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Schlagwort: Eitelkeit

Elizabeth Taylor: Angel

Elizabeth Taylor: Angel

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Angel ist ein unausstehliches Geschöpf.

Sie ist die einzige Tochter ihrer Mutter Mrs. Deverell, die einen kleinen Einzelhandelsladen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in einer englischen Kleinstadt betreibt. Der Vater ist schon lange tot.

Mrs. Deverell erfährt von ihrer Schwester, Tante Lottie, Unterstützung gegen die aufsässige Tochter. Diese aber lässt sich nicht beirren: sie fantasiert sich in eine kitschige Oberklassewelt, in der alles nur so glänzt wie Gold. Damit macht sie sich bei ihren Klassenkameradinnen und Lehrerinnen unbeliebt. Mit 15 Jahren verweigert sie jede weitere Schulbildung und beginnt, Romane aus ihrer verstiegenen Fantasiewelt zu schreiben.

Unbeirrt und energisch bietet sie ihre Romane verschiedenen Verlagen an. Sie bleibt ohne Kompromisse, wenn es um die Entschärfung besonders auffälliger Stilblüten geht.

Zwei Verleger können sich nicht ganz einigen, ob man diesen Schund dem lesenden Publikum zumuten könne. Einer gibt den Ausschlag dafür, dass Angel einen unerwarteten Siegeszug mit ihren Büchern antritt. Der Zeitgeist lässt ihren Kitsch gut ankommen. Sie kann mit ihre Mutter dank ihrer Einnahmen aus der bisher eher ärmlichen Gegend in eine vornehmere Gegend umziehen und sich ein besseres Leben gönnen.

Am Ende erreicht sie viel, wird wohlhabend und findet sogar einen Mann. Auch dieser ist mehr Opfer als Zweck zum Erfolg. Zu wahrer Liebe ist sie gar nicht fähig. Die sie umgebenden Menschen sind ihr untertan, weil sie Arbeit und Geld brauchen.

Einfache Menschen mögen ihre Bücher, die Gebildeten ergötzen sich an ihren Schilderungen und die Kritiker verreissen sie. Auf Kritiken reagierte Angel mit Wut, Zorn und Ärger. Sie arbeitete ohne Unterlass, um nur niemanden ihren Platz in der Rangliste der gelesenen Bücher zu überlassen.

Elizabeth Taylor hat das Bild einer ungewöhnlichen Frau entworfen. Schon als junges Mädchen fühlt sie sich ihren ärmlichen Verhältnissen entrückt, ist frech und zickig zu Mutter und Tante und plant zielstrebig ihren eigenen Weg: eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden.

Wie die Autorin das Panorama dieser verqueren Persönlichkeit vor uns ausbreitet, ist bemerkenswert. Da wimmelt es nur so von fantastischen und unwirklichen Lebensgeschichten. Angel bleibt angeberisch, prahlt und ist geltungssüchtig. In ihrem Denken dreht sich alles um ihre eigene Person, alle anderen Menschen sind in ihren Augen dumm und ignorant. Von dem angestrebten Weg zur erfolgreichen Schriftstellerin kann diese Frau niemand abbringen. Die Projektion der eigenen Unvollkommenheit auf die Umwelt ist ein gekonnter psychologischer Trick, mit dem Elizabeth Taylor ihre Menschenkenntnis unter Beweis stellt.

Anfang des 20. Jahrhunderts mögen die Schichtunterschiede in England noch auffälliger gewesen sein als heute. Arm zu sein ist immer eine traurige Angelegenheit. Hier aber setzen der Wille und die Energie einer aufstrebenden Person diesem Schicksal Grenzen. Auch deshalb konnte Angela so erfolgreich werden: weil die Hoffnung auf Glück und Reichtum die Armen immer berückt.

Taylor hat die Zeichen ihrer Zeit mit ihrem Roman erfasst.
Sie lebte von 1912 bis 1975. Nicht nur in ihren Geschichten wurden Träume wahr. Ihre Protagonistin Angel lebt diesen verwegenen Traum und realisiert ihn. Das Gesellschaftsbild hochfahrender Eitelkeit gewinnt in der Gestalt von Angel eine unerwartete Parallele zu ihren erfundenen Geschichten. E. Taylor entwirft ein sprachlich und inhaltlich lebhaftes Gemälde einer längst vergangenen Zeit. Die Übersetzung von B. Abarbanell rundet die Geschichte zum Wohl einer geneigten Leserschaft sehr schön ab.

Elizabeth Taylor
Angel
400 Seiten, gebunden
Dörlemann; 1. Auflage Februar 2018
ISBN-10: 3038200522
ISBN-13: 978-3038200529
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Johanna Adorján: Meine 500 besten Freunde

Johanna Adorján: Meine 500 besten Freunde

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„Meine 500 besten Freunde“, das sind mehr oder weniger wichtige oder anerkannte Größen im Berliner Polit- und Showgeschäft. „Dazu zu gehören“ ist alles, dafür würde man womöglich sogar die eigene Seele verkaufen. So jedenfalls lesen sich die Geschichten von Damen, Herren, Journalisten und solchen, die es sein möchten. Wer im Restaurant „Borchardt“ in Berlin verkehrt, hat es zu etwas gebracht. Aber natürlich nicht alle! Zuweilen möchte man nur gesehen werden, sich in der Gunst der Stunde sonnen und schlicht gesagt „mehr scheinen als sein“. Die Eitelsten der Eitlen, die Angeber, Gernegroße und wer sie nun alle sein mögen: Filmsternchen, Journalisten, Politiker und Theaterleute kommen dort zusammen. Auch der Dirigent Daniel Barenboim ist hier schon gesehen worden. Er gehört zu den hoch geachteten Honoratioren der Stadt.

Johanna Adorján benutzt zum Einstieg in ihr Buch mit Porträts ihrer besten Freunde das Treffen zweier Freundinnen. Klatsch und Tratsch bieten den Hintergrund, mit dem sich auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten „tout Berlin“ trifft, um sich zu zeigen, gelegentlich anzugeben, sich im Ruhm des Gegenübers zu sonnen, hintergründige Affären zu offenbaren oder mit dem eitlen Gehabe einer  wichtigtuerischen Gemeinde das Treffen dort zur Show hoch zu stilisieren.

Dennoch: Klatsch regiert die Welt, und so ist das Buch eine unterhaltsame Studie über die eingebildeten oder vorhandenen Fähigkeiten und das Gebaren einiger, die das Gesellschaftsbild der Hauptstadt Berlin mit prägen.

Freundinnen sind oft geheime Rivalinnen um die Ehemänner oder Liebsten ihrer getäuschten Partnerinnen.

Mit einem ebenfalls enttäuschten Journalisten, der sich vergeblich einen Preis gewünscht hat, empfindet man Mitleid. Seine Ehe ist ein Desaster, nur er hat das bisher nicht erkannt.

Doch gibt es in Berlin auch die Drogenabhängigen und die Lebeleute, die sich einfach das Leben schön machen wollen. Ob sie alle glücklich sind? Man darf daran zweifeln.

Die Autorin kann Witz mit trockenem Humor verbinden und auf eine ernste und komische Weise dieses Panoptikum unserer Berliner Gesellschaft karikieren. Sie schreibt mit der nötigen Distanz, die einem die Gesellschaft am Ende nahe bringt.

Eine unterhaltsame Lektüre ist ihr mit ihrem zweiten Buch gelungen, die allerdings nicht ganz an die erste mit dem Titel „Eine exklusive Liebe“ heranreicht, in der sie sich mit dem Schicksal ihrer Großeltern auseinander gesetzt hat.

Johanna Adorján ist eine hervorragende Feuilletonistin, deren Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung fast immer mit besonderer Freude zu lesen sind.

Johanna Adorján
Meine 500 besten Freunde
256 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Februar 2013
ISBN-10: 3630873545
ISBN-13: 978-3630873541
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