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Schlagwort: Manie

Miriam Toews: Mr T., der Spatz und die Sorgen der Welt

Miriam Toews: Mr T., der Spatz und die Sorgen der Welt

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Zweifel und Tod: eine Bilanz.

Miriams Vater gab zeitlebens Rätsel auf: er war ein mitreißender Lehrer, witzig, erfindungsreich und beliebt. Zu Hause aber war er ein Schweiger. Fragte man ihn nach seinem Befinden, so ging es ihm nach seinen Aussagen gut. Doch tief im Inneren wütete eine Krankheit in ihm, die weit verbreitet ist und zu oft verleugnet wird: er leidet an einer Depression. Mit 17 wurde eine manisch depressive Krankheit bei ihm diagnostiziert. Man riet ihm von einer Familiengründung ab. Doch er heiratete Elvira, die er schon aus der Schulzeit kennt, und bekommt zwei Töchter mit ihr. Die Tochter Miriam ist es, die sich auf Spurensuche begibt, als sie nach dem Suizid des Vaters, den er kurz nach der Pensionierung beging, seine Vergangenheit durchforscht.

Sie hat ein liebevolles und ehrliches Bild ihres Vaters ersonnen und beschrieben. Dazu gehören Rückblicke auf die Familiengeschichte, das Leben in Kanada in einem Ort namens „Steinbach“, die Berufszeit des Vaters als Lehrer und das Familienleben im Allgemeinen. Die Familie gehörte über Generationen zur religiösen Gemeinschaft der Mennoniten. Das ist eine streng gläubige und moralisch rigide Freikirche.

Melwin Toews war ein Grübler und Zweifler. Er hat sich über die Umwelt gelegentlich lustig gemacht; über Krankenschwestern, Ärzte  und ihre Medikationen. Niemand konnte ihm helfen, zumal er zu Hause schwieg. Woher sollte man wissen, wie es in seinem Inneren zuging? Sein ganzes Leben erscheint als eine Flucht vor der Krankheit. In der Arbeit, die er weit über das übliche Maß hinaus betreibt, findet er Zufriedenheit. Fällt sie weg, so fällt er in sich zusammen, und zurück bleibt die innere Leere, das Gefühl des Versagens und der Unfähigkeit. Weit in die Kindheit reichen die Wurzeln für diese Störung zurück.

Zart angedeutet darf man sich ein Bild machen von der Lieblosigkeit, mit der Melvin in frühester Kindheit konfrontiert wurde. Hier ruht bereits der schicksalhafte Konflikt zwischen Schuld und Versagen. Frustrationen in frühester Kindheit verursachen Entwicklungen, die gravierende Folgen zeitigen können.

In einem langen Rückblick geht die Autorin der Familiengeschichte nach. Sie lässt den Vater selber zu Wort kommen und skizziert seine Gedanken über die Welt, die Brüder, die Schwestern und den ganzen Familienclan. Herausgekommen ist eine wirklich witzige und amüsante Familiengeschichte, die mit Leichtigkeit berichtet, wo Tragik womöglich belasten könnte. Ernst wird mit Ironie und Komik vermischt, so dass mit Distanz die Traurigkeit vertrieben wird. Zahlreiche Szenen aus dem gelebten Familienleben bieten Einblicke in das Dasein auf dem Lande, in Familienkonstellationen mit ihren Erfolgen, Niederlagen und religiösen Bindungen.

Die Krankheit „manische Depression“ bekommt ein Gesicht, das anrührt und erschüttert.

Der Text ist locker aufbereitet und bietet Unterhaltung mit tiefgründiger Lebenserfahrung auf hohem Niveau.

Miriam Toews

Mr T., der Spatz und die Sorgen der Welt
258 Seiten, gebunden
Berlin Verlag, April 2013
ISBN-10: 3827011310
ISBN-13: 978-3827011312
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