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Schlagwort: Kindheit

Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße

Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße

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In diesem wunderbaren Roman steigt der Hauptprotagonist zurück in seine Kindheit, in der es voller märchenhaften Gestalten, Ungeheuern und Gespenstern nur so gewimmelt hat. Im Alter von sieben Jahren begegnet der Held Lettie Hempstock, die auf einem nahe gelegenen Bauernhof mit Mutter und Großmutter wohnt, und die ihn zu allerhand undurchsichtigen und abenteuerlichen Wundern verführt. Ein Ententeich wird für sie zum Ozean, hinter dem die Welt mit sonderlichen Begebenheiten lockt. Zuerst noch ist es die bäuerliche Küche mit ihren Genüssen, die den Icherzähler ermuntert, sich hier wohl zu fühlen. In ihr spürt man Wärme und Geborgenheit.

Bald schon erlebt man, wie der Junge mit sensibler Wahrnehmung seine Umwelt sieht. Sie ist erfüllt mit Ungeheuern und Gespenstern, Furcht erregenden Tieren und einer bösartigen Haushälterin, die das Regiment über die beiden Kinder seines arbeitenden Elternpaars übernommen hat. Die Erwachsenenwelt ist mächtig, übergroß und beängstigend.
Zwischen Fiktion und Wirklichkeit pendeln die Erfahrungen des kleinen, aufgeweckten und äußerst fantasiebegabten Jungen hin und her.

Figuren von Grausamkeit und Drohung ziehen uns mit hinab in die kindliche Seelenwelt und ermöglichen die Sichtweise früher Kinderjahre, in denen die Welt noch unerklärlich, spannend, magisch und ganz dem unwägbaren Seelenleben ausgeliefert ist. Wie Blitz und Donner, kindliche Flucht, Angst und gruselige Augenblicke hier artikuliert werden, das ist große Dichtkunst. Man fiebert mit dem kleinen Jungen mit und weiß nie genau, wo die Realität aufhört und das reiche Fantasieleben beginnt.

In Neil Gaiman gilt es erneut, einen amerikanischen Erzähler von Format zu entdecken. Dass die Geschichte zwischen Märchen und Realität schwankt und die Grenzen ganz unvermittelt wechseln, tut der großen Erzählkunst keinen Abbruch. Ein erstaunliches Werk, das für große und kleine Erwachsene bestens zur Unterhaltung geeignet ist.

Neil Gaiman
Der Ozean am Ende der Straße
240 Seiten, gebunden
Eichborn Verlag, Oktober
ISBN-10: 3847905791
ISBN-13: 978-3847905790
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Sharon M. Draper: Mit Worten kann ich fliegen

Sharon M. Draper: Mit Worten kann ich fliegen

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Melody leidet unter einer zerebralen Kinderlähmung. Sie ist schwerstbehindert und wird sich niemals selbst versorgen können. Da sie sich kaum bewegen kann, ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. Nicht einmal durch Sprechen kann sie sich verständlich machen. Aber sie wächst in einer Familie auf, dies sie liebt, versorgt und fördert. Auch in ihrem Umfeld gibt es Menschen, die ihr verbunden sind. Insbesondere eine Nachbarin unterstützt die Familie, wo sie nur kann.

Melody hadert dennoch nicht mit ihrem Schicksal. Meist ist sie positiv gestimmt. Sie verfügt über einen wachen Geist. Sie ist wissbegierig, intelligent, hat ein ausgesprochen gutes Gedächtnis und ein erstaunliches Vorstellungsvermögen. Ihren Altersgenossen ist sie in manchen Dingen voraus. Ihr größter Wunsch ist es aber, sich mitteilen zu können. Sie kann sich in ihrer Fantasie und in ihren Träumen alles ausmalen, in ihrem Kopf ist alles möglich, aber sprechen kann sie nicht. Hier hilft ihr aber eines Tages die Technik weiter. Ein kleiner Sprachcomputer macht das für unmöglich Gehaltene dann doch möglich. Denn ihre Daumen kann Melody bewegen und damit tatsächlich das Gerät steuern.

Die Geschichte ist sehr beeindruckend. Die Autorin schreibt auf eine sehr einfühlsame Art und Weise. Sie lässt Melody selbst erzählen, was sie erlebt und empfindet. Wie sie sich stets ihre positive Einstellung gegenüber dem Leben zu bewahren versucht, obwohl das Schicksal so hart mit ihr verfährt und ihr immer wieder ihre Grenzen aufzeigt. Melody hat Humor und dass macht vieles leichter.

Ansprechen soll das Buch Jugendlich im Alter zwischen zwölf und fünfzehn Jahren. Und diese Zielgruppe wird wirklich perfekt angesprochen. Aber auch für Erwachsene ist das Buch interessant. Es sensibilisiert den Blick für behinderte Mitmenschen. Es gibt reichlich Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Und es vermag natürlich Vorurteile abzubauen.

Rezension von Heike Rau

Sharon M. Draper
Mit Worten kann ich fliegen
Aus dem Amerikanischen von Silvia Schröer
320 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag
ISBN-10: 3764170107
ISBN-13: 978-3764170103
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Alan Bennett: Leben wie andere Leute

Alan Bennett: Leben wie andere Leute

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Liebevolle Hommage an die eigenen Eltern!

Alan Bennett ist aus seinen zahlreichen kleinen Erzählungen, die im Verlag Wagenbach erschienen sind, einer breiteren Leserschaft bekannt.

In dieser hübschen Geschichte geht es ganz offensichtlich um die eigenen Eltern, denen er seine nüchternen und doch sehr herzlichen Erinnerungen widmet.

Leben wie andere Leute!

Das ist der Wunsch der um bürgerliche Lebensart bemühten Eltern, mit denen uns Alan Bennett konfrontiert!

„Smalltak, Buddhismus und Würstchenspieße….“ so stellt sich dieses liebe Paar das Leben auf den Cocktailparties vor, die sie nie erlebten und wohl kaum gemocht hätten. Auch Alkohol gehörte ja nicht zu ihren bevorzugten Gelüsten.

Vater und Mutter von Alan Bennett waren rechtschaffene Leute, fleißig, ein wenig spießig und sehr angepasst an das sie umgebende bürgerliche Leben. Leider litt die Mutter schon lange an sporadisch auftretenden Depressionen. Rührend und anhänglich besucht der Vater die kranke Mutter bei ihren diversen Krankenhausaufenthalten.

Alan Bennett beobachtet das Leben der Eheleute mit leicht belustigten und doch sehr liebevollen Blicken. Im Leben der beiden  ging es um die „Nachbarn“ und das, was sie denken mögen, um familiäre Rituale und vielerlei Alltagskleinigkeiten, die den Blick schärfen auf ein Leben ohne großen Ruhm oder Abgehobenseins.

Der Autor zeigt klaren Abstand zum eigenen Leben. Es geht ihm nicht um die eigene Person, wie in so vielen Lebenserinnerungen anderer Schriftsteller. Es geht einzig und allein um die Beobachtung von Menschen, die dem eigenen Anspruch genügen wollen und sich immer fleißig um Ordnung und

Aufrichtigkeit bemühen. Auch die Traurigkeit eines beschränkten und in den letzten Jahren mit Krankheit und Demenz geschlagenen Paares bleibt nicht ausgespart. Bennett bedauert deren mühseligen Alltag im hohen Alter. Er bleibt der Sohn, der hilft, wo er kann, der jedoch sein eigenes Leben dabei nicht aus den Augen verliert. Am Ende ist eine ganze Familienchronik entstanden mit allen ihren skurrilen, selbstsüchtigen, neugierigen und seltsamen Familienmitgliedern.

Als Schriftsteller und Dramaturg bekannt zeigt der Autor mit seinen geübten Blicken, wie humorvoll er die Dinge betrachtet. Ironisch und heiter, mit Vergnügen und Witz erzählt er vom Leben seiner Eltern. Er  behält die nötige Distanz, die ihm die neutrale Sicht der Dinge gestattet.

Auf dem Deckblatt sieht man den Autor mit seinem Schwein am Halsband herumspazieren. Er führt uns vor Augen, wie er selbst durchs Leben geht: mit Selbstironie und Heiterkeit! Sein Büchlein ist Herz erwärmend, denn alle Ironie täuscht nicht darüber hinweg, dass es Lebensläufe gibt, die bescheiden, liebenswert und schlicht sind, und über die man sprechen kann, ohne die menschliche Würde zu verletzen.

Alan Bennett
Leben wie andere Leute
168 Seiten, broschiert
Verlag Klaus Wagenbach, März 2014
ISBN-10: 3803113008
ISBN-13: 978-3803113009
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Volker Reiche: Kiesgrubennacht

Volker Reiche: Kiesgrubennacht

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Witz, Ernst und Spaß: eine Nachkriegsgeschichte!

Wer kennt ihn nicht, den begnadeten Zeichner, der mit seiner Hauptfigur „Strizz“ über Jahre die Leser des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Montag bis Freitag erfreute?

Ein Morgen ohne Strizz ließ den Tag öde angehen! Als die Serie 2010 eingestellt wurde, brach in manchen Familien ein großes Wehklagen an!

Zur Freude derer, die sich an Volker Reiches Comics erfreuten, ist jetzt eine Graphic Novel erschienen, oder anders gesagt: eine Biographie in Wort und Bild.

Volker Reiche hat seiner Kindheit und Jugend nachgespürt und sie in Form von Comics mit Texten aufgezeichnet. Man kann sich den kleinen Jungen gut vorstellen, wie er als Vierjähriger 1948 einmal gewesen sein muss. Mit einem „Luftanzug“ im sommerlichen Wind draußen spielen oder sich im nahe gelegenen Bach tummeln und die Erwachsenenwelt aus naiv-arglosen Kinderaugen betrachten und später die  Jugend genießen: wen könnte das nicht an eigene Kindheitstage erinnern?

Was aber ist hier Wahrheit und was Fiktion?

In der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass die Geschichten fiktiv sind; aber „Herr Paul ist Herr Paul ist Herr Paul BASTA!“ (Strizz)

Nun mache sich jeder selbst einen Reim!

In einer Vielzahl von lustigen und z.T tiefsinnigen Zeichnungen samt Text ahnt man, was das für eine Jugend war, in der ein Vater seine Nazivergangenheit nicht vergessen wollte und die Mutter, eine  ehemaligen Gauleiterin im „Bund deutscher Mädchen“, unter dessen Knute zu leiden hatte.

Durch die Kindheit geistert Wilhelm Busch mit seinen makaberen Scherzen gegenüber den „Großen“, … ach und natürlich passieren auch Malheurs, als der gelbe Luftanzug verpinkelt war. Er musste einem Kick mit dem Fuß aus dem Gesichtsfeld weichen.

So geht es munter weiter. Die Geschwister haben lustige Erlebnisse, und so manches Familiendrama kann durch die karikaturhafte Darstellung des vorzüglichen Zeichners entschärft werden. Aber dieser Vater! Wahrlich: er ist ein Scheusal! Als er endlich geht, sind wohl alle froh!

Die Zeichnungen sind ausdrucksstark und geben sehr genau Stimmungen und Launen der Erwachsenen oder die Ängste und Freuden der Kinder wieder. So weiß man sogar ohne Text immer, was einen auf der kommenden Seite erwartet. Doch durchgängig muss man die Erwachsenenleben als vergeblich betrachten. Fürsorge, Liebe und Behütetsein blieben damit den kommenden Generationen mit besseren Zeiten ohne Krieg vorbehalten.

Man genieße diese Lausbubengeschichten mit dem ernsten Hintergrund der Nachkriegszeit, die Kinder aus jener Zeit nicht als behütete Wohlstandskinder aufwachsen ließen. Und doch: auch sie hatten ihren Spaß!

Volker Reiche
Kiesgrubennacht
231 Seiten, broschiert
Suhrkamp Verlag, Oktober 2013
ISBN-10: 3518464760
ISBN-13: 978-3518464762
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Urs Widmer: Reise an den Rand des Universums

Urs Widmer: Reise an den Rand des Universums

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Erinnerungen an gute und schlechte Zeiten!

Über die ersten dreißig Jahre seines Lebens schrieb Urs Widmer ein Erinnerungsbuch.

Mit dem Satz  „Kein Schriftsteller, der bei Trost ist, schreibt eine Autobiographie“ führt er sein Vorhaben selbst ad absurdum. Dennoch macht er sich beherzt ans Werk.

1938 geboren gibt es drei Dekaden, über die er schreibt: frühe Kindheit, Jugendjahre und das Erwachsenwerden mit dem Schlusspunkt seiner Heirat. Er lebt in der Nähe von Basel in der Schweiz, und wie für alle Kinder sind die frühen Jahre prägend. Eindrücke, Charakteristiken der Natur und der Landschaft, erste Freundschaften, aber natürlich auch die Eltern in ihren verliebten und danach von Krankheiten und gegenseitigen Kränkungen bedrohten späteren Jahren machen die ersten Jahre aus. Weihnachten ist einer besonderen Schilderung wert! Die Sehnsucht nach dem friedlichen Fest im Kontrast zu dem, was die Eltern wirklich bieten! Der aus diesem Anlass weinende Papa wird sehr wohl wahrgenommen und bietet einen Blick in die Zukunft, kann aber das Glück des kleinen Jungen nicht wirklich trüben.

Die letzten Jahre des Krieges und die ersten des Nachkriegs erlebt er noch bewusst mit. Hatte man bisher von der Schweiz den Eindruck eines Landes in Frieden abseits der großen Kriegsunruhen, so wird man hier eine Besseren belehrt. Es gab Rationierungen, Kriegsangst und Verdunklung wie in vielen anderen Ländern, die rund um die Schweiz gelagert sind. Es gab den Schock des Holocausts und den Hunger und die Kälte der Nachkriegsjahre. Es gab die neu erwachende Konsumwelt und die Amerikanisierung wie bei uns. Dass die Schweiz nicht in die Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs einbezogen wurde, ist als Wunder zu betrachten. Alles in Allem verlebt Urs Widmer eine glückliche Kindheit, die erst mit dem Umzug in eine andere Wohnung und in ein anderes Haus ihr Ende fand.

Stimmungsbilder vielfältiger Art über Gasthäuser und die Jahrszeiten mit schönsten Landschaftsbeschreibungen geben der Erzählung einen emotionalen Unterton von feinfühliger Wahrnehmung. Urs Widmer beschönigt nichts sondern berichtet mit liebevollem Blick, was ihn als Kind und Heranwachsenden bewegte.

Frühe Liebesnot, abwechslungsreiche Begegnungen und die Neugier auf das Abenteuer „Zukunft“ beleben die Jugendjahre. Der Aufbruch ins Leben ist von Erwartung und dem üblichen Freiheitsdrang gekennzeichnet. Manch’ einem Leser werden Erinnerungen an eigene Kinderjahre mit diesen Aufzeichnungen kommen. Urs Widmer bietet mit seinen poetischen aber auch nüchternen Darstellungen und dem genauen Hinschauen den Mikrokosmos „Kindheit“ und lässt uns an seinen Erfahrungen teilnehmen. Es gab jedoch auch die dunklen Seiten und Ängste, die seine Jahre als junger Erwachsener prägten.

Die Studienjahre sind von Aufbruch gekennzeichnet und beeindrucken durch die Frische und Neugierde, mit der sich ein noch unsicherer junger Mann der Welt zuwandte. Paris und Spanien erweitern seinen Horizont, und er begibt sich auf den Weg der Neuerung.

Die Autobiographie liest sich leicht und eingängig. Sie gleicht einem fantasiereichen Bilderbogen und bietet darüber hinaus Einblicke in die gesellschaftspolitische Entwicklung der Nachkriegszeit in Europa.

Ein aufschlussreiches und liebenswertes Erinnerungsbuch über die ersten dreißig Jahre seines Lebens ist Urs Widmer gelungen.

Urs Widmer
Reise an den Rand des Universums
346 Seiten, gebunden
Diogenes, August 2013
ISBN-10: 3257068689
ISBN-13: 978-3257068689
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Alfred Neven DuMont: Drei Mütter

Alfred Neven DuMont: Drei Mütter

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Kindheit, Liebe, Lust und Leidenschaft.

Handelt es sich hier um einen Liebesroman oder um einen Entwicklungsroman?
Ich vermute beides.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Junge Alwyn, der zu Beginn der Erzählung etwa fünf Jahre alt ist. Er wird von einer bildschönen Mutter versorgt, die ihn zärtlich liebt und ihm alle körperliche Wohltaten einer stillenden Mutter zuteil werden lässt. Leider steht es um die Ehe der Eltern nicht zum Besten. Als der Vater schließlich die Familie verlässt, verlustiert sich die Mutter mit einem neuen Liebhaber. Alwyn gerät nun in die Fänge seiner fünf Jahre älteren Schwester Alwena. Sie erzieht ihren Bruder, liebt und züchtigt ihn. Diese fast inzestuöse Beziehung zeitigt jedoch auch seelische Folgen.

Als Alwyn in die Schule muss, passt ihm das gar nicht. Verwöhnt, hübsch und klug zieht er den Neid der Mitschüler auf sich, bis Egon erscheint. Jetzt hat er einen Beschützerfreund, der zugleich noch die Lehrfunktionen von Alwena genießt. Sie macht aus Egon einen passablen Schüler.

In dieser wohligen Kinderwelt gibt es kaum Kummer aber viel Eros und Wohlgefallen. Doch ganz unberührt bleibt der Knabe nicht von der Verfolgung böser Geister, hinter der sich eine verkappte Depression verbirgt.

Alwyn wächst heran und ist der Liebling der Frauen. An Zuwendung mangelt es ihm nie. Er ist klug und lernt leicht, so dass er ein äußerlich unbeschwertes Leben führt. Alfred Neven DuMont erzählt die Geschichte seines sensiblen und vom Glück begünstigten Helden mit Liebe und Einfallsreichtum. Malerische Landschaftseindrücke, ein träumerischer Liebling der Götter; so ist das Leben in Freuden perfekt! Um ihn herum mögen die Beziehungen in die Brüche gehen: er bleibt der unangefochtene Held, den fast nichts aus der Bahn wirft, denn an liebestollen Frauen mangelt es ihm nicht.

Erst bei dem Besuch seines Großvaters in Afrika erfährt er, wie sehr ihm ein beschützender Vaterfreund gefehlt hat!

Mit zahlreichen Liebesszenen angereichert wird die Geschichte leicht, ruhig und einfühlsam beschrieben. Ist die Mutter auch exzentrisch und der Vater oft abwesend: unser Helden meistert sein Leben ungestört. Der Großvater in Afrika aber ist seine große Entdeckung, denn er in ihm findet er einen liebevollen und weisen väterlichen Freund.

Die Entwicklung vom vergötterten Kleinkind zum schönen und klugen Mann geht insgesamt jedoch ohne schwere Einbrüche vonstatten.

Alwyn geht seinen Weg  und schließt Frieden mit seinen diversen Freundinnen und Bezugspersonen. Einzig seine Besitz ergreifende Schwester wird mit seiner Loslösung von ihr nicht fertig.

Die ruhige, liebenswürdig daher erzählte Geschichte liest sich unbeschwert und einfach. Man findet Vergnügen an einem Leben mit geringen Aufregungen und Kümmernissen, wenn es so auch der wirklichen Welt kaum entspricht. Soll um ihn herum die Welt in Trümmern liegen. Alwyn bewegt sich unberührt von Betrübnissen und schwerem Leid des Lebens zwischen den ihn liebenden Frauen um ihn herum auf Forschungspfaden. Er wird ein glücklicher Mann. Und wir erleben die Entwicklung einer Adoleszenz, die ihresgleichen sucht.

Eine leichte und kurzweilige Lektüre bietet Alfred Neven DuMont mit diesem Roman seinem geneigten Lesepublikum.

Alfred Neven DuMont
Drei Mütter
364 Seiten
Hoffmann und Campe, März 2013
ISBN-10: 3455404219
ISBN-13: 978-3455404210
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Frances Greenslade: Der Duft des Regens

Frances Greenslade: Der Duft des Regens

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Es ist ein einfaches, schlichtes und dennoch zufriedenes Leben, das Maggie, ihre Schwester Jenny und die Eltern führen. Duchess Creek, in den Wäldern im Westen Kanadas, scheint ein Ort zu sein, an dem man glücklich sein kann. Unbeschwert ist die Kindheit Maggies dennoch nicht. Auch wenn es keinen konkreten Anlass gibt, immer macht sie sich Sorgen.

Maggie fühlt sich bestätigt, als der Vater einen tödlichen Unfall erleidet. Unerträgliche Trauer hüllt die Mutter und ihre Töchter ein. Gemeinsam fahren sie zelten, an einen Ort, wo es nichts gibt außer Ruhe. Es ist ein Ort, den die Mutter ihren Mädchen schon immer zeigen wollte. Hier in diesem Tannenwald ist man der Natur ganz nah.

Eine Freundin beginnt sich zu kümmern und die Melancholie, die die Mutter befallen hat, etwas zu vertreiben. Irene rafft sich auf, nimmt einen Sommerjob in einem Anglercamp an. Danach zeltet die Familie wieder eine Zeit. Das eigene Haus musste aufgegeben werden. Dann wird Ritas Farm ein Zufluchtsort. Immer öfter ist Irene abwesend.

Schließlich bringt sie ihre Töchter zu den Edwards, die Freunde ihres Mannes waren, um in einem Holzfällercamp Arbeit anzunehmen.
Das Leben bei den Edwards gefällt Maggie nicht, während Jenny ganz gut zurechtkommt. Anfangs schreibt die Mutter noch Briefe und schickt Geld. Dann meldet sie sich nicht mehr. Eine Mauer aus Schweigen baut sich auf. Keiner weiß, was passiert ist und keiner wagt zu fragen, weil ein weiteres Unglück geschehen sein könnte.

Es ist eine wunderschön geschriebene Geschichte. Traurig und berührend. Maggie erinnert sich zurück. An die Zeit der Kindheit. Damals war die Welt noch in Ordnung, auch wenn Maggie gespürt hat, das ein Unglück kommt.
Der Unfalltod des Vaters reißt eine Lücke in die Familie. Es ist nur zu verständlich, dass die Zurückgebliebenen jeden Halt verlieren. Die Mutter kann ihrer Rolle nicht mehr gerecht werden. Auch die Zeit heilt ihre Wunden nicht.

Maggie erinnert sich, wie es war, plötzlich ohne Heim zu sein und ohne die Verlässlichkeit der Mutter, ohne ihre Erziehung und ihren Rat, den die heranwachsenden Mädchen so dringend brauchten. Und doch hat sie ihnen schon einiges mitgegeben. Stärke und Mut, die Dinge selbst zu regeln.

Die Autorin hat eine beeindruckende Art zu schreiben. Sie begegnet ihren Charakteren, insbesondere Maggie, mit viel Liebe und Verständnis. Es sind diese kleinen Nuancen, dieses Feingefühl, das seine Wirkung nicht verfehlt. Man wird als Leser in eine ganz besondere Stimmung gehüllt.

Warum handeln Menschen, wie sie es tun? Was sind ihre Beweggründe? Was prägt den Charakter? Welche Umstände machen uns zu dem, was wir sind? Man kann an leidvollen Geschehnissen zerbrechen. Man kann aber auch Stärke daraus gewinnen und das Ruder wieder herumreißen. Davon erzählt diese Geschichte, die man lange in Erinnerung behält.

Rezensionen von Heike Rau

Frances Greenslade
Der Duft des Regens
Aus dem kanadischen Englisch von Claudia Feldmann
368 Seiten, gebunden
Mareverlag
ISBN-10: 3866481764
ISBN-13: 978-3866481763
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Jean-Jacques Sempé: Kindheiten

Jean-Jacques Sempé: Kindheiten

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Geschichte eines Lebens in Text und Bildern.

Eine Biographie in Wort und Bild: so etwas gab es schon einmal bei Alison Bechdel in ihrem Comic „Fun Home“.

Im Gegensatz zu ihren Erinnerungen allerdings leuchten die Bilder von Sempé in einem fröhlichen und zuversichtlichen Licht.

Sempé zeigt sich in seinem gedruckten Text von unverhohlener Ironie, Selbstreflexion und Lebensfreude. Marc Lecarpentier hat in einem Gespräch mit ihm zahlreiche Eindrücke aus seiner Kindheit noch einmal hervorgelockt. Diese waren bedrückend. Ständige Geldnot, zankende Eltern und häufige Umzüge boten keinen glücklichen Rahmen für einen Menschen, der gerne fröhliche Kinder und Menschen zeichnet.

Schon früh hat er begonnen, sich mit seinen Zeichnungen aus der eher tristen Realität davonzustehlen. In Sempé steckt ein Schelm, der Gutes tut, wenn ihm auch Böses widerfährt. In seinen zum Text passenden Zeichnungen steckt sehr viel Wahrheit. Sie zeugen von fast philosophischen Einsichten. Auch gibt es große, bunte Aquarelle, die Fröhlichkeit und schalkhafte Selbsteinsichten spiegeln. Der Mensch und besonders das Kind sind extrem klein gegenüber der Fülle der Natur oder der überwältigenden Größe des Erwachsenen. Im Widerspruch zu seiner Heiterkeit stehen seine Einsichten über das Verhalten der großen Menschen und hier besonders seiner Eltern.

Mehrheitlich überwiegen in Sempés Zeichnungen die zart dahin getupften Charakteristiken einer fröhlichen Natur mit dem ganz, ganz kleinen Menschen gegenüber dem gewaltigen Kosmos. Der Baum, auf dem ein Junge sitzt, oder die Schlucht, in der man baden kann, ist überdimensioniert gegenüber dem winzigen Jungen auf dem Ast oder im Wasser.

In seinem Gespräch mit Marc Lecarpentier offenbart Sempé zahlreiche weitere Einsichten seiner Sicht der Dinge. Er steht neben sich und kann mit Ironie seine Menschenkenntnis in die passenden Worte und Bilder kleiden. Die Gespräche handeln unter anderem von der Unbekümmertheit der Kindheit, die in die raue Ernsthaftigkeit der Erwachsenenwelt übergeht. Sie manifestiert sich in den grauen Anzügen der Herren, die den lustigen und bunten Kleidern und Mützen der Kinder gegenüberstehen. Alle Leichtigkeit geht mit dem „Erwachsenenernst“ dahin.

Der Satz „der Mensch ist ein Wesen von untröstlicher Heiterkeit“ fasst in Worte, was in dem Widerspruch von Ernst und Heiterkeit steckt. Seine Zuversicht gipfelt in dem Satz „man kann nicht leben, wenn man nicht heiter ist. Selbst wenn alles danebengeht, gibt es noch das Heitere. Man könnte es auch Seinsfreude nennen. Und ohne Trost, das ist man so wie so; man ist vollständig untröstlich. Ich bin beides…..“

Besser kann man die Geschichte der Gegenwartsmenschheit nicht erzählen. Mit den farbigen Illustrationen gibt Sempé ihnen erzählende Gestalt.

Ein hinreißendes Buch ist dem Autor mit dieser fast als Krönung seines Werkes zu betrachtenden Geschichte „Kindheiten“ zum Jahr seines achtzigsten Geburtstags gelungen.

Jean-Jacques Sempé
Kindheiten
272 Seiten, gebunden
Diogenes, Juni 2012
ISBN-10: 3257021208
ISBN-13: 978-3257021202
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Anika Beer: Als die schwarzen Feen kamen

Anika Beer: Als die schwarzen Feen kamen

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Marie ist sehr überrascht, als sie in der Schule von Daniel angesprochen wird. Er lädt sie zu einem Kaffe ein am Samstag, um sich einmal richtig mit ihr unterhalten zu können. Dabei interessiert sich ihre Freundin Theresa für Daniel. Trotzdem trifft Marie sich mit ihm. Daniel versucht Marie zu warnen, er glaubt, sie würde verfolgt werden. Das verschlägt Marie die Sprache. Er zeigt ihr eine Zeichnung und sie erkennt, was darauf zu sehen ist. Auch Daniel kennt also die geflügelten Wessen, die für Marie die schwarzen Feen sind.

Dann passiert etwas mit Maries Mutter. Die Ärztin spricht von einem Schwächeanfall. Doch Marie sieht die Schatten, die von ihrer Mutter Besitz ergriffen haben, die sie umschließen wie eine dunkle Aura und sie lähmen. Marie glaubt, dass nur Daniel ihr helfen könne. Tatsächlich kann er ein Tor in Maries Schatten erkennen. Durch dieses könnten die Feen die Grenze zwischen den Welten überschreiten.

Es ist ein sehr bewegendes Buch. Die Geschichte führt Marie und Daniel zusammen, die so wunderbar zueinander passen. Sehr gefühlvoll treten die beiden in einer ungeheuer spannenden Handlung auf. Das Buch ist außerdem sehr flüssig zu lesen und so wird man als Leser hinweg getragen von dieser Geschichte, kann völlig darin eintauchen.
Es geht im Buch für Marie darum, erwachsen zu werden, sich von der Oberflächlichkeit ihrer Freundinnen abzugrenzen, ihre Kindheit aufzuarbeiten.

Denn es gibt diese andere Welt, die Schattenwelt. Ein Königreich der Kindheit. Ein Zufluchtsort, der nicht mehr länger einer sein kann, weil er in die Welt der Erinnerungen gehört. Das ist eine interessante Sichtweise, die man aber gut annehmen kann, weil sie so harmonisch in die Handlung eingebaut ist.
Es ist keine Geschichte, die sich aufdrängt, sondern vielmehr eine, die die Fantasie des Lesers nicht begrenzt. Das ist etwas ganz Entscheidendes und es macht den wunderbaren Charme der Geschichte aus.

Rezensionen von Heike Rau

Anika Beer
Als die schwarzen Feen kamen
448 Seiten, broschiert
cbj, München
ISBN-10: 3570401472
ISBN-13: 978-3570401477
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Magda Drostel: Der Geschmack der Kindheit

Magda Drostel: Der Geschmack der Kindheit

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Die alten Rezepte sind doch die besten. Die Gerichte schmecken unvergleichlich gut und wecken Erinnerungen an die Kindheit. Dabei waren diese Mahlzeiten doch eher einfach gehalten. Die Küche war regional und saisonal. Gekocht wurde mit dem was zur Verfügung stand und satt machte. Man folgte einem gewissen Wochenplan.

Magda Drostel erinnert sich noch gut an diese Zeit. Sie erzählt im Buch, wie damals in ihrer Familie gekocht wurde, als sie noch ein Kind war.
Es ist sehr spannend hier Vergleiche zur heutigen Zeit zu ziehen und zu sehen, was sich alles verändert hat.
Man besinnt sich heute wieder mehr auf die alten Rezepte zurück. Selbst zu kochen und gemeinsam zu essen, ist gut für die Familie.

Als Erstes werden herzhafte Gerichte vorgestellt, darunter „Kartoffelsuppe“, „Linsen und Spätzle“, „Gefüllte Paprikaschoten“, „Eier in Senfsoße“, „Pellkartoffeln mit Kräuterquark“, „Kartoffelpuffer“, „Zwiebelkuchen“, „Schweinebraten mit Klößen“, Schälrippchen“, „Königsberger Klopse“ und „Krautwickel“.
Danach folgen die süßen Gerichte unter anderem mit „Grießauflauf“, „Zwetschgenknödel“, „Apfelstrudel“, „Hefepfannkuchen“, „Kirschenmichel“, und „Waffeln“ aus dem Waffelautomaten und „Zwetschgendatschi“.

Man kann diese Gerichte gut in die Alltagsküche integrieren, aber auch einmal ein typisches Sonntagsgericht auswählen. Die Kochanleitungen sind sehr ausführlich gehalten, so dass man gut zurechtkommt. Es sind viele Rezepte dabei, die wenig Aufwand erfordern. Dann ist auch die Zutatenliste recht übersichtlich. Gerade auch, wer sparen muss, wird hier fündig.
Man kann direkt dem von Magda Drostel beschriebenen damaligen Wochenplan folgen, wo es sonntags meist eine Suppe und danach den Sonntagsbraten gab, wovon die Reste dann am Montag verarbeitet wurden. Der Dienstag war einer Mehlspeise vorbehalten. Mittwochs gab es Innereien, am Donnerstag Eintopf mit frischem Gemüse vom Markt, freitags dann meist Fisch und am Sonnabend eine Suppe.

Auch von der Aufmachung gefällt das Buch gut. Magda Drostel sagt zu jedem Gericht etwas und verbindet es mit ihren persönlichen Erinnerungen. Die Fotos im Buch stammen von ihr selbst.

Rezensionen von Heike Rau

Magda Drostel
Der Geschmack der Kindheit
Die besten Rezepte von früher
112 Seiten, gebunden
Jan Thorbecke Verlag
ISBN-10: 3799507094
ISBN-13: 978-3799507097
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