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Schlagwort: Freundschaft

Mina Teichert: Mein unverhoffter Pferdesommer

Mina Teichert: Mein unverhoffter Pferdesommer

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Wie bekommt man einen großen Hannoveraner Wallach in einem Neubaugebiet unter? Das muss sich die 14-jährige Milli fragen. Sie hat das Pferd von ihrer Tante geerbt. Kurzerhand wird es in der Garage geparkt. Milli hat keine Ahnung von Pferden. Aber was hilft es, jetzt muss sich um das Tier kümmern, bis ein Stall gefunden ist.

In der Kiste mit dem Pferdezubehör entdeckt Milli ein Tagebuch und erfährt, dass sie es mit einem ehemaligen Polizeipferd zu tun hat. Kein Wunder also, dass Jupiter so erstaunlich souverän mit der Situation umgeht. Dennoch ist sie froh, auf die Unterstützung ihrer Eltern und ihrer Freundin Anouk zählen zu können, die sich sofort für das Pferd begeistert. Denn schließlich muss Milli sich auch noch um ihren Mops Hugo kümmern. Und ihr Balletttraining darf sie ebenfalls nicht vernachlässigen.

Was für eine schöne Geschichte! Es ist sehr spannend zu verfolgen, wie Milli und Jupiter Freunde werden. Ganz selbstverständlich lässt sich das Pferd integrieren. Zum Glück haben Milli und Anouk viel Zeit, denn es sind gerade Ferien. Klar, dass die beiden sich den einen oder anderen Fehler im Umgang mit dem Pferd leisten. Aber sie versuchen dennoch, seine Reaktionen einzuschätzen und seine lebhafte Mimik zu verstehen. Diese Szenen werden auf eine ausgesprochen fantasievolle und witzige Art beschrieben. Das Pferd ist einfach bezaubernd.

Natürlich gibt es auch noch eine tiefergehende Geschichte, in der es um Jupiters Vergangenheit als Polizeipferd geht. Und hier entwickelt sich fast ein Krimi, bei dem eine weitere Person die Bühne betritt. Silas ist merkwürdigerweise immer zur Stelle, wenn Milla nicht mehr weiterweiß oder wenn sie sich und das Pferd in eine schwierige Lage manövriert hat. Stets handelt er überlegt und durchdacht, ganz im Gegensatz zu Milli. Aber genau das gefällt ihr an ihm.

Der Pferderoman ist sehr unterhaltsam und super flüssig zu lesen. Er ist perfekt für das Lesealter konzipiert. Es fließt viel aus Millas Leben mit ein, sodass man sie gut kennenlernen kann. Das erhöht die Spannung, die bis zum überraschenden Ende anhält.

Rezension von Heike Rau

Mina Teichert
Mein unverhoffter Pferdesommer
256 Seiten, gebunden
ab 10 Jahre
Ueberreuter Verlag, August 2021
ISBN-10: 3764152141
ISBN-13: 978-3764152147
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J. Courtney Sullivan: Fremde Freundin

J. Courtney Sullivan: Fremde Freundin

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Elisabeth und Andrew, die viele Jahre in New York verbracht haben, leben nun in einer Kleinstadt, um hier ihren Sohn Gil aufzuziehen. Elisabeth vermisst ihre engste Freundin Nomi, die in Brooklyn geblieben ist. Eine von anderen Müttern gegründete Facebook-Gruppe und auch die anderen Frauen in der Laurel Street, die sie in ihren Buchclub aufgenommen haben, füllen die Leere nicht. Andrew erweist sich als liebevoller Vater, doch muss er sich um seine neueste Erfindung widmen. Elisabeth ist vertraglich gebunden und hat ein drittes Buch zu schreiben. Sie wird sich um eine Kinderfrau kümmern müssen, um Zeit zum Schreiben zu haben. Und so kommt Sam in die Familie, eine Kunststudentin, und kümmert sich um Gil. Die beiden Frauen könnten kaum unterschiedlicher sein. Aber sie haben sofort einen guten Draht zueinander.

J. Courtney Sullivan zeigt auf, wie sich zwischen Elisabeth und Sam eine Freundschaft entwickelt, die von der älteren Frau angestoßen wird. Sie sieht sich selbst ein bisschen in Sam und möchte vermeiden, dass diese die gleichen Fehler macht wie sie selbst. Das mag gut gemeint sein, aber ihre Art und Weise Sam zu beeinflussen, ist ein bisschen übergriffig. Elisabeth sieht nicht, dass es nicht unbedingt gut für Sam sein muss, zu handeln, wie sie selbst es tun würde.

Die beiden Frauen stammen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Während Elisabeth reiche Eltern im Hintergrund hat, muss Sam sich mit einem Studienkredit verschulden und nebenbei in der Küche der Mensa und als Babysitterin etwas dazu verdienen. Und doch ist es auch ein Privileg, dass ihr überhaupt eine Bildungschance offensteht. Der Roman ist also durchaus gesellschaftskritisch. Das wird untermalt mit der Theorie vom Hohlen Baum, mit der sich Elisabeths Schwiegervater George sich auseinandersetzt. Elisabeth belächelt seine Ansichten. Aber Sam kann er dafür gewinnen.

Es ist interessant zu sehen, wie die beiden Frauen sich anfreunden und miteinander umgehen, besonders dann, wenn es Differenzen gibt. Sie sind nicht gleichberechtigt in dieser Beziehung, denn Sam ist auf das Geld, das sie beim Babysitten verdient, angewiesen. Dennoch findet eine Entwicklung statt, vor der sich auch Elisabeth nicht verschließen kann. Beide gewinnen durch diese Freundschaft, verlieren aber auch viel.

Rezension von Heike Rau

J. Courtney Sullivan
Fremde Freundin
Aus dem Englischen von Andrea O’Brien und Jan Schönherr
528 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag, Juli 2021
ISBN-10: 3552072519
ISBN-13: 978-3552072510
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Katharine Dion: Die Angehörigen

Katharine Dion: Die Angehörigen

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Es handelt sich in diesem Roman um eine Familiengeschichte der besonderen Art.
Genes Frau ist kürzlich verstorben. Nicht ihr plötzlicher Tod wird von Katharine Dion analysiert, sondern durch die Augen und Worte seiner Freunde und seiner Tochter lernt Gene, der Icherzähler, eine Frau kennen, von der er in dieser Form nichts wusste.

Sie hatten ein gutes, bescheidenes und auskömmliches Leben. Noch aus gemeinsamen Studienzeiten stammt die Freundschaft zu Ed und Gayle. Sie haben zusammen Urlaube verbracht, haben nach und nach ihre Kinder bekommen, zu denen sich inzwischen noch Enkel und Enkelinnen gesellten, und fühlten sich in dieser Gemeinschaft geborgen. Das waren „die Angehörigen“ als Ersatz für die nicht vorhandenen wirklichen Angehörigen.

In der Vorbereitung auf eine Gedenkfeier für die verstorbene Maida, Genes Frau, treffen alle zusammen. Gene ist verwirrt, fühlt ich einsam und ist verunsichert, wie unterschiedlich die Berichte über Maida klingen. Zwischen seiner Tochter Dary und ihm herrscht ein angespanntes Verhältnis.

Inzwischen lässt Gene seine Gedanken zurückschweifen, und man erfährt einiges über sein gemeinsames Leben mit Maida. Sie waren 49 Jahre verheiratet. Die Fragen, die sich für Gene aufwerfen, sind existenziell, weil er sie sich so noch nie gestellt hat. Standen sich Ed und Maida näher, als er dachte? Ist Dary womöglich nicht seine Tochter?
Insgesamt ist er verunsichert, scheu und ratlos. Eine kurze von ihm allzu ernst genommene Beziehung zu seiner Putzfrau zeigt einen einsamen alten Mann, der sich ratlos durchs Leben bewegt.

Katharine Dion hat mit diesem Debütroman ein reifes und ansehnliches Werk geschaffen. Die nachhaltigen Fragen und Gefühle, die sie aufzeigt, bringen auch den Leser zum Nachsinnen. Unwillkürlich fragt man sich: wie war das denn bei Dir? Man fühlt mit Gene mit, der in Trauer erlebt, dass er seine Tochter gar nicht richtig kennt und versteht. Die vielen Szenen und Bilder, seien sie aus der frühen Zeit seiner Ehe oder in den späteren Jahren, werfen ein farbiges Bild auf eine Gesellschaft, in der nach außen hin alles in Ordnung erscheint. Aber gibt es nicht auch die Schattenseiten des Lebens? Die schmerzlichen Erfahrungen, Entbehrungen und das Ungesagte? K. Dion findet die richtigen Worte, mit denen sie den Fragen nachgeht. Sie bringt uns das Geschehen nahe und lässt uns teilnehmen an einem Leben, das durch den Tod einen schmerzlichen Bruch erlebt.

Das Buch ist nicht spannend aber in seinen Ausführungen z.T. sehr tiefsinnig. Wer sich für die Psyche des Menschen, seine Abgründe und die nach außen gezeigte Eintracht fasziniert fühlt, der wird mit diesem Roman belohnt für ein wenig Ausdauer, die durchaus erforderlich ist.

Katharine Dion
Die Angehörigen
288 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, April 2019
ISBN-10: 3832198946
ISBN-13: 978-3832198947
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Nina Teichert: Ein Sommer zum Pferdestehlen

Nina Teichert: Ein Sommer zum Pferdestehlen

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Eines Tages entdeckt die 13-jährige Klara auf dem Gelände des Schrotthändlers eine Irish-Cob Stute, dabei hat der alte Mann nichts für Pferde übrig. Das gescheckte Pferd reagiert sofort auf ihre Rufe. Aber es kommt für Klara nicht infrage, über den Stacheldrahtzaun zu klettern. Später, mit Freundin Marei, findet sich ein Weg, zu dem Pony zu gelangen. Zwischen den Autowracks steht auch ein alter Wanderwagen. Als Klara diesen inspiziert, wird sie vom alten Fassbinder erwischt. Den Kindern ist er nicht geheuer. Es heißt, er sei verrückt. Dennoch machen sie deutlich, dass das Pferd besser versorgt werden muss. Dem Alten ist das egal, schließlich will er die Stute, die er geerbt hat, zum Schlachter geben.

Das wollen die Mädchen nicht zulassen. Und so spannen sie in einer riskanten Aktion Gypsy vor dem Pferdewagen und flüchten. Ziel ist der Gnadenhof von Mareis Tante, der direkt hinter der holländischen Grenze liegt. Unterstützt werden sie von einem oberschlauen Feriengast. Etwa 100 Kilometer müssen sie mit Pferd und Wanderwagen zurücklegen.

Die Reise wird zum halsbrecherischen Abenteuer! Die Autorin schreibt auf eine unterhaltsame, lockere und sehr lebhafte Art. An witzigen Situationen wird nicht gespart, auch wenn es ab und an nervenzerreißend spannend für die Freunde und damit auch für den Leser wird.

Im Kutschwagen werden alte Tagebücher, beginnend im Jahr 1898, gefunden. Ein Mädchen der Irish Travellers hat sie geschrieben. Auf diese Weise wird Hintergrundwissen über das fahrende Volk vermittelt. Esmes Geschichte gibt fast schon Stoff für ein eigenes Buch.

Die drei Freunde sind sehr unterschiedlich. Auch wenn es Streitereien gibt, so halten sie doch zusammen, wenn es darauf ankommt. Klara ist wagemutig und naiv, Marei eher zurückhalten und Bruno weiß alles besser, zumindest in der Theorie. Man kann sich gut in die jungen Menschen hineinversetzen, die als Team immer mehr zusammenwachsen.

Die Reise ist perfekt in Szene gesetzt. Die Autorin lässt sich Zeit mit ihren Schilderungen und schaut genau hin. So wird auch das Pferd mit seinen Eigenschaften und Eigenarten sehr gut beschrieben. Es sind die leisen Töne zwischen Mensch und Tier, die hier spürbar werden. Das Buch ist nicht nur jungen Pferdefans sehr zu empfehlen!

Rezension von Heike Rau

Nina Teichert
Ein Sommer zum Pferdestehlen
288 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag
ISBN-10: 3764151420
ISBN-13: 978-3764151423
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Alex Capus: Königskinder

Alex Capus: Königskinder

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Ein schon lange verheiratetes Ehepaar befindet sich auf dem Heimweg über den Jaun-Pass in der Schweiz. Sie streiten sich um Kleinigkeiten. Aber das war schon immer so. In den großen Lebensfragen sind sie sich einig. Die Kinder sind aus dem Haus und ihre Fahrt über den Pass beginnt ein ungemütliches Abenteuer zu werden; denn es hat schon kurz nach dem Beginn der Auffahrt zu schneien begonnen. Wie nicht anders zu erwarten, bleiben sie an einem Hang hängen. Nun müssen sie die Nacht im Auto zubringen. Max vertreibt seiner Frau die Zeit mit einer langen Geschichte.

Es habe vor Jahren zur Zeit der französischen Revolution mit Beginn des Jahres 1779 einen verwaisten Hirtenbub gegeben, der im Sommer hoch oben auf einer entlegenen Alm Kühe hütete. Beim Abtrieb im Herbst begegnet der Junge der hübschen Marie, Tochter des Viehbesitzers. Sie verlieben sich und bleiben sich tief im Herzen verbunden, als er auf der Flucht vor dem Vater des Mädchens nach Frankreich geht, um sich als Söldner zu verdingen.

Trotz zahlreicher Kriege, die alle historisch vom Erzähler belegt sind, muss Jakob nur den Hafen von Cherbourg bewachen und geht zum Zeitvertreib zuweilen fischen.

Die Erzählung wird immer wieder unterbrochen von neckischen Fragen von Tina, die sich ein wenig über ihren erzählenden Mann amüsiert. Ob die Geschichte wahre Hintergründe ausweist?

Man wird es nicht erraten.

Unterhaltsam und atmosphärisch der Zeit um 1789 angepasst, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Ludwig der XVI und seine Schwester Elisabeth spielen hinein und zeigen die Dekadenz bei Hofe. Jakob wird Kuhhirte und darf nach Jahren seine Marie zu sich holen.

Mit lyrischen Passagen, wunderbaren Naturbetrachtungen und skurrilen Verhaltensweisen der Kühe und seines Hirten gewinnt die Erzählung einen witzigen und zuweilen drastischen Ton. Die Figuren werden uns in einer ungewöhnlich stoischen Weise nahegebracht. Ende des 18. Jahrhunderts nahte die politische Revolution der Aufklärung mit allen ihren grausamen Auswirkungen. Die Erzählung streift nur kurz die historische Geschichte. Ein schönes Zeitgemälde entsteht dennoch, und man liest den Roman mit leichtem Sinn.

Über allem schwebt die gesunde Verbindung von Tina und Max! Was für ein Gewinn im unguten Spiel der sonstigen Mächte und Gebräuche, dass wir es hier einmal mit einem wirklich freundlichen, poetischen Werk und gelingenden Beziehungen zu tun haben!

Alex Capus
Königskinder
176 Seiten, gebunden
Carl Hanser VerlagAugust 2018
ISBN-10: 3446260099
ISBN-13: 978-3446260092
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Irene Diwiak: Liebwies

Irene Diwiak: Liebwies

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Der Musikexperte Christoph Wagenrad reist auf Einladung eines Freundes im Jahre 1924 ins österreichische Liebwies, weil dieser hier ein Talent entdeckt hat. Doch für die junge Frau hat er keinen Blick, er hört sie nicht. Es ist Gisela, die ihn fasziniert, da sie seiner verstorbenen Frau so ähnlich sieht. Blind vor Liebe gedenkt er, aus ihr einen Star zu machen. Zu spät entdeckt er, dass ihr die Stimme dafür fehlt. Doch Gisela ist schlau. Wagenrad hat keine Wahl, er muss Gisela ans Konservatorium bringen. Sie erhält sogar die Hauptrolle in einer Oper, die August Gussendorff komponiert und die, man mag es kaum glauben, ohne eine talentierte Sängerin auskommt. Nun, eigentlich stammen die Kompositionen von seiner Frau Ida. Er macht nur das Gesamtwerk daraus. Aber wen interessiert das schon? Als Ehemann muss er seine Frau ja wohl nicht um Erlaubnis bitten. Die Frage ist nur, ob Gussendorff damit Erfolg haben wird.

Der schöne Schein ist Thema des Buches. Nach außen ist alles perfekt. Schaut man hinter die Kulissen, werden Dramen offenbart. Das alles beschreibt die österreichische Autorin Irene Diwiak mit feiner Ironie und einer gewissen Boshaftigkeit in einem ganz besonderen Schreibstil und fängt dabei auch den Zeitgeist perfekt ein. Trotz der vielen Schicksalsschläge, die hier vorüberziehen, ist der Geschichte Humor nicht abzusprechen, nur ist dieser eben teilweise rabenschwarz und tiefgründig. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.
Die Figuren werden äußerst lebendig beschrieben. Die, die dem Ruhm nachjagen und die, die eigentlich ihre Ruhe wollen oder zumindest ihr eigenes Leben. Zufälle, äußere Einflüsse, Ungerechtigkeit, eigenes Unvermögen und Vertrauensbruch bestimmen das Leben von Gisela Liebwies und Ida Gussendorff. Diese beiden Frauen stehen im Mittelpunkt des Buches. Sie haben es nicht einfach, durchs Leben zu kommen. Sie versuchen Chancen zu nutzen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, biegen am Scheideweg aber auch mal falsch ab. Woher soll man auch wissen, was richtig und was falsch ist in dieser verkehrten Welt und wohin das Schicksal führen wird?

Rezension von Heike Rau

Irene Diwiak
Liebwies
336 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552063471
ISBN-13: 978-3552063471
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Eliza Graham: Weil du mich liebst

Eliza Graham: Weil du mich liebst

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Südengland. Die Geschichte zweier Frauen. Eine davon spielt in der Gegenwart, die andere geht zurück auf das Jahr 1943. Minna Byrne ist nach dem Verlust ihres Sohnes durch einen Unfall mit ihrem Mann aus London aufs Land gezogen. Sie brauchen Abstand von dem Trubel, müssen in ihrer Trauer zu sich kommen. Der Tod des Sohnes scheint ihre Ehe zu zerreißen. Durch Zufall finden sie bei einem Spaziergang das Skelett einer Leiche an der Küste. Die Herkunft dieses Toten zieht Minna in den Bann. Dann trifft sie auf für Felicity Vance, genannt Felix, die nach sehr vielen Jahren in ihren Heimatort zurückgekehrt ist. Minna wohnt nun dort, wo Felix als Kind aufgewachsen war.

Schnell stellt sich heraus, dass der Tote ein amerikanischer GI aus dem Zweiten Weltkrieg ist. Felix beginnt zu erzählen, denn sie kannte diesen GI.

In beiden Geschichten werden Liebesgeschichten erzählt. Sie sind faszinierend ineinander montiert. Rückblenden wechseln mit der Gegenwart ab. Die heutige Geschichte um Minna und ihren Mann erzählt Minna selbst. Die gegenwärtige Erzählweise lässt den Leser alles direkt miterleben. Die Geschichte des GIs wird von einer dritten Person im Präteritum erzählt. Teilweise auch von Felix selbst, meist aber von einem unbekannten Erzähler.

Die Spannung wird von der Autorin auf mehrere Säulen aufgebaut. Man möchte einerseits wissen, ob Minna und Toni wieder zusammenkommen, warum und wie ihr Sohn ums Leben kam. Andererseits möchte man alles um den Toten GI wissen. Überraschungen sind vorprogrammiert.

Die Autorin erzählt interessante Geschichten. Besonders die von dem amerikanischen GIs vor dem berühmten D-Day bringt ungewöhnliche Sachen hervor. Der Lokalkolorit ist nicht ganz so ausgeprägt, lässt aber dennoch genug Stimmung aus dem südlichen England um Bournemouth erkennen. Das Lektorat hätte an einigen Stellen besser aufpassen müssen. Verwechselte Namen, falsche Erzählperspektiven einzelner Sätze geben dem Leser Rätsel auf, die eigentlich nicht sein mussten. Aber das soll den Gesamteindruck nicht wesentlich beeinträchtigen. Mir hat der Roman trotzdem gut gefallen.

Eliza Graham
Weil du mich liebst
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
blanvalet Verlag, München
ISBN 9783734103889

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Emylia Hall: In unendlicher Ferne

Emylia Hall: In unendlicher Ferne

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Die Hauptfiguren dieses Romans, Robyn Swinton und Jago Winters befinden sich zu Beginn (im Prolog) jeweils an einem Ort, an dem sie eigentlich nie sein wollten. Noch dazu jeder an einem anderen Ort, mehrere 1000 km voneinander entfernt. Während Robyn in Cornwall auf das Meer schaut, kümmert sich Jago im heißen Texas um die Pferde auf einer Ranch. Dabei ist Robyn ein Großstadtkind, die nur ihrer Eltern wegen, die in den Ruhestand gegangen sind, nach Cornwall mitgegangen ist. Jago hingegen ist in Cornwall geboren, liebt das Land, lebt mit seinem Vater zusammen und liebt die Arbeit mit Holz. Als Möbeltischler bestreitet er ganz gut seinen Lebensunterhalt.

Während der Leser im Prolog von zwei unterschiedlichen Menschen erfährt, beginnt deren Geschichte anschließend sieben Jahre zuvor. Nach und nach nähert sich der Lesende dem Ende des Spannungsbogens (Was machen sie hier an diesen Orten?), der im Prolog aufgebaut wurde. In einem ständigen Auf und Ab der Gefühle wird der Lebensweg beider in den letzten sieben Jahren geschildert.

Hall erzählt eine Geschichte von einer tiefen Freundschaft und lässt die Leser spüren, dass da offenbar noch mehr als Freundschaft ist. Doch es wird eine Geschichte von verpassten Gelegenheiten. Faszinierend hat die Autorin die Landschaft von Cornwall in das Geschehen eingebunden. Penzance, Porthcurno, St. Ives sind immer wieder genannte Orte, die Malerei, die in diesem Landstrich eine besondere Rolle spielt, nimmt auch im Roman einen festen Platz ein. Dennoch ist der Roman nicht ein simpler Regionalroman. Der Sog geht von der Geschichte aus. Doch dabei eine Region kennen zu lernen, die man noch nicht kannte, kann ein wunderschöner Nebeneffekt sein. Ebenso für denjenigen, der diese Landstriche selbst schon bereist hat. Dem einen oder anderen mag der Roman zu einer Reise nach Cornwall animieren.

Detailreiche und bildhafte Beschreibungen von Landschaft und Gefühlen machen den Roman zu einem Erlebnis. Amüsant und interessant die Nebenhandlung um Eltern im Ruhestand und der Aufstieg einer Musikband sind weitere schöne Zutaten.

Dieser Roman macht riesigen Spaß!

Emylia Hall
In unendlicher Ferne
Aus dem Englischen von Astrid Mania
btb Verlag, München
ISBN 9783442714667

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Joel Dicker: Die Geschiche der Baltimores

Joel Dicker: Die Geschiche der Baltimores

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Familiengeschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.

„Ich bin der Schriftsteller……“

So beginnt dieser unvergleichliche Roman von Joel Dicker über eine amerikanische Familie jüdischer Herkunft.

Marcus, der Icherzähler und Schriftsteller im Roman, erzählt seine Familiengeschichte. Sie beginnt 1994 und endet 2012 wird jedoch in wechselnden Jahresphasen erzählt.

Nathan und Saul Goldman sind Brüder. Der eine gehört zum amerikanischen Mittelstand, der andere ist ein reicher Anwalt in Baltimore. In New Jersey leben die „Montclairs“, Saul aber lebt mit seiner Familie in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland in besten Verhältnissen. Beide Familien haben fast gleichaltrige Söhne. Marcus aus „Montclair“ beneidet seinen Vetter Hillel glühend, dessen Herkommen aus dem begüterten Elternhaus ihm so manche Freiheit gewährt. Er ist intelligent aber zart und schmächtig.

Durch diverse Zufälle gerät zu den „Baltimores“ noch ein verlorenes Heimkind Woody, der in der Schule zum Beschützer des zarten Hillel wird.

In einem breit angelegten Epos erzählt uns Joel Dicker die Geschichte der drei Jungen, deren Jugend durch ihre innige Freundschaft zu einer glorreichen und glücklichen Zeit wird. Sie schwören sich ewige Freundschaft.

Familiengeschichten haben ihre eigene Dynamik und immer auch Geheimnisse, die schwer zu entschlüsseln sind.

Äußerlich wirken alle harmonisch miteinander. Sauls Frau Anita ist eine besonders anziehende, gütige und liebevolle Person. Doch unterschwellig gibt es Neid und Eifersucht, die sich durch unausgesprochene Kämpfe und langes Schweigen bemerkbar machen.

Im Aufbau zeigt der Autor in zwei Ebenen, die der Eltern und deren Kindern, wie Menschen aus der unbeschwerten Jugendzeit zu Heranwachsenden werden. Mit Beginn des Studiums und mit der Liebe werden neue Akzente gesetzt. Hier erst zeigen sich die kleinen Eifersüchteleien, die Furcht vor Bevorzugung, der Ehrgeiz und die Konkurrenz, die so manches Erwachsenenleben beschweren. Vieles bleibt zwischen Eltern, Kindern und unter Freunden unausgesprochen. Auf diese Weise erwachsen Misstrauen, Kränkungen und Verletzungen aller Art. Da der Autor im Buch mit Hinweisen auf zukünftige Veränderungen und Katastrophen arbeitet, entsteht eine ungemeine Spannung, die sich steigert. Eltern und Söhne, Nachbarfamilien und mehr oder weniger kleine und große Lieben oder ihr Vergehen begleiten uns während der Erzählung und steigern die Spannung. Es kommt zu vollkommen unerwarteten Ereignissen, die Unglück über die Familien bringen. Dramatisch bis zuletzt gibt es aber auch ein gutes Ende.

Das Leben IST spannend, und Joel Dicker zeigt uns in seiner Geschichte, wie die Wirklichkeit aussehen kann. Es ist, als habe diese Familie wirklich so, wie sie beschrieben wird, gelebt. Obendrein bietet Dicker in seinem Roman Einblicke in amerikanisches Familienleben mit Aufstieg und Fall, Armut oder Reichtum und Niedergang. Dazu die Weite des Landes, in der man schnell von einem Staat in den anderen, von Nord nach Süd oder Osten komm.

Man möchte schließlich das Ende wissen und gleichzeitig soll die Lektüre nie enden!

Für Fans von Familiengeschichten ein MUSS!

Joel Dicker
Die Geschichte der Baltimores
512 Seiten, gebunden
Piper, Mai 2016
ISBN-10: 3492057640
ISBN-13: 978-3492057646
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Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

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Von den dunklen und hellen Seiten des Lebens…

Vier Studenten unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft und Zukunftspläne finden sich in New York zusammen. Sie kennen sich vom College, und man lernt sie nach und nach in ihren sehr verschiedenen Charakteren und Leidenschaften kennen.

Zuerst ist die Erzählung ein sanftes Herantasten an die gegenwärtigen Lebensbedingungen ihrer Protagonisten.

Da ist JB, der Künstler, Malcolm, der Architekt aus reichem Elternhaus, Willem, der Schauspieler werden will und Jude St.Francis, der geheimnisvolle und von heftigen Schmerzattacken gepeinigte letzte in der Runde, der sein Jurastudium beendet hat.

Die vier Freunde befinden sich nach dem Ende ihres Studiums auf der Suche. Es geht ihnen um gute Jobs, die nicht so leicht zu finden sind, um das Leben und den Sinn ihres Tuns, um Ablösung von herkömmlichen Bindungen, um neue Erfahrungen, um Liebe, Sex und Freundschaft! Letztere hält sie zusammen. Sie sprechen viel miteinander. Reich oder arm, weiß oder schwarz spielt die geringste Rolle, obwohl diese Merkmale sicher auch bei der Identitätsfindung von Belang sind.

Ganz allmählich wird der Leser in Bann gezogen von ihrem Lebensdrang, ihren Fragen aneinander, auch von den Alltäglichkeiten wie Umzüge, Wohnungs- oder Jobsuche.

Man begleitet die Jungs durch ihr halbes Leben. Sie sind sehr verschieden von Charakter und Herkunft! Jude trägt offensichtlich ein schweres Schicksal mit sich. Er ist der Geheimnisvolle und mehr und mehr die zentrale Figur, von dem man nur wenig weiß, der sich nie äußert und doch von allen geliebt wird.

Fesselnd und atemberaubend in ihrer Dramatik und von grausamer Düsternis scheint seine  Kindheit überschattet gewesen zu sein.

Was hatte es mit dem Heim oder dem Kloster auf sich? Er fügt sich selber Leiden zu, indem er sich mit Rasierklingen verletzt, um die Vergangenheit und seinen Selbsthass, der aus dieser Vergangenheit resultiert, zu ertragen. Nach außen hin bleibt er verschlossen, liebenswert und liebenswürdig, und jeder bemüht sich, hinter sein Geheimnis zu kommen.

Vorsichtig führt uns die Autorin in die Tiefen der Beziehungen. Hier ist von Hass, menschlicher Destruktivität, von Misstrauen und echter Zuneigung, von Kränkungen, Verstehen und nicht zuletzt von einer tiefen und unverbrüchlichen Freundschaft und homosexuellen Beziehung die Rede.

Als Leser ist man erschlagen von der Wärme der Gefühle und dem Zusammenspiel von Liebe und Freundschaft, von Glück und Verzweiflung. Es ist ein Buch, das einen zum Weinen bringt!

Hanya Yanagihara beschreibt das Amerika, das wir kennen; ein Amerika, von dem so mancher junge Mensch träumen mag. Vom Auf und Ab der Möglichkeiten, von Verlusten, vom Abstand des Kleinen zum Großen, von Chancen und von der schier unbegrenzten Freiheit, die junge Menschen beim Aufbruch ins Leben erhoffen dürfen. Die einen finden ein bescheidenes Glück, und die anderen sind geplagt von Sehnsucht nach der einen wahren und großen Liebe und von der Unerfüllbarkeit erhoffter Lebensträume. Die Wahrheit ist fast immer eine andere!

Hier erleben wir ein Amerika, das es heute nicht mehr gibt! Fast setzt der Roman einen Schlusspunkt unter das freie, liberale Vielvölkerstaatengemisch, das in den Vorstellungen der westlichen Welt die wahre Freiheit Amerikas verkörperte.

Bis zur letzten Seite kann man sich von den Geschehnissen nicht lösen. Der Roman wird vermutlich den Literaturbetrieb in diesem Frühjahr heftig beschäftigen!

Hanya Yanagihara
Ein wenig Leben
960 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, Januar 2017)
ISBN-10: 3446254714
ISBN-13: 978-3446254718
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