Peter Schneider: Die Lieben meiner Mutter

Peter Schneider: Die Lieben meiner Mutter

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Krieg und Liebessehnsucht. Eine Familienstudie.

Peter Schneider geht weit zurück in seinen hier vor liegenden Erinnerungen. Er  beschreibt das Leben seiner Eltern und seine eigenen ersten Jahre während und nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er 1940 geboren wurde. Viel weiß er nicht über seine Eltern. Doch anhand von Briefen seiner Mutter kann er aufschlüsseln, dass sie neben ihrem Mann Heinrich einen zweiten innig liebte und mit diesem auch zusammen war. Beide Männer waren an der Oper tätig, die aus Gründen der Propaganda seitens des Reichspropagandaministers Goebbels noch bis weit in das Kriegsjahr 1943 mit ihren Spielplänen erhalten geblieben war, bevor auch das letzte Aufgebot an Männern an die Front geschickt wurde. Andreas war Regisseur, Peter Schneiders Vater Heinrich war Dirigent.

Die Mutter hatte den Vater jung geheiratet und bekam insgesamt nach einander vier Kinder. Dass sie dafür eigentlich zu schade war, bescheinigt ihr der Liebhaber Andreas. Es bleibt klar, dass die Mutter zwei Männer liebte. Diese waren Freunde und duldeten einander. Peter Schneider erfährt von den Liebschaften seiner Mutter wohl erst durch ihre spät gelesenen Briefe.

Aus seinen Impressionen und Recherchen schält sich ein Künstlerleben heraus, in dem häufig finanzielle Not herrschte. Die Kriegsjahre überstand die Familie einigermaßen unbeschadet nur mit Hilfe der Näharbeiten seiner Mutter.

Die aufgefundenen Briefe sind aufschlussreich im Hinblick auf die Toleranz aller Beteiligten in den Dreiecksbeziehungen. Andreas liebte seine Freiheit, Heinrich liebte seine Frau über alles, und Schneiders Mutter liebte beide gleichzeitig. Für die Sitten und Moral in jenen fernen Zeiten ist das eine seltene Konstellation.

Die Form der Biographie, in der hier berichtet wird, ist ungewöhnlich. Aus dem facettenreichen Leben der Mutter kann der Sohn sich zusammenreimen, wie sie ihr Eigenleben neben der Arbeit und der Fürsorge für ihre Kinder gestaltet hat. Da gab es Hingabe, Entsagung und die Gabe, sich fröhlich zu vergnügen. Es gab aber auch die Schwermut, die zuletzt das Leben dieser liebessehnsüchtigen Frau zu zerstören schien. Zwei Themen werden hier abgehandelt: die Kindheit als Flüchtlingskind in einem Dorf in Bayern und die Sehnsüchte einer liebebedürftigen Mutter.

Die Endzeitstimmung des Zweiten Weltkriegs wird authentisch wiederbelebt. Untergang und Flucht aus der zerstörten Stadt Dresden unter unglaublichen Kriegsbedingungen werden so hautnah beschrieben, dass man glaubt, man wäre dabei gewesen. Eine Frau mit vier kleinen Kindern brauchte Energie, Kraft und Lebensmut, um diesem Zumutungen standzuhalten. Daneben konnte sich die Mutter wohl nur durch ihre Liebesbriefe und eine unersättliche Leidenschaft zu verschiedenen Männern am Leben halten. Dass ihr eigener Mann durch alle Widrigkeiten und Nebenliebschaften zu ihr gehalten hat, war Trost und  Hilfe für die geplagte Mutter.

Peter Schneider gehörte einst zu der so genannten 68 sechziger Generation, die scharf mit der Elterngeneration abgerechnet hat. Erst spät erfährt er, dass sein Vater zwar kein Nazi war aber doch stillgehalten hat, um seine Position an der Oper nicht zu gefährden.

Vermutlich ist es nicht leicht, einer Mutter mit diesem bewegten Innen- und Außenleben die angemessene Würdigung entgegen zu bringen. Peter Schneider ist das gelungen.

Peter Schneider
Die Lieben meiner Mutter
304 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Mai 2013
ISBN-10: 3462045148
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