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Schlagwort: Ehrgeiz

Ines Geipel: Seelenriss

Ines Geipel: Seelenriss

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Eine Abhandlung.

Ines Geipel beginnt ihre Ausführungen mit dem Untertitel „Depression und Leistungsdruck“ mit dem sehr spektakulären Fall von Robert Enke. Er war Torwart bei Hannover 96, einer der großen Hoffnungen des Fußballs, als er sich im November 2009 das Leben nahm.

Anhand einer Analyse seines Werdegangs zeigt uns die Autorin, dass Ehrgeiz, Stolpersteine in der jugendlichen Entwicklung und Niederlagen die Disposition bieten, die am Ende zur Krankheit „Depression“ führen könnte.

Auch weitere Beispiele aus der nahen Sportgeschichte, insbesondere in der DDR, spiegeln den Leistungsdruck und den Wechsel von Erfolg und Niederlage, mit denen junge  Menschen traktiert werden.

Wieder andere Beispiele befassen sich mit den Folgen des Ersten Weltkriegs, mit dem Verlust von Familienvätern, Söhnen und der Lebensgrundlage von Sicherheit und Zukunft. Alle Komponenten zusammen bilden den Nährboden, auf dem sich die seelische Deformation „Depression“ entwickeln kann.

Am Beispiel des Films „Das weiße Band“ führt die Autorin aus, wie die Folgen archaischer Erziehungsmethoden aussehen, wenn Kinder wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts schikaniert, dressiert, misshandelt und missbraucht werden, bis sie selber zu kleinen, grausamen Tätern mutieren.

Wenn die beschriebenen Lebensbilder auch interessante Abhandlungen zum Thema Depression bieten, können die Fallgeschichten alleine keine ausreichende Erklärung für die Ursachen der Depression sein. Schließlich ist die Gemütskrankheit, wenn auch unter anderem Namen, seit zweitausend Jahren bekannt; Plato, Sokrates und Nietzsche, Schopenhauer und Shakespeares Hamlet, Dürer und viele weitere bekannte Namen lassen sich mit der Krankheit verbinden. Sie hat eine sehr lange Geschichte.

Vielleicht ist der Titel falsch gewählt, denn Einzelschicksale und Fallbeispiele in großer Zahl bieten noch keinen verbindlichen Durchblick zur Thematik der Depression.

Insofern fehlt mir die Struktur in diesem wohl als Sachbuch zu betrachtenden Abriss seelischer Krankheiten, die in vielfachen Formen, mit unterschiedlichen Ursachen und mit gravierenden Folgen für die Betroffenen einhergehen.

Die ehemalige Weltklasse-Sprinterin Ines Geipel floh 1989 aus der DDR in die Bundesrepublik und kennt die Anwendung und Folgen von Doping aus eigener Anschauung.

Sie studierte nach ihrer Flucht aus der DDR Philosophie und Soziologie. Ihr Buch mit den unterschiedlichen Fallbeispielen liest sich leicht und befriedigt die Neugierde über einzelne Sportler, deren Erfolge mit Dopingvorwürfen- und Handlungen und mit der in der DDR praktizierten Talentförderung einhergingen. Als Buch der Fallbeispiele kann man ihre Abhandlung gelten lassen. Weniger oder mehr ist es nicht.

Ines Geipel
Seelenriss
250 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, September 2010
ISBN-10: 3608946594
ISBN-13: 978-3608946598
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Steven Millhauser: Martin Dressler

Steven Millhauser: Martin Dressler

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Von kleinsten Anfängen zu einem Mammutprojekt!

Der amerikanische Traum erfüllte sich für so manchen Bürger in Amerika aus kleinsten Anfängen, wenn sie es im 19. Jahrhundert vom Tellerwäscher zum Millionär brachten. Geschichten darüber bilden Legenden.

Steven Millhauser hat mit seinem Roman um den Aufsteiger Martin Dressler ein vergleichbares Schicksal nachvollzogen. Nicht vom Tellerwäscher sondern aus dem Tabakladen seines aus Deutschland nach New York eingewanderten Vaters steigt der Held der Geschichte zunächst zum Pagen und dann zum Privatsekretär des Hotelbesitzers vom Vanderlyn-Hotel auf.

Nüchtern, dröge und dennoch anschaulich wird sein zielstrebiger Weg aufgezeichnet. Es geht vorwiegend um Erfolg und Aufstieg in diesem Roman. Arbeit heißt die Devise für Martin Dressler, der einen Schritt vor den anderen tut, um weiter zu kommen. Private Freuden holte er sich mit dem Älterwerden im Freudenhaus, zu dessen Besuch ihn ein Freund ermuntert.

Die Atmosphäre in New York um das Jahr 1900 ist gekonnt eingefangen. Noch ist New York eine langsam zu Größe und Wachstum aufsteigende Metropole, als Martin Dressler seinen von Fleiß und Arbeit geprägten Lebensweg steil aufwärts geht. Ideenreichtum, Phantasie, Beziehungen und eine gute Portion Glück bereiten ihm den Weg, der typisch für die Neue Welt ist. Hier konnte man sein Glück machen, wenn man die Chancen nutzte und zum rechten Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen traf.

Martin wird älter, und über lange Zeit macht er sich zum gelegentlichen Begleiter dreier Damen aus Boston, die nach dem Tod des Ehemannes und Vaters in einem gut beleumundeten Hotel in New York Quartier genommen hatten. Man wohnte dort entspannt und in Kontakt mit anderen Gästen, zu denen auch der aufstrebende Kaffeehausbesitzer Martin Dressler gehört. Mit Spannung und Ungeduld wartet man darauf, dass er sich ihnen „erklärt“ und um eine der Töchter wirbt.

Leider müssen die Leser sich gedulden, denn zunächst baut Martin weiter an dem Imperium einer Restaurantkette. Neben dem Reichtum geht es ihm vor allem um die großartige Aufgabe: immer neue Ideen und Einfälle für immer neue Projekte zu entwicklen. Endlich heiratet er Caroline, die kühle und phlegmatische Tochter der Vernons, die ihm fremd bleibt und frustrierende Reaktionen bei ihm auslöst.

Die Atmosphäre des in jenen Jahren noch langsamen wirtschaftlichen Fortschritts in Amerika ist gut und realitätsnah wiedergegeben. Leben, Wohnen und Arbeiten sind die drei Hauptmerkmale, mit denen Millhauser uns in das Fin de Siècle Amerikas zurückführt. Gemächlich entwickelt der Autor seine Figuren und lässt sie in ihrer Umgebung agieren, wie es den damaligen Geflogenheiten entsprach. Mit Muße sollte man sich seinen Ausführungen überlassen, die das Aufsteigerleben und das Scheitern seines Helden mit ausführlicher Geduld und Feinheit ausmalt.

Steven Millhauser erhielt für dieses Werk 1997 den Pulitzer-Preis, – ob zu Recht, wird in einzelnen Rezensionen bezweifelt.

Mir hat das Buch gefallen.

Steven Millhauser
Martin Dressler
Broschiert: 287 Seiten
Verlag: BvT Berliner Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3833306211
ISBN-13: 978-3833306211