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Schlagwort: Natasha Radojcic

Halids Heimkehr

Halids Heimkehr


Die Welt, in die Halid nach dem Krieg zurückkehrt, ist nicht mehr dieselbe, die er verlassen hatte.

Was im Dorf mit einem verlorenen Fußballspiel gegen die Serben begann, endete einst in einer handfesten Prügelei.

Zuletzt wurde aus ethnischen Ressentiments der Bosnienkrieg, in dem Muslime und Christen, die lange Zeit friedlich zusammen gelebt hatten, von einem Tag auf den anderen zu Feinden wurden.

Als Halid kriegsversehrt zurückkehrt, ist sein Dorf verkommen, viele Männer sind gefallen oder noch im Krieg. Er zieht rastlos durch die bekannten Strassen und Plätze, trifft auf einen früheren Kumpel Shukri, auf verarmte Zigeunerjungen und traut sich nicht nach Hause zu seiner Mutter. Auch von Mira hört er, seiner große Liebe, die seinen besten Freund Momir, geheiratet hat,–oder heiraten musste?

Halid treibt sich in Spelunken rum und verkehrt im Zigeunerpuff mit seinem Freund Shukri. Überall, wo er auftaucht, wird geraucht und getrunken und gespielt und er macht fleißig mit. Innerlich hat er sich abgekapselt.
Es ist ein armseliges und schurkisches Milieu, das der Krieg übrig gelassen hat.

Während im Dorf Argwohn, Verbitterung und Feindsseligkeit an allen Ecken spürbar ist, macht sich Halid auf, Mira zurück zu erobern. Die Mutter von Momir vertreibt ihn bei jeder Gelegenheit und ist erfüllt von Bitterkeit und Wut. Die Mitglieder der Familie Momirs sind Christen und Halid ist Moslem. Und dann gibt es da noch andere Geheimnisse: man ahnt drohendes Unheil heraufziehen

Mit eindringlicher Sprache und feiner Beobachtungsgabe gelingt der Autorin punktuell das Porträt eines Vielvölkerstaates, der nur schwer zur Einigung finden kann.
Sie berichtet über Brutalität, die Liebe und eine subtile Zärtlichkeit, die Halid für seinen gefallenen Freund Momir empfindet; sie spricht über die Traurigkeit und über all das Vergangene und Verlorene.

Darüber hinaus bringt sie atmosphärisch herüber, wie es sich in einem Land lebt, in denen sich die Menschen in gegenseitigem Hass zerfressen, und das durch Uneinigkeit in einen Auflösungszustand gerät und in sich zerfällt.

N. R. ist eine begnadete Berichterstatterin.
Sie lebt seit ihrem 20. Lebensjahr in Amerika und unterrichtet an der University of Colorado und der Jesuit University New / York. Natasha Radojcic hat schon mit ihrem Roman 2006 ein Zeichen gesetzt, das sie als kluge Interpretin ihrer politischen Herkunft ausweist. Mit diesem Roman hat sie den ersten noch übertroffen.

Natasha Radojcic
Halids Heimkehr

ISBN:3827006201
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Du musst hier nicht leben

Du musst hier nicht leben

Die Autorin wurde in Belgrad geboren und kam mit zwanzig Jahren nach New York.

Sie schildert eine Jugend zwischen jugoslawischer Großfamilie, Aufbruch in ein kommunistisches Kuba, ein Leben in den Bergen Jugoslawiens, in der Großstadt, im Kommunismus, zwischen verschiedenen Religionen und bewegt von vielen Ortswechseln.
Sascha ist die Hauptprotagonistin. Ihre Heimat ist Jugoslawien, wo sie ein unstetes Leben als aufmüpfige Tochter einer kranken, zarten Mutter und eines Vaters, der sich schon längst davon gemacht hat, lebt.
Ihre Schwester Lumen lebt in einer Heilanstalt für geistig Behinderte; sie äußerte der Schwester Sascha gegenüber “ Du musst hier nicht leben“.
Mit fünfzehn Jahren läuft Sascha von zu Hause weg, wird aufgegriffen und zur Großmutter in die Berge geschickt. Auch dort bleibt sie nicht lange, man schickt sie zu einem Onkel nach Kuba.
Hier beginnt sie ein Leben mit Alkohol, Drogen und früher sexueller Liebe. Sie sprengt alle Grenzen der Religion, der Tugend und familiärer Angepasstheit.
Niemand vermag sie zu bändigen. Als die Mutter, zu der sie zwischenzeitlich zurückgekehrt ist, schwer an Krebs erkrankt, kommt sie zu ihrem Vater nach Athen. Dort lebt sie ein vollkommen ungezügeltes Leben, für eine Muslimin unsagbar!
Sie lernt amerikanische GIs kennen, lebt mit diesem oder jenem zusammen. Hier und da findet sie sogar eine Liebe, die ihr heimatliche Geborgenheit vermittelt. Drogenkonsum und Alkoholverzehr sind ständige Begleiter. Es kommt zu Exzessen, sie klaut und schlussendlich setzt ihr Vater sie vor die Tür.
Das Leben geht weiter. Zur Beerdigung der Mutter kehrt sie noch einmal nach Hause zurück.
Am Ende erschleicht sie sich mit falschen Zeugnissen die Einwanderung nach USA. Dort lebt sie ihr einmal begonnenes Leben im sozialen Abseits weiter.
Sie ist hellwach und beobachtet ihre Umwelt, was das Buch zu einem bewegenden Zeugnis einer Aussteigerin macht.
Zwischendrin gibt es zarte Szenen, in denen sie sich nach Liebe sehnt und sie vermeintlich auch ab und zu findet.

Dieses ungebärdige Mädchen ist begabt und intelligent. Nur gelegentlich findet sich ein Gönner, der ihr wirklich wohl will und sie nicht nur auszubeuten gedenkt.

Insgesamt ist die Geschichte traurig und anrührend: wie ein Mensch in eine Welt zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen, zwischen Kriege und zerrissene Familienbande gerät und ganz alleine einen schwierigen, einsamen und abseitigen Weg sucht.
Es ist ein Sozialdrama, lebendig und anrührend geschrieben, fein beobachtet und unserer Zeit mit ihren Religions- und Rassenkonflikten durchaus angemessen.

Cl.B.

Natasha Radojcic
Du musst hier nicht leben
Familiengeschichte im zerrissenen Zeitalter der Kriege
ISBN:3827006317
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