Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S.

Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S.

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Wege und Irrwege.

Aus den bewegten sechziger Jahren, der 68-ziger Bewegung und einer Zeit des Aufruhrs und des Aufbruchs resultiert dieser kleine biographisch gefärbte Roman von Ulrike Edschmid.

Sie ist eine der Protagonistinnen, die in den Strudel der Ereignisse gerät, als die Unruhe und Auflehnung gegen die „Alten“ das Leben der damals jungen Generation durcheinander gewirbelt hat.

Früh schon hat die Icherzählerin einen kleinen Sohn von einem Mann, der sich davon gemacht hat. Als sie Philip S. kennen lernt, ist sie fasziniert von diesem in sich gekehrten, leisen Mann. Er ist ein stiller Rebell, der seine schweizerischen Eltern und ihr bürgerliches Leben aufgegeben hat. Ohne Gepäck und besessen alleine von der Fotografie und dem Filmemachen lebt er mit der Icherzählerin das Leben der Boheme in abgerissenen Wohnungen in Berlin und immer im Strudel der Ereignisse. Als Rudi Dutschke angeschossen wurde und Benno Ohnesorg starb, sind die beiden liiert. Sie fahren einen Sommer lang nach Rom im Wohnungstausch mit einem sozialistischen Professors.

Ulrike Edschnid schreibt einen abgerissenen Stil. Kurz und teilweise nur in Andeutungen formuliert, bekommt man die beklemmende Atmosphäre mit, in der sich das Leben unter der Ägide zahlreicher aufrührerischer Studenten abspielte. Die Zeit von A.S. Neill’s „Summerhill“ und seine freie Pädagogik ist en Vogue. Man gründet die ersten Kinderläden und allenthalben wird die bürgerliche Ordnung vergangener Jahre in Frage gestellt. In diesem Milieu geht die sichere Orientierung an alten und bewährten Lebensmustern von zugegebenermaßen zuweilen auch miefigen und spießigen Lebensformen verloren.

Die vermeintliche Freiheit und auf ihre Weise auch wieder Angepasstheit und Unterdrückung wird fassbar in kurzen und fast neutralen Erzählungen, mit denen Ulrike Edschmid über ihr damaliges Leben berichtet.

Es ist eine schwere und bleierne Zeit. Aus den Anfängen der Freiheitsbewegung entwickelt sich die militante RAF (Rote Armee Fraktion) mit dem Ziel des politischen Umsturzes. Philip S. ist ein sensibler Freund und Ersatzvater für Ulrike Edschmids Sohn. Doch auch er wird in den Sog des Untergangs gezogen.

Ulrike trennt sich zaghaft und besonnen von ihm, während er seinen verwirrten eigenen Regeln folgt.

Eine atmosphärische überzeugende Sozialstudie ist der Autorin gelungen. Man kann nachfühlen, wie zerrissen die jungen Frauen und Männer waren. Auf unterschiedliche Weise suchen sie Lösungen für ihre Traumata aus autoritären Erziehungsstilen und Orientierungslosigkeit. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Handeln und gleiten ab in den Terrorismus.

Auch in anderen Ländern, besonders in Frankreich, fanden revolutionäre Auswüchse statt. Sie hatten allerdings keine  vergleichbar tragische Dimension wie in unserer deutschen Vergangenheit mit ihren zahlreichen Opfern, die als Folge irre geleiteter Täter zu beklagen waren.

Wer sich ein Bild machen will von diesen politisch aufregenden und strapaziösen Phasen unserer Geschichte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, kann das hier erfahren.

Ulrike Edschmid schreibt feinfühlig, traurig und angerührt von den Ereignissen. Sie richtet den Fokus allein auf die Unruhe und das Abgleiten ihres Freundes in die Terrorszene, so als sei das eine zwingende Entwicklung gewesen, die niemand aufhalten konnte.

Sehr lesenswert!

Ulrike Edschmid
Das Verschwinden des Philip S.
157 Seiten, gebunden
Suhrkamp Verlag, März 2013
ISBN-10: 3518423495
ISBN-13: 978-3518423493
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