Dawn Tripp: Das Liebesspiel

Dawn Tripp: Das Liebesspiel

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Endlich mal wieder ein Buch über Menschen! Leider nur über eine bestimmte Sorte: über diffus leidende in sich Verstrickte. Alles beginnt 1957 damit, dass Ada Varick und Luce Weld ein Verhältnis haben. Beide sind verheiratet, Adas Mann offenbar jähzornig. Dann springt das Buch ins Jahr 2004 und man erfährt, dass irgendwann damals Luce erschossen worden war. Adas Mann gilt unter der Hand als der Täter, offiziell ist das aber nicht. Luce Tochter Jane hat inzwischen Familie und ausgerechnet ihre Tochter Marne verliebt sich in Ray, den jüngsten Sohn von Ada. Jane selbst hat – warum und wann auch immer – eine gewisse Freundschaft mit Ada geschlossen, sie treffen sich jeden Freitag zu Scrabble-Spielen.

Nun wird es bruchstückhaft: Die Autorin Dawn Tripp erzählt aus verschiedenen Blickwinkeln Episoden aus verschiedenen Jahren. Janes Passagen spielen im Jahr 2004, Marnes Erleben mit Ray ebenfalls. Erinnerungen sind eingewoben. Eine andere Erzählebene entfaltet sich 1962 aus der Sicht von Huck, einem Sohn Adas, der damals 14 ist. Brockenweise erfährt man von gestorbenen Kindern, irgendeinem Ingenieur, von schwierigen Mutter-Kind-Beziehungen, von alten Verbindungen, von Lebensweisen, Wohnverhältnissen, Gefühlslagen… Alles ist sorgsam konstruiert, angemessen komplex gebaut und in sich weitgehend logisch. Aber es wird nicht erzählt. Es fühlt sich an wie ein Detailgerüst, um dessen Streben irgendwas literarisch klingen Sollendes gepappt wurde, um die Infos mitteilen zu können. Dass es dabei manchmal schwierig ist, die Übersicht über die Personen zu behalten, ist ein unangenehmer Nebeneffekt. Nur die Ereignisse zwischen Marne und Ray – es „Geschichte“ zu nennen wäre angesichts der spärlichen Handlung übertrieben – folgen einem gewissen Fluss, bilden so etwas wie einen Plot.

Die Konstruktion der Welt, in der diese Figuren existieren (von leben kann kaum die Rede sein), ist durchaus gekonnt und spannungsreich. Nur die Darstellung ist quälend. Einmal quälend, weil über allem so eine dicke Decke aus Bedeutungsschwere und aus diffusem Leiden liegt; jede maßgebliche Figur scheint gefangen, gebrochen, abrundtief traurig – irgendwie kaputt eben. Und überall wabern Geheimnisse, unaussprechbare Dinge und nur vage erahnbare Fettnäpfchen. Immer, wenn etwas Schönes gezeigt wird – irgendwas aus der Natur zumeist –, dann dient selbst das scheinbar nur zum Erzeugen einer herzabdrückenden Wehmut. Quälend empfand ich auch die Sprache an sich. Massenhaft lyrische Bilder von Traurigkeiten oder voller vorgeblicher Bedeutungshaftigkeit haben daran ihren inhaltlichen Anteil; Sätze, deren Überladung, Bezugsunsauberkeiten und Flussbrüche in jeder Schreibwerkstatt moniert würden, verlangen deutlich mehr guten Willen ab, als sie zum Ausgleich an Sprach- oder Inhaltsentdeckungen bieten. Zum Glück ist es kein unlesbares Kauderwelsch.

Trotzdem: Abraten würde ich von dem Buch nicht. Man muss einen gewissen Hang mitbringen, sich in bitter-schmerzhafter Melancholie zu suhlen, nicht viel Wert auf Handlung legen und mit einer „dekorierten Auflistung“ von mehr oder (meist) weniger überraschenden Wendungen zufrieden sein. Auch sollte man sich nicht daran stören, dass an manchem ganz schön kaugummiartig herumgeheimnist wird, während anderes substanzlos in der Luft gehalten wird, um dieses gewisse, oben schon erwähnte Wabern aufrecht zu erhalten. Wenn man diese Voraussetzungen also mitbringt, dann erhascht man einen Blick auf eine nicht ganz gewöhnliche Konstruktion aus Verstrickungen von Menschen untereinander und in sich selbst, man kann die darin liegende Spannung spüren und deren Nicht-Lösen erleben. Facetten- und detailreich ist zwar auch anders, aber dafür kann man sich im Deuten von allerlei Symbolen und Neben-Botschaften üben.

Das Buch endet mit einer wirklich überraschenden, literarisch feigen und nicht ganz logischen Wendung in Bezug auf Janes und Adas Scrabble-Spiel. Und mit einer Versöhnung. Ach ja: Wer Luce Weld erschossen hat, das erfährt man natürlich auch.

Dawn Tripp
Das Liebesspiel
313 Seiten, gebunden
Arche Verlag
ISBN-10: 3716026638
ISBN-13: 978-3-7160-2663-2
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