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Schlagwort: Boheme

Pedro Lenz: Die schöne Fanny

Pedro Lenz: Die schöne Fanny

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Drei Freunde leben in diesem Roman in den Tag hinein: Frank alias Jackpot, Louis und Grunz; letztere sind Maler, Jackpot freier Schriftsteller. Während die beiden Maler noch etwas zustande bringen, ist der Schriftsteller immer vermeintlich auf Erfolgskurs, hat aber fast noch keine Zeile für seinen neuen Roman geschrieben. Sie leben in der kleinen Stadt Olten in der Schweiz.

Die beiden Maler sind schon an die 70 Jahre alt, Jackpot ist nur halb so alt.

Alles dreht sich um die schöne Fanny, ein Modell der beiden Maler, in die sich Jackpot unsterblich verliebt. Er wartet, sucht und findet sie ab und zu wieder, aber sie bleibt nie lange, und für ihn ist sie geheimnisumwittert. Wie sich später rausstellen soll: zu Recht!

Mit einem lockeren, amüsierten Tonfall mit zahlreichen lakonischen Einschüben hat Pedro Lenz seinen Roman garniert. Man liest ihn mit Schmunzeln und ergötzt sich an dem leichtlebigen Dasein der drei Künstler. Der Roman gemahnt an eine Art Schelmenroman, in der es um die unbeschwerte Lebensart und die heitere Liebe geht. Der Ton bleibt immer witzig und locker. Man zieht sich gegenseitig ein wenig auf und verbringt viele Stunden beim gemeinsamen Essen und Trinken. Ausstellungseröffnungen und Begegnungen mit vielerlei Charakteren geben den Roman den Pfiff und eine gewisse Aktualität. Der Text ist angereichert mit durchaus klugen, zuweilen gar philosophischen Gedanken und setzt eine gewisse Bildung voraus. „Ich beschloss, mit dem Nachdenken aufzuhören. Aber mach das mal bewusst, nicht mehr zu denken. Das funktioniert nicht, weil auch der Gedanken, nicht denken zu wollen, gedacht werden muss“. Logisch, nicht wahr?

In der Erzählung von Pedro Lenz geht es u.a. auch um die ganz alltäglichen Dinge wie die Beschaffung von Geld.

Der immer wieder angekündigte Roman von Jackpot bleibt lange nur Fiktion, denn es fehlt ihm an Eingebung. Sein Bruder, ein erfolgreicher Geschäftsmann, unterstützt ihn großzügig mit Geld, so dass er seinem Bohèmeleben frönen kann, ohne zu verhungern.

Man wartet geduldig darauf, dass seine Liebesgeschichte und die Gestaltung seines Romans Formen annimmt. So lange darf man weiter an den ergötzlichen Tagesereignissen teilnehmen.

Ach, aber alles kommt am Ende ganz anders als erwartet! Die Geschichte steuert auf ein gutes Ende zu.

Das Leben: es spielt zuweilen verrückt. In diesem Roman dürfen wir der Leichtigkeit des Seins nachspüren. Spannung darf man nicht erwarten. Man freut sich am Ende an der Auflösung des Rätsels um Fannys Leben und Jackpots Roman und hat unterhaltsame Stunden gehabt. Die Empfehlung des Schweizer Literaturclubs ist gerechtfertigt!

Pedro Lenz
Die schöne Fanny
256 Seiten, gebunden
Kein & Aber
ISBN-10: 3036957677
ISBN-13: 978-3036957678
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Nicolaia Rips: Alles außer gewöhnlich

Nicolaia Rips: Alles außer gewöhnlich

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Eine Kindheit in ungebundener Freiheit und Sorglosigkeit

Wenn es etwas gibt, das umwerfend komisch und apart zu lesen ist, dann dieses Buch mit den Erinnerungen an ihre Kindheit von Nicolaia Rips. Sie wuchs in dem legendären Hotel Chelsea in New York City auf. Ihre Eltern lebten in diesem Hotel. Sie waren Lebenskünstler: der Vater ein vermögender Lebemann, die Mutter Malerin und Weltenbummlerin. Als die Mutter nach acht Jahren Ehe schwanger wurde, konnte sich der Vater damit nicht abfinden. Die Mutter begab sich daraufhin zunächst auf eine Weltreise, um nach der Geburt der Tochter mit Mann in Italien einzukehren.

Nach einigen Zwischenstationen trafen die Eltern mit ihrer Tochter erneut im Hotel Chelsea ein. Das Mädchen wuchs zwischen all’ dem wandernden Volk in der Lobby des Hotels auf. Eine gewöhnliche Kindheit war das nicht! Sie spielte mit den Erwachsenen, bekam hie’ und da Geschichten vom Vater vorgelesen, blieb aber im Allgemeinen sich selbst überlassen. Von skurrilen Gestalten umgeben, Fixern, Musikern und Dichtern, Tänzern, Schwulen und Theaterleuten, genoss sie ein von Konventionen unbeschwertes Dasein. Als sie zur Schule kam, fand sie ihre erste Freundin. Diese war die längste Zeit ihre Freundin gewesen, als Nicolaia bei einem Geburtstagsfest für ihren Vater einen Poolunfall mit zunächst ernsten Folgen verursachte.

Nicolaia Rips hat als Ergebnis ihres skurrilen Werdegangs eine umwerfend komische Diktion, mit der sie über ihre Erinnerungen schreibt. Sie wirkt unberührt und eher amüsiert über die einzelnen Stationen ihrer Kindheit und Jugend. Nichts vermag sie zu erschüttern, ja fast lakonisch berichtet sie auch über die Dinge, die anderen vielleicht Kummer bereiten würden wie z.B. die Aufkündigung der Freundschaft durch ihre erste Freundin Greta. Eine gewisse Naivität in der Wahrnehmung ihrer Umwelt gibt der Erzählung den Glanz des Außergewöhnlichen.

Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit teilt sich dem Leser mit, und man amüsiert sich unweigerlich. Gleichen doch die Erlebnisse teilweise so genannten Slapsticks mit darüber hinaus ausufernden fantastischen Kostümfesten. Eine Kindheit mit derartigen Freiheiten und Erfahrungen vermag fast den Neid jener zu erregen, die sich herkömmlichen Forderungen nach Leistung, ordentlichem Benehmen und Strebsamkeit gegenübersehen.

Man folgt den Lebenserinnerungen bis zum Ende der Schulzeit, denn auch über ihre Mitschüler vermag die Autorin die drolligsten Geschichten zum Besten zu geben.

Der Rahmen dieses ungewöhnlichen Daseins wird lebhaft vermittelt und man wünschte sich, einmal selber den Fuß in das legendäre Hotel Chelsea gesetzt zu haben. Hier verkehrten die bekannten Größen aus dem Pop und Kulturbetrieb des vergangenen Jahrhunderts wie Bob Dylan, Arthur Miller, Andy Warhol und so viele andere mehr!

Die Atmosphäre an dem Kultort ist unmittelbar nachzuempfinden: Räumlichkeiten mit überbordendem Interieur, Bilder, Fotos, alte Holzböden und verrauchte Tapeten geben dem Ganzen einen Hauch von Dekadenz und voluminösen Lebensrausch. Herrlich und erheiternd ist dieser nette Roman mit den wahren Erinnerungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu lesen!

Nicolaia Rips
Alles außer gewöhnlich
224 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche, Februar 2017
ISBN-10: 3312010187
ISBN-13: 978-3312010189
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James Salter: Alles, was ist

James Salter: Alles, was ist

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Wenn es stimmt, dass Literatur uns die Welt erklärt, dann ist der neue Roman von James Salter der Beweis dafür. Nach dreißig Jahren erscheint in diesem Herbst sein neues Buch, in dem das lange Leben von Philip Bowman beschrieben wird. Von Krieg und Arbeit, von Untreue, Verrat und den Menschen mit ihren Schwächen, Ängsten, Unzulänglichkeiten und Erfolgen handelt der Roman, der sicher auf einhellige Resonanz stoßen wird.

Philip Bowman heißt der Held, der, zurückgekehrt aus dem Zweiten Weltkrieg, mit viel Glück im Verlagswesen Fuß fassen kann. Seine Liebe zur Literatur macht es möglich. Er fühlt sich beruflich sicher. Bald lernt er seine spätere Frau Vivian kennen und alles scheint nun glücklich für ihn zu verlaufen. Doch wie das Leben so spielt: die Tücken und Fallstricke des Lebens bleiben auch diesem Helden nicht erspart.

James Salter ist ein feinfühliger und tiefsinniger Autor, der seinen Figuren ein Leben einhaucht, das der Wirklichkeit entnommen ist. Atmosphärisch dicht spürt man den Orten, der Landschaft und den speziellen Gegebenheiten der großen Stadt New York nach, in denen die Handlung angesiedelt ist. Autoren, Verleger und Lektoren treffen sich an illustren Orten, wo man Gedanken austauscht und sich amüsiert. Wie so oft sieht die Zukunft beim Aufbruch ins Leben auch für Philip Bowman rosig und verheißungsvoll aus. Doch ebenso häufig entgleisen nach Jahren Beziehungen, die glücklich begonnen haben, und weichen der Abneigung, dem Frust und der Untreue, mit der er seine erste Frau nach glücklichen Jahren wieder verliert. Mit Gespür für die charakterlichen Eigenheiten im menschlichen Zusammenspiel öffnet James Salter uns den Blick in das Innere seiner Figuren. Widersprüche und Abneigungen führen die Paare in die Irre, so dass sich ihre Wege häufig trennen. Unglück und Tragödien greifen genauso ans Herz wie Glücksmomente, die Philip Bowman in seinem Leben immer wieder erlebt.

Mit seinen Freunden/Freundinnen, Kollegen und Bekannten erlebt man die Veränderung der Welt über die fünfziger und sechziger bis zu den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. In Bars, Clubs und Partys lernt man sich kennen und Affären gibt es ohne Ende. Wenn man sich in den Roman eingelesen hat, lebt man fast mit in der Welt der Boheme, der Lust, Liebe und Leidenschaft.

James Salter zieht den Bogen weit, der von kleinen Anfängen seinen Helden über einen erfahrenen zu einem weisen Mann werden lässt.

Am Ende weist Ruhe, Genügsamkeit und Zufriedenheit den weiteren Weg.

Für mich ist der Roman ein Glanzlicht in diesem  Bücherherbst!

James Salter
Alles, was ist
368 Seiten, gebunden
Berlin Verlag, September 2013
ISBN-10: 3827011620
ISBN-13: 978-3827011626
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