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Schlagwort: Beziehung

Katharine Dion: Die Angehörigen

Katharine Dion: Die Angehörigen

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Es handelt sich in diesem Roman um eine Familiengeschichte der besonderen Art.
Genes Frau ist kürzlich verstorben. Nicht ihr plötzlicher Tod wird von Katharine Dion analysiert, sondern durch die Augen und Worte seiner Freunde und seiner Tochter lernt Gene, der Icherzähler, eine Frau kennen, von der er in dieser Form nichts wusste.

Sie hatten ein gutes, bescheidenes und auskömmliches Leben. Noch aus gemeinsamen Studienzeiten stammt die Freundschaft zu Ed und Gayle. Sie haben zusammen Urlaube verbracht, haben nach und nach ihre Kinder bekommen, zu denen sich inzwischen noch Enkel und Enkelinnen gesellten, und fühlten sich in dieser Gemeinschaft geborgen. Das waren „die Angehörigen“ als Ersatz für die nicht vorhandenen wirklichen Angehörigen.

In der Vorbereitung auf eine Gedenkfeier für die verstorbene Maida, Genes Frau, treffen alle zusammen. Gene ist verwirrt, fühlt ich einsam und ist verunsichert, wie unterschiedlich die Berichte über Maida klingen. Zwischen seiner Tochter Dary und ihm herrscht ein angespanntes Verhältnis.

Inzwischen lässt Gene seine Gedanken zurückschweifen, und man erfährt einiges über sein gemeinsames Leben mit Maida. Sie waren 49 Jahre verheiratet. Die Fragen, die sich für Gene aufwerfen, sind existenziell, weil er sie sich so noch nie gestellt hat. Standen sich Ed und Maida näher, als er dachte? Ist Dary womöglich nicht seine Tochter?
Insgesamt ist er verunsichert, scheu und ratlos. Eine kurze von ihm allzu ernst genommene Beziehung zu seiner Putzfrau zeigt einen einsamen alten Mann, der sich ratlos durchs Leben bewegt.

Katharine Dion hat mit diesem Debütroman ein reifes und ansehnliches Werk geschaffen. Die nachhaltigen Fragen und Gefühle, die sie aufzeigt, bringen auch den Leser zum Nachsinnen. Unwillkürlich fragt man sich: wie war das denn bei Dir? Man fühlt mit Gene mit, der in Trauer erlebt, dass er seine Tochter gar nicht richtig kennt und versteht. Die vielen Szenen und Bilder, seien sie aus der frühen Zeit seiner Ehe oder in den späteren Jahren, werfen ein farbiges Bild auf eine Gesellschaft, in der nach außen hin alles in Ordnung erscheint. Aber gibt es nicht auch die Schattenseiten des Lebens? Die schmerzlichen Erfahrungen, Entbehrungen und das Ungesagte? K. Dion findet die richtigen Worte, mit denen sie den Fragen nachgeht. Sie bringt uns das Geschehen nahe und lässt uns teilnehmen an einem Leben, das durch den Tod einen schmerzlichen Bruch erlebt.

Das Buch ist nicht spannend aber in seinen Ausführungen z.T. sehr tiefsinnig. Wer sich für die Psyche des Menschen, seine Abgründe und die nach außen gezeigte Eintracht fasziniert fühlt, der wird mit diesem Roman belohnt für ein wenig Ausdauer, die durchaus erforderlich ist.

Katharine Dion
Die Angehörigen
288 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, April 2019
ISBN-10: 3832198946
ISBN-13: 978-3832198947
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Matthew Quick: Silver Linings

Matthew Quick: Silver Linings

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Wohin die Liebe führt…

Dieser Debütroman des jungen Schriftstellers Matthew Quick sprengt alle Erwartungen!

Pat, ein 34 jähriger Mann, wird auf Drängen seiner Mutter aus einer psychiatrischen Anstalt entlassen. Weshalb er dort fest gesessen hat, wird sich erst allmählich zeigen. Zu Hause angekommen spürt man sogleich, dass sein Vater ein fanatischer Anhänger des Baskettballspiels ist. Besonders hängt er an der Gruppe der Eagles. Für seinen Sohn und die Familie hat er wenig übrig.

Pat lebt unter ständiger Medikation und muss sich zu Hause weiterhin einer Psychotherapie unterziehen. Seine Erinnerungen an die vergangenen vier Jahre sind ausgelöscht. In seinen Gedanken ist er ganz bei seiner Frau Nikki, mit der er sich unbedingt wieder vereinigen will. Er spricht von einer „Auszeit“, die er einhalten muss, doch er weiß noch nicht, wie lange diese währen wird. Die Psychiatrie ist “der schlimme Ort“, wohin er nie mehr zurück will. Durch ständiges hartes Training gelingt es ihm, sein Übergewicht zu reduzieren. Aufsteigende Wutanfälle bekämpft er mit ausdauerndem Laufsport. Er will gut sein und nicht mehr immer „recht haben“! Alle seine  Aktivitäten zeugen von einer fast manischen Anstrengung, auf die einstige Spur seines alten Lebens zurück zu finden.

Matthew Quick baut seinen Roman in hervorragender Weise auf. Man ahnt mehr als zu wissen: auf der Vergangenheit von Pat und seinem Aufenthalt in der Psychiatrie lastet ein dunkles Geheimnis. Von Gelegenheit zu Gelegenheit ergeben sich Zeichen, die Matthew als Außenseiter zeigen. Seine Mutter schützt ihn, wo sie kann. Schließlich begegnet ihm Tiffany, die Schwägerin eines Freundes. Sie ist aufdringlich und lästig. Matthew denkt ja nur an Nikki, an der er unverbrüchlich hängt. Der Autor steigert die Spannung, indem er immer neue geheimnisvolle Begebenheiten einfügt. Ihm gelingt die Schilderung eines Milieus von Langeweile und Überdruss in einer öden Mittelschichtfamilie. Darüber hinaus bietet er einen Eindruck von den Gefährdungen in der Großstadt Philadelphia, wohin es den Helden auf der Suche nach seiner Frau verschlagen hat.

Pat liest anerkannte Werke der Weltliteratur in der Hoffnung, seiner abwesenden Frau damit zu imponieren, doch nichts gibt ihm sein inneres Gleichgewicht zurück. Zeigt er nicht die Anzeichen einer manischen Depression? Und wo ist der Silberstreifen am Horizont mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft?

Die Lösung des Rätsels bleibt dem Ende vorbehalten. Spannend und anspruchsvoll bleibt die Geschichte bis zuletzt.

Die Lektüre schwankt zwischen Psychothriller und Gesellschaftsroman und ist hoch gelobt und mit Preisen ausgezeichnet 2013 erfolgreich verfilmt worden.

Matthew Quick
Silver Linings
352 Seiten, gebunden
Kindler, März 2013
ISBN-10: 3463400812
ISBN-13: 978-3463400815
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Justine Lévy: Schlechte Tochter

Justine Lévy: Schlechte Tochter

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Wie soll Louise ihrer Mutter nur sagen, dass sie von Pablo ein Kind erwartet. Ihrer Mutter, die Krebs hat, die im Sterben liegt. Der ganze Stress und die doppelte Sorge um Kind und Mutter sind einfach zu viel. Darf Louise sich auf ihr Kind freuen, angesichts des Todes? Darf sie glücklich sein?
Während das Baby in ihrem Bauch wächst, entwickelt sich ihre Mutter zurück zum Kind und muss umsorgt werden, wie bald das Baby umsorgt werden muss.
Louise sagt es ihrer Mutter schließlich, doch es ist nicht klar, ob die Mutter die frohe Botschaft überhaupt noch auf nehmen kann.
Als die Mutter dann gestorben ist, kommen die Erinnerungen. Louise will keinesfalls als Mutter so unzuverlässig sein, wie ihre war. Erst durch die Krankheit sind beide sich näher gekommen. Auch deswegen fühlt Louise sich nun allein gelassen ohne den Rat der Mutter.

Durch und durch traurig ist die Lebensgeschichte Louises. Die Geschichte ist aus ihrer Sicht geschrieben, wobei der Schwerpunkt auf ihren Gedanken liegt. Ohne Pausen fließt der Text, ungebremst und frei formuliert. So wie Gedanken nun einmal sind. Gedanken, die sich nicht verdrängen lassen, die man nie aussprechen würde. Es ist ein sehr privates Buch. Fast fühlt man sich als Leser wie ein Eindringling in eine geheime Welt, auch weil die Geschichte autobiografische Züge trägt.
Das Buch berührt zutiefst. Wie Louise möchte man fliehen und kann es nicht. Louise weiß nicht mehr, wohin sie gehört. Doch ihre Zukunft ist vorbestimmt. Sie wird ein Kind bekommen, auch wenn ihr das Schuldgefühle macht, wo doch ihre Mutter stirbt. Die ganzen unaufgearbeiteten Probleme zwischen den beiden kommt zum Tragen. Aufarbeiten muss Louise die Vergangenheit allein, auch wenn Pablo ihr zur Seite steht.
„Schlechte Tochter“ oder „Schlechte Mutter“. Das Buch könnte beide Titel tragen. Und es würde doch nicht ganz stimmen.

Rezension von Heike Rau

Justine Lévy
Schlechte Tochter
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
176 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 388897643X
ISBN-13: 978-3888976438