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Schlagwort: Komik

Ferdinand von Schirach: Regen

Ferdinand von Schirach: Regen

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In seiner unvergleichlich trockenen Erzählweise berichtet von Schirach in seinem neuen Buch über Alltägliches.
Der Erzähler ist Schöffe wider Willen. Er wehrt sich gegen dieses Amt, muss es aber antreten.
Nun purzeln ihm die drolligsten Gedanken und Einfälle aus der Feder.

Es beginnt ein Monolog über tägliche Dinge, wie sie einem geübten Beobachter ins Auge fallen.
Vorgänge im Gericht und Amtshandlungen werden mit der größtmöglichen Präzision dargestellt.
Die Genauigkeit der Sprache ist fast ein Markenzeichen des Schriftstellers von Schirach.
Auch die Aufgaben von Autoren werden hinterfragt. Was tun sie überhaupt? Was macht Sinn?

Mit Tempo geht es weiter: in die Karibik, die Menschen und das Meer. Die Resultate seiner Beobachtungen sind zuweilen von grotesker Komik, so dass man laut lachen muss.
Bei weitem aber sind das keine dummen Überlegungen: im Gegenteil, man kommt erst darauf, mit was für einem Unsinn sich Menschen beschäftigen. Was z.B. ist „ein gutes Buch“?
Ja wirklich, man beginnt die eigenen Ideen zu hinterfragen!

Ambivalenz ist ein weiteres Stichwort; am schönsten aber ist die Geschichte von den 80%!
Von Schirach rechnet einmal vor, wieviel Mist uns täglich beschäftigt: es sind 80% aller Tätigkeiten. Ob Bücher, Filme, tägliche Erledigungen etc.
Auf Reisen in die Karibik: Zitat:“ in den sogenannten schönsten Wochen des Jahres liegen die Leute schwitzend auf Fischkot herum, baden in Kloaken, lesen schlechte Bücher und bekommen von der Sonne Hautkrebs“. S. 39

Auch die griechische Götterwelt ist von Schirach nicht fremd, und er weiß sie passend in das Panoptikum menschlicher Schwächen und Fehler einzufügen.
Hier tritt ein Autor bescheiden und unaufdringlich auf. Er hat ein immenses Wissen, das in den einzelnen Episoden zum Vorschein kommt. Und immer wieder die kurzen, fast spartanischen Sätze. Nur kein Wort zu viel!

Die Erzählung ist eine rundum hervorragend gelungene Persiflage auf das Leben insgesamt. Ein leicht melancholischer Einschlag liegt wie ein Schatten über den Schilderungen.

In einem anschließenden Interview äußerst sich von Schirach zu zahlreichen eigenen Lebenseinstellungen, auch zu seinem Privatleben. Er bleibt offen und setzt zugleich Grenzen, wenn es ihm zu privat wird.

Ein schmales Bändchen nur, aber hinreißend geschrieben, kurz, bündig und prägnant.
Wer sich einen amüsanten Nachmittag gestalten will, gespickt mit Lebenserfahrung und Weisheit, der gönne sich dieses schöne knapp 108 Seiten lange Werk. Es ist ein Lesegenuss und sicher von Schirachs persönlichstes Büchlein.

Ferdinand von Schirach
Regen
Luchterhand Literaturverlag, August 2023
112 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3630877389
ISBN-13: 978-3630877389
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Rachel Khong: Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte

Rachel Khong: Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte

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Ruth ist die Hauptprotagonistin in diesem Buch über ein Jahr mit einem Vater, der an Demenz leidet.

Sie ist keine besonders erfolgreiche Person, und sie steht vor der zerbrochenen Beziehung zu ihrem Verlobten. Ins Elternhaus zurückgekehrt, trifft sie sich mit Freunden und Freundinnen aus ihrer Jugend und denkt sich eine besondere Freude für ihren Vater aus. Er war erfolgreicher Geschichtsprofessor und darf nicht mehr unterrichten, weil man seine Demenz bemerkt hat. Sie findet Kollegen und Freunde, die ein Seminar für den Vater organisieren, in dem ihm die Fiktion eines normalen und gesunden Daseins vorgespielt wird.

Das Buch ist reich an Episoden. Eine fortlaufende Handlung ist nur schwer erkennbar.

Die Sätze sind kurz und lakonisch.

Alle möglichen Freunde und Freundinnen aus der Kindheit tauchen auf, Studenten des Vaters kommen zu Besuch und man isst, trinkt und erfreut sich des Augenblicks. Die Demenz des Vaters ist nicht sehr ausgeprägt, und seine Aussetzer versetzen die Familie nur selten in Schrecken.

Rachel Khong schreibt in Tagebuchform und in einem locker-fröhlichen Stil. Ihre Erzählung besteht aus freien Assoziationen, Begegnungen, Kindheitserinnerungen und Aktionen für den Vater. Mir fehlten tiefere Gedanken der Reflexion, wie man sie bei Arno Geigers Buch über seinen Vater findet.

Für Freunde der leichten Unterhaltung und der Situationskomik mag dieses Buch jedoch durchaus einen Aspekt der Demenz vermitteln.

Rachel Khong
Das Jahr in dem Dad ein Steak bügelte
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, September 2018
ISBN-10: 3462049720
ISBN-13: 978-3462049725
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Axel Hacke: Die Tage, die ich mit Gott verbrachte

Axel Hacke: Die Tage, die ich mit Gott verbrachte

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Eine skurrile kleine Geschichte hat uns Axel Hacke zu diesem Herbst beschert.

Ein Mann fährt heim und betrachtet sich im nachtdunklen Bahnfenster. Es amüsiert ihn, und er spielt mit dem Widerschein seines Porträts, bis es plötzlich verschwindet, und er direkt mit der Bahn vor seinem Haus ankommt.

Nach diesem kurzen Einführungsbild kann man sich schon vorstellen, dass einen in dieser Geschichte noch allerlei Sonderbarkeiten erwarten werden.

So begleitet ein Büroelefant unseren Helden auf seinen kurzen Mittagsausflügen!

Auf einer Parkbank begegnet ihm ein „Herr“ (was für ein altmodischer Ausdruck!) im grauen Mantel. Er spricht ihn an, und die beiden Männer kommen in ein intensives Gespräch.

Schließlich redet unser Held den Herrn, der ihn von Beginn an duzt, mit Gott an, und um existenzielle Fragen des Menschseins dreht sich am Ende die ganze Geschichte: warum wir auf der Welt sind, was wir hier tun, wie es nach unserem Vergehen aussehen wird; wozu die Tiere da sind, und was die Unendlichkeit bedeutet. Gott hat auf zahlreiche Fragen eine Antwort, doch berichtet er freimütig, dass ihm so manches nicht gelungen ist. Die Notwendigkeit der Widersprüchlichkeit einzelner Fragen ist verständlich. Schönheit ist nur sichtbar durch das Gegenteil: Trauer und Glück bedingen einander, Hell und Dunkel sind Antipoden und Sonne und Mond machen das Universum erst lebendig.

Das Gespräch wird immer philosophischer. Mit den bunten und ansprechenden Bildern des Illustrators Michael Sowa wird die Geschichte sehr plastisch visualisiert.

Kurzweilig führt uns Axel Hacke mit seiner lebhaften Phantasie durch eine Gedankenwelt, die uns amüsiert und zum Nachdenken anregt.

Die Geschichte ist kein Märchen, sondern pendelt zwischen Realität und Fantasie. Sie ist in ihren Fragestellungen ernst und naiv zugleich. Es geht um Erklärungen und um Erkenntnis, es dreht sich um die Schönheit der Natur, ihre Wunder und immer wieder die Vergänglichkeit. Aber auch die Einsamkeit Gottes, seine Bitte um Vergebung für begangene Fehlplanungen und Versöhnung symbolisieren Teile unseres Menschseins.

So wie die Geschichte beginnt, so endet sie auch. Schlicht, absurd aber friedlich. Der Mann kehrt zu seiner Familie zurück, und die Kinder bitten um weitere Geschichten!

Selten liegen Ernst und Komik so nahe beieinander.

Axel Hacke lebt in München und ist Schriftsteller und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung.

Michael Sowa ist Maler und lebt in Berlin.

Axel Hacke

Die Tage, die ich mit Gott verbrachte
112 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann, September 2016
ISBN-10: 3956141180
ISBN-13: 978-3956141188
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Emanuel Bergmann: Der Trick

Emanuel Bergmann: Der Trick

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Magische Welt der Kindheit…

Zwei ca zehnjährige Jungen mit ihren Familien bilden den Plot einer Geschichte, die den Leser verzaubern könnte.

1934 lebt in Prag Mosche Goldenhirsch. Sein Vater ist Rabbi, seine Mutter kürzlich verstorben. Er fühlt sich verloren in der Welt, als er vom Schlosser, einem vorübergehenden Liebhaber seiner Mutter, in einen Zirkus eingeladen wird. Dort erlebt er seltsame und wunderbare Dinge. Er ist so entzückt, dass er der strengen Zucht seines Vaters zu entfliehen trachtet. Er beginnt, den Honigmann zu folgen, der im Zirkus als Magier auftritt.

2007 in Los Angeles sucht der zehnjährige Max ebenfalls einen Zauberer, den großen und berühmten Zabbatini, um seine Eltern, die sich scheiden lassen wollen, wieder zusammenzubringen.

Beide Jungs sind kleine Juden, die der Magie zuneigen.

Um ihre Suche nach der Wahrheit und dem Glück im Leben dreht sich die Erzählung, in der sie die abenteuerlichsten Erlebnisse haben.

Wir sehen sie im Wechsel zwischen der Vergangenheit und dem Heute. Man kann ihre Reise über Berlin, das Nazireich mit der grausamen Judenverfolgung und dem schrecklichen Krieg weit über die Länder Europas hinweg bis nach Amerika in das Jahr 2007 verfolgen. Hier vollendet sich ein Roman, der reich an Zauber und Grausamkeit über alle Hürden hinweg schließlich zur Liebe führt.

Emanuel Bergmann hat eine zauberhafte Erzählung geschaffen. Das jüdische Milieu in Prag und Amerika prägt das Geschehen, das zu einem fernen Zeitpunkt die Suchenden zusammenführt. Im einen Fall fühlt man sich in alte Zeiten jüdischen Lebens mit ihren Traditionen und dem Glauben zurück versetzt. Dann aber stellt man fest, dass auch in heutiger Zeit Wunder möglich sind, wenn man nur an sie glaubt! Ausgewogen werden Geschichten erzählt, die zwischen Komik, Verzweiflung, Sehnsucht und Glück changieren.

Emanuel Bergmann schreibt für Verlage und verschiedene Filmstudios; er unterrichtet Deutsch, übersetzt Bücher und schreibt nun auch Romane. Dieser ist ihm gut gelungen.

Emanuel Bergmann

Der Trick
400 Seiten, gebunden
Diogenes, Februar
ISBN-10: 3257069553
ISBN-13: 978-3257069556
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Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

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Start ins Leben mit Zögerlichkeit und Sinn für das Absurde.

Mit Verve und Unterhaltungsbegabung beginnt Joachim Meyerhoff die Geschichte seiner Studienzeit in München. Er wird in München an der Filmhochschule angenommen und wird zunächst mangels geeigneter Studentenbude bei seinen großbürgerlichen Großeltern in deren Villa in Nymphenburg aufgenommen.

Die Schilderung dieser ungewöhnlichen Großeltern ist schon das ganze Buch wert. Die Großmutter war einst eine hervorragende Schauspielerin; der Großvater ist ein pensionierter Philosophieprofessor. Wie der Enkel Meyerhoff deren Tagesrituale und vor allem deren Alkoholkonsum zu jeder Gelegenheit beschreibt zeugt von einer großartigen, urkomischen und trockenen Erzählweise.

Man muss laut lachen, weil die Szenen voller Ironie und Amüsement stecken. J. Meyerhoff versteht hier sein Dasein als ein von naiver Unbeholfenheit gezeichneter Junge am Rande zur Erwachsenwelt.

Eine gewisse Distanz zu seinen Beobachtungen macht die Geschichte so heiter und zu einem wirklich belustigenden Erlebnis. Da die Großeltern nur noch mühsam laufen konnten, „hatten sie sich einen Treppenlift einbauen lassen“. Auf diesem entschwebten sie zur Nacht hin in ihre oberen Gemächer, und Meyerhoff selbst, von all dem Alkohol benebelt, tat es ihnen gleich.

Durch das gesamte Buch hindurch spielen die Großeltern wiederholt eine zentrale Rolle im Wechsel mit langen Passagen über seine Erfahrungen als Schauspielschüler. Meyerhoff bleibt bei seiner distanzierten Haltung gegenüber den Mitschülern und der eigenen Rolle. Sein trockener Humor schimmert immer wieder durch und macht die Erzählung zu einer skurrilen und launigen Betrachtung über das Leben als Schauspieler, wobei er sich über eigene Niederlagen oder auch Erfolge gleichermaßen lustig macht.

Ein unterhaltsames Stück Münchner Zeitgeschichte wird uns da präsentiert. Die Großeltern mit ihren charaktervollen und dezidierten Lebensweisheiten bieten unablässig Anlass zum Schmunzeln.

Joachim Meyerhoff ist von entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit auch über sich selbst und seine Lebenserfahrungen.

Der talentierte Schauspieler und Erzähler wird uns hoffentlich noch so manche Gelegenheit zu guter Unterhaltung bieten.

Joachim Meyerhoff
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
352 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048287
ISBN-13: 978-3462048285
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Roz Chast: Können wir nicht über was anderes reden?

Roz Chast: Können wir nicht über was anderes reden?

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Die Komik des Lebens dargestellt an eigenen Erinnerungen über die Eltern und eine nicht nur fröhliche Kindheit!
Roz Chast hat einen wunderbaren Comic geschaffen!

Wir müssen reden… reden… reden…
Worüber denn?
Gedanken über das Lebensende, Patientenverfügung, Testament, Vollmacht, Heim…
Oh weh!

Es geht um ihre Eltern, deren Ängste, ihr Alter, Verhalten, Wohnen und so fort…

Mit einer Überzahl an eindeutigen Bildern und den dazu passenden Gedanken und Worten schafft sie einen Eindruck davon, was Kindern mit ihren alt gewordenen Eltern blühen kann.

Während die Tochter 11 Jahre nicht mehr zu Hause war, entschließt sie sich endlich, sich um diese alten Eltern zu kümmern. Sie waren wirklich und immer schon sehr „alte Eltern“. Inzwischen sind sie über neunzig Jahre alt.

Roz Chast lebt ihr eigenes Leben mit Kindern und Mann auf dem Lande, während die Eltern nie aus Brooklyn und aus ihrem langjährig bewohnten Heim ausgezogen sind.

Voller Eigensinn, Starrköpfigkeit und immer wieder Einwänden und Ängsten gegen jede Art von Veränderung in ihrem Leben fasst die Autorin in ihren Bildern und Worten zusammen, wie sich das Alter bei ihren Eltern zeigt, und wie es ihr selber dabei ergeht. Grotesk bis makaber sind dazu ihre Beispiele. Dass der „Seniorenanwalt“, den die Tochter ins Spiel bringt, womöglich zugunsten der Tochter an ihr (der Eltern) Geld gehen könnte, das sie in zahlreichen Sparbüchern, verfallenen und noch gültigen, verwahren; vom „Fahrsteig des Lebens“ ist die Rede, und dass er bald endet.

Mit den grimmig drein schauenden Eltern und ihrer eigenen reflektierenden Beobachtung macht Roz Chast den Abstand zwischen sich und den Eltern deutlich. Und ist es nicht so, dass Eltern oft in eine Sphäre entschwinden, zu der man keinen Zugang mehr hat?

Was man als Kind nie auszusprechen wagt, das zeigt uns die Zeichnerin mit ihren Bildern: das wahre Gesicht des Altwerdens und ihre Gedanken dazu. Sehr alte Eltern vermögen recht wunderlich und misstrauisch zu werden gegen alles, was ihre Ruhe beeinträchtigen könnte. Sie wollen oft nicht wahrhaben, dass Änderungen, Krankheit, womöglich Pflegeheim und der Tod unausweichlich sind. Sie hängen an allem, was sie im Laufe eines langen Lebens zusammen getragen haben. Trennen können sie sich von gar nichts! „Augen zu und durch“ scheint die unausgesprochene Devise geworden zu sein.

Das Dilemma zwischen dem Werden, Wachsen und Vergehen ist eines, dem man sich im Alter immer weniger stellt. Roz Chast hat es in unübertroffener Weise ins Bild gesetzt. Beim Lesen und Schauen rührt es bei aller Überzogenheit und Groteske an die Seele und ans Herz. Sogar verborgene Zärtlichkeit und Wärme meint man aus den gedrängt wieder gegebenen Erinnerungen zu spüren!
In einem Nachwort wird Roz Chast von Rubinowitz in ihren Zeichnungen mit einem Kind verglichen „ein Kind, das sich in der Welt ohne Eltern zurechtfinden muss und sich seine eigene baut…“.
Sie sprüht über von Einfällen und Geschichten aus der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reichen.
Roz Chast ist langjährige Cartoonistin des „New Yorker“ mit hohem Ruhm, Auszeichnung und Anerkennung! Sie ist einfach wunderbar!

Roz Chast
Können wir nicht über was anderes reden?
240 Seiten, gebunden
Rowohlt, August 2015
ISBN-10: 3498009443
ISBN-13: 978-3498009441
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Romain Puértolas: Reise des Fakirs

Romain Puértolas: Reise des Fakirs

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Charmant und skurril: Reise ins Abenteuer!

Ein wenig verrückt mutet die folgende Geschichte schon an:

Da macht sich ein Fakir, Ayran, auf die Reise aus einem kleinen Dorf in Indien nach Paris, um bei Ikea ein neues Nagelbett zu erwerben.

Es soll 15000 rostfreie Nägel enthalten! Nach dem Erwerb will er gleich zurückreisen. Doch das geht schief.

Bei seinem Rundgang durch das Geschäft hat er die hübsche Marie kennen gelernt. Auch gefällt ihm ein Schrank sehr gut, in dem er sich für die kommende Nacht verstecken will. Doch Tücke des Geschicks: der Schrank wird am nächsten Tag für eine große Reise verladen. Es geht nach Barçelona und auch hier erwarten unseren Helden so mancherlei Missgeschicke und Freuden. Auf der Fahrt zu seinem Ziel leidet Ayran an Hunger und Durst, bis ihn ein freundlicher Sudanese, der auch auf der Flucht ist, befreit.

Es geht in der Erzählung immer so weiter, und eine skurrile Erfahrung folgt auf die nächste. Ayran, der kleine Scharlatan, denn das ist er, wird für ein zu erwartendes Buch, das er schreiben will, reichlich entlohnt. Jeder wünscht ihm Glück bei seinen Ungenauigkeiten und Versprechungen, die er nicht immer halten kann. Ein Taxifahrer aus Paris, den er um einen Geldschein betrogen hat, ist ihm mit seinen Rachegelüsten immer auf den Fersen.

Romain Puértolas hat einen Schelmenroman geschrieben. In ihm finden sich die Vorurteile gegen Einwanderer unerklärlicher Herkunft ebenso wieder wie die schalkhaften Chancen eines Weiterlebens unter ungünstigen Umständen. Über die Reise im Schrank gelangt der Held bis nach Rom und von dort zu einer unerwarteten Ballonfahrt. Schließlich kehrt er zurück nach Paris zu seiner Flamme Marie.

Diese Abenteuergeschichte enthält so manche Überraschung für den belustigten Leser bereit. Man staunt und schmunzelt über die Chuzpe, mit der einer durch die Welt gondelt und am Ende noch Glück bei seinen Abenteuern hat, die nicht immer ganz ungefährlich sind.

Es ist ein komisches Buch mit allerlei absurden und unterhaltsamen Abenteuern. Man sonne sich und lese es, dann wird das ein heiteres Ferienvergnügen.

Romain Puértolas
Reise des Fakirs
304 Seiten, gebunden
S. FISCHER, April 2014
ISBN-10: 3100003950
ISBN-13: 978-3100003959
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Alan Bennett: Die souveräne Leserin

Alan Bennett: Die souveräne Leserin

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Eine Königin auf Abwegen!

Zur Monarchie von England gehört Würde, Distanz und eine gewisse Überheblichkeit.
Elisabeth aber, die Königin von England, gerät eines Tages an einen alten und recht rumpeligen Bücherbus, eine fahrende Leihbücherei. Neugierig steckt sie ihren Kopf zur Bustür herein, ihre Hunde kläffen den Verleiher an, – und dann ist es um sie geschehen! Sie leiht das erste Buch aus, das zweite Buch und wird zu einer leidenschaftlichen Leserin! In Gesprächen mit ihren Dienern, Hofschranzen und sonstigen Honoratioren geht es fortan nur noch um Bücher.

Diese Begegnung mit der Literatur gerät zu einem humorigen und amüsanten Ausflug in die Welt der Bücher und stellt das Leben der Königin auf den Kopf. Ein Küchenjunge avanciert nach der Begegnung mit der Königin im Bücherbus zum Hofdiener, und sie verfällt immer mehr ihrem neuen Hobby. Sie liest sogar in der Kutsche auf Fahrten zu offiziellen Veranstaltungen! Ihrem Äußeren widmet sie nicht mehr die volle Aufmerksamkeit wie bisher, und alles dreht sich um ihr Lieblingsthema: Bücher. Selbst ihre geliebten Hunde vernachlässigt sie ein wenig.

Neben dem Irrwitz einer Königin auf Abwegen hört man Namen so bekannter Schriftsteller wie Henry James, Virginia Woolf, Alice Munroe, Sylvia Plath und vieler anderer mehr.
Mit Witz, Geist, einem Schuss Ironie und Humor führt uns Allan Bennett mit der Königin durch die Literatur der Gegenwart und Vergangenheit. Er hebt die Bücher auf den Thron und gibt dem monarchischen Gebaren eine ganz und gar menschliche Note.

Mit dieser Liebeserklärung an die Literatur in Verschmelzung mit dem abgehobenen Dasein einer Königin erlebt man Bücher einmal als verbindendes Glied in der Kette menschlicher Gewohnheiten und Vorlieben. Die heiter–liebevolle Persiflage auf die englische Königin gereicht dem Autor zur Ehre, und der Bücherfreund darf seine Freude haben!

Alan Bennett
Die souveräne Leserin
Wagenbach
120 Seiten, gebunden
Wagenbach, 3.Aufl., August 2008
ISBN-10: 3803112540
ISBN-13: 978-3803112545
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Anne Gesthuysen: Wir sind doch Schwestern

Anne Gesthuysen: Wir sind doch Schwestern

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Wanderung in eine ferne Zeit…

Wunderbar leicht, unbeschwert und humorvoll kommt eine Erzählung daher, die von drei Schwestern handelt. Sie sind die Großtanten der Erzählerin Anne Gesthuysen, die sich einfühlsam und umwerfend liebevoll mit den Charakteren der Tanten beschäftigt hat.

Der 100.Geburtstag von Gertrud steht an, und so versammeln sich die Schwestern bei Katty, die mit ihren 84 Jahren die jüngste der drei Schwestern ist. Paula ist nur zwei Jahre jünger als Gertrud. So ein runder Geburtstag bietet Anlass, zurück zu schauen. Das tun die drei Schwestern mit teils bitteren Erinnerungen immer aber auch mit wachem Nachdenken über all’ das Vergangene!

Verschlungen sind die Wege des Menschen, und so mussten auch die drei Schwestern neben frohen zahlreiche traurige und enttäuschende Erfahrungen machen.

Gertrud hatte 1915 gerade ihre Ausbildung zur Volksschullehrerin beendet, als sie Franz Hegmann kennen lernte. Dieser lebte mit seinem älteren Bruder Heinrich und den Eltern auf dem Tellemannshof. Die Hegmanns waren wohlhabend, während Gertrud und ihre Schwestern den eher dürftigen Ansprüchen eines kleineren Bauernanwesens entstammten. Die Liebe zwischen Gertrud und Franz wurde von Heinrich unterminiert, der bereits Chef des elterlichen Hofes war. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs kam letzterem zupass. Wollte er doch die Ehe zwischen Franz und der armen Gertrud nicht dulden. Im Krieg verlor Franz sein Leben, und Gertrud blieb gebrochen zurück.

Nun, fast achtzig Jahre später, sind die Wunden immer noch nicht verheilt. Doch sehen die Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven anders aus, als es zunächst den Anschein hatte.

Der 100. Geburtstag von Gertrud wird zu einem Festtag. Fröhlich und voller Überraschungen geht man dem Ereignis entgegen, das doch so viele Erinnerungen heraufbeschwört.

Im Wechsel zwischen Heute und Gestern erzählt die Autorin die Geschichten ihrer Großtanten, die wohl in dieser Konstellation außergewöhnlich sind. Wo werden Geschwister schon gemeinsam so alt? Anne Gesthuysen schildert die drei Schwestern teils liebevoll und teils korrigierend und ärgerlich im Umgangston mit einander. Auch im hohen Alter haben sich die Hierarchien zwischen den Geschwistern nicht verändert. Sie sind jedoch alle unterschiedlich in Wesen und Charakter.

Paula musste eine traurige Ehegeschichte erleben, und Katty hatte das aufregendste Leben als „Haustochter“ auf dem Tellemannshof.

Liebe, Zwistigkeiten, Eifersucht, Missverstehen und Neid sind Komponenten, die unser aller Leben begleiten und so auch die drei Schwestern. Doch immer wieder und besonders jetzt im Alter finden sie einen guten Weg zueinander. Anne Gesthuysen zeichnet ein  facettenreiches Bild ihrer drei Tanten. Man kann sich gut vorstellen, wie sich alles zugetragen hat.

Doch der Leser überzeuge sich selbst vom Leben der drei Schwestern! Die Lektüre bleibt anregend und unterhaltsam bis zuletzt! Der Autorin ist es gelungen, eine heitere, witzige und mit Leben prallvolle Rückschau zu halten, die fast ein ganzes Jahrhundert umfasst.

Man ist amüsiert und hat sich gut unterhalten mit den Geschichten, die nicht im Oberflächlichen hängen bleiben.

Anne Gesthuysen
Wir sind doch Schwestern
416 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, 2. Auflage, November 2012
ISBN-10: 3462044656
ISBN-13: 978-3462044652
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Klaus Wallendorf: Immer Ärger mit dem Cello

Klaus Wallendorf: Immer Ärger mit dem Cello

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Hommage an ein Musikensemble!

Dass sich ein Musiker als gewiefter Literat entpuppt, erlebt man nicht alle Tage! Klaus Wallendorf zeigt sich als ein solcher, denn mit Schmiss und temporeich beginnt seine wie im Untertitel erklärte Liebeserklärung an das Cello und die Cellospieler, die ihre Ursprünge in der Liebe zu einer Cellistin hat. Zum 40 jährigen Jubiläum des zwölfköpfigen Celloensembles der Berliner Philharmoniker hat er eine fröhliche,humorvolle und geistreiche Hommage verfasst.

Hier geht es aber nicht nur um die Cellospieler sondern um den Konzertbetrieb insgesamt, in dem er als dritter Hornist der Berliner Philharmoniker keine ganz geringe Rolle spielt.

Mit seinem Musikwissen und seiner Kenntnis vom Dirigieren und Musizieren kann er dem einfachen Leser schon einiges erzählen.

Da spielen die Tempi und die Noten mit, da geht es um die Körpersprache und die Noblesse eines Instrumentes, das mit sonorem Klang und ruhigem Spiel so manches Herz im Leibe hüpfen lässt. Sätze wie diese „Wenn sich unter sehnigen Könnerhänden ein gezupftes Kontra-C vom Griffbrett löst, dann beben die Bühnenböden des Abendlandes“,- sind Ausdruck dieser lustigen Rede! In Stil und Ton gleichbleibend geht es weiter, und man strenge sich gefälligst an, das früh erlernte Wissen um Noten, Musikinstrumente und das Musikgeschehen hervorzulocken, denn ohne das geht es nun einmal nicht.

Die Cellisten sind der Vorwand, unter dem uns Klaus Wallendorf durch den Konzertbetrieb und seine Hintertüren führt. Übungsrituale und Geflogenheiten der Cellisten werden aufgelistet und dazu gehört auch, „es wird gespielt und nicht geredet“. Jeder einzelne Cellist wird in einer gesonderten Rede gewürdigt. Angereichert ist die Geschichte mit zahlreichen charakteristischen Gedichten und Reimen zu diversen Feiern und Ehrungen. Klaus Wallendorf erzählt munter, geistreich und gelegentlich leicht ironisch, so als nähme er das alles selber nicht so ganz ernst. Er zeigt die Mimik eines Komikers, der ja auch nicht über die eigenen Kalauer lacht.

Luftig leichte Zeichnungen von F.W. Bernstein ergänzen zusammen mit einer Reihe Fotos dieses inhaltsreiche und zügig geschriebene musikalische Lustwerk.

Wie alles einen Anfang und ein Ende hat so auch dieses Buch. Und es endet mit der Furcht vor dem Ruhestand und der tröstenden Gewissheit, das man „dann immer weiter machen kann, nun aber, was man will“,- und das scheint gar nicht so einfach.

Ob das Kabarett die Lösung ist?

Wir wünschen dem Autor mit vielen aufmunternden Impulsen, dass er uns noch viele denkwürdige Geschichten aus dem Konzertleben erzählen möge!

Klaus Wallendorf
Immer Ärger mit dem Cello
176 Seiten, gebunden
Galiani, 2. Auflage, April 2012
ISBN-10: 3869710551
ISBN-13: 978-3869710556
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