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Schlagwort: Argentinien

Carolina De Robertis: Perla

Carolina De Robertis: Perla

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Argentiniens Militärdiktatur und die Folgen.

Zu Beginn des Jahres 2001 lebt in Buenos Aires in Argentinien ein junges Mädchen namens Perla. Sie ist eine verwöhnte Tochter aus gutem Hause. Eine dunkle Wolke scheint jedoch das friedfertige Leben mit ihren Eltern zu überschatten. Der Vater ist Marineoffizier. Er ist liebevoll aber unnahbar. Die Mutter ist von betörender Schönheit und leicht exzentrisch.

Inzwischen ist Perla Studentin, und ihre Eltern sind vereist. Eines nachts erscheint in ihrem Wohnzimmer eine unheimliche Figur. Nackt, schwach, durchnässt und nach Brackwasser stinkend liegt ein Mann auf dem Wohnzimmerteppich.
Man weiß nicht: ist hier Fantasie oder Wirklichkeit am Werk?

Rückblickend erleben wir Perla noch einmal in der Schule zusammen mit ihrer liebsten Freundin Romina, die sich eines Tages unerklärlicherweise von ihr abgewandt hat.

Viel ist in ihren Gesprächen mit Freunden und Freundinnen von den „Verschwundenen“ die Rede. Die Zeit der Militärdiktatur von 1976 -1983 hat Spätfolgen hinterlassen, die noch nicht vergessen sind. Tausende von Männern, Brüdern, Frauen und Söhnen wurden damals als Regimegegner abgeholt und tauchten nie wieder auf. Man erfuhr auch nie, wohin sie gekommen waren. Die Mehrzahl wurde auf grausame Art und Weise ermordet.

In diesem Buch verschwimmen die Zeiten vom Vorgestern zum Heute. Perla erkennt erst langsam, in welcher Weise die Militärdiktatur Menschen, ob schuldig oder unschuldig, verfolgt, entführt und aus deren Leben gerissen hat. Frauen gehen nach dem Ende der Diktatur jahrelang mit weißen Kopftüchern demonstrieren, um auf die unhaltbare Vergangenheit aufmerksam zu machen und nach ihren verschwundenen Brüdern, Männern, Schwestern, Müttern und Vätern zu suchen.

In langen Passagen erfährt Perla, welche Bedeutung der nasse Mensch in ihrem Wohnzimmer für ihr Leben bedeutet.

In ihrem Roman verarbeitet Carolina De Robertis die tragischen Umstände, die in Argentinien s. Zt. die ganze Gesellschaft in ein Chaos gestürzt hatte. Waisenkinder aus der Hinterlassenschaft der „Verschwundenen“ wurden häufig von korrupten Militärs und anderen als eigene Kinder angenommen.

Die Geschichte ist dramatisch. In ihr verlieren sich Liebende und andere finden sich wieder.

Die Last und die Bürde ist für manche zu schwer. Auch Perla muss erkennen, dass sie ein falsches Leben geführt hat.

In poetischen und zuweilen visionären und apokalyptischen Bildern beschwört De Robertis die Vergangenheit herauf. Mit ihrem Erzählstil vergegenwärtigt sie das Phänomen einer Grausamkeit, die dramatischer nicht sein könnte.

Perla
Carolina De Robertis
336 Seiten, broschiert
FISCHER Taschenbuch, Juni 2014
ISBN-10: 3596194466
ISBN-13: 978-3596194469
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Claudia Piñeiro: Die Donnerstagswitwen

Claudia Piñeiro: Die Donnerstagswitwen

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Altos de la Cascada, etwa 50 km von Buenos Aires entfernt, ist eine in sich abgeschlossene Siedlung. Es ist eine Privatsiedlung mit einem unüberwindbaren Zaun rundherum. Hier kommt niemand ungesehen rein oder raus.
Auch Virginia und Ronie haben ihre Stadtwohnung Ende der Achtzigerjahre aufgegeben, um hier raus zu ziehen.
Virginia beginnt als Immobilienmaklerin zu arbeiten. Sie ist es, die die Bewohner hier und ihre Häuser wohl am besten kennt. Zunächst arbeitet sie nur sporadisch, doch als Ronie seinen Job als Landverwalter verliert, muss sie allein für regelmäßige Einkünfte sorgen, um den Lebensstandard ihrer Familie zu halten.

Ein privilegiertes Leben zu führen und die Kinder in Sicherheit aufwachsen zu sehen, das ist es, was Familien, die es sich leisten können, in diese Abgeschiedenheit führt. Hier sind alle Freunde. Man ist unter sich.
Doch die Wirtschaftskrise in Argentinien macht vor dem Zaun nicht halt. Der Pleitegeier dreht seine Runden. Und so muss sich bald die eine oder andere Familie allein darauf konzentrieren, ihren Status zu halten. Und zwar so, dass keiner merkt, was wirklich läuft.

Man würde nicht ahnen, worauf die Geschichte hinausläuft. Die Autorin bereitet aber beizeiten ihre Leser darauf vor und erwähnt es. So weiß man, dass die Geschichte in einer Katastrophe enden wird. So vorgewarnt, schaut man genauer hin. Sieht die Familien, deren Leben beschrieben wird, mit anderen Augen. Sie geben sich ahnungslos. Zumindest die Frauen, die nicht die Wahrheit von ihren Männern erfahren oder erfahren wollen. Den Männern, die das glückliche Familienleben nach außen weiter heucheln, während die Verzweiflung oder auch die Ignoranz zu Bergen anwächst.

Es ist ein wirklich interessantes Buch, das zeigt, dass man nie so abgeschottet leben kann, dass die Außenwelt keinen Einfluss hätte. Auch in der Siedlung gibt es die ganz alltäglichen Probleme, vom Ehekrach bis hin zu Problemen bei der Kindererziehung.
Zum Schluss kommt alles ans Licht. An Dramatik ist das nicht zu übertreffen.

Vom Schreibstil her wirkt das Geschriebene perfekt ausgefeilt. Jeder Satz sitzt. Dennoch wird die Geschichte mit Zurückhaltung erzählt. Schlüsse daraus zu ziehen, wird dem Leser überlassen.

Rezension von Heike Rau

Claudia Piñeiro
Die Donnerstagswitwen
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
314 Seiten, gebunden
Unionsverlag
ISBN-10: 3293004172
ISBN-13: 978-3293004177
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