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Schlagwort: Geiz

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Verhältnisse

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Verhältnisse

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Mord, Familienfehden und ein kostbares Bild von Gauguin bilden den Plot um den ersten Fall des Kommissars Dupin. Diesem Roman von Jean-Luc Bannalec sollen noch weitere folgen.

Das Geschehen spielt in Pont-Aven, einem bretonischen Künstlerdorf an der Atlantikküste. Bald schon soll der Tourismus dort erblühen. Im alteingesessenen Hotel Central wurde der 91-jährige  Besitzer Pierre-Louis Pennec ermordet. Wer könnte an seinem Tod Interesse gehabt haben?

Wie sich herausstellt, war er schwer herzkrank und hätte jeden Moment sterben können. Immerhin konnte Kommissar Dupin so viel schon herausfinden. Er ist aus Paris in die Bretagne zwangsversetzt worden. Doch so richtig wohl fühlt er sich in der Provinz als Großstädter nicht. Mühsam gestalten sich alle Nachforschungen nach einem Mörder, von dem man noch nicht einmal weiß, welche Motive ihn zu dem Mord verleitet haben könnten.

Nach vielerlei Hin und Her, Fragen hier und dort kommt Kommissar Dupin nur allmählich der Lösung seiner Aufgabe näher. Die Bretagne mit dem herben Reiz der Meeresluft kommt voll zur Geltung. Dupin sucht und forscht überall mit gelegentlichen Aufenthalten in den Restaurants und deren guter Küche. Er telefoniert, konferiert und unterhält zahlreiche Gespräche mit Verwandten, Nachbarn und Freunden. Da es neben den Morden um ein verstecktes und sehr teures Bild von Gauguin geht, darf auch eine einschlägig bekannte Kunstkennerin in der Figur der Marie Morgane Cassel mit ihren Recherchen nicht fehlen. Dass sich allmählich eine Familientragödie abzeichnet, macht den Fall spannend und menschlich verständlich. Geiz und Gier, Liebe und Abneigung: der Fall weist alles auf, was zu einem spannenden Thriller gehört. Man wird es nicht bereuen, ihn gelesen zu haben!

Jean-Luc Bannalec
Bretonische Verhältnisse
308 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, März 2012
ISBN-10: 3462044060
ISBN-13: 978-3462044065
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Jay Parini: Ein russischer Sommer

Jay Parini: Ein russischer Sommer

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Soziogramm einer ungewöhnlichen Ehe.

Jay Parini, der amerikanische Literaturwissenschaftler aus Vermont, hat den letzten Sommer Tolstois in einem biographischen Roman beschrieben und zu einem ausdrucksstarken Bild zusammengefügt. Er bediente sich für seinen Roman der Aufzeichnungen verschiedener Weggefährten, von Freunden, dem Arzt und der Frau Tolstois und einiger seiner Kinder. Daraus ist eine kaleidoskopartige Reportage über das letzte Lebensjahr Tolstois entstanden.

Zerstritten und ruiniert präsentiert Jay Parini  die Ehe zwischen Leo Tolstoi (1828 -1910) und seiner Frau Sofia Andrejewna (1844 -1919), die am Ende des gemeinsamen Lebens fünfzig Jahre währte.

Im Jahr 1910, dem letzten Lebensjahr von Leo Tolstoi, erlebt man einen erschöpften, von Vasallen, Freunden und Sekretären umgebenen Dichterfürsten auf seinem Landgut Jasnaja Poljana. Er leidet sichtlich unter dem Gezänk seiner Frau Sofia.  Mit seinen Romanen „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“ ist ihm der Durchbruch gelungen, der ihn zu einem der berühmtesten Schriftsteller der Welt machte. Die Romane brachten ihm Ruhm, Ehre und Anerkennung und stürzten ihn zugleich in eine schwere Sinnkrise. Er begann sich für Sozialreformen zu interessieren, reiste viel und erkannte die Nöte der armen Bauern. Tolstoi ist der Meister der Darstellung russischen Lebens Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts. Malerisch, bunt, laut und urwüchsig sieht man in seinen Werken das Volk mit seinen sozialen und hierarchisch angelegten Strukturen, bis die Revolution  von 1917 ihre Schatten voraus wirft und das ganze gesellige Leben in den Strudel des stalinistische Untergangs hineinziehen wird.

Seine Frau Sofia Andrejewna hat nur die besten Erinnerungen an ihre erste Begegnung mit dem stattlichen und schönen Grafen Leo Tolstoi. Statt ihrer Schwester Lisa wählt er sie zur Frau! Sie ist stolz und überglücklich. Bald schon nach der Eheschließung weicht ihr Entzücken der Enttäuschung, denn Leo ist ein launischer, Frauen verachtender und den Ausschweifungen ergebener Despot. In ihrer  nachgelassenen Erzählung  “Eine Frage der Schuld“ hat sie so manche Anekdote zur Erhellung ihrer Ehegeschichte aufgezeichnet. Das dramatische letzte Lebensjahr Tolstois wird höchst lebendig, wenn Parini einzelne Figuren in dem Reigen um den Dichter zu Wort kommen lässt.

Am Ende seines Lebens ähnelt Tolstois Ehefrau in dieser Darstellung eher einer Besitz ergreifenden Megäre denn einer liebenden Gattin. Sie wird von manchen gefürchtet und von anderen gehasst, sogar von der eigenen Tochter. Sofia hatte ihrem Mann 13 Kinder geboren und viele Male den Roman „Krieg und Frieden“ per Hand abgeschrieben. Jetzt fühlt sie sich abgeschoben und zu Unrecht entmachtet und enterbt.

Parini schreibt mit Leidenschaft und hohem Kenntnisstand. Die letzte Passage seines Romans gilt der Trauerfeier und Beerdigung Tolstois. Ohne Pomp und große Aufwendung, gefeiert und geehrt vom russischen Volk und gefürchtet vom Zaren wird er „ohne falsches Lob, leere Zeremonien oder törichte Verstellung“ auf seinem Gut zu Grabe getragen.

In seinem Roman zeichnet Parini die Charaktere aus verschiedenen Blickwinkeln einzelner nach, und das Gefüge einer fünfzigjährigen Ehe bekommt Risse und Scharten. Intrigen, Argwohn und Misstrauen dominieren die Beziehung und man glaubt den Beteuerungen Sofias nicht, dass es die reine Liebe ist, mit der sie ihren Leo umgibt. Am Ende entzieht sich Tolstoi ihrer Nähe.

Das Soziogramm dieser ungewöhnlichen Ehe und das Leben des Dichters, der in wechselnden Stimmungen mit sich und seiner Umgebung im Streit liegt, zeigt sich in dieser Erzählung bedrückend klar und scharf.

Barbara Rojahn-Deyk ist die hervorragende Übersetzerin.

Unter der Regie von Michael Hoffman ist das Buch 2009 mit der unvergesslichen Helen Mirren verfilmt worden.

Jay Parini
Ein russischer Sommer
Broschiert: 328 Seiten
Verlag: C.H. Beck, Januar 2010
ISBN-10: 3406593496
ISBN-13: 978-3406593499