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Schlagwort: England

Eliza Graham: Weil du mich liebst

Eliza Graham: Weil du mich liebst

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Südengland. Die Geschichte zweier Frauen. Eine davon spielt in der Gegenwart, die andere geht zurück auf das Jahr 1943. Minna Byrne ist nach dem Verlust ihres Sohnes durch einen Unfall mit ihrem Mann aus London aufs Land gezogen. Sie brauchen Abstand von dem Trubel, müssen in ihrer Trauer zu sich kommen. Der Tod des Sohnes scheint ihre Ehe zu zerreißen. Durch Zufall finden sie bei einem Spaziergang das Skelett einer Leiche an der Küste. Die Herkunft dieses Toten zieht Minna in den Bann. Dann trifft sie auf für Felicity Vance, genannt Felix, die nach sehr vielen Jahren in ihren Heimatort zurückgekehrt ist. Minna wohnt nun dort, wo Felix als Kind aufgewachsen war.

Schnell stellt sich heraus, dass der Tote ein amerikanischer GI aus dem Zweiten Weltkrieg ist. Felix beginnt zu erzählen, denn sie kannte diesen GI.

In beiden Geschichten werden Liebesgeschichten erzählt. Sie sind faszinierend ineinander montiert. Rückblenden wechseln mit der Gegenwart ab. Die heutige Geschichte um Minna und ihren Mann erzählt Minna selbst. Die gegenwärtige Erzählweise lässt den Leser alles direkt miterleben. Die Geschichte des GIs wird von einer dritten Person im Präteritum erzählt. Teilweise auch von Felix selbst, meist aber von einem unbekannten Erzähler.

Die Spannung wird von der Autorin auf mehrere Säulen aufgebaut. Man möchte einerseits wissen, ob Minna und Toni wieder zusammenkommen, warum und wie ihr Sohn ums Leben kam. Andererseits möchte man alles um den Toten GI wissen. Überraschungen sind vorprogrammiert.

Die Autorin erzählt interessante Geschichten. Besonders die von dem amerikanischen GIs vor dem berühmten D-Day bringt ungewöhnliche Sachen hervor. Der Lokalkolorit ist nicht ganz so ausgeprägt, lässt aber dennoch genug Stimmung aus dem südlichen England um Bournemouth erkennen. Das Lektorat hätte an einigen Stellen besser aufpassen müssen. Verwechselte Namen, falsche Erzählperspektiven einzelner Sätze geben dem Leser Rätsel auf, die eigentlich nicht sein mussten. Aber das soll den Gesamteindruck nicht wesentlich beeinträchtigen. Mir hat der Roman trotzdem gut gefallen.

Eliza Graham
Weil du mich liebst
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
blanvalet Verlag, München
ISBN 9783734103889

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Emylia Hall: In unendlicher Ferne

Emylia Hall: In unendlicher Ferne

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Die Hauptfiguren dieses Romans, Robyn Swinton und Jago Winters befinden sich zu Beginn (im Prolog) jeweils an einem Ort, an dem sie eigentlich nie sein wollten. Noch dazu jeder an einem anderen Ort, mehrere 1000 km voneinander entfernt. Während Robyn in Cornwall auf das Meer schaut, kümmert sich Jago im heißen Texas um die Pferde auf einer Ranch. Dabei ist Robyn ein Großstadtkind, die nur ihrer Eltern wegen, die in den Ruhestand gegangen sind, nach Cornwall mitgegangen ist. Jago hingegen ist in Cornwall geboren, liebt das Land, lebt mit seinem Vater zusammen und liebt die Arbeit mit Holz. Als Möbeltischler bestreitet er ganz gut seinen Lebensunterhalt.

Während der Leser im Prolog von zwei unterschiedlichen Menschen erfährt, beginnt deren Geschichte anschließend sieben Jahre zuvor. Nach und nach nähert sich der Lesende dem Ende des Spannungsbogens (Was machen sie hier an diesen Orten?), der im Prolog aufgebaut wurde. In einem ständigen Auf und Ab der Gefühle wird der Lebensweg beider in den letzten sieben Jahren geschildert.

Hall erzählt eine Geschichte von einer tiefen Freundschaft und lässt die Leser spüren, dass da offenbar noch mehr als Freundschaft ist. Doch es wird eine Geschichte von verpassten Gelegenheiten. Faszinierend hat die Autorin die Landschaft von Cornwall in das Geschehen eingebunden. Penzance, Porthcurno, St. Ives sind immer wieder genannte Orte, die Malerei, die in diesem Landstrich eine besondere Rolle spielt, nimmt auch im Roman einen festen Platz ein. Dennoch ist der Roman nicht ein simpler Regionalroman. Der Sog geht von der Geschichte aus. Doch dabei eine Region kennen zu lernen, die man noch nicht kannte, kann ein wunderschöner Nebeneffekt sein. Ebenso für denjenigen, der diese Landstriche selbst schon bereist hat. Dem einen oder anderen mag der Roman zu einer Reise nach Cornwall animieren.

Detailreiche und bildhafte Beschreibungen von Landschaft und Gefühlen machen den Roman zu einem Erlebnis. Amüsant und interessant die Nebenhandlung um Eltern im Ruhestand und der Aufstieg einer Musikband sind weitere schöne Zutaten.

Dieser Roman macht riesigen Spaß!

Emylia Hall
In unendlicher Ferne
Aus dem Englischen von Astrid Mania
btb Verlag, München
ISBN 9783442714667

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Jane Gardam: Letzte Freunde

Jane Gardam: Letzte Freunde

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Im letzten Band ihrer Trilogie über zwei Anwälte der Kronkolonie Honkong kehrt Jane Gardam noch einmal an den Erzählort zurück, um sich dem Werdegang ihrer beiden Protagonisten, der verfeindeten Anwälte Edward Feathers und Terry Veneering, zu widmen.

Nachdem beide verstorben sind und kurz nacheinander beerdigt wurden, findet man sich zunächst in dem Dörfchen in Dorset wieder, wo sie ihren Lebensabend verbringen wollten. Zufällig und nichts ahnend haben sie Häuser ganz nahe beieinander erworben.

Die beiden stammten aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten.

Edward war der distinguierte Herr, dessen Vater Kolonialbeamter war. Veneering war der Spross eines russischen Zirkustänzers. Seine Mutter war Kohlenhändlerin, eine einfache und resolute Person, die sich und den auf der Durchreise mit dem Zirkus verunglückten Russen durchbrachte. Ihr Sohn ist ihr Augapfel, für den sie alles tut. Jetzt erst versteht man Veneerings Auftreten und seine besondere Art von Humor und Robustheit, ja, sein ganzes lockeres und gelöstes Auftreten! Er ist ein Unikat an Draufgängertum und individueller Lebensart.

Wie schon in den ersten beiden Bänden dieser Romanfolge greift eine Geschichte in die andere. Lediglich der Perspektivwechsel erhellt das Bild der einen oder anderen Person. Zwischen beiden Kronanwälten stand immer Elisabeth, die Frau von Edward Feathers.

Sie war weder schön noch besonders reizvoll, aber sie wusste zu lieben.

Es wird in diesem letzten Roman ersichtlich, wie alles und alle zu einander gestanden haben, was sie gegenseitig anzog, und was sie voneinander abgestoßen hat.

Dieses England, das man hier nochmals in seiner Skurrilität und der Besonderheit der einzelnen Figuren erlebt, ist amüsant und witzig. In Dorset finden sich so einige Nebenfiguren wieder, die man bisher nur am Rande erlebt hat. Mrs. Dulcie gehört dazu und Fiscal-Smith, einer der weniger erfolgreichen Anwälte. Alles und alle hängen irgendwie mit der Kronkolonie Honkong zusammen und finden sind nun als alte Pensionäre in England wieder.

Da ja alle Personen und Geschehnisse von Beginn an in der Rückblende beschrieben wurden, ergibt sich das runde Bild einer Gesellschaft, die ihre beste Zeit kurz nach dem vorangegangenen Zweiten Weltkrieg hatte. Auch da zeichnete sich schon ab, wie unwahrscheinlich einzelne durch diesen Krieg gekommen sind, und mit wie viel Glück man zu einem Neuanfang gefunden hat.

Jetzt befinden wir uns schon im 21. Jahrhundert, und der Wandel der Zeiten macht sich allenthalben bemerkbar. Das Handy und 9/11 haben ihre Spuren hinterlassen, und die Welt hat sich gedreht.

Schon 1997 ging das Zeitalter der englischen Kronkolonien zugrunde!

Man liest auch diesen letzten Band der Trilogie gerne, weil Jane Gardam eine unnachahmlich großartige Erzählerin ist, die ihresgleichen sucht.

Jane Gardam
Letzte Freunde
40 Seiten
Hanser Berlin, Oktober 2016
ISBN-10: 3446252908
ISBN-13: 978-3446252905
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Minette Walters: Die Bildhauerin

Minette Walters: Die Bildhauerin

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Minette Walters arbeitete viele Jahre als Redakteurin in London bevor sie das fiktive Schreiben begann. Ihr erster Roman „Im Eishaus“ wurde sofort zum internationalen Bestseller und als bestes Krimidebüt ausgezeichnet. Der vorliegende Roman „Die Bildhauerin“ ist ihr zweiter Roman und erhielt den Edgar-Alan-Poe-Preis. Walters lebt mit ihrer Familie in Hampshire und ihre Romane spielen häufig in und um Southampton im Süden Englands.

Als Bildhauerin wird die mehr als übergewichtige Oliv Martin im Gefängnis bezeichnet. Sie sitzt bereits seit fünf Jahren hier, weil sie gestanden hat, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester in der Küche des elterlichen Hauses ermordet zu haben. Den Beinamen Bildhauerin hat sie von den anderen Gefängnisinsassinnen und Wärterinnen erhalten, weil sie Puppen aus Modelliermasse knetet und diese gelegentlich wie Voodoopuppen mit Nadeln durchsticht. Als Oliv vor fünf Jahren das Geständnis ablegte, gab es keine weiteren Tatverdächtigen ohne Alibi, deshalb waren die Ermittlungen schnell abgeschlossen und auch die Gerichtsverhandlung ging rasant über die Bühne. Allenfalls die Begleitumstände waren bemerkenswert da die 23jährige von Presse und Öffentlichkeit als Monster gebrandmarkt wurde, ihre Hässlichkeit aufgrund ihrer Leibesfülle passte geradezu perfekt zu der Grausamkeit der Tat.
Auch im Gefängnis ist sie so etwas wie eine Diva. Ihre Mitgefangenen trauen sich nicht, sie etwas härter anzupacken. Oliv hat sich damit eine Rolle zugelegt, mit der sie sich lästige Menschen vom Leib hält.

Die Journalistin und Schriftstellerin Rosalind Leigh hat von ihrem Verleger den Auftrag bekommen, ein Buch über einen bizarren Fall zu schreiben. Eigentlich widerstrebt es ihr, solch ein Auftragswerk zu schreiben, doch dann stößt sie auf Olive Martin und auf deren dunkles Geheimnis. Sie entdeckt immer mehr Ungereimtheiten, die so gar nicht zu dem ansonsten klaren Fall passen. Rosalind macht sich auf den Weg, deren Unschuld zu beweisen.
Doch bis zum Ende des Romans kann sich der Leser nicht sicher sein, ob die Beweiskette, die die Schriftstellerin aufstellt, lückenlos ist. Das wird immer wieder zwischendurch klar. Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Über große Teile verfolgt der Leser die Handlungen der Schriftstellerin Rosalind und sieht alles aus mehreren Blickwinkeln. Er kann ihr dabei gut folgen und mit ihrer Meinung einhergehen. In dem Moment aber, wenn der Erzähler lediglich den Raum um die Bildhauerin ausleuchtet, wird ein komplett anderes Bild wiedergegeben. So verwundert es nicht, dass am Ende des Romans, der bis dahin einen glücklichen Verlauf nahm, dem Leser das Schaudern über den Rücken läuft.
Spannung pur mit interessanten Figuren, die erst zueinander finden müssen. Eine unterhaltsame Milieustudie aus den Arbeitervierteln der südenglischen Hafenstadt.

Walters, Minette
Die Bildhauerin
Aus dem Amerikanischen von Mechthild Sandberg-Ciletti
Goldmann Verlag
ISBN 9783442424627

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Val McDermid: Northanger Abbey

Val McDermid: Northanger Abbey

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Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass sie einen bestehenden Roman der großen Schriftstellerin Jane Austen in die heute Zeit transformiert hat. Sie hat sich Northanger Abbey vorgenommen und neu geschrieben. Dabei aber das 19. Jh. gegen das 21. Jh. ausgetauscht. Herausgekommen ist ein sehr frisch wirkender jugendlicher Liebesroman, der immer noch genügend Auskunft über das gesellschaftliche Gebaren der britischen Bevölkerungsschichten gibt. Das Projekt ließe sich auch als „Val McDermid feat. Jane Austen“ nicht besser beschreiben, um es mit heutigen Worten zu sagen.

Catherine Morland, genannt Cat, 17 Jahre, Tochter ens Pfarrers in Dorset, jüngere Schwester von James, lebt in ihrer kleinen, liebevollen Familie. Sie ist das, was heute als Bücherjunkie bezeichnet wird. Sie verschlingt Bücher und lebt auch in ihren Tagträumen in den Geschichten, die sie liest. Vorrangig sind das momentan Vampirromane. Ihre Tagträume lassen die reale Welt mit der virtuellen Welt verschmelzen. Eines Tages wird sie von den Nachbarn, einem freundlichen kinderlosen Ehepaar namens Allen, zu einem Buchfestival nach Edinburgh eingeladen. Mr Allen fährt seit vielen Jahren jedes Jahr teils geschäftlich dort hin. Dieses Jahr fährt seine Gattin mit und denkt mit der Nachbarstochter Cat an eine nette Begleitung. Cat nimmt die Einladung natürlich an, schließlich kann das nur ein großes Abenteuer werden. Etwas anderes als ein Abenteuer erwartet sie eh nicht vom Leben. Genauso wie in den Geschichten. Cat gewinnt in Edinburgh neue Freunde, lernt neue Menschen kennen und besonders die Familie Tilney, denen das Anwesen Northanger Abbey gehört, welches etwas außerhalb Edinburghs liegt. Die Tilneys laden Cat dann ihrerseits nach Northanger Abbey ein. Dort muss sie in den alten Gemäuern mit verschlossenen Türen, Gängen und Treppen feststellen, dass irgendetwas mit dieser Familie nicht zu stimmen scheint. Der Tod deren Mutter vor wenigen Jahren erscheint ihr besonders mysteriös.

Val McDermid hat den Stoff von Jane Austen hervorragend umgesetzt und auch die deutsche Übersetzung hat das gängige moderne Vokabular, um der Geschichte einen frischen Anstrich zu geben. SMS, Facebook, Twitter gehören genauso dazu wie aktuelle Buch- und Musiktitel. Die weiblichen Figuren stehen voll im heutigen Leben und lassen nichts vom generösen Staub des 19. Jh., wie es zwangsläufig im Original erscheint, spüren. Gerne bin ich Cat gefolgt, wie sie ihren Weg ins Leben findet und zu dem Schluss gelangt, dass das reale Leben nicht das ihrer Romanhelden ist.

Eine hinreißende, moderne Liebesgeschichte nicht nur für Jugendliche.

McDermid, Val
Northanger Abbey
Aus dem Englischen von Doris Styron
HarperCollins, Berlin
ISBN 9783959670180

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

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Minette Walters: Das Echo

Minette Walters: Das Echo

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Ein vor sechs Jahren verschwundener Betrüger, ein vor sechs Monaten verhungerter Obdachloser, ein Journalist, der von seinem Chef gedrungen wird, endlich mal wieder eine große Story zu schreiben, die sich für die Zeitung lohnt. So könnte man die Eckpunkte dieses Romans der englische Schriftstellerin Minette Walters benennen. Er beginnt damit das in der Garage der wohlhabenden Architektin Amanda Powell eines Tages ein Stadtstreicher tot aufgefunden wird. Dem ersten Anschein nach ist er verhungert. Merkwürdig ist aber, dass die Architektin die Bestattungskosten für diesen Unbekannten übernimmt. Dies findet besonders der Journalist Michael Deacon, auf der Suche nach einer großen Story. Sein Interesse ist geweckt, um an dem Schicksal des Stadtstreichers dran zu bleiben. Es dauert nicht lange, da stößt Deacon auf den Ex-Ehemann von Amanda, der vor sechs Jahren nach einem aufgeflogenen Betrugsskandal spurlos verschwunden ist. Hat der verschwundene Ehemann etwas mit dem Obdachlosen zu tun?

Neben dem besonders gut verschachtelten Plot hat mir die Figur des Michael Deacon sehr zugesagt. Er ist keiner der nach Karriere strebenden Journalisten, sondern einfach nur ein besonnener Typ, der eine gute Arbeit abliefern möchte. Vor Jahren ist ihm seine Frau davongelaufen, weshalb es schließlich auch zum Zerwürfnis mit seiner Mutter kam. Er lebt allein in seiner Wohnung und führt ein einsames Single-Dasein. Doch bei seinen Recherchen trifft er auf den 14jährigen Kerry, der ebenfalls unter den Stadtstreichern lebt. Der Junge ist beeindruckt von dem Respekt, den ihm der ältere Mann zollt. Kerry schließt Deacon schließlich ins Herz. Doch diese Zuneigung ist keine Einbahnstraße. Deacon bietet dem jungen Unterkunft in seiner Wohnung an. Diesem Duo schließt sich letztendlich noch ein Kollege von Deacon an. Dieser Kollege hat irgendwie seine Pubertät verschlafen und verfügt deshalb über eigenartige sexuelle Gelüste. Auch ihm gewährt Deacon Unterkunft in seiner Wohnung. Die Konstellation dieses Dreiergespanns beinhaltet jede Menge Konfliktstoff, andererseits aber auch Grund genug für humorvolle Szenen und Dialoge.

Minette Wolters ist ein schwer zu durchschauender Krimi gelungen. Die Hauptfiguren des Romans sind authentisch und letztendlich sympathisch, auch wenn es sich dabei um Täter handeln sollte. Die Dialoge sind zum Teil humorvoll und es macht Spaß, den Leuten „zuzusehen“, wie sie sich in ihrem Chaos verstricken. Ein lesenswerter Roman.

Walters, Minette
Das Echo
Aus dem Amerikanischen von Mechthild Sandberg-Ciletti
Goldmann Verlag
ISBN 9783442445547

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Val McDermid: Echo einer Winternacht

Val McDermid: Echo einer Winternacht

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Der 550 Seiten dicke Roman ist eigentlich in zwei Teile untergliedert. Es beginnt in einer eisigen Winternacht im Jahre 1978. In dem schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews machen Alex und seine Freunde auf einem alten keltischen Friedhof eine grausige Entdeckung. Sie finden den blutüberströmten Körper der jungen Rosie. Zwar lebt sie noch, aber die Hilfe kommt dennoch zu spät. Aber diejenigen, die das Mädchen zu dieser ungewöhnlichen Zeit an diesem ungewöhnlichen Ort gefunden haben, werden von der Polizei auch als Täter verdächtigt. Nicht unbedingt alle gemeinsam, aber möglicherweise ein einzelner von ihnen, der später dann durch das Auffinden von sich ablenken wollte. Die Polizei kann ihnen aber nichts nachweisen. So bleibt es nur bei diesem Verdacht. Das allerdings über viele Jahre hinweg und außerdem scheint dieser Verdacht die Freunde voneinander entfernen.

25 Jahre später, als wegen technischer Entwicklungen die Polizeiarbeit noch weiter vorankommt, werden von der Polizei ungelöste Mordfälle wieder aufgerollt. So auch wird der Mord an dem Mädchen Rosie wieder auf den Schreibtisch gelegt. Außerdem scheint es jemandem zu geben, der seine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit hat. Einer der vier Freunde kommt auf mysteriöse Weise ums Leben, obwohl diese Freunde von damals mittlerweile an unterschiedlichen Plätzen der Welt wohnen und leben. Wird bei dem ersten toten Freund zunächst noch ein Unfall vermutet, so ändert sich dies schnell, als kurz darauf ein zweiter durch einen mysteriösen Unfall ums Leben kommt. Alex will und muss herausfinden, wer es auf die vier Freunde abgesehen hat, denn schließlich möchte er selbst nicht das nächste Opfer sein.

Die schottische Autorin Val McDermid, selbst in dem Städtchen St. Andrews geboren wurde, hat sich spannenden Plot ausgedacht, der jenseits ihrer Helden angenehm unterhaltsam ist. Ganz ungewöhnlich ist das Ende der Romanhandlung im Jahre 1978. Der Leser wird sich zurecht die Frage stellen, wie es denn nun ab hier weitergehen soll. Schnell wird er dann aber merken, dass es im Jahre 2003 fast nahtlos weitergeht mit dem, was 1978 geschehen war. Noch mehr als in der ersten Hälfte des Romans rücken die vier Freunde in den Fokus der Geschichte. Dabei sind sie Opfer und Ermittler zugleich, oder auch Täter? Lange Zeit darf man den Ermittlungen beiwohnen und sie von allen Seiten betrachten. Belohnt wird der Leser schließlich am Ende mit einem fulminanten Show-down. Ein Überraschungsmoment jagt das nächste.
Obwohl sich für den Leser alles befriedigend auflöst, bleibt doch ein etwas fader Beigeschmack, denn am liebsten möchte man weiterlesen. Es ist einfach zu schade, den Roman aus der Hand zu legen.

McDermid, Val
Echo einer Winternacht
Aus dem Englischen von Doris Styron
Knaur Verlag
ISBN 9783426631584

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Martha Grimes: Die Frau im Pelzmantel

Martha Grimes: Die Frau im Pelzmantel

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Martha Grimes gehört seit vielen, vielen Jahren zu einer der großen Kriminalschriftstellerinnen aus den USA. Ihre Romane allerdings spielen häufig in England. So auch der vorliegende Fall für Inspector Jury.

Während eines düsteren Novemberabends sitzt Inspector Jury in einem Londoner Doppeldeckerbus und erblickt eine ungewöhnlich attraktive blonde Frau. Diese Frau ist elegant in einen Pelzmantel gekleidet und wird von einem Hauch Parfüm umgeben. Selbst für den Inspektor ist sie eine auffällige Erscheinung. Doch an einem Eingang zu einem der dunklen Parks in London verliert er die Frau aus den Augen. Am nächsten Tag wird die Leiche einer wunderschönen Frau in einem Pelzmantel entdeckt. Zwar identifiziert Jury diese Frau als diejenige, die er am Abend zuvor beobachtet hatte, aber es dauert nicht lange, bis ihm Zweifel daran kommen, dass es sich tatsächlich um dieselbe Frau handelt. Noch dazu, als er die vermeintlich Tote später erneut trifft. Sie bestreitet vehement, an besagtem Abend an dem Park gewesen zu sein. Seine Ermittlungen führen Jury aufgrund des Pelzmantels in die Umgebung einer Galeristenfamilie. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an welchem er seinen Freund Melrose Plant, einen feinsinnigen Kunstkenner, in die Ermittlungen einbeziehen möchte. Die beiden Freunde haben einen ihrer schwierigsten Kriminalfälle zu lösen.

Bei diesem Kriminalroman handelt es sich um einen gemächlichen, humorvollen und spannenden Kriminalroman. Er ist in etwa eine Mischung aus Inspector Linley und Inspector Barnaby. Während Jury in London lebt und arbeitet, kommt sein Freund Melrose aus einem kleinen Dorf in der Nähe. In einem langen, aber unterhaltsamen, parallelen Erzählstrang werden dieses Dorf und Melrose detailliert eingeführt. Absolut nicht langweilig, obwohl sich der Leser dennoch manches mal fragen kann: Was hat das Ganze mit der Leiche in London zu tun? Doch besonders dieser Teil und Melrose haben große Ähnlichkeit mit dem aus dem Fernsehen bekannten Inspector Barnaby. Es fasziniert die komplette dörfliche Idylle, in der das gesamte Geschehen des Dorfes abgebildet wird, die Streitigkeiten der Dorfbewohner untereinander, die diesen Teil sehr humorvoll gestalten. Schrullige Dorfbewohner, die sich gerne streiten und sich auch auf die Schippe nehmen, sind für diese Atmosphäre zuständig. Parallel dazu ermittelt der Polizist, um den Täter für die Leiche zu finden und herauszufinden, was es mit der Doppelgängerin auf sich hat. Falls es eine solche ist. Als Jury dann seinen Freund nach London gerufen hat, beginnt dieser, in der Galeristenfamilie zu ermitteln. Das macht er sozusagen verdeckt, denn offen gibt er nicht zu erkennen, dass er für seinen Polizistenfreund arbeitet. Aber je weiter er in die Geheimnisse dieser Familie eintaucht, umso verworrener scheint der ganze Fall zu werden.

Bereits oben habe ich von einem gemächlichen Krimi gesprochen, was darauf hinweist, dass es kein besonders action-reicher und schnell geschnittener Kriminalroman ist. Er folgt eher der Tradition einer Agatha Christie, der mit einer detailgenauen Beschreibung versucht, den Leser auf die falsche Fährte zu locken. Die dargestellte Szenerie entspricht durchaus dem englischen Landleben und es ist gut vorstellbar, dass sich die Autorin viel Zeit bei ihren Recherchen genommen hat, um solch ein kleines Dorf im Süden Englands unter die Lupe zu nehmen. Der Roman bietet gute Unterhaltung mit einem sehr guten Rätselformat.

Grimes, Martha
Die Frau im Pelzmantel
Aus dem Amerikanischen von Cornelia C. Walter
Goldmann Verlag
ISBN 9783442450091

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Rebecca Michéle: Schatten über Allerby

Rebecca Michéle: Schatten über Allerby

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Miss Mabel Clarence hat in diesem Roman bereits den dritten Fall zu klären. Das macht sie in gewohnter Weise mit ihrem Bekannten, dem Tierarzt Victor Daniels, dem sie ansonsten den Haushalt führt. Mabel wird gerne sowohl von den Lesern als auch von ihren Nachbarn in Cornwall als eine Miss Marple gesehen. Sie wehrt sich zwar dagegen, aber ein Stückchen Wahrheit ist da schon dran. Mabel gehört zwar das Landhaus Higher Barton, aber sie ist immer bodenständig geblieben und wohnt selbst in einem Häuschen in Lower Barton. Das Landhaus lässt sie von einem Ehepaar bewirtschaften. So kommt es nicht selten vor, dass auf Higher Barton Feiern veranstaltet werden. In diesem Zusammenhang wird sie von Lady Carter-Jones angesprochen, eine Feierlichkeit auszurichten. Die Carter-Jones wohnen in Allerby House. Sie gehören dem kornischen Landadel an. Mabel ist nicht wenig überrascht, als sie bei einem Treffen zur Absprache der Feierlichkeit, die sie von Allergie trifft, feststellen muss, dass es sich um eine junge Dame handelt. Sie hatte die Besitzer für ein älteres Paar gehalten. Denn ihr wurde zuvor mitgeteilt, dass es sich um eine Geburtstagsfeier anlässlich des 60. Geburtstag von Lord Carter-Jones handelt. Tatsächlich muss sie nun feststellen, das sie und Lord Carter-Jones über 30 Jahre Altersunterschied aufweisen. Da der Lord, der nach einem Unfall in einem Rollstuhl sitzt, nicht viel von Partys hält, möchte seine junge Gattin, dass er nichts von der Vorbereitung dieses Überraschungsfeier erfährt. Das ist für Mabel kein Problem. Zusammen mit ihren Wirtschaftern auf Higher Barton, geht Mabel die Organisation dieser recht großen Geburtstagsfeier an. Es wird die größte Feier die sie bislang auf Higher Barton ausgerichtet hat. Doch dann erfährt sie von dem plötzlichen Tod der Lady. Noch dazu soll es sich um einen Selbstmord handeln. Das mag Mabel Clarence nicht glauben. Diese junge, fröhliche Frau kann nie solch eine depressive Stimmung gehabt haben, dass sie an Selbstmord gedacht hat. Mabel nimmt die Spur auf. Obwohl sie beim Tierarzt und Freund als Haushälterin arbeitet, nutzt sie die Gelegenheit, sich auf Allerby House als Krankenpflegerin für den Lord anstellen zu lassen. Schließlich hat dieser seine Gattin verloren, die sich sehr um ihn bemüht hatte. Eine Pflegerin für ihn ist dringend notwendig. Beste Gelegenheit für Mabel Clarence, hautnah in Allerby ermitteln zu können.

Rebecca Michéle ist eine langjährige Kennerin von Cornwall, reist mehrmals im Jahr in diese englischen Gefilde und versteht es hervorragend, den Reiz und die Legenden dieses bezaubernden Landstriches in ihren Romanen einzubringen. Die Geschichten um Mabel Clarence sind typische Südengland-Geschichten mit einem eigenständigen Flair, wie ihn nur Rebecca Michéle einbringen kann. Viele lokale Anekdoten, Begebenheiten, Sagen und Sehenswürdigkeiten finden Zugang in ihre Geschichten, die das Buch so reizvoll anreichern mit englischem Dunst. Denjenigen, die sich englische Atmosphäre nicht vorstellen können, möglicherweise weil sie noch nie die Gelegenheit hatten, dort selbst hinzureisen, sei gesagt, dass es sich bei den Romanen um Mabel Clarence um eine Mischung von Miss-Marple-, Inspektor-Barnaby- und Rosamunde-Pilcher-Romanen handelt. Dies ist jetzt eine ganz abgekürzte Beschreibung meinerseits, trifft zwar das äußere, sagt aber sehr wenig über den eigenen Stil der Schriftstellerin aus. Die Beschreibungen der Menschen und Orte und Landschaften Südenglands ist die ganz besondere Art, weshalb gerade Liebhaber dieses Landstriches ein besonderes Augenmerk auf diese Bücher richten sollten. Die Kriminalfälle sind dabei schmückendes und spannendes Beiwerk, die natürlich den Jagdinstinkt der Leser herausfordern. Schließlich sind diese Romane immer für eine Wendung gut.

Michéle, Rebecca
Schatten über Allerby
Goldfinch Verlag, Frankfurt/ M.
ISBN 9783940258236

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Minette Walters: Der Nachbar

Minette Walters: Der Nachbar

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Sicherlich, es war nur eine Frage der Zeit, bis ich einen Roman von Minette Wolters in den Händen halte. Bei meiner Englandaffinität muss schließlich ein solcher Roman von mir gelesen werden. Die britische Schriftstellerin ist dafür bekannt, dass ihre Krimis und Thriller einen starken britischen Charakter aufweisen. Ihr Roman „Der Nachbar“ erschien 2001 und verbindet auf hervorragende Weise die Kriminalermittlung um ein vermisstes Mädchen mit einem gänzlich anderen Thema.

Darum geht es in dem Roman: In der Sozialsiedlung Bassindale bei Southampton schlägt bei der Bevölkerung die Aufregung in Chaos um. Ein zehnjähriges Mädchen ist verschwunden. Die Leute sind besorgt. Da sickert dank einer Sozialarbeiterin durch, dass in der Siedlung ein Sexualstraftäter unter einer neuen Identität einquartiert worden war. Die Erregung der Leute um das Verschwinden des kleinen Mädchens schlägt um in Hass. In Demonstrationen wollen sie ihrer Wut freien Lauf lassen. Doch unter die Demonstranten mischen sich auch randalierende Jugendliche. Unter Alkohol- und Drogeneinfluss basteln sich die Jugendlichen Benzinbomben und wollen diese gegen den Kinderschänder, den sie für den Entführer des kleinen Mädchens halten, einsetzen. Das kleine Viertel verwandelt sich in einen Hexenkessel. Es gibt Tote und zahllose Verletzte. Während ein großes Polizeiaufgebot unter Zuhilfenahme eines Polizeihubschraubers versucht wird, der Lage in dem Viertel Herr zu werden, forciert eine kleine Einsatzgruppe der Polizei die Ermittlungen im Falle der verschwundenen Amy.

Die Autorin hat den Roman in zwei Parallelhandlungen aufgeteilt. Da ist zum einen der Strang um die Ausschreitungen in dem Sozialviertel und zum anderen die Jagd und Suche nach dem Mädchen und ihrem Entführer. Gespickt wird die Handlung immer wieder mit Protokollen von der Polizei, die dem Ganzen den Hauch einer Liveberichterstattung geben. Vom Polizeihubschrauber aus wird die ganze Szenerie beobachtet und immer wieder ein Überblick über die Randalierer gegeben. Als die Randalierer das Oberwasser gewinnen, geraten selbst die Initiatoren der Demonstrationen in das Fadenkreuz dieser Rowdys. Der erste Tote allerdings ist selbst einer von den Randalierern, der durch seine eigene Benzinbombe in Brand gerät. Die hilfsbereite Ärztin gerät in die Fänge des Sexualstraftäters und seines Vaters. Dieser ist polnischer Abstammung und geht wahrlich nicht zimperlich mit der Ärztin um. Auch das gesamte Chaos im Viertel ist bildhaft beschrieben und versetzt den Leser in eine chaotische Ausnahmesituation. Chronologisch parallel erfährt der Leser von der Suche nach den zehnjährigen Mädchen. Dabei kommt es immer wieder sporadisch zu Kontakten mit den Leuten im Ausnahmezustand. Informationen werden hin und her gegeben. Aber zu einem wirklichen Zusammenführung beider Stränge wird es nicht kommen. Beide Stränge sind aufregend und spannend. In beiden Handlungsverläufen werden die Ursache für das Verschwinden des Mädchens aufgezeigt.

Die Aufmachung des Taschenbuches ist ansprechend. Neben den Protokollen der Polizei ist gleich zu Beginn eine Karte des Stadtteils mit den Straßen abgebildet, auf die der Leser immer wieder zurückgreifen kann, wenn die Straßennamen in der Handlung beschrieben werden. Das Flair der englischen Stadt und der englischen Landschaften kommt ausreichend rüber. Darauf liegt sicherlich nicht das Hauptaugenmerk der Schriftstellerin, aber wer die Großstädte in England kennt, kann eine gute Vorstellung von dem Sozialviertel bekommen. Die südenglische Stadt Southampton macht darin keinen Unterschied.

Der Roman ist extrem lesenswert und bietet eine gute Unterhaltung.

Walters, Minette
Der Nachbar
Aus dem Englischen von Mechtild Sandberg-Ciletti
Goldmann, München
ISBN 9783442457151
© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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