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Kategorie: Historischer Roman

Dirk Schümer: Die schwarze Lilie

Dirk Schümer: Die schwarze Lilie

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Wittekind Tentronk ist vor zwei Jahren nach Florenz gekommen. Die Pest wütet in einem unvorstellbarem Ausmaß. Und doch hat er eine heimliche Liebe gefunden. Cioccia, die sich für Waisenkinder einsetzt, verpasst ihm gegen seinen Willen einen Knecht und eine Magd. Er kann es sich leisten, schließlich arbeitet er für den reichen Bankier Pacino Peruzzi, erledigt Botengänge oder ist in einer anderen Mission unterwegs.

Wittekind sieht es als leichtes Unterfangen an, Ruffo zurückzuholen, so wie es Pacino ihm aufgetragen hat. Er kann sich denken, wo er ihn auflesen kann und hofft am Abend zurück zu sein.
Die Reise gestaltet sich kurzweilig, denn Knecht Lapo, der alle Schutzheiligen zu kennen scheint, ist als Reisebegleiter sehr unterhaltsam.

Vor Ort angekommen, findet sich jedoch keine Spur des Vermissten. Lapo macht Wittekind auf ein ein Wäldchen aufmerksam, das undurchdringlich scheint. Und doch entdecken sie hier einen versteckten Pfad. Er führt zu einer verlassenen Kapelle. Und hier finden sie die Leiche von Ruffo am Kreuz. Pacino Peruzzis Sohn ist tot. Die Art und Weise wie er zu Tode kam, kann als Botschaft aufgefasst werden. Oder ist es, wie Pacino meint, eine Kriegserklärung? Die folgenden Ereignisse lassen bei Wittekind einen schlimmen Verdacht aufkommen.

„Die schwarze Lilie“ ist die Fortsetzung von „Die schwarze Rose“. Allerdings habe ich dieses Buch nicht gelesen. Da es sich hier um einen abgeschlossenen Roman handelt, ist das auch nicht unbedingt nötig.

Man taucht tief ein in das Buch, der Autor schreibt detailreich und ausschweifend. Webt Geschichten in die Geschichte hinein, und das alles vor einem perfekt in Szene gesetzten historischen Kulisse. Erkenntnisse und Erfindungen werden eingestreut. Auch hat die ein oder andere bekannten Persönlichkeit dieser Zeit einen Auftritt.

Der historische Roman wirkt atmosphärisch dicht. Mich hat besonders fasziniert, dass die Handlung aus dem Alltagsleben heraus entwickelt wurde. Das Hauptaugenmerk liegt nicht unbedingt auf den Bankgeschäften der Casa Peruzzi und doch sind Einfluss, Macht und Geld die treibende Kräfte im Hintergrund.

Das Lesen verlangt ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und teilweise erschien mir das Buch etwas langatmig. Es ist aber durchsetzt von überaus spannenden Szenen und das Ende ist eine echte Überraschung.

Rezension von Heike Rau

Dirk Schümer
Die schwarze Lilie
608 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag, Juli 2023
ISBN-10: 3552073566
ISBN-13: 978-3552073562
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Edvard Hoem: Die Hebamme

Edvard Hoem: Die Hebamme

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Der Autor hat sich mit diesem Buch der Lebensgeschichte seiner Ururgroßmutter Marta Kristine Andersdatter Nesje angenommen, geboren 1793. Er hat Dokumente ausfindig gemacht, aus Kirchenbüchern Details übernommen, die Aussagen über sie und ihr Umfeld machen, und die geschichtlichen Hintergründe und damaligen Traditionen recherchiert, um daraus eine Geschichte zu konstruieren, die ich als sehr gelungen und einfühlsam empfinde.

Marta Kristine ist die älteste Tochter des Schuhmachers Anders Knudsen und seiner Frau Karen. Sie ist an vielen Dingen interessiert und hinterfragt selbstbewusst, was sie nicht versteht.

Schon in der Schule begegnet sie Hans und es scheint, als haben beide eine gemeinsame Zukunft vor sich. Tatsächlich werden die beiden ein Paar, doch es sollen viele Jahre ins Land gehen, bis Hans ein Häuschen am Fjord baut und sie es beziehen. Den Wunsch, Hebamme zu werden, hat Marta Kristine frühzeitig, aber ihn durchzusetzen ist eine andere Sache. Pastor Stubbe ist es, der ihr einen Weg eröffnet. Allerdings wird diese doch sehr kurze Ausbildung nicht von allen werdenden Müttern anerkannt. Sie setzen lieber auf Frauen aus ihrem Umfeld, die bei der Geburt unterstützen.

Wieder vergehen Jahre und es eröffnet sich die Möglichkeit, im von der Westküste Norwegens weit entfernten Christiana, eine umfassende Weiterbildung zu absolvieren. Nur hat sie zu diesem Zeitpunkt schon eine Familie. Dennoch entschließt sie sich dafür und lässt Mann und Kinder zurück. Es ist ihr wichtig und auch unbedingt notwendig, etwas zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen zu können. Doch die Mütter haben kaum das Geld, sie zu bezahlen. Es sind schwere Zeiten und Hans wird immer schwermütiger, hat er im Krieg seine Kameraden sterben sehen.

Das Buch schließt ab mit dem Tod von Marta Kristine, die mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen leben musste und viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte. Der Autor beschreibt den Alltag, das Dorfleben und bezieht hier die Jahreszeiten mit ein.

Die Geschichte der Hebamme ist sehr eindrucksvoll, tiefgreifend und detailreich geschrieben, durchwoben von Melancholie. Man wird gefangen genommen von Marta Kristines Lebensweg, den sie sich erkämpft hat, und der sehr zu Herzen geht. Sie war eine fortschrittliche Frau und offen für neue medizinische Kenntnisse, die sie als Hebamme nutzen konnte. Diese längst vergangene Zeit lebt mit diesem Buch noch einmal auf und ich habe mich beim Lesen ein bisschen wie eine Zeitreisende gefühlt.

Rezension von Heike Rau

Edvard Hoem
Die Hebamme
Aus dem Norwegischen von Antje Subey-Cramer
352 Seiten, broschiert
Unionsverlag, März 2023
ISBN-10: 3293209726
ISBN-13: 978-3293209725
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Joseph Roth: Hiob

Joseph Roth: Hiob

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Es gilt in dem vorliegenden Roman von Joseph Roth einen der großartigsten Schriftsteller der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts aus dem jüdischen Milieu Ostgaliziens neu zu entdecken oder wiederzuentdecken.

Der LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag hat den Roman neu aufgelegt und damit in den Blick des geneigten Lesepublikums gerückt.

Hiob, die biblische Leidensfigur des Alten Testamentes, findet sich in der Figur des Mendel Singer im Roman wieder. Er ist jüdisch-orthodoxer Thoralehrer in einem fiktiven Dorf in Ostgalizien.

Man fühlt sich sofort in die ärmliche Schule mit dem frommen Rabbi versetzt, wenn man die ersten Zeilen liest. Mendels Frau und seine drei Söhne mit der Tochter Miriam gehören als Familie dazu.
Das Leben ist karg und die Lebensbedingungen hart.
Der jüngste Sohn Menuchim ist zudem ein Krüppel, der nicht recht gedeihen will.

Mendel Singer muss viel Leid erfahren in seinem Leben. Ein Sohn geht zum Militär, der andere entzieht sich und wandert aus nach Amerika. Miriam aber lässt sich mit den Soldaten ein und bringt Schande über ihn.

Schließlich wird Mendel mit Frau und Tochter von seinem Sohn Schemarjah, der sich jetzt Sam nennt, für ein besseres Leben nach Amerika geholt. Menuchim müssen sie zurücklassen.

Der erste Teil des Romans ist ganz der Atmosphäre im Schtetl gewidmet. Nachbarn, Freunde und die kleinen Freuden des Alltags sind bildreich beschrieben. Man hört viel Wehklagen und Seufzen aus dem Werk. Deborah führt den Haushalt, und Mendel beklagt sein Schicksal, das ihm in Gestalt seiner vier Kinder so viel Kummer verursacht.

Im zweiten Teil folgt der große Aufbruch nach Amerika!

Amerika ist so ganz anders als das bisherige Leben der beiden Alten! Sie können sich an die neue Umgebung und das aufstrebende Land mit seinem hektischen Gebaren nur schwer gewöhnen. Als Deborah vor Gram stirbt, und Miriam einen psychischen Zusammenbruch erleidet, bleibt Mendel alleine im Hause seines Sohnes Sam zurück. Sehnsucht und Schuldgefühle gegenüber dem Sohn Menuchim bedrücken sein Gemüt. Er wird schließlich im Angesicht des vielen Unglücks von Glaubenszweifeln geplagt, auch darin dem biblischen Hiob gleich.

In großen Zügen ist das die Geschichte. Nur andeutungsweise wiedergeben kann man die wunderbaren Worte, die fast an biblische Texte erinnern, mit denen Joseph Roth seine Erzählung aufzeichnet. Es ist eine archaische Sprache, in der von Impressionen die Rede ist, die das Seelenleben verdüstern. In eindrucksvollen Satzgebilden werden Stimmungen, Geräusche und Gerüche nachvollziehbar. Die seelischen Erschütterungen und Überraschungen sind so anrührend, dass man unwillkürlich mitfühlt.

Der Erzählstil bleibt vielseitig, einfach und prägnant; alleine die Figuren und hier besonders Mendel in seiner ganzen menschlichen Hilflosigkeit, dem Schicksal ausgeliefert, geben das Geschehen wieder.

Zum Ende hin ereignet sich ein unglaubliches Wunder!

Der letzte Satz des Erzählers versinnbildlicht die Art der Darstellung sehr genau: „Mendel schlief ein. Und er ruhte aus von der Schwere des Glücks und der Größe der Wunder“.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Joseph Roth starb 1939 mit 44 Jahren in Paris auf der Flucht vor den Nazis vermutlich an Alkoholsucht.

Joseph Roth
Hiob
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag, April 2022
120 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3965425714
ISBN-13: 978-3965425712
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Philippa Gregory: An dunklen Wassern

Philippa Gregory: An dunklen Wassern

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„An dunklen Wassern“ ist der zweite Teil einer historischen Familiensaga und folgt auf „Gezeitenland“. Viele Jahre sind vergangen, seit die die Familie Reekie Foulmire verlassen musste. Sie lebt jetzt in London in etwas besseren Verhältnissen, hat ein kleines Lagerhaus an der Themse und betreibt in bescheidenem Ausmaß Handel. Wobei Alinors Tochter Alys die Geschäfte führt. Alinor selbst hat sich nie vollständig erholt, widmet sich aber weiter der Kräuterkunde.

James Avery ist es endlich gelungen, Alinor ausfindig zu machen. Er hat sein Vermögen und seine Besitztümer zurück und möchte seinen Sohn sehen. In der Familie leben tatsächlich zwei erwachsene Kinder. Doch gibt Alys vor, die Mutter der Zwillinge Johnnie und Sarah zu sein.

Überraschend reist Nobildonna Livia an. Sie ist Robs Witwe. Alinors Sohn soll in einer Lagune Venedigs ertrunken sein und die junge Frau möchte seine Familie kennenlernen und bei ihr leben. Sie hat den kleinen Matteo bei sich, Robs Sohn. Rob hat ihr verschwiegen, dass er aus einer armen Familie stammt. Doch Livia ist schnell dabei, ihre Pläne zu ändern. Sie möchte ihr Witwengut, das aus Antiquitäten besteht, zu Geld machen und dafür das Lagerhaus nutzen. Wobei sich bald bessere Möglichkeiten auftun, mit James Avery, den sie um den kleinen Finger wickelt.

Das Buch geht vollkommen anders weiter als erwartet. Das liegt nicht an den über 20 Jahren, die vergangen sind, oder an den geänderten Schauplätzen, sondern eher daran, dass Alinor nicht mehr im Mittelpunkt der Handlung steht und die Stimmung eine völlig andere ist.

Livia ist nun die Hauptfigur und sie weckt von Anfang an Misstrauen. Man muss mit ansehen, wie James Avery ihr Spiel nicht durchschaut oder hinterfragt. Obwohl er ein intelligenter Mann ist, hat er sich charakterlich offenbar nicht weiterentwickelt. Immerhin denkt Alinor anders, aber offen kann sie nicht sein. Denn auch ihre Tochter Alys lässt sich vom falschen Charme Livias gefangen nehmen.

Es entwickelt sich eine lebhafte und spannende Handlung vor historischem Hintergrund, die von Lügen, Manipulation und Intrigen lebt. Erwähnenswert ist außerdem der Schreibstil der Autorin, mit dem sie eine besondere Atmosphäre schafft.

Rezension von Heike Rau

Philippa Gregory
An dunklen Wassern
Aus dem britischen Englisch von Ute Brammertz
496 Seiten, broschiert
Knaur, Mai 2022
ISBN-10: 3426227258
ISBN-13: 978-3426227251
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Eva Fellner: Die Highlanderin

Eva Fellner: Die Highlanderin

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Enja ist eine Auserwählte. Doch ihren geheimnisvollen Bestimmungsort erreicht die kleine Isländerin nicht. Das Schiff hält einem Unwetter nicht stand. Enja kann sich retten, doch sie verliert ihre Mutter, die mit ihr gekommen war. Sie gerät in die Hände von Menschenhändlern und wird in den Orient gebracht und verkauft. Stets denkt sie an Flucht und so steht ihr eine wechselhafte Zukunft bevor.

Enja wird im Laufe der Jahre zur Assassinin und Heilerin ausgebildet, bevor sie nach Schottland kommt und auf Caerleverock Castle ein Zuhause findet. Sie verfügt also schon als junge Frau über eine außergewöhnliche Ausbildung, die sie auch dringend benötigt, denn es herrscht Krieg. Die schottischen Clans kämpfen für ihre Unabhängigkeit. Bei einem Kampf wird Enja schwer verletzt. Der charismatische Clanführer James Douglas wird zu ihrem Retter. Als sie sich eines Tages revanchieren will, setzt sie viel aufs Spiel.

Die Geschichte ist wundervoll erzählt. Die Autorin bedient sich einer gefühlvollen, bildhaften und perfekt ausformulierten Sprache. Das erzeugt einen harmonischen Lesefluss.

Dennoch verlangt das Buch eine besondere Aufmerksamkeit, denn es werden verschiedene Zeitabschnitte aus Enjas Leben dargestellt. Die Handlungsstränge wechseln oftmals abrupt. Kaum hat man sich auf die eben erzählte Handlung eingestellt, erfolgt ein Blick in die Vergangenheit oder etwas bereits Begonnenes wird fortgesetzt. Man muss also stets die Jahreszahlen, die am Anfang eines neuen Abschnitts aufgeführt sind, im Blick behalten und schnell umschalten können.

Dazu kommen die Perspektivwechsel. Enja ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ein Teil der Handlung wird aus ihrer Sicht erzählt, sodass es möglich ist, ihr etwas näherzukommen und ihre Motivation zu erkunden. Sie ist eine starke Frau, die ihre Emotionen jedoch vor anderen zu verbergen versucht. Dennoch verliebt sie sich in James Douglas. Viel Raum wird dieser Liebe jedoch vorerst nicht gewährt.

Der Roman wird mitten in der Handlung abgebrochen. Das ist sehr schade. Ein gewisser abgeschlossener Rahmen wäre dann doch schön gewesen. Nun heißt es, auf die Fortsetzung zu warten.

Rezension von Heike Rau

Eva Fellner
Die Highlanderin
505 Seiten, broschiert
Aufbau Taschenbuch, Mai 2021
ISBN-10: 3746638291
ISBN-13: 978-3746638294
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Philippa Gregory: Gezeitenland

Philippa Gregory: Gezeitenland

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1648. Die junge Kräuterfrau Alinor Reekie, die mit ihren zwei Kindern Rob und Alys in ärmsten Verhältnissen am Wattenmeer in der Grafschaft Sussex lebt, hat sich am Mittsommerabend auf dem kleinen Friedhof eingefunden. Sie hofft, auf den Geist ihres verschollenen Mannes zu treffen. Hätte sie Gewissheit, dass er tot ist, wäre sie eine Witwe und frei.

Stattdessen trifft sie im unheimlichen Mondlicht auf einen lebenden Menschen. Der junge Mann stellt sich als Pater James vor. Er gibt vor, auf einer geheimen Mission zu sein. Sie gewährt ihm schließlich Unterschlupf im Netzschuppen und hilft ihm am nächsten Tag, einen Kontakt zu knüpfen. Für ihr Schweigen wird sie bezahlt. Als sich die beiden verabschieden, ist eine unerklärliche Wehmut zu spüren.

Als Alinor ihm in der Kapelle erneut begegnet, ist er in die Gemeinde integriert. Niemand im Dorf kennt seine wahre Identität. Alinor und James sollten sich fern voneinander halten und können es doch nicht. Alinor weiß, wie schnell Gerüchte entstehen und wie gefährlich das ist. Als Kräuterkundige und Hebamme hat sie einen Ruf zu verlieren. So mancher glaubt, in ihr eine Hexe zu sehen.

Erzählt wird eine spannende Liebesgeschichte vor einem historischen Hintergrund. Pater James spielt ein falsches Spiel. Niemand darf wissen, in wessen Auftrag er unterwegs ist und dass er dazu berufen ist, den König zu befreien, dem eine Anklage wegen Hochverrats droht. Und so konzentriert sich die Handlung zunächst zum größten Teil auf Alinor, die trotz ihrer Armut eine sehr beeindruckende Persönlichkeit ist. Dass sie Unterstützung haben muss, bleibt jedoch nicht verborgen. Missgunst und Neid schlagen ihr entgegen. Diese Stimmen werden lauter.

Das harte Alltagsleben von Alinor wird sehr ausführlich beschrieben. Es ist ein beschwerlicher Kampf um das tägliche Brot. Doch trotz der widrigen Umstände verliert sie nie die Hoffnung. Sie lebt mit den Gezeiten. Beeindruckend bildgewaltig ist die Natur mit in die Handlung eingebunden.

Der flüssige Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm zu lesen. Sie bedient sich einer ausgefeilten Sprache. Die Geschichte von Alinor und James ist faszinierend und das Ende an Dramatik kaum zu übertreffen.

Rezension von Heike Rau

Philippa Gregory
Gezeitenland
544 Seiten, Klappenbroschur
Knaur, April 2021
ISBN-10: 342622724X
ISBN-13: 978-3426227244
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Micaela Jary: Das Kino am Jungfernstieg – Der Filmpalast

Micaela Jary: Das Kino am Jungfernstieg – Der Filmpalast

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Lili hat noch immer mit den Folgen ihres Unfalls zu kämpfen. Auch ihr Erinnerungsvermögen ist noch nicht vollständig zurückgekehrt. Sie lebt mit ihrem Mann Albert, der aus dem Krieg heimgekehrt ist, notgedrungen bei der Familie ihrer Halbschwester Hilde. Diese lässt Lili jeden Tag spüren, wie unwillkommen sie ist. Das lässt sich aber, da Wohnungsnot herrscht, momentan nicht ändern. Die Ehe bietet Lili keinen Trost, denn sie und Albert haben nie wirklich zusammengefunden. Es mag auch daran liegen, dass Lili den britischen Filmjournalisten John Fontaine nicht vergessen kann, mit dem sie vor dem Unfall eine Liebesbeziehung hatte.

Lilis Träume sind zerplatzt. Aus ihrem geliebten Kino am Jungfernstieg ist ein Musikclub geworden. Sie weiß, dass Hilde und deren Mann Peter dafür verantwortlich sind. Dass sie weiter ausgenutzt wird, entgeht Lili aber. Sie hat keine Energie, sich um das Erbe der Eltern zu kümmern. Als Frau hätte sie ohnehin kein Mitspracherecht, und so vertraut sie darauf, dass Albert die richtigen Entscheidungen trifft. Auch beruflich schöpft sie ihr Potenzial nicht aus. Sie schneidet keine Filme mehr, sondern die Nachrichten für die Wochenschau.

Das Blatt wendet sich, als Lili John wiedersieht, von dem sie annimmt, dass er mittlerweile mit seiner damaligen Verlobten Catherine Lancaster verheiratet ist. Er ist ebenfalls vom Unfall gezeichnet, hat aber von seiner charismatischen Wirkung nichts verloren. Lili gerät in ein Gefühlschaos und plötzlich ist die Vergangenheit wieder da.
Nach und nach erinnert sie sich wieder an den schweren Unfall und auch an das von ihrer verstorbenen Mutter gehütete Familiengeheimnis.

Micaela Jary unterhält mit ihrem historischen Roman sehr gut. Sie führt den Leser in das im Wiederaufbau befindliche Hamburg der 1950er Jahre, beleuchtet den Alltag und webt die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe dieser Zeit anschaulich mit in die Geschichte ein. Dabei setzt sie auf viele Details. Es ergibt sich gut vorstellbares Bild des Alltagslebens und der Filmszene. Alles wirkt so lebendig, das man meinen könnte, man würde im Kino sitzen. Das Cover des Buches spiegelt diesen Eindruck gut wider.

Lili wird zunächst als recht naiv beschrieben. Sie hat etwas von ihrer Entschlossenheit und Stärke verloren und keine Zukunftspläne. Doch sie gewinnt ihre Tatkraft zurück, als sie wieder beginnt, der Spur des Familiengeheimnisses zu folgen, dessen Aufklärung weitreichende Folgen haben dürfte. Endlich setzt sie sich auch mit ihren widerstrebenden Gefühlen auseinander. Es spielen sich dramatische Szenen ab. Die Spannung steigt. Unerwartete Wendungen spielen hier mit hinein. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Es ist eine wirklich gute Fortsetzung des 1. Bandes der Kino-Saga.

Rezension von Heike Rau

Micaela Jary
Das Kino am Jungfernstieg – Der Filmpalast
400 Seiten, Klappenbroschur
Goldmann Verlag, Februar 2021
ISBN-10: 3442488478
ISBN-13: 978-3442488476
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Franzobel: Die Eroberung Amerikas

Franzobel: Die Eroberung Amerikas

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Als Ferdinand Desoto im April 1538 nach Florida aufbricht, hat der Seefahrer schon eine gewisse Berühmtheit erlangt. Von der Expedition verspricht er sich weiteren Ruhm und Reichtum. Er investiert viel und träumt davon, noch reicher zu werden und Schätze zu finden, vor allem Gold.

Mit vollgepackten Schiffen sticht man in See und alle Beteiligten stellen sich vor, wie man eines Tages überaus erfolgreich zurückkehren wird. Die Stimmung ist gut. Nach Zwischenstopps kommt man im Mai 1539 mit 800 Mann schwer und entsprechender Ausrüstung und Verpflegung an der Westküste Floridas an, um das Land zu kolonisieren und Schätze zu beschlagnahmen.

Es beginnt ein chaotischer und an Gewalt kaum zu übertreffender Eroberungszug. Die monatelangen Märsche der Spanier hinterlassen nichts als Verwüstung in den Dörfern. Rücksichtslos wird gemordet und geplündert. Abgründe tun sich auf. Die Einheimischen haben kaum eine Chance gegen die Übermacht und setzen sich dennoch verzweifelt zur Wehr. Auch unter den Spaniern sind immer häufiger Verluste zu beklagen. Desoto gibt jedoch nicht auf. Gier und Machtstreben treiben ihn voran. Seine Expedition soll um jeden Preis zum Erfolge geführt werden.

Franzobel hat eine interessante Vorgehensweise gewählt, sich der Expedition von Ferdinand Desoto zu nähern und den historischen Spuren noch einmal nachzugehen. Er erzählt, als wäre er als Beobachter dabei gewesen. Mit großem Interesse blickt er auf Haupt- und Nebenschauplätze. Diese Perspektive ist sehr interessant und bietet ihm die Möglichkeit, persönlich wirkende Ansichten einzubinden. Der Autor konzentriert sich auf Desoto und auf verhältnismäßig wenige weitere spannende Figuren, die das Schicksal zusammengeführt hat, und durchleuchtet auch ihre Vorgeschichte und ihre Motivation.

Der Autor nutzt gut recherchierte Quellen und das Wissen von Historikern, um den Expeditionszug zu beschreiben und historische Personen darzustellen, und lässt zudem seine Fantasie spielen. Dabei spannt er den Bogen zur Gegenwart mit vergleichenden Beschreibungen und wahrhaft bitterem Humor.

Das Buch ist spannend und lehrreich zugleich.

Rezension von Heike Rau

Franzobel
Die Eroberung Amerikas
544 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag Januar 2021
ISBN-10: 3552072276
ISBN-13: 978-3552072275
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Helga Glaesener: Das Erbe der Päpstin

Helga Glaesener: Das Erbe der Päpstin

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Freya kann nicht verhindern, dass ihre Mutter Gisla nach schweren Jahren als Sklavin von ihrem Entführer, dem dänischen Wikinger Björn, ermordet wird. Doch ist es ihr im verzweifelten Kampf gelungen, ihn lebensgefährlich zu verletzen. Ihr bleibt nur die Flucht aus dem Dorf. Ihre Schwester Asta nimmt sie. Die Angst vor den Verfolgern, vor allem vor Björns älterem Bruder Hasteinn, begleitet die beiden. Die Mutter hatte nicht viel von ihrer Vergangenheit erzählt. Doch Freya weiß von ihrem Großvater Gerold von Villaris, den sie nun unbedingt finden will, und der, wie sie später herausfindet, in Rom als Schutzherr des Papstes fungiert. Tatsächlich erreicht sie mit ihr Ziel. Doch viel gemeinsame Zeit haben die beiden nicht. Während einer Prozession geschieht Unglaubliches: Der Papst oder vielmehr die Päpstin und Gero werden ermordet.

Hier schließt sich der Kreis, denn Helga Glaesener hat sich von „Die Päpstin“ von Donna W. Cross zu dieser Geschichte inspirieren lassen. Papst Johannes bzw. Johanna war eine Freundin von Freyas Mutter Gisla gewesen.
Hier in Rom lernt die junge Frau auch den Gardisten Aristid kennen. Die beiden verlieben sich ineinander. Doch steht ihre Liebe angesichts der Ereignisse unter keinem guten Stern. Der gefürchtete Wikingerfürst Hasteinn ist ihnen auf der Spur und ihre Wege kreuzen sich unweigerlich.

Helga Glaesener führt mit einem sehr gut lesbaren und fesselnden Schreibstil durch das Buch. Sie erzählt von den verschiedenen Stationen der Reise und von einer Liebe in schwierigen Zeiten. Als Leser ist man ganz nah dran am Geschehen. Der historische Roman ist breit angelegt und sehr spannend geschrieben. Die Charaktere wirken auf mich überzeugend. Freyas Leben ist von vielen dramatischen Wendungen geprägt, die auch den historischen Hintergründen geschuldet sind, die detailreich vermittelt werden. Sie als wissbegierige Heilerin, die sogar lesen kann, darzustellen, ist ausgesprochen passend.

Rezension von Heike Rau

Helga Glaesener
Das Erbe der Päpstin
464 Seiten, gebunden
Rütten & Loening, September 2020
ISBN-10 : 3352009287
ISBN-13 : 978-3352009280
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Jane Healey: Die stummen Wächter von Lockwood Manor

Jane Healey: Die stummen Wächter von Lockwood Manor

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1939 muss das Londoner Natural History Museums eine Sammlung von Tierpräparaten vor dem nahenden Krieg in Sicherheit bringen. Lockwood Manor scheint ein idealer Ort zu sein, auch wenn das Herrenhaus in keinem guten Zustand ist. Hetty Cartwright überwacht die Evakuierung und bleibt vor Ort, um sich um die Sammlung zu kümmern. Doch nach kurzer Zeit verschwindet das erste Exponat. Der ausgestopfte Panther ist nicht aufzufinden. Mit dem tyrannischen Hausherrn ist nicht zu reden. Es kommt zu weiteren nächtlichen Vorfällen, die Hetty glauben lassen, dass es in dem Anwesen spukt. Halt findet sie bei Lucy, Lord Lockwoods Tochter. Lucy zieht Hetty mit ihrem Charme in den Bann. Doch leidet die junge Frau an schweren Albträumen. Hetty glaubt bald, dass Lucys Verfolgungswahn nicht aus der Luft gegriffen ist. Das düstere Herrenhaus birgt Geheimnisse.

Der historische Roman startet geheimnisvoll. Lockwood Manor ist kein Ort, an dem man sich wohlfühlen kann. Die düstere Beschreibung des Anwesens, mit seinen dunklen langen Fluren und den vielen unbewohnten Zimmern, schafft eine Atmosphäre, die unheilvoll erscheint. Zu den Bewohnern, das sind vor allem Lord Lockwood, seine Tochter und unzählige Dienstboten, bekommt man kaum Zugang. Es lässt sich nicht nachvollziehen, was hier läuft. So fällt die Konzentration auf Hetty Cartwright, die ihre geliebten Tiere hegt und pflegt, aber kaum vor Schädlingen und anderen Unbilden bewahren kann. Die Nachtwächter können nicht verhindern, dass Präparate verschwinden.

Anfangs wird die Geschichte von einer guten Spannung getragen. Infolge muss man sich allerdings durch einige Längen hindurch kämpfen. Es gibt zwei Erzählstränge, hier laufen Gegenwart und Vergangenheit zusammen. Es wird schnell klar, dass Lucy eine traumatische Kindheit hatte. Was die Autorin zur Auflösung der Geschehnisse anbietet, ist aber doch etwas enttäuschend und teils auch nicht schlüssig, weil die Aufarbeitung fehlt. Ab einem bestimmten Punkt erfährt das Buch also eine Wendung, die den Lesefluss stocken lässt und aus der eigentlich erwarteten Gespenstergeschichte wird eine undurchsichtige Familientragödie.

Rezension von Heike Rau

Jane Healey
Die stummen Wächter von Lockwood Manor
Aus dem Englischen von Susanne Keller
448 Seiten, Klappenbroschur
hanserblau, März 2020
ISBN-10: 3446266003
ISBN-13: 978-3446266001
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