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Monat: Mai 2011

Pascal Mercier: Der Klavierstimmer

Pascal Mercier: Der Klavierstimmer

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Mit dem „Klavierstimmer“ hat der Autor Pascal Mercier erneut einen Roman geschaffen („Perlmanns Schweigen“, „Nachtzug nach Lissabon“), auf den sich der Leser zunächst erst mal einlassen muss, um dann mit fortschreitender Seitenzahl umso tiefer in seinen Bann gezogen zu werden. Rasante Aktionen darf der Leser nicht erwarten, eher zahm und einfühlsam wird er in eine Atmosphäre hineinmanövriert, die ihn bald nicht mehr loslassen wird. Dabei ist es unerheblich, ob sich der Leser in dem zugrunde liegenden Milieu (im vorliegenden Fall das der klassischen Musik, besonders der Oper) auskennt oder ob es ihm fremd ist. Es wird sich ihm erschließen.

Das Zwillingspärchen Patricia und Patrice, die als Erwachsene bereits lange und weit von zuhause entfernt leben, erfahren, dass ihr Vater einen berühmten Opernsänger erschossen hat. Sie eilen zu ihren Eltern und erfahren bei ihren Recherchen sehr viel über sich selbst und über das Leben ihrer Eltern.

Der Autor bedient sich bei der Erzählung der Lebensgeschichten einer eher ungewöhnlichen Erzählmethode. Die Geschwister haben ihre Recherchen nämlich akribisch in Hefte geschrieben, die sie sich gegenseitig zusenden. Sie sprechen sich in Briefen in zweiter Person an, was allein für ein Roman schon ungewöhnlich ist. Auf diese Weise bewegt sich der Leser aber in den Köpfen der Erzähler, deren Hefte im steten Wechsel, eines nach dem anderen vorgestellt werden. Er scheint in deren Gedanken zu dringen und die intimen Gespräche von Bruder und Schwester zu belauschen.
Zwischendurch wird immer wieder in die Position eines Erzählers in dritter Person gewechselt. Das geschieht immer dann, wenn die Geschwister von ihren Gesprächen mit Vater und Mutter berichten und diese dann im Dialog mit ihren Kindern aus ihrem eigenen Leben beziehungsweise aus dem des Ehepartners oder über ihn erzählen.

Mit dieser Erzählmethode gelingt es dem Autor, dem Leser eine sich immer wieder wendende Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven näher zu bringen. Der Mord an dem Opernsänger ist dabei nur das Mittel zum Zweck, der darin besteht, höchst unterschiedliche Menschen in all ihren Facetten, Details, Marotten und sonstigen Eigenschaften vorzustellen. Die Wendungen in der Struktur der Familie und dem Geschehen, welches dem Schreiben der Notizen unmittelbar vorausgegangen ist, kommen meist überraschend und verblüffen umso mehr. Schritt für Schritt, aber mit zunehmendem Tempo wird der Leser über die Familienverhältnisse, über die Umstände, die zum Tod des Opernsängers führten und über den tatsächlichen Ablauf des Geschehens aufgeklärt. Was sich für manch einen Krimienthusiasten anfangs noch langatmig anfühlt, ist am Ende eine packende Geschichte, die man kaum aus der Hand legt, bevor man die letzte Seite nicht gelesen hat.

Mit Interesse verfolgt man, was die Zwillinge über sich, über ihre Eltern erfahren, über die Kälte in der Familie, die in ihrer Tiefe doch eine unendliche Wärme darstellt. Ein Buch voller Gefühle, voller auf und ab, voller hin und hergerissen sein. Dabei gelingt dem Autor am Ende noch ein Schwenk zum humorigen, wenn Patrice von seinen ersten Jahren in Chile erzählt und die Macht eines Übersetzers entdeckt und feststellt, dass er dabei wohltätig sein kann, genauso, wie er diejenigen Ausländer mit seinem Dolmetschen unmöglich macht, deren Nasen ihm nicht passen.
Lesevergnügen für viele Stunden!

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Mercier, Pascal
Der Klavierstimmer
512 Seiten, broschiert
btb Verlag
ISBN-10: 3442726549
ISBN-13: 978-3442726547
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Justine Larbalestier: Lügnerin!

Justine Larbalestier: Lügnerin!

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Sie waren Freunde. Zach und Micah. Doch nur außerhalb der Schule. Deswegen gibt Micah die Freundschaft auch im Nachhinein nicht zu. Wozu auch? Zach ist tot. Auch als alle Schüler verhört werden, bleibt Micah dabei. Sie behauptet weiter, Zach kaum gekannt zu haben. Dabei sind die beiden so oft zusammen im Central Park gelaufen. Micah trauert. Heimlich. Sie vermisst Zach so sehr, dass sie an der Feuerleiter in sein Zimmer hinauf klettert. Aus der verlassenen Wohnung nimmt sie ein schmutziges Trikot mit als Erinnerung.

Offiziell war Zach mit Sarah zusammen. Auch deswegen möchte Micah nicht über sich und ihren Freund sprechen. Doch Gerüchte kommen auf. Fragen werden gestellt. Micah fühlt sich in die Enge getrieben. Sie hat noch viel mehr Geheimnisse. Ihre Familie verbirgt eines davon. In diesem Buch erzählt Micah davon. Doch wie sie selbst von sich sagt, ist sie eine Lügnerin. Anfangs glaubt man ihr, dass sie diesmal die Wahrheit sagt. Dann beginnt man zu zweifeln. Und bald weiß man sicher, dass sie zumindest in einer Sache lügt. Wie kann sie glauben, dass man ihr diese Geschichte abnimmt?

Es ist ein Buch, das betroffen macht. Die Autorin lässt Micah ihre Geschichte selbst erzählen. Sie will die Wahrheit erzählen, einmal das Lügen sein lassen. Ihr Freund ist ermordet worden. So etwas behauptet man nicht einfach. Es muss die Wahrheit sein. Man spürt, wie Micah leidet.
Doch sie bleibt nicht bei ihrer Geschichte. Bald werden dem Leser verschiedene Versionen angeboten. Eine davon ist so abenteuerlich, dass diese nur ausgedacht sein kann. Oder nicht?

Das Buch wird aus der Gegenwart heraus erzählt, durchmischt mit Rückblenden. Alles dreht sich um die eine Frage, ob Micah eine Mörderin ist. Ob sie etwas mit dem Mord an Zach zu tun hat. Möchte man eine Antwort darauf, muss man versuchen, die Lügen zu durchschauen bis nur noch die Wahrheit bleibt. Das zerrt an den Nerven. Das macht den Psychothriller aus. Hier ist sogar Platz für Übersinnliches.

Manchmal ist das Buch spannend, dann auch wieder nicht. Wenn man genervt ist, von den Lügen. Wenn jedes bisschen Realität auf der Strecke bleibt. Und doch wird man gefesselt. Glaubt sich in der Lage, die Wahrheit zu erkennen. Doch was wirklich Wahrheit und was Lüge ist, weiß nur Micah selbst.

Und so ist das Ende enttäuschend. Man wird allein gelassen. Was gerade für ein Jugendbuch nicht schön ist. Welche Schlüsse soll man ziehen? Was hat man gelernt? Was ist mit Micah wirklich los? Fragen über Fragen bleiben. Es ist eine wirklich undurchschaubare Geschichte. Bis zum Schluss.

Rezension von Heike Rau

Justine Larbalestier
Lügnerin!
Thriller
Aus dem amerikanischen Englisch von Kattrin Stier
400 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570160777
ISBN-13: 978-3570160770
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Fiona Hunter und Heather Whinney: Das Kochbuch für Diabetiker – Rezepte aus aller Welt

Fiona Hunter und Heather Whinney: Das Kochbuch für Diabetiker – Rezepte aus aller Welt

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Die Empfehlungen für die Ernährung von Diabetikern Typ 2 hat sich verändert. Längst sind die Diätvorschriften nicht mehr so streng. Ein Verzicht auf bestimmte Lebensmittel ist nicht mehr nötig. Vielmehr gilt, was im Grunde für jeden ratsam ist: Die Ernährung sollte gesund, ausgewogen und abwechslungsreich sein.

Der Informationsbedarf, wenn man erkrankt ist, ist hoch. Das vorliegende Buch ist daher nicht ausschließlich ein Kochbuch, sondern auch ein Ratgeber. Zunächst wird erklärt, worauf man beim Essen achten sollte. Hier wird gezeigt, wie die Lebensmittel den Blutzuckerspiegel beeinflussen und welche daher bevorzugt werden sollten.

Aufgestellt werden vier Gesundheitsziele, darunter ein akzeptables Gewicht zu erreichen und den Blutzuckerspiegel in einem gesunden Bereich zu stabilisieren.
Der Speiseplan beruht auf fünf wichtigen Punkten. Zum Beispiel mehr Obst und Gemüse zu essen und die Zuckerzufuhr zu reduzieren.

In den Rezepten spiegelt sich eine Ernährung mit Vollkornprodukten, Kohlenhydraten mit niedrigem Glykämischen Index, magerem Fleisch, fettarmen Milchprodukten und viel Gemüse und Obst wider.
Man erfährt, was man beim Einkauf beachten sollte und auch was wichtig ist, wenn man unterwegs isst. Um zu kontrollieren, was man zu sich nimmt, kann man ein Ernährungstagebuch führen. Ein entsprechender Vordruck ist vorhanden.

Zu jedem Rezept im Buch gibt es dann eine kleine Übersicht. Hier kann man auf einen Blick sehen, ob eine Speise hinsichtlich GI, Kalorien, gesättigten Fettsäuren, Zucker- und Salzgehalt in Ordnung ist.

Die Rezepte im Buch sind vielfältig. Zum Frühstück könnte es beispielweise einmal „Müsli-Pfannkuchen mit Beerenkompott“ geben. Wer eine Zwischenmahlzeit braucht, sollte einen Vorrat an Sesam-Hafer-Keksen haben. Wenn eine Suppe zum Mittagessen gekocht werden soll, könnte es die „Marokkanische Hähnchen-Kichererbsen-Suppe“ sein. Man kann aber auch einen Salat zum Mittagessen servieren. Vielleicht den „Salat von zweierlei Bohnen und Ziegenkäse“. Wer ein vegetarisches Abendessen bevorzugt, sollte „Gefüllte Paprika auf türkische Art“ probieren und wer etwas mit Fisch bevorzugt, „Würzige Makrele und Rote Bete aus dem Ofen“. Wer Fleisch mag, kann „Rindfleisch mit Zimt, Ingwer und Nudeln“ oder „Cajun-Hähnchen mit Mais-Salsa“ probieren. Auch Desserts fehlen nicht, wobei dann, wenn etwas mehr Süße gebraucht wird, der Zucker gegen Süßstoff, Ahornsirup oder Fruchtzucker ausgetauscht wird. Rezepte findet man unter anderem zu „Zuckerfreiem Pfirsichsorbet“ oder „Apfel-Walnuss-Strudel“.

Man hat also Kochbuch und Ratgeber zugleich. Das macht sich gut, weil man so alles über gesunde Ernährung erfährt, insbesondere hinsichtlich Diabetes 2, und sein Essverhalten dann sofort, indem man die Ratschläge und Rezepte nutzt, umstellen und verbessern kann. Der Text ist sehr verständlich gehalten und mit übersichtlichen Tabellen und Grafiken versehen.
Die Rezepte sind international. Man kann sich hier herrlich ausprobieren und auch einmal noch unbekannte Gerichte testen. Die Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind gut nachvollziehbar. Zu vielen Gerichten gibt es ein Foto. Diese Fotos sind ausgesprochen schön anzusehen. Da bekommt man direkt Appetit.

Es fällt allerdings auf, dass es keine Angaben zu den Broteinheiten, wie in Deutschland üblich, gibt. Man muss also selbst die angegeben Kohlenhydrate umrechnen. Bei der Zusammenstellung des Tagesplans muss man darauf achten, welche Speisen man auswählt. Die Kohlenhydrate variieren doch stark. Frühstücksgerichte beispielsweise liegen nach Umrechnung zwischen 0,3 und 4,3 BE. Es entstehen also auch noch Kommastellen, die die Berechnung der gesamten BE, die für den Tag erlaubt sind, komplizierter machen. Somit muss man an jedem Tag neu mit den Kohlenhydraten jonglieren, damit die Rechnung zum Schluss aufgeht.

Rezension von Heike Rau

Fiona Hunter und Heather Whinney
Das Kochbuch für Diabetiker – Rezepte aus aller Welt
256 Seiten, gebunden
DK – Dorling Kindersley Verlag
ISBN-10: 3831018421
ISBN-13: 978-3831018420
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Viveca Sten: Tod im Schärengarten

Viveca Sten: Tod im Schärengarten

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Mord und Beziehungsstress.

Dieser Krimi enthält zunächst alles, was zu einem guten Krimi gehört: gleich zu Anfang passiert ein Mord. Ausgerechnet der bekannte Wirtschaftsanwalt Oscar Juliander wird bei einer Segelregatta, an der er teilnimmt, ermordet. Das führt unweigerlich in die Welt der Reichen und Schönen. Da tummeln sich so allerhand Gerüchte um Liebschaften, eheliche Zerwürfnisse und nur notdürftig gekittete Beziehungen. Natürlich ist man auf diesem gesellschaftlichen Niveau schon arriviert, und Geld spielt eine wichtige Rolle.

Kommissar Thomas Andreasson hatte sich auf ein entspannendes Wochenende bei der Regatta gefreut, als er mit dem komplizierten Mordfall betraut wird. Er und seine Kollegin Margit Grankvist haben alle Hände voll zu tun, um Licht in das Dunkel um den Mord zu bringen.
Nora, die Kinderfreundin von Thomas, ist in Not, als sie ein Haus von einer geheimnisvollen alten Frau erbt, die in mehrere Morde verwickelt war. Ihre nicht sehr glückliche Ehe mit Hendrik erschwert eine Lösung, wie mit dem Haus zu verfahren sei.

Viveca Sten ist eine äußerst lebendige Schriftstellerin. Sie kennt sich aus in der schwedischen Landschaft, die zu ihren Ausführungen das Ambiente bietet. Man meint den Meergeruch zu schnuppern, wenn sie über die Segelschiffe im Schärengarten berichtet.

Familienbeziehungen spielen eine herausragende Rolle in diesem Roman, der atmosphärisch das schwedische Gesellschaftsleben in den Fokus rückt, insbesondere das der Reichen und Arrivierten. Die vielen Zeugenbefragungen bieten Gelegenheit, in die unterschiedlichen Milieus der Befragten Einblicke zu nehmen. Dabei rundet sich ein Gesellschaftsbild, das von Reichtum glänzt, im Inneren aber zerrüttete Familienverhältnisse offenbart.

Es dauert ein wenig, die vielen verwirrenden Namen zuzuordnen. Doch wer sich in den Roman vertieft, wird erbauliche Unterhaltung finden. Gerade der Reichtum im Kontrast zur inneren Zerrüttung der Familienverhältnisse  erzeugt einen differenzierten Einblick in eine Gesellschaft, die sich nach außen solide gibt und im Inneren morbide, kaputt und überdrüssig ist. Außer dem kriminalistischen Spot ist der Roman doch auch ein Gesellschaftsroman, der mit seinen Abhandlungen absolut gleichwertig neben der Kriminalhandlung steht. Leider zieht sich die Handlung durch die vielen Nebengeschichten in die Länge, so dass die Spannung, die der Roman zu Beginn verspricht, sich bald verflüchtigt. Der Roman ist unterhaltsamer für alle jene, die weitschweifige Unterhaltung lieben.

Viveca Sten
Tod im Schärengarten
363 Seiten, broschiert
Kiepenheuer & Witsch, April 2011
ISBN-10: 3462043021
ISBN-13: 978-3462043020
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