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Schlagwort: Gerechtigkeit

Colm Tóibín: Nora Webster

Colm Tóibín: Nora Webster

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Colm Tóibín ist ein Autor, der sich in die tieferen Schichten menschlichen Seins hineinversetzen kann, wie er bereits in seinem Roman „Brooklyn“ bewiesen hat.

Mit seiner Hauptfigur Nora Webster hat er ein diffiziles und kritisches Frauenbild zu Ende der sechziger Jahre in Irland in den Fokus genommen. Erster Aufruhr bei kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südirland spielen am Rande der Geschichte mit.

Nora Webster muss sich nach dem plötzlichen und frühen Tod ihres Mannes Maurice Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in einem Provinznest im Süden Irlands alleine durchschlagen. Sie hat zwei Töchter, die schon aus dem Haus sind, und zwei kleine Söhne, die noch ihrer ganzen Fürsorge bedürfen. Ihr Mann war ein angesehener Lehrer im nahe gelegenen Städtchen Wexford. Beiläufig kommen ihr in Gedanken Erinnerungen an ihn, die von einer sehr glücklichen Ehe zeugen. Er war die Liebe ihres Lebens. Unwiederbringlich und grausam starb er in der Mitte ihres gemeinsamen Lebens. Die Familie erlebt eine einschneidende Wende mit seinem Tod.

In pragmatischem und nüchternem Ton erzählt Colm Tóibín die Geschichte einer Frau, die auf sich gestellt mit allen Folgen der Alleinversorgerin für die Familie leben lernen muss. Immer wieder stellen sich Bekannte oder ihre Schwestern ein, die ihr helfen wollen, doch sie sucht nur die Ruhe, um ihr Leben neu zu ordnen.

Nora musste vor ihrer Ehe im Büro der Firma Gibney arbeiten, obwohl sie das Zeug zu einer akademischen Laufbahn gehabt hätte. Die häuslichen Verhältnisse ließen ein Studium nicht zu.
Nun bietet man ihr erneut eine Stelle in derselben Firma an, da man weiß, dass der frühe Tod ihres Mannes sie mittellos hinterlassen hat.

Erste Gewerkschaftsgründungen führen zur Gegnerschaft zwischen Arbeitgebern- und Nehmern. Nora ist eine aufgeweckte Person und sieht die Zeichen der Zeit und die Notwendigkeit für Veränderungen. Sie schließt sich einer Gewerkschaft an, was ihrem Stand in der Firma, in der sie als tüchtige Bürokraft geschätzt wird, nicht gerade dienlich ist.

21 Jahre war sie mit Maurice verheiratet und konnte sich ihren Hobbies und dem Lesen widmen. Jetzt gehört sie wieder zu den weniger gut Betuchten, die sich hart durchschlagen müssen. Mit klarem Blick und wachen Sinnen orientiert sich Nora und sucht ihren eigenen Weg. Neid, Boshaftigkeit und Kleingeist, von dem sie sich umgeben sieht, machen ihr das Leben schwer.
Sie geht ihren Weg in großer Einsamkeit, denn sie ist klug und durchschaut die kleinen Schwächen der sie umgebenden Menschen mit analysierendem Blick. Wir erleben sie als gerechte und liebevolle Mutter, die ihren Kindern auf Augenhöhe begegnet.

Colm Tóibín zeichnet seine Figur mit viel Empathie und Verständnis.
Nora wird als stolz, klar und weitsichtig beschrieben.
Ferner umreißt er das Milieu einer kleinen Stadt, in der es Klatsch und Tratsch gibt und in der strenge Hierarchien je nach Amt, Würden und dem Wohlstand herrschen. Der Roman gewinnt auf diese Weise den Status einer Sozialstudie.

Colm Tóibín hat das Zeug zu einem Ausnahmeschriftsteller. Seine Romanfigur Nora Webster wird zu den großen Frauen der Weltliteratur wie Madam Bovary oder Effi Briest gerechnet.

Giovanni und Ditte Bandini haben mit ihrer Übersetzung ihren Beitrag geleistet, um dem Roman zu einer der wichtigsten Neuerscheinung des Herbstes 2016 zu verhelfen.

Colm Tóibín

Nora Webster
384 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, August 2016
ISBN-10: 3446250638
ISBN-13: 978-3446250635
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Deborah Holmes: Langeweile ist Gift

Deborah Holmes: Langeweile ist Gift

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen! Emanzipationsbewegung zu Anfang des 20.Jahrhunderts

Eine der wenigen Frauenrechtlerinnen zu Ende des 19. Jahrhunderts war Eugenie Schwarzwald, geb. Nussbaum.

Sie wurde in Ostgalizien geboren und besuchte die Grundschule in Czernowitz. Später lebte sie in Wien und betrieb als eine der Ausnahmefrauen ein Studium der Germanistik in Zürich, wo sie um 1900 promoviert wurde.

Eugenie, auch „Gena“ genannt, war eine Streiterin für Reformpädagogik, Freiheit und Gerechtigkeit. Verheiratet war sie mit ihrem Jugendfreund Herrmann Schwarzwald, der ihr den nötigen Rückhalt bieten konnte, um ihre Absichten mit ihren reformpädagogischen Ambitionen zu verwirklichen. Aufgeschlossen und rebellisch befasste sie sich neben der Arbeit als Schulleiterin in Wien mit den schönen Künsten und führte einen von zahlreichen Berühmtheiten frequentierten Salon.

Deborah Holmes zeichnet den Weg dieser jüdischen Frau nach, die keine Grenzen kannte und sich über Konventionen hinweg setzte, um ihre Ideen von Freiheit und Bildung für Mädchen in den entsprechenden Lehranstalten durchzusetzen.

Es war nicht leicht für sie, Anerkennung in den konservativen Kreisen ihrer Zeit zu finden. Nicht nur der überall herrschende Antisemitismus bereitete ihr Ungelegenheiten. Es waren vor allem ihre Ansprüche an Bildung und Gleichberechtigung für Frauen, die auf Widerstände stießen. Doch gründete sie mit unermüdlichem Einsatz ein Mädchenlyzeum, in denen diese Abitur machen konnten, und sie gründete die erste Gemeinschaftsschule für Mädchen und Jungen.

In ihrer Biographie geht Deborah Holmes den langen Weg einer Frau mit, der sie voller Elan, Kraft und guter Ideen zu ungewöhnlichen Freundschaften und Aktivitäten führte. Nach Aussagen hunderter Briefe und Dokumente war Eugenie Schwarzwald zwar nicht überall beliebt. Doch konnte sie eine große Schar bekannter Zeitgenossen in Kunst und Kultur um sich scharen. Sie überstand den Ersten Weltkrieg mit Tatkraft und ihrer unermüdlichen Hilfsbereitschaft. Der nahende Zweite Weltkrieg schickte sie jedoch auf eine Reise ins Ungewisse. Bekannte Namen unter den Freunden tauchen auf, die bemüht waren, ihre Lage zu erleichtern. Sie flüchtet in die Schweiz, wo zunächst ihr Mann und 1940 auch Eugenie Schwarzwald verstarb.

Die Biographie ist detailreich und mit zahlreichen Anmerkungen nach jedem Kapitel versehen. Das Wien mit seinem kulturellen Leben und seinen zahlreichen Künstlern, Kritikern und Dichtern nimmt in der Erzählung breiten Raum ein. Das Buch ist eine fleißige und ausführliche Arbeit geworden, in der man sowohl von den politischen Unwägbarkeiten, den Freundschaften aber auch den privaten Anfeindungen mit Betroffenheit liest. Deborah Holmes zeigt in der Person Eugenie Schwarzwalds eine Heldin mit weltoffener und charismatischer Ausstrahlung.

Deborah Holmes
Langeweile ist Gift
388 Seiten, gebunden
Residenz Verlag, Oktober 2012
ISBN-10: 3701732035
ISBN-13: 978-3701732036
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