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Schlagwort: Abhängigkeit

Ulla Coulin-Riegger: Mutters Puppenspiel

Ulla Coulin-Riegger: Mutters Puppenspiel

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Was für eine grässliche Mutter!

Ulla Coulin-Riegger hat mit diesem Debütroman wohl ihrem Herzen aus der reichlichen Erfahrung ihrer psychotherapeutischen Arbeit Luft gemacht!

Es gibt sie! Diese Mütter aus Vorwurf, Selbstmitleid und Erwartung. Immer voller Anspruch und Eifersucht bis hin zu kränklichen Zuständen, mit denen das Kind, in diesem Fall die Tochter Lisette, zu Gehorsam und Fürsorge gezwungen wird. Diese Tochter kann sich einfach nicht befreien aus dem Zwang der Abhängigkeit.

Sie, die Tochter, ist 38 Jahre alt, Ärztin und toll verliebt in einen verheirateten Mann mit Frau und Tochter im Hintergrund. Anlass zu Ärger für die Mutter ohne Ende!

Ulla Coulin –Riegger beschreibt die Beziehungen aller beteiligter Personen so wahrhaftig, dass man ganz gefangen wird von den verworrenen Beziehungsstrukturen. Man ärgert sich mit der Tochter mit, man möchte ihr helfen, herauszukommen aus der Abhängigkeit sowohl vom Liebhaber als auch von der Mutter.

Es fehlt nicht an existenziellen Ereignissen, die das ganze starre System zum Zusammenbruch zu bringen droht.

Liebe, Zärtlichkeit und Erwartungsfreude zum Liebhaber werden erst angeknackst, als Emil immer und immer wieder eine Stellungnahme und Entscheidung für oder gegen die Geliebte hinauszögert.

Alle Personen haben Schwierigkeiten, sich auf wirkliche Nähe, Distanz oder notwendige Konfrontationen einzulassen.

Erst als eine neue Freundin der Tochter ins Spiel kommt, eine Psychotherapeutin, gelingt es Lisettte, aus der Umklammerung der Mutter fast herauszufinden. Ruth, diese neue Freundin, hat zwar auch ein Problem, aber sie scheint es besser in den Griff zu bekommen.

So wie Ulla Coulin-Riegger alles beschreibt, wird man zum Zuschauer des psychodynamischen Geschehens. Man sieht, was alles nicht stimmt, und glaubt, Lösungen zu kennen; aber man ist ja nur von außen dabei. Es macht einen Unterschied, ob man selbst in so einer bizarren Verstrickung lebt, oder nur Zuschauer mit Brennglas ist.

Zuletzt wird noch ein überraschendes Geheimnis gelüftet, das aber wichtig ist und den Leser sehr erschüttert.

Dass am Ende alles recht glücklich endet, ist fast nicht zu glauben.

Ein spannendes, aufregendes und fesselndes kleines Buch, das viel über die Psyche und ihre Verstrickungen verrät.

Sehr lesenswert!

Ulla Coulin-Riegger
Mutters Puppenspiel
174 Seiten, gebunden
Klöpfer, Narr, 30. März 2020
ISBN-10: 3749610274
ISBN-13: 978-3749610273
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Charles Jackson: Das verlorene Wochenende

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Dieser 1944 erstmalig erschienene Roman von Charles Jackson über einen Alkoholkranken ist jetzt in der Neuübersetzung von Bettina Abarbanell im Dörlemann Verlag in einer Neuauflage auf Deutsch erschienen.

Der Held, oder besser gesagt Antiheld, der Geschichte ist Don Birnham. Er lebt in Manhattan, und wir schreiben das Jahr 1936.
Schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass der Hauptprotagonist sich in zwei „Ichs“ eingerichtet hat. Das eine Ich beruhigt sich selbst damit, dass Alkohol ja nicht so schlimm ist, und man sich nur immer einmal ein Gläschen genehmigt. Das andere Ich ist getrieben von Unrast und Hast, an jede Art von Alkohol zu kommen. Dieses getriebene Ich macht den größeren Teil der Geschichte aus. Es denkt und spricht mit sich, sucht Geld und Einsamkeit, um ungestört der Suche nach dem „Stoff“ zu folgen. Dramatisch wird schon nach wenigen Sätzen klar, dass hier einer seines Triebes nach der betäubenden Droge Alkohol nicht mehr Herr ist.

In endlosen Selbstgesprächen folgt man diesem kranken Ich und fühlt mit ihm, wie es ihn treibt und jagt. Hoffnungslos und verbogen ist dieser Selbstbetrug, mit dem Don nach außen und sich selbst gegenüber am Schein der Normalität festhalten will. Bei ganz neuen Bekanntschaften gelingt ihm das vorübergehend, doch droht allenthalben die Entdeckung. Sein Bruder Wick und seine Freundin Helen kümmern sich rührend um ihn. Immer wieder muss Don lügen und betrügen, um zu Geld zu kommen. Einen Teufelskreis aus Lug und Trug und Selbstbetrug lebt Don uns hier vor. Bedrückend und gekonnt zeigt uns der Autor, in welche seelischen Tiefen der Alkoholiker fallen kann.

Charles Jackson schöpft offensichtlich aus eigener Erfahrung, denn wie könnte man sonst die Selbstbeobachtung so ausdrucksschwer und treffend wieder geben?

Er hat mit seinem Roman s.Zt. einen Coup gelandet.

Überragend beschwört Jackson die Dynamik um die seelische Not und den Zwang zum Trinken herauf. Es handelt sich nur um ein verlängertes Wochenende, doch die Trunksucht wird in einer beklemmenden Steigerung bis hin zum Delirium heraufbeschworen. Es ist gut, dass dieser Roman neu entdeckt und wieder aufgelegt wurde!

Billy Wilder hat den Roman 1946 verfilmt und dafür vier Oscars bekommen.

Charles Jackson
Das verlorene Wochenende
400 Seiten, gebunden
Doerlemann Verlag, August 2014
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3038200077
ISBN-13: 978-3038200079
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