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Schlagwort: Lügen

Jan Costin Wagner: Einer von den Guten

Jan Costin Wagner: Einer von den Guten

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Jan Costin Wagner ist einer der Kriminalautoren, bei denen es um sensible Beobachtung von Tätern wie Opfern geht. So erlebt man es in seinem neuen Roman über einen leitenden Kriminalermittler, der ein Doppelleben führt.

Wie in einem Kammerspiel wird uns von Ben Neven als liebender Ehemann und Vater einer ebenso geliebten kleinen Tochter erzählt.
Ben befindet sich auf einer Fahrt nach Dortmund. Gleich zu Beginn erfahren wir, dass er dort Böses im Sinn hat. Seine Gedanken wechseln zwischen dem erwarteten Ziel und seinem geordneten Zuhause. Es passt nicht zusammen.
In wechselnden Kapiteln werden uns Personen vorgeführt, die in Beziehung zu ihm stehen.

Einmal kommt seine Frau zu Wort; dann ein als „Junge“ bezeichneter Knabe, der auf Ben in Dortmund wartet; schließlich Ben selber mit seinem unguten Vorhaben, einem Laster, dem er wie einem inneren Zwang folgt.
Es gibt die Berufskollegen, mit denen er in besten Beziehungen steht. Einer ist ihm zugetan fast wie einem Sohn.

Allmählich wird uns bewusst, dass Ben als Ermittler im Prostituiertenmilieu arbeitet. Er ist gut in seiner Arbeit, beliebt bei seinen Kollegen und fühlt sich hingezogen zu seinem Heim mit Frau und Tochter.
Der Schleier des Bösen, des verheimlichten Lasters und die Arbeit bringen den Helden in eine immer tiefer greifende mentale Krise.

Wie Wagner die Spieler in diesem ungleichen Spiel auftreten lässt, das zeigt uns einen Autor, der in die Tiefen menschlicher Seelen blicken kann. Das Gute und Böse liegen nahe beieinander. Wie viele Abgründe mögen im nach außen gebotenen biederen Auftreten schlummern?
Fesselnd wird man in eine Entwicklung einbezogen, die die Hauptperson in tiefe Verzweiflung stößt.

Es geht also nicht allein um die Aufklärung eines Kriminalfalls, sondern um den Fall eines von seinen Trieben gezeichneten Mannes.
Die Abgründe im menschlichen Sein aufzuspüren und nicht zu verurteilen, sondern sich um das Verstehen zu bemühen, das ist die Kunst dieses außergewöhnlichen Autors.
Es geht in seinem Roman mehr um eine Psychostudie als um den beschriebenen Kriminalfall.

Der Autor führt uns durch eine Geschichte, in der es so scheint, als könne man nach moralisch verwerflichen Handeln wieder auf den rechten Weg zurückfinden. Doch wie kann man sich täuschen!
Es gibt ausweglose Situationen. Wagner lässt Fragen offen und zeigt uns, dass am Ende nichts mehr sicher ist.

Gerade dieses Ende macht den Roman so bewegend: Subtil und ruhig zeigt die Erzählung, wie wenig wir vom Bösen ahnen, und wie man auch durch Verschleiern der Wahrheit ins Leben zurückfinden kann. Der Zufall spielt keine geringe Rolle.

Sehr lesenswert!

Jan Costin Wagner
Einer von den Guten
Galiani-Berlin, August 2023
208 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3869712600
ISBN-13: 978-3869712604
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Saskia Louis: Die Lügendiebin

Saskia Louis: Die Lügendiebin

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Fawn ist eine begabte Lügendiebin. Sie kann mit ihrer roten Magie erkennen, wer die Wahrheit spricht und wer lügt. Doch hat sie es nicht auf Notlügen, Flunkereien und Ausreden abgesehen, sondern vielmehr auf bedeutsame Lügen, denn diese sind den Dunkeldieben mehr wert. So schleicht sie sich ein in die Häuser der adligen Familien im weißen Ring, um heimlich an ihren Gesprächen teilzunehmen. Unbemerkt aus ihrem Versteck heraus hängt sie an ihren Lippen und erfährt, was eigentlich geheim bleiben soll.

Fawn fühlt sich sicher, sie versteht ihr Handwerk. Doch im Hause der Familie Falcron wird sie erwischt. Lord Kaltherz persönlich steht ihr plötzlich gegenüber, als sie gerade einer unglaublich brisanten Lüge, die sie von Lady Falcron Lippen gestohlen hat, auf den Grund gehen will. Nun muss sie selbst lügen und es wie Wahrheit aussehen lassen. Doch kommt sie damit nicht durch. Caeden will sie für seine Zwecke einspannen. Er glaubt, nur so den Mörder seines Vaters finden zu können. Aber dazu muss sie sich als seine Verlobte ausgeben. Fawn holt sich Rückendeckung von den Dunkeldieben und spielt mit. Sie hat ohnehin kaum eine Wahl. Es ist eine äußerst gefährliche Sache, die sie das Leben kosten könnte.

Vor dem geistigen Auge tut sich eine geheimnisvolle Welt auf, die in fünf Ringe eingeteilt ist. Dabei bildet der Königshof von Mentano die innere Mitte. Fawn lebt im äußeren grauen Ring. Hier ist die Armut, der sie entfliehen möchte, am größten. Es kostet keine Mühe, sich diese Welt vorzustellen, denn sie ist sehr bildhaft beschrieben.

Fawn kommt in diesem Buch selbst zu Wort. Die Geschichte ist aus ihrer Sicht erzählt. Sie ist eine offene, mutige und etwas zu abenteuerlustige junge Frau. Ihre Erlebnisse und ihre Gedanken werden sehr ausführlich wiedergegeben, sodass man sich perfekt in sie hineinversetzten kann. Besonders spannend ist ihr Umgang mit Caeden. Hat er seinen Spitznamen Lord Kaltherz wirklich verdient? Überhaupt gibt sich seine Familie unerwartet freundlich. Als Leser kommt man nicht umhin, sich um ihren Vertrauensvorschuss Sorgen zu machen. Nach außen hin spielen die beiden ihre Rolle als verlobtes Paar wirklich gut und Fawn ist sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher.

Die Autorin eröffnet einen völlig neuen Blick auf das Wesen der Lüge und ihrer Vielfältigkeit bis hin zum Verrat. Über bewusste Täuschung und Intrigen hinweg entwickelt sich die absolut fesselnde und wunderbar flüssig zu lesende Geschichte fort bis hin zu einem dramatischen Ende, das Lust auf den zweiten Teil des Buches macht.

Rezension von Heike Rau

Saskia Louis
Die Lügendiebin
ab 14 Jahren
416 Seiten, gebunden
Ueberreuter, Februar 2022
ISBN-10: 3764171286
ISBN-13: 978-3764171285
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Marlies Ferber: Wohin die Reise geht

Marlies Ferber: Wohin die Reise geht

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Jakob, einst Kaffeefabrikant, kann die Bitte seines Sohnes nicht abschlagen. Er sagt zu, die eine Million Schwarzgeld bei einer Schweizer Bank einzuzahlen, um die finanzielle Sicherheit der Familie und vor allem seiner Enkelkinder zu gewährleisten. Die Unternehmung soll als Kurzurlaub getarnt werden. Als sein Chorfreund Matthias mit auf Reisen gehen möchte und dafür seinen Wohnwagen anbietet, kann er wieder nicht Nein sagen. Das Geld erwähnt er allerdings nicht. Matthias ist schließlich Polizist und hätte sicher kein Verständnis. Sein Hund Eddie, der früher Polizeihund war, aber nun an einem Knalltrauma leidet, kommt ebenfalls mit.

Bei einer Pause auf einer Raststätte lernt Jakob Tilda kennen. Sie wirkt verwirrt und weiß nicht, wie sie hier her gekommen ist. Sie erinnert ihn an seine verstorbene Frau, die ebenfalls dement gewesen ist. Zum Glück kennt Tilda ihre Adresse. Doch auch die junge Alex weckt sein Mitgefühl. Sie schildert ihre ausweglose Situation sehr glaubhaft. Er könnte ihr Großvater sein und deshalb möchte er ihr helfen, den Reisebus, der ohne sie abgefahren ist, noch zu erwischen. Matthias ist skeptisch. Also Polizist lässt er sich nicht so einfach von Geschichten beeindrucken. Doch nun sitzen die beiden Frauen mit im Auto. Und kurze Zeit später ist das Geld weg.

Marlies Ferber bringt in diesem Buch vier Menschen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Jakob hat sich von seinem Sohn zu einer Straftat überreden lassen und Matthias verschweigt gesundheitliche Probleme. Tilda, die einst Opernsängerin war, ist zu gutgläubig, und Alex ist, was sie nie zugeben würde, auf die schiefe Bahn geraten und auf der Flucht.

Anfangs ist die Reise einfach nur witzig und unterhaltsam. Doch die Probleme lassen sich nicht ewig überspielen. Und so gibt es irgendwann einen Wendepunkt in der Geschichte und es wird ein richtig spannender Krimi draus. Es geht um Mord, um Betrug, um Lügen und um falsch verstandenes Pflichtgefühl. Es gibt vieles, das aufgearbeitet werden muss. Aber so einfach ist das eben nicht. Menschen machen Fehler, handeln kopflos. Die Lage spitzt sich zu und wird richtig beängstigend.

Die Autorin versucht mit ihrem Buch zu zeigen, dass Mitgefühl und Verständnis Probleme lösen kann, so ausweglos die Situation auch scheinen mag. Es ist eine schöne Vorstellung.

Rezension von Heike Rau

Marlies Ferber
Wohin die Reise geht
dtv Verlagsgesellschaft, Februar 2021
288 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-10 : 3423262672
ISBN-13 : 978-3423262675
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Haylen Beck: Ohne Spur

Haylen Beck: Ohne Spur

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Audra Kinney will weg von ihrem gewalttätigen Ehemann. Aber nicht ohne ihre Kinder Sean und Louise. Eine Freundin in San Diego bietet halbherzig Hilfe an. Also macht Audra sich mit dem Auto auf den weiten Weg. Es wird sich dann schon alles regeln, hofft sie. In der Wüste von Arizona wird sie angehalten. Sheriff Whiteside befindet, dass der Kombi überladen ist. Als er im Kofferraum ein verdächtiges Päckchen findet, das Audra definitiv nicht gehört, wird sie verhaftet. Debuty Collins wird herbeigerufen. Sie bringt die Kinder weg. Das Auto wird abgeschleppt.

Dann geschieht das Unglaubliche. Sheriff Whiteside weiß plötzlich nichts mehr von den Kindern. Außer ihr sei niemand im Auto gewesen, behauptet er. Und bald glaubt alle Welt, sie habe den Kindern etwas angetan. Es dauert nicht lange, bis Audra unter Mordverdacht steht. Niemand will ihre Version der Geschichte hören. Sheriff Whiteside zu beschuldigen, ist einfach lächerlich. Doch es gibt, wie sich später herausstellt, einen Menschen, der Audra glaubt. Einen mit eigenen schmerzlichen Erfahrungen, der nur darauf wartet, sich zu rächen.

Das Buch ist extrem spannend und nervenaufreibend. Man hat als Leser einen Wissensvorsprung zu den Ermittlern und weiß, wer lügt und wer die Wahrheit sagt. Die wahren Hintergründe der Entführung offenbaren sich, sodass die Angst um die Kinder stetig wächst. Doch Audra ist bereit, zu kämpfen. Sie hat sich in ihrem Leben immer wieder von ihrem Ehemann unterkriegen und manipulieren lassen. So etwas will sie nicht wieder zulassen. Ihr Sohn Sean ist blitzgescheit. Er beschützt seine kleine Schwester und auch er ist nicht bereit, einfach abzuwarten, wie es ihm von der Polizistin befohlen wird.

Die Perspektive wechselt immer wieder, sodass die verschiedenen Erzählstränge zusammenlaufen. Allerdings wird dadurch auch die extreme Gefahr, die für die Kinder besteht, gegenwärtig, zumal das FBI nicht in die Gänge kommt, während die Zeit abläuft. Der Autor versteht es, flüssig zu schreiben und die Spannung über den ganzen Thriller hinweg zu halten.

Rezension von Heike Rau

Haylen Beck
Ohne Spur
Thriller
Deutsch von Wolfram Ströle
384 Seiten, broschiert
ISBN-10: 3423217642
ISBN-13: 978-3423217644
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Antje Wagner: Hyde

Antje Wagner: Hyde

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Katrina hat sich immer wohlgefühlt in ihrem Zuhause im Wald, auch wenn sie hier mit ihrem Vater und ihrer Schwester Zoe sehr zurückgezogen gelebt hat. Es war in Ordnung, sie hat die Natur geliebt und viel gelernt. Doch diesen Ort, Hyde, gibt es nicht mehr. Es ist etwas passiert, an das Katrina sich nicht erinnern kann. Auch nicht, nachdem sie das Krankenhaus verlassen hat. Katrina hat ihren Vater und die Schwester verloren. Aber die Mutter, von der sie dachte, dass sie gestorben ist, lebt und will sich nun um die Katrina kümmern.

Das bisherige Leben Katrinas wird infrage gestellt. Was gewesen ist, wird nun anders bewertet. Aber Katrina will nicht wahrhaben, was ihr eingeredet wird. Sie deckt die Lügen auf und verlässt ihre Mutter. Sie sinnt auf Rache. Auf der Suche nach Arbeit, Katrina ist mittlerweile Tischlergesellin, entdeckt sie ein altes Haus. Dass ein Verwalter für „Haus Waldkauz“ gesucht wird, kommt ihr sehr gelegen. Doch zur Ruhe kommt Katrina hier nicht. Das Haus hat eine merkwürdige Geschichte und beunruhigt sie mit mysteriösen Vorkommnissen.

Das Buch beginnt relativ realistisch. Es spielt in der Gegenwart, während zwischendurch immer wieder ein Blick in die Vergangenheit geworfen wird. Ich dachte zunächst, es wird ein Krimi, in dem aufgedeckt wird, warum der Vater die Kinder im Wald aufgezogen hat. Abgeschottet, aber nicht weltfremd, sondern naturverbunden und gebildet. Liebevoll, aber auch mit strengen Regeln. Das stellt die Autorin sehr gut dar. Die Geheimnisse um die Familie werden zwar aufgedeckt, bleiben aber so stehen.

Mit „Haus Waldkauz“ kommen fantastische Elemente zum Tragen. Katrina hat ein Gespür für das alte Haus. Ihre Naturverbundenheit spielt hier mit hinein. Für sie ist das Haus mit seinem Holz lebendig. Es bedarf ihrer Pflege. Ich kann das soweit gut nachvollziehen. Doch zum Ende hin wird das Buch zu unrealistisch. Nicht einfach mysteriös, sondern wirklich befremdlich. Es ist, als würde Katrina, die mir bis dahin sehr sympathisch war, nun in eine andere Welt abrutschten. Ich denke, man kommt nur damit klar, wenn man das einfach so stehen lässt, ohne darüber nachzudenken. Vielleicht ist es auch so, dass die Geschichte hier in einen Traum übergeht.

Rezension von Heike Rau

Antje Wagner
Hyde
408 Seiten, gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407754353
ISBN-13: 978-3407754356
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Anne Sanders: Sommer in St. Ives

Anne Sanders: Sommer in St. Ives

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„Her name was Lola, she was a showgirl.“ Diesen Spruch hat Lola, die Protagonistin dieses Romans, schön öfters gehört. Aber aus dem Mund von Chase Bellamy klingt er doch etwas anders.

Sommer, Sonne, Strand und Meer, dazu Meeresrauschen, Möwengeschrei, kieloben liegende Boote und eine Bildergalerie neben der anderen. Wenn dies auch etwas nach Klischee klingen mag, so ist das vielleicht nur in dieser Rezension so, denn in dem Roman beschreibt die Münchner Autorin sehr fein und mit viel Liebe zum Detail die Straßenzüge von St. Ives, die Landschaft von Cornwall und das Leben in diesem Landstrich. Bei den Lesern passende Bilder im Kopf hervorzurufen (Ich muss rot sein wie ein italienischer Kleinwagen.), fällt ihr leicht. Einfach zurücklehnen und die Bilder genießen, sollte zumindest beim Hörbuch gut funktionieren. Beim Lesen schweift man schnell vom Text ab und verliert sich in der cornischen Region.

Worum geht es in diesem Roman? Vor einem Jahr ist Großvater verstorben. Großmutter Elvira hat die Tochter Samantha samt Schwiegersohn Ben und den Enkelkindern Lynda, Lola und Luca an den Ort eingeladen, der für ihr eigenes Leben so prägend war. Noch im Flugzeug gehen alle davon aus, dass es sich um ein kleines Cottage handeln wird, in dem sie sich die nächsten sechs Wochen vergnügen dürfen, obwohl manchen von ihnen die Arbeit im Nacken sitzt. Doch dann werden sie bei ihrer Ankunft von einem großen Herrenhaus auf den Höhen überrascht. Die Großmutter erwartet sie schon, denn sie war wegen irgendwelcher Vorbereitungen eine Woche früher nach Cornwall gereist.

Am ersten Tag wundert sich die Familie, dass sich Großmutter für den ganzen Tag über verabschiedet und erst am Abend wieder alle treffen werde. Noch dazu in einem Pub unten im Ort zu einem Konzert. Nun gut, alle wissen, dass Großmutter hin und wieder ein Klassikkonzert besucht. Um so überraschter sind sie, als sich herausstellt, dass es sich um ein Rockkonzert handelt. Die Familie versteht die Großmutter nicht mehr. Als nach dem Konzert der Gitarrist und Frontmann Sam Watson auf den Tisch der Familie zukommt, kommt es noch dicker …

Anne Sanders hat diesen Roman im Sprachspiel eines Tagebuches angelegt. Die sechsundzwanzigjährige Protagonistin Lola plaudert und plätschert ihre Erlebnisse so locker, als würde sie sie ihrem Tagebuch anvertrauen. Manchmal etwas zu locker, denn die Figuren sagen nichts, vielmehr quietschen, krächzen, schreien, quieken, quäken, brummeln und murmeln sie. Murmeln vor allem. Der Spannung und guten Laune beim Lesen kommt das aber nicht in die Quere. Auch der reichlich enthaltene Konfliktstoff, den die Familienmitglieder mit sich herumtragen, lässt keine wirklich düstere Stimmung aufkommen. Das gelegentlich schlechte Wetter in St. Ives sorgt ebenso wenig für Unbehagen, verbergen sich darin doch so manch spaßige Überraschungen.

Sander erzählt auf geschickte Weise gleich zwei Liebesgeschichten, die der Protagonistin Lola und die ihrer Großmutter Elvira. Sie erzählt von schwierigen Verhältnissen, welches die Frauen dieses Romans mit ihren Müttern hatten, und stellt dar, dass jede Generation mit ähnlichen Problemen zu tun hat und doch jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Während die Hauptgeschichte von Lola selbst in der ersten Person erzählt wird, so erschließt sich die Geschichte der Großmutter über Rückblenden, die in der dritten Person erzählt werden. Stück für Stück setzt sich ein riesiges Familienpuzzle zusammen.

Ein rundum lesenswerter Roman für viel Sonne und Wärme im Herzen, der sich nach der letzten Seite nur schwer zuschlagen lässt.

Sanders, Anne
Sommer in St. Ives
Blanvalret Verlag, München
ISBN 9783764505462

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Georg M. Oswald: Unter Feinden

Georg M. Oswald: Unter Feinden

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Spurensuche mit fraglichem Erfolg.

In diesem ungewöhnlichen Krimi spielen die Ermittler die Hauptrolle.

Schreckliches ist passiert: Kessler, einer der Ermittler in einem Observierungsfall, hat einen Unfall verursacht. Absicht oder Zufall?  Mit seinem Kollegen Diller beobachtete er von einem Auto aus ein Fenster, ohne dass sie zu einem Ziel gekommen sind.

Unten auf der Strasse aber spielte die Musik: „Arabs“ spielen Basketball. Kessler, das merkt der Leser schnell, ist selber drogensüchtig. Er steigt aus dem Wagen, um einen heiß ersehnten „Schuss“ bei den jungen Dealern arabischer Herkunft zu ergattern. Keine gute Voraussetzung für einen Polizisten, in seinem Job zu reüssieren!

Die beiden verdeckten Ermittler geraten danach in eine sehr missliche Lage, die sie ihren Job kosten könnte.

Die ganze Geschichte spielt in München, wo demnächst eine Sicherheitskonferenz stattfinden soll.

Mit Spannung wartet man darauf, wie sich Kessler und Diller, die durch die obigen Vorfälle in einen unheimlichen Verdacht geraten sind, aus der Zielgruppe der Verdächtigen retten wollen. Daneben geht es in der Geschichte um Terroristen, um Araber, um Täuschungen und Lügen, in denen sich ein ganzes Netz von Kriminellen vereint finden. Mitten im Geschehen agieren immer wieder Diller und Kessler. Sie sind über eine lange Jahre zurückliegende Straftat mit einander verbunden, die tief in ihr Privatleben reicht.

Georg Oswald kennt sich aus. Er hat einen Thriller von hohem Niveau geschrieben. Man liest die Geschichte wie einen Film und verliert zuweilen fast den Faden. Das Milieu und die Handlung wirken echt und überzeugend, denn Gerechtigkeit und Aufklärung sind nicht immer zu finden. Mit Spannung wartet man auf den Schluss, der überraschend und verblüffend ist.

Oswald ist selber Anwalt und hat sich als Autor mit gesellschaftskritischen Geschichten und Essays hervorgetan. Subtil, gewitzt und anspruchsvoll kommt sein Krimi daher und erfüllt alle Erwartungen an einen diffizilen und tiefgründigen Thriller.

Georg M. Oswald
Unter Feinden
256 Seiten, gebunden
Piper, 2. Auflage, Januar 2012
ISBN-10: 3492053831
ISBN-13: 978-3492053839
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Justine Larbalestier: Lügnerin!

Justine Larbalestier: Lügnerin!

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Sie waren Freunde. Zach und Micah. Doch nur außerhalb der Schule. Deswegen gibt Micah die Freundschaft auch im Nachhinein nicht zu. Wozu auch? Zach ist tot. Auch als alle Schüler verhört werden, bleibt Micah dabei. Sie behauptet weiter, Zach kaum gekannt zu haben. Dabei sind die beiden so oft zusammen im Central Park gelaufen. Micah trauert. Heimlich. Sie vermisst Zach so sehr, dass sie an der Feuerleiter in sein Zimmer hinauf klettert. Aus der verlassenen Wohnung nimmt sie ein schmutziges Trikot mit als Erinnerung.

Offiziell war Zach mit Sarah zusammen. Auch deswegen möchte Micah nicht über sich und ihren Freund sprechen. Doch Gerüchte kommen auf. Fragen werden gestellt. Micah fühlt sich in die Enge getrieben. Sie hat noch viel mehr Geheimnisse. Ihre Familie verbirgt eines davon. In diesem Buch erzählt Micah davon. Doch wie sie selbst von sich sagt, ist sie eine Lügnerin. Anfangs glaubt man ihr, dass sie diesmal die Wahrheit sagt. Dann beginnt man zu zweifeln. Und bald weiß man sicher, dass sie zumindest in einer Sache lügt. Wie kann sie glauben, dass man ihr diese Geschichte abnimmt?

Es ist ein Buch, das betroffen macht. Die Autorin lässt Micah ihre Geschichte selbst erzählen. Sie will die Wahrheit erzählen, einmal das Lügen sein lassen. Ihr Freund ist ermordet worden. So etwas behauptet man nicht einfach. Es muss die Wahrheit sein. Man spürt, wie Micah leidet.
Doch sie bleibt nicht bei ihrer Geschichte. Bald werden dem Leser verschiedene Versionen angeboten. Eine davon ist so abenteuerlich, dass diese nur ausgedacht sein kann. Oder nicht?

Das Buch wird aus der Gegenwart heraus erzählt, durchmischt mit Rückblenden. Alles dreht sich um die eine Frage, ob Micah eine Mörderin ist. Ob sie etwas mit dem Mord an Zach zu tun hat. Möchte man eine Antwort darauf, muss man versuchen, die Lügen zu durchschauen bis nur noch die Wahrheit bleibt. Das zerrt an den Nerven. Das macht den Psychothriller aus. Hier ist sogar Platz für Übersinnliches.

Manchmal ist das Buch spannend, dann auch wieder nicht. Wenn man genervt ist, von den Lügen. Wenn jedes bisschen Realität auf der Strecke bleibt. Und doch wird man gefesselt. Glaubt sich in der Lage, die Wahrheit zu erkennen. Doch was wirklich Wahrheit und was Lüge ist, weiß nur Micah selbst.

Und so ist das Ende enttäuschend. Man wird allein gelassen. Was gerade für ein Jugendbuch nicht schön ist. Welche Schlüsse soll man ziehen? Was hat man gelernt? Was ist mit Micah wirklich los? Fragen über Fragen bleiben. Es ist eine wirklich undurchschaubare Geschichte. Bis zum Schluss.

Rezension von Heike Rau

Justine Larbalestier
Lügnerin!
Thriller
Aus dem amerikanischen Englisch von Kattrin Stier
400 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570160777
ISBN-13: 978-3570160770
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Das Meer der Lügen

Das Meer der Lügen

1757. Der englische Offizier Lord John Grey macht im Herrenclub eine unglaubliche Entdeckung. Er glaubt erkannt zu haben, dass der Verlobte seiner Cousine an Syphilis erkrankt ist. Die Hochzeit darf auf keinen Fall stattfinden. Zur Lord Johns Beunruhigung führen die Ermittlungen in einem Spionage- und Mordfall ebenfalls auf die Spur des Verlobten Joseph Trevelyan, einem prominenten Mitglied der Londoner Gesellschaft. Lord John folgt den Spuren und gerät in einen Strudel aus Intrigen, ungeheuerlichen Ereignissen und Verschwörungen. Seine ausgesprochen gute Kombinationsgabe und seine Art überraschende Rückschlüsse zu ziehen, können allerdings nicht verhindern, dass er in eine Falle tappt und sich in echte Lebensgefahr bringt.

„Das Meer der Lügen“ ist ein spannender Krimi, der viele Überraschungen bereit hält. Mit Diana Gabaldons Highland-Saga hat das Buch allerdings nichts gemein. Natürlich denkt Lord John hin und wieder an Jamie Fraser und seine unerwiderte Liebe zu ihm, mehr aber auch nicht. Die Wartezeit, bis der sechste Roman mit Claire und Jamie erscheinen wird, verkürzt sich daher nur unwesentlich.
Ihren Stil hat Diana Gabaldon beibehalten. Sie erzählt in ihrer unnachahmlichen faszinierenden Art, mit Liebe zum Detail und leisem Humor. Allerdings muss man sehr aufmerksam lesen, um den Faden nicht zu verlieren. Die Handlung ist sehr umfangreich, der Fall äußerst knifflig.

Über die Autorin: Bevor Diana Gabaldon sich dem Schreiben widmete, arbeitete sie als Professorin für Tiefseebiologie und Zoologie an der Universität von Arizona. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Ihre Highland-Saga umfasst mittlerweile fünf Bände. „Das Meer der Lügen“ ist der erste Band einer neuen Saga um Lord John.

Rezension von Heike Rau

Diana Gabaldon
Das Meer der Lügen
Aus dem Amerikanischen von Barbara Schell
416 Seiten, gebunden
Blanvalet Verlag, München
ISBN: 3-7645-0175-8

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