Wickert
Der nützliche Freund
Roman, 313 Seiten, Hardcoverausgabe
Piper Verlag GmbH, München
ISBN: 978-3-492-05020-3
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Was in Miks Familie vorgeht, soll geheim bleiben. Niemand soll wissen, dass der Vater trinkt. Mik sucht Ausreden für ihn, wenn er nicht zu Elternabenden oder Elterngesprächen kommt. Auch die Schulpsychologin lügt er an. Doch die Leute vom Sozialamt sind der Familie auf der Spur. Mik macht die Tür nicht auf. Sein Bruder Tony hat es ihm verboten. Und doch passiert es. Als Mik Tony erwartet, macht er die Tür auf. Die Frau und der Mann versprechen Hilfe. Miks Vater hat diese gerade sehr nötig, er muss ins Krankenhaus.
Mik wird bei seiner Tante Lena untergebracht. Sie wohnt in einer einsamen Gegend, in einem kleinen Dorf im Norden von Schweden. Es gefällt ihm hier auf Anhieb. Er wird von Lena herzlich aufgenommen und unter den zwölf Schülern findet er Freunde, obwohl diese von seinen schwierigen Familienverhältnissen wissen.
Die Kinder haben eine Möglichkeit gefunden, sich ein Taschengeld dazuzuverdienen. Sie verstecken Katzen und verdienen sich dann, wenn sie die Katzen zu ihren Besitzern zurückbringen, Finderlohn. Doch als er Lena die Sache mit den Katzen verrät, kehrt die Einsamkeit zu ihm zurück. Er wird ausgegrenzt, weil Lena die Sache nicht auf sich beruhen lässt.
Trotzdem will Mik nicht wieder nach Hause. Doch nach Neujahr kommen die Leute vom Sozialamt wieder. Mik soll zu seinem Vater zurück.

Die Geschichte erzählt von einem Jungen, der unter sehr schwierigen Familienverhältnissen aufwächst. Der Vater trinkt und Bruder Tony gerät immer mehr auf die schiefe Bahn. Mik sehnt sich nach Ruhe und Geborgenheit und findet dies bei seiner Tante Lena. Die würde den Jungen bei sich behalten, doch sie darf nicht. So wird Mik herumgeschoben bis er schließlich bei einer Pflegefamilie landet, die ihm das Leben zur Hölle macht. Man liest mit wachsendem Entsetzten, wie die Lage für Mik immer unerträglicher wird. Der Junge sieht die angebotene Hilfe vom Sozialamt als Bedrohung an und hat in seinen Fall recht damit.

Erzählt wird hier eine sehr traurige Geschichte, die zu Herzen geht. Man erträgt sie im Grunde nur, weil der Autor trotz aller Ernsthaftigkeit, humorvolle Szenen eingebracht hat. Man liest also nicht selten mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Die Geschichte ist sehr sensibel geschrieben. Miks Gefühle werden mit Achtung behandelt. Er wird ernstgenommen. Und das macht das Buch sehr realistisch. Schließlich ist es Miks Durchsetzungsvermögen, das ihm letztendlich ein besseres Leben ermöglicht. Es ist ein langer Weg dahin, den man als Leser mit Spannung verfolgt.

Rezension von Heike Rau

Mikael Engström
Ihr kriegt mich nicht!
Aus dem Schwedischen von Brigitta Kicherer
267 Seiten, Klappenbroschur
ab 12 Jahren
Carl Hanser Verlag
ISBN-10: 3446233792
ISBN-13: 978-3446233799

Kerstin Tomiak: Drachenwind

Kerstin Tomiak: Drachenwind

Spannende Reportage aus einem geheimnisvollen Land!

Als sich Kerstin Tomiak nach Afghanistan aufmacht, um dort in Kunduz von 2006 -2007 ein Büro der Internationalen Friedenstruppe ISAF zu leiten, ahnt sie nicht, was auf sie zukommt.
Sie ist zuständig für die von der ISAF herausgegebene Zeitung und die Berichtserstattung aus Kunduz.

Abenteuerlich und überraschend ist schon der Aufbruch aus Deutschland bei der Suche nach dem richtigen Flug. In einer amerikanischen Transportmaschine erreicht sie schließlich Kabul, wo sie die ersten Nächte in abgeriegelten Lagern der ISAF verbringt. Mit einer anderen Journalistin zusammen unternimmt sie nächtliche Ausflüge in ein französisches Restaurant, das als Ausgangspunkt für viele Partys gilt. Die Fahrt durch das nächtlich Kabul bietet erste Einblicke in ein Land, das extrem fremdartig wirkt: es ist staubig, der Straßenverkehr ist ungeregelt, man sieht Frauen in Burkas oder Kopftüchern, die ihre Blicke gesenkt halten und Taxiunternehmen, die ausschließlich für die ISAF arbeiten, damit man sicher sein Ziel erreicht.
Ihre ersten Schritte zu Erkundung des Landes, Einblicke in die Feldlazarette, die zahlreiche Einwohner ärztlich betreuen und versorgen, das Leben im Lager zusammen mit deutschen Soldaten–es sind überwältigende Empfindungen, die sie faszinieren.
In Kundus darf sie mit den ISAF Truppen zu Einsätzen fahren. Sie bekommt Einblicke in afghanische Familien, lernt Frauen mit ihren Rechten, Pflichten und Lebensregeln kennen und beginnt einen regen Gedankenaustausch mit vielen Einwohnern des Landes. Dabei zeigt sich eine nachdenkliche Autorin, die ihre eigenen Wertmaßstäbe im Vergleich zu denen, die im Lande herrschen, auf den Prüfstand stellt.
Tolerant und einsichtig sieht sie, dass andere Länder und andere Sitten nicht unbedingt negativ zu beurteilen sind. Sie erlebt das Bedürfnis nach Freiheit, Bildung und Gleichberechtigung als den Landessitten angepasst. Nicht zuletzt ist es die Schönheit des Landes, die sie ganz in ihren Bann zieht.
Die Autorin beschreibt in ihrer leidenschaftlichen Reportage eindrucksvoll und aufrichtig ihre Eindrücke, die von Vielseitigkeit und Widersprüchlichkeit getragen sind. Ihr Bericht ist hoch aktuell angesichts einer Lage, in der die Friedensmission der Nato in eine Kriegsaktion zu kippen droht.
Kerstin Tomiak ist voller Neugierde in das Land gestartet, gewarnt von Freunden und Verwandten, die sich um ihr Wohlergehen sorgten. Ihr Interesse für das Land war jedoch vom ersten Augenblick an geweckt, so dass sie heute wieder dort lebt und arbeitet.

In einem Glossar kann man über die Bedeutung der ein wenig befremdlich wirkenden Abkürzungsbezeichnungen für die Internationalen Organisationen und ihre diversen Strukturen Informationen erhalten.

Kerstin Tomiak
Drachenwind
Broschiert: 288 Seiten
Verlag: Droemer/Knaur (1. September 2009)
ISBN-10: 3426782618
ISBN-13: 978-3426782613

Hans-Jörg Karrenbrock, Miriam Özalp: Abschied für immer

Hans-Jörg Karrenbrock, Miriam Özalp: Abschied für immer

Es gibt Dinge, über die spricht man nicht gerne. Und doch muss man sich auch diesen Themen stellen. Im Buch geht es um das Abschiednehmen, also um den Tod, der nun mal auch zum Leben dazugehört. Der Umgang mit diesem Thema ist nicht leicht, eine Begegnung aber unvermeidbar. Mit dem Ratgeber ist eine Annährung möglich. Die vielen Fragen, die man hat, werden hier beantwortet.

Aufgeklärt wird zunächst über das Geheimnis des Sterbens. Die Autoren erzählen, was mit dem Menschen passiert und mit seinem Körper. Es werden auch Vermutungen angestellt, was nach dem Tod kommen könnte. Dabei finden die verschiedenen Religionen Beachtung. Besonders interessant ist hier die Frage, ob der Mensch eine Seele hat.

Es ist ungeheuer traurig, zu erleben, wenn ein Mensch stirbt. Die Autoren leisten hier Beistand und vermitteln Trost. Ist es kein plötzlicher Tod, dann läuft dieser Vorgang meistens in bestimmten Phasen ab, die im Buch aufgezeigt werden. So lernt man die Gefühle des Sterbenden, aber auch seine eigenen ein wenig besser kennen. Auch die Frage, wie Sterbebegleitung aussehen kann, wird beantwortet. Gerade wer sich hilflos fühlt, findet hier viele Ratschläge.

Was nach dem Tod passiert, wird ebenfalls erörtert. Man erfährt, welche Bestattungsformen es gibt oder welche Rituale nun inszeniert werden. Auch mit der Trauer wird man nicht allein gelassen. Man erfährt wie andere sich fühlen, und diese Gefühle aufarbeiten. Und man liest, wie man den verlorenen Menschen in Erinnerung behalten kann.

Eingegangen wird im Buch auf konkrete und mögliche Situationen. Immer wieder sind Erfahrungen in die Texte eingegliedert. Die Autoren gehen sehr sensibel mit dem Thema um und zeigen sich ausgesprochen verständnisvoll, so dass die Lektüre des Buches tatsächlich schon für ab 10-jährige geeignet ist.
Es wird sehr offen umgegangen mit dem Thema. Die Autoren räumen auf mit Klischees, sind aber sehr offen für das, was Menschen glauben. Mit ihrem Buch versuchen sie Ängste zu nehmen und sie spenden Trost.

Rezension von Heike Rau

Hans-Jörg Karrenbrock / Miriam Özalp
Abschied für immer
Vom Umgang mit Trauer und Tod
128 Seiten, Klappenbroschur
ab 10 Jahren
Verlag Carl Ueberreuter
ISBN-10: 3800016117
ISBN-13: 978-3800016112

Majella Lenzen: Das möge Gott verhüten

Majella Lenzen: Das möge Gott verhüten

Eine Nonne auf Abwegen?

Was Majella Lenzen in ihrem Orden als Nonne und als Missionarin von 1959 -1992 in Afrika erlebte, hat sie aufgeschrieben und öffentlich gemacht, indem sie neben ihren menschlichen Erfahrungen über eine Kirchenordnung berichtet, die gravierende Realitätsnähe vermissen lässt.

Sie ist als junge Frau aus tief gläubigem katholischem Elternhaus in den Orden der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut eingetreten, überzeugt davon, dass Missionsarbeit ihrem inneren Bedürfnis entspricht.
Schon früh gerät sie mit den strengen Ordensregeln in Konflikt, die sie jedoch nicht von ihrem weiteren Weg abhalten.

Ausführlich und überzeugend beschreibt sie, wie sie nach dem Ende ihrer Ausbildung zur Krankenschwester ihre ersten Erfahrungen in Afrika sammelt. Ihre Einsatzorte sind Kenia, Tansania und Simbabwe. In Tansania baut sie ein Krankenhaus auf, erfährt größte Armut, begegnet Patienten mit schweren Krankheiten und lernt das Leben unter ärmlichsten Bedingungen kennen. Sie ist erfüllt von ihrer Aufgabe, zu helfen und treibt Raubbau mit ihren Kräften, so dass sie mehrfach erkrankt. Voller Enthusiasmus widmet sie sich ihren Patienten, verantwortungsbewusst und getrieben von einem bewunderungswürdigen Elan. Mit wachem Blick und kritischem Bewusstsein beobachtet sie, was aus den ehemaligen Kronkolonien wird. Sie sieht sich täglich mit dem sozialen Gefälle und mangelnder Gerechtigkeit konfrontiert.

Den Konflikt ihres Lebens aber erlebt sie in der ständigen Auseinandersetzung mit der Amtskirche in Rom, die fern aller Lebensnähe ihre Regeln verkündet und jene, die sich widersetzen, ausgrenzt.

Der energisch betriebenen Verbesserung der Gesundheitsvorsorge werden durch absurde Ordensregeln Grenzen gesetzt. Kondome bleiben von der Amtskirche an höchster Stelle verboten, doch bieten sie die einzige Möglichkeit, der weit verbreiteten Seuche Aids in Afrika Einhalt zu gebieten. Sie lösen den Konflikt aus, an dem Schwester Lauda, wie sie mit Ordensnamen heißt, bei der Bekämpfung der Krankheit, die tiefes Leid und Unglück verursacht, scheitert.
Nach abenteuerlichen schweren Einsätzen an verschiedenen Orten in Afrika wird sie des Ordens verwiesen und kehrt enttäuscht aber nicht gebrochen in ihrem Glauben in ihre Heimat zurück.

Ein anrührendes Stück Menschlichkeit wird mit diesem Buch sichtbar. Die mutige, energische, aufopferungswillige und tatkräftige Frau hat mit ihrem Einsatz zahlreichen kranken Menschen in den afrikanischen Entwicklungsländern geholfen. Die Kirche würdigt nicht ihre Taten, sondern besteht auf der Erfüllung eng gefasster Glaubensregeln. Sie verliert den Überblick über das, was machbar und was hilfreich ist. Eine Kirche der Verirrung?
Die Gläubigen werden selber um menschlichere Rechte und machbare Glaubensauslegungen streiten müssen!

Majella Lenzen
Das möge Gott verhüten
Gebunden 288 S.
Dumont Verlag
ISBN-10: 383219519X
ISBN-13: 978-3832195199

Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

Es ist einige Jahre her, seit die achtjährige Scarlett verschwunden ist. Es war Mord und Jonathan Krumbholz büßt dafür. Der geistig zurückgebliebene junge Mann hatte ein Geständnis abgelegt. Dass er es später widerrufen hat, ist ohne Bedeutung. Und auch dass die Leiche nicht gefunden wurde, ändert nichts daran. Kommissar Polonius Fischer ist dementsprechend überrascht, als ihn ein Brief eines ehemaligen Schulfreundes von Scarlett erreicht, der behauptet, das Mädchen gesehen zu haben.

Fischer hat nie so richtig an die Schuld von Krumbholz geglaubt. Doch als er jetzt noch einmal mit Scarletts Mutter und ihrem Lebensgefährten, von dem sie mittlerweile getrennt lebt, spricht, wachen die alten Zweifel wieder auf. Unbehagen erfüllt ihn. Doch ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen, ist aussichtslos. So beginnt Fischer illegal zu ermitteln und kommt bald weiteren Ungereimtheiten auf die Spur.

Polonius Fischer hat seine professionelle Distanz diesem Fall gegenüber verloren. Möglicherweise weil seine Nerven blank liegen. Seine Freundin, eine Taxifahrerin, wurde überfallen und übel zugerichtet. Sie liegt im Krankenhaus. Deshalb nimmt er den Fall um Scarlett persönlich.

Der Krimi ist nicht im herkömmlichen Sinne spannend. Es gibt keine rasanten, spektakulären Szenen. Dafür hat er Tiefgang im psychologischen Sinne.
Fischer ist diesmal Alleingänger. Seine Kollegen ziehen nicht mit. Selbst Liz, seine berufliche Partnerin, versteht ihn nicht. Sie kann ihn aber auch nicht von seinen Plänen abbringen. Fischer beißt sich fest. Er gerät gefühlsmäßig ins Chaos und verstrickt sich.

Früher war Polonius Fischer einmal ein Mönch. Seine Denkweise ist also eine andere, als die seiner Kollegen. Er bekommt seine Gefühle nicht unter Kontrolle, gerät in eine psychische Ausnahmesituation. Der Autor vermittelt dem Leser dieses Gefühlschaos sehr genau. Das ist nicht einfach zu lesen. Man kommt selbst ins Nachdenken und Grübeln, gerät fast so wie Fischer an den Rand der Verzweiflung.
Der Blick, der auf die Personen gerichtet wird, die mit Scarlett zu tun hatten, geht tief. Hier tun sich Abgründe auf, die man nie für möglich gehalten hätte. Der Autor sorgt mit Nachdruck dafür, dass man sich dem nicht entziehen kann.

Rezension von Heike Rau

Friedrich Ani
Totsein verjährt nicht
284 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag
ISBN-10: 3552054707
ISBN-13: 978-3552054707

Dr. Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

Dr. Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

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Dr. Olivier Ameisen schildert in seinem Buch, wie er den Kampf gegen die Alkoholsucht gewonnen hat und gibt damit Betroffenen neue Hoffnung

Es ist eine spektakuläre Entdeckung die Dr. Ameisen dazu bewogen hat, diese Buch zu schreiben. Er hat ein Heilmittel gegen seine Alkoholsucht gefunden. Dem voraus geht eine lange Karriere als Alkoholiker, von der er berichtet. Dr. Ameisen erzählt von seinen für ihn nicht auszuhaltenden Angstzuständen, die er nur mit dem Griff zur Flasche ertragen konnte.
Dr. Ameisen beweist durch seinen beruflichen Erfolg, dass es ihm nicht an Willenskraft und Entschlossenheit fehlt. Er geht gegen seine Sucht mit Entzug, Therapien und Medikamenten an. Lange Zeit gesteht er vor anderen seine Alkoholprobleme nicht ein, hofft immer wieder einen Weg zu finden, davon loszukommen. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich allerdings immer mehr, so dass Dr. Ameisen nicht mehr als Arzt praktizieren kann. Was die Alkoholsucht betrifft, forscht er weiter. Er ist der Ansicht, dass er der Sucht nur entkommen kann, wenn die Grundursache, seine Angstzustände, behoben sind. Eines Tages hört er von dem muskelrelaxierenden Medikament Baclofen. Seit Jahren wird es erfolgreich eingesetzt. Laut neuesten Studien scheint es auch gegen Suchverhalten zu helfen. Hellhörig geworden, recherchiert er nach und kommt zu der Ansicht, dass es für ihn infrage kommt. Kein Arzt will ihm das Medikament verschreiben, nicht gegen die Sucht. Gegen seine Muskelverkrampfungen dagegen schon, auch wenn er die Dosierung so für ihn nicht stimmt. Im Selbstversuch gilt es herauszufinden, wie Baclofen bei ihm wirkt. Der Erfolg ist als spektakulär zu bezeichnen.

Dr. Olivier Ameisen beschreibt im Buch seinen langen Leidensweg als Alkoholiker. Es ist schwer mit anzusehen, wie er trotz seiner Intelligenz und seiner Willensstärke es nicht schafft, die Sucht zu besiegen. Als Arzt weiß er, dass vielmehr dahintersteckt, dass es nicht ausreicht sich zusammenzureißen und den ärztlichen Rat zu befolgen. So erklärt er das Wesen dieser Krankheit auf anschauliche, nachvollziehbare Art und Weise. Als Leser kommt man nicht umhin, Vorurteile über Bord zu werfen.
Die Entdeckung, dass Baclofen gegen Süchte helfen könnte, ist spektakulär. Dr. Ameisen ist praktisch der Erste, der beweist, dass diese Annahme stimmt. Das bedeutet aber nicht, dass nun jedem Suchtkranken Baclofen zur Verfügung gestellt werden kann. Was es für ein langer Weg dahin ist, beschreibt Dr. Ameisen in seinem Buch ebenfalls. Schließlich soll das Medikament sicher sein in der Anwendung. Bürokratische Hürden müssen genommen werden. Studien sind teuer und aufwändig. Es ist zermürbend mit anzusehen, wie viele Jahre ins Land gehen, wo doch die Hilfe für Suchtkranke zum Greifen nah scheint. Dr. Ameisen gibt nicht auf. Als Arzt hat er die Möglichkeit sein Ziel voranzutreiben. Und auch das Buch wird ein Stück weit dazu beitragen. Es ist für Betroffene, Angehörige, Ärzte, Therapeuten, Forscher und Interessierte eine spannende Lektüre.

Rezension von Heike Rau

Dr. Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht
in Zusammenarbeit mit Hilary Hinzmann
Aus dem Englischen von Ursel Schäfer
320 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN: 978-3888975851
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Liliane Lerch: Datura

Liliane Lerch: Datura

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Liebe unter der Bedrohung von schwerer Krankheit und Tod.

Liliane Lerch berichtet in ihrem Erstlingsroman von einer ungewöhnliche Liebesgeschichte, die in Kalifornien um 2001 spielt. In der Mojave- Wüste nicht weit von Los Angeles entfernt führt das Schicksal die beiden Hauptprotagonisten zusammen, die Journalistin Emma De Antoni und den Innenarchitekten Jackson Carver. Beide beherrschen das Geschehen im Roman, in dem es um die ganz große Liebe geht.

Jackson betreibt mit seinem Freund Frank einen Antiquitätenladen, der mit dem Namen einer Wüstenpflanze betitelt ist: Datura. Hier findet Emma die schönsten Möbel für ihr kleines Haus, das sie kürzlich erworben hat. Geheimnisvoll und interessant wirkt der schweigsame Jackson auf sie, und sie kann sich seiner Anziehung kaum entziehen. Sie weiß nicht, dass Jackson schwer krank ist. Bei den zunächst noch seltenen Begegnungen zeigt sich Jackson eher zurückhaltend und scheu. Doch je häufiger sie zusammen kommen, desto beeindruckender wirkt seine schlanke und müde Erscheinung.
Jackson verliert sich in Liebe zu Emma, und sie erwidert seine Liebe uneingeschränkt.
Jackson entstammt einer weitläufigen Familiensippe. Seine Krankheit wird sehr bald zum großen Thema des Romans, denn sie ist die Folge eines kurzen ausschweifenden Lebens in seiner Jugend. Die Liebe von Emma und Jackson wird durch sie schwersten Prüfungen unterzogen. Welchen Anfechtungen sich Emma ausgesetzt sieht, das versteht die Autorin mit psychischen und medizinischen Details auszuschmücken. Freundschaften zerbrechen, und Freundschaften wachsen mit den Anforderungen von Jackson Krankheit. Seine Familie zeigt sich trotz der Zugehörigkeit zu der Sekte der Mormonen liebevoll und hilfsbereit.

Atmosphärisch gelungen erscheinen die malerischen Ausflüge in die Wüste. Die Besuche in New Mexico und in Santa Fe liefern Beispiele dafür, wie es sich in den amerikanische Südstaaten mit der Natur, dem Klima und den volksnahen Lebensformen der Indios lebt. Essen und Trinken, das ausgedehnte Familien -und Freundesleben werden durch die Schilderungen von Liliane Lerch höchst lebendig. Bleibend ist der Eindruck einer langen, quälenden Krankheit, die Emma und ihre Zuverlässigkeit auf eine anhaltende und lange Probe stellt. Liliane Lerch hat eine spannende Geschichte ersonnen, die voller Herz und Schmerz steckt. Das ist ein Schmöker, der sicher viele Leser erfreuen wird!

Liliane Lerch stammt selber aus der Schweiz wie ihre Protagonistin und lebt heute ebenso wie diese in der Mojave –
Wüste und in Los Angeles.

Liliane Lerch
Datura
336 Seiten, gebunden
Atrium Verlag
ISBN-10: 3855354308
ISBN-13: 978-3855354306