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Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

Es ist einige Jahre her, seit die achtjährige Scarlett verschwunden ist. Es war Mord und Jonathan Krumbholz büßt dafür. Der geistig zurückgebliebene junge Mann hatte ein Geständnis abgelegt. Dass er es später widerrufen hat, ist ohne Bedeutung. Und auch dass die Leiche nicht gefunden wurde, ändert nichts daran. Kommissar Polonius Fischer ist dementsprechend überrascht, als ihn ein Brief eines ehemaligen Schulfreundes von Scarlett erreicht, der behauptet, das Mädchen gesehen zu haben.

Fischer hat nie so richtig an die Schuld von Krumbholz geglaubt. Doch als er jetzt noch einmal mit Scarletts Mutter und ihrem Lebensgefährten, von dem sie mittlerweile getrennt lebt, spricht, wachen die alten Zweifel wieder auf. Unbehagen erfüllt ihn. Doch ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen, ist aussichtslos. So beginnt Fischer illegal zu ermitteln und kommt bald weiteren Ungereimtheiten auf die Spur.

Polonius Fischer hat seine professionelle Distanz diesem Fall gegenüber verloren. Möglicherweise weil seine Nerven blank liegen. Seine Freundin, eine Taxifahrerin, wurde überfallen und übel zugerichtet. Sie liegt im Krankenhaus. Deshalb nimmt er den Fall um Scarlett persönlich.

Der Krimi ist nicht im herkömmlichen Sinne spannend. Es gibt keine rasanten, spektakulären Szenen. Dafür hat er Tiefgang im psychologischen Sinne.
Fischer ist diesmal Alleingänger. Seine Kollegen ziehen nicht mit. Selbst Liz, seine berufliche Partnerin, versteht ihn nicht. Sie kann ihn aber auch nicht von seinen Plänen abbringen. Fischer beißt sich fest. Er gerät gefühlsmäßig ins Chaos und verstrickt sich.

Früher war Polonius Fischer einmal ein Mönch. Seine Denkweise ist also eine andere, als die seiner Kollegen. Er bekommt seine Gefühle nicht unter Kontrolle, gerät in eine psychische Ausnahmesituation. Der Autor vermittelt dem Leser dieses Gefühlschaos sehr genau. Das ist nicht einfach zu lesen. Man kommt selbst ins Nachdenken und Grübeln, gerät fast so wie Fischer an den Rand der Verzweiflung.
Der Blick, der auf die Personen gerichtet wird, die mit Scarlett zu tun hatten, geht tief. Hier tun sich Abgründe auf, die man nie für möglich gehalten hätte. Der Autor sorgt mit Nachdruck dafür, dass man sich dem nicht entziehen kann.

Rezension von Heike Rau

Friedrich Ani
Totsein verjährt nicht
284 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag
ISBN-10: 3552054707
ISBN-13: 978-3552054707

Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Die Tote wird in einem verstaubten Schrank in der Tiefgarage gefunden. Allerdings sieht es nicht danach aus, dass die Frau auch hier unten gestorben ist. Sie wurde offensichtlich stranguliert und dann hier versteckt. Kinder haben sie durch Zufall gefunden. Polonius Fischer von der Mordkommission und seine Kollegin Liz Sinkel beginnen mit der Befragung der Anwohner. Niemand scheint die Frau zu kennen. Das lässt viel Raum für Spekulationen. Auf ein veröffentlichtes Foto meldet sich dann aber doch jemand. Die Wirtin vom „Blue Dragon“ glaubt die Frau wiederzuerkennen. Es gibt aber noch einen weiteren Anrufer und so kommt endlich Bewegung in die Sache. Die Tote heißt Nele Schubart. Sie hat eine siebenjährige Tochter. Katinka wird jedoch nicht in der Wohnung aufgefunden. Damit gewinnt der Fall an Brisanz. „Die Zwölf Apostel“, so werden die Mitarbeiter rund um Polonius Fischer genannt, legen sich ins Zeug, sortieren was von Belang ist und was nicht, setzen die Puzzlesteine zusammen. Bekannte und Verwandte werden befragt. Ein Zeuge lügt, das weiß Fischer sofort. Offenbar gibt es sogar noch eine weitere Frau, eine ehemalige Nonne, die verschwunden und möglicherweise tot ist.

Der Krimi kommt ohne spektakuläre, actionreiche Szenen aus. Aber deswegen ist es lange noch kein ruhiger Krimi. Das Buch lebt vor allem durch die interessante Figur des Hauptkommissars Polonius Fischer. Er war einst Mönch. Das ist viele Jahre her und doch hat es ihn geprägt. So kann es schon mal vorkommen, dass er vor einer Befragung einen Psalm rezitiert. Fischer wirkt manchmal dennoch etwas herzlos. Dabei begrenzt er sein Sichtfeld nur auf das Wesentliche. Er begnügt sich nicht mit der Aufklärung eines Falles, er will hinter die Fassade sehen und begreifen, was geschehen ist. Auch andere Figuren in diesem Buch sind beeindruckend gezeichnet. Liz Sinkel zum Beispiel, die sehr naiv dargestellt wird, aber gerade dadurch Dinge hinterfragt, die anderen keine Überlegung wert wären.
Der Fall selbst ist spannend. Besonders die Zeugenbefragungen haben es in sich. Dennoch gibt es ein paar Längen. Dafür hat der Krimi Tiefgang, was besonders an den philosophischen Überlegungen liegt, die Fischer anstellt. Man kann sich seiner Meinung anschließen oder auch nicht. Interessant ist sie allemal.

Über den Autor:
Friedrich Ani, geboren 1959 in Kochel am See, ist Absolvent der Drehbuchwerkstatt an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Er arbeitete als Reporter und Hörfunkautor. Friedrich Ani lebt in München. Er erhielt viele Preise, darunter zweimal den Deutschen Krimipreis für seine Romane um den Ermittler Tabor Süden.

Rezension von Heike Rau

Friedrich Ani
Idylle der Hyänen
350 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag, Wien
ISBN-10: 3-552-05391-3
ISBN-13: 978-3-552-05391-5
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