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Schlagwort: Neubeginn

Walter Bauer: Die Stimme

Walter Bauer: Die Stimme

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Die Geschichte „Die Stimme“ ist eine, die von Abschied, Heimatlosigkeit, Neubeginn und vielem mehr handelt.

Die Stimme aus dem off klingt einsam, melancholisch und betrüblich. Sie handelt von Vergänglichkeit und wirkt ein wenig hoffnungslos, so als sei alle Mühe auf Erden vergeblich, das Glück zu finden.

Ein Professor aus Toronto erzählt einem imaginären Gegenüber hier seine eigene Geschichte. Aufgewachsen ist er in Deutschland. Gezeichnet vom Zweiten Weltkrieg und der Gefangenschaft in Russland kehrt er 1952 Deutschland den Rücken und wandert nach Kanada aus. Seine erste Station ist Toronto.

Seine zweite Ehe ist gerade gescheitert. Die Eltern sind tot, so dass es keine tiefen Bindungen mehr zum Land der eigenen Herkunft gibt.

Das Gefühl des „Fremdseins“ ist unüberhörbar. Der Erzähler verdingt sich zunächst als Packer und Lagerarbeiter. Er wohnt in einer kargen Gegend in einem einzelnen Zimmer. Jeder Anflug von Geborgenheit erstickt hier in seinen Anfängen im fremden Land mit fremder Sprache. Und doch ist die Geschichte, wie sie hier erzählt wird, von eigenartigem Reiz und poetischer Schönheit. Wie wohl alles ein wenig trostlos wirken könnte, spürt man doch die Wärme des Erzählers, mit der er das, was fehlt im Leben, als stille Hoffnung in sich trägt.

In einer Kaskade schönster, tiefsinnigster und poetischer Sprachgewandtheit erzählt Walter Bauer in Gestalt des Icherzählers von der Landschaft, von seinen Stimmungen, Erinnerungen und Erfahrungen des Augenblicks. Das Herbstlaub im Indian Summer wirkt so präsent wie die Schilderung der Lebensumstände und die fast resignierend beschworene Suche nach dem Glück. Dieses Glück begegnet dem Icherzähler in Gestalt der Schauspielerin Diana. Durch ihre Stimme, die sie für Lesungen zur Verfügung stellt, findet Richard einen Weg zur neuen, fremden Sprache im freiwillig gewähltem Exil.

Fortan wird in der Erzählung die Begegnung der beiden Menschen in einer Art zarter Annäherung beschrieben. Werden sie das Glück bei einander finden?

Der Lilienfeld Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleine literarische Kostbarkeiten aus dem Beginn und Verlauf des 20. Jahrhunderts aufzufinden und neu herauszugeben. Man arbeitet sorgfältig in dem Verlag, in dem man in einem Nachwort von Jürgen Jankofsky sowohl über den Lebensweg von Walter Bauer berichtet als auch in einer Tabelle die wichtigsten Lebensdaten aufführt.

Walter Bauer lebte von 1904 bis 1976. Seine Erzählung trägt durchaus biographische Züge. In der Aufmachung ist das Buch „Die Stimme“ ein kleines bibliophiles Meisterwerk, das sich bestens für Mußestunden oder als kleines Geschenk eignet.

Walter Bauer

Die Stimme
128 Seiten, gebunden
Lilienfeld Verlag, Oktober 2014
ISBN-10: 394035743X
ISBN-13: 978-3940357434
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Peter Stamm: Nacht ist der Tag

Peter Stamm: Nacht ist der Tag

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Spuren der Erschütterung und des Neubeginns.

Gillian erwacht auf einer Krankenstation und hat nur vage Vorstellungen davon, was mit ihr passiert ist. Nach und nach erst kehren die Ereignisse zurück, die sie hier her geführt haben.

Sie ist eine schöne und erfolgreiche Fernsehmoderatorin. Matthias, ihr Mann, ist ebenfalls im Kulturwesen tätig.

Was hat zu dem Autounfall geführt, der Matthias das Leben kostete und Gillian die Schönheit?

In langen Phasen der Erinnerungen bildet sich das Leben eines Paares heraus, das nach einigen Ehejahren in gegenseitigem Missverstehen und kleinlichen Streitereien lebte. Eifersucht und Überdruss haben sie einander entfremdet. So blieb es nicht aus, das Gillian ganz neugierig auf den Malerfotografen Hubert blickt. Dieser pflegt Aktporträts nach Fotografien zu fertigen. Auch Gillian konnte der Versuchung nicht widerstehen, seinen künstlerischen Bestrebungen mit Fotos ihrer Person zu dienen, die zu den Irritationen in ihrer Ehe beitrugen.

Peter Stamm erzählt subtil und nähert sich seinem Sujet still und schleichend. Neugierig folgt der Leser den Andeutungen, aus denen sich das Schicksal der beiden Hauptprotagonisten heraus kristallisiert. Er sucht gleichsam Spuren, mit denen er die Lebenswege seiner Protagonisten erforscht.

Auf diese Weise entsteht gewissermaßen eine Symbiose zwischen dem Autor und seinem Werk, die auch den Leser mit einschließt. Wenn auch jedes Schicksal seine eigene Dynamik aufweist, so erkennt man gelegentlich in groben Zügen wieder, was sich alltäglich im Leben von Paaren, die langsam in die Jahre kommen, abspielt. Ewige Harmonie und Dauerglück gibt es nicht. Dass Lebensschicksale aber plötzlich aus dem Ruder laufen, und der eine von zweien ohne Klärung von Missverständnissen zurück bleibt, ist nicht die Regel. Endet eine Beziehung auf diese Weise, hat es der übrig Geblieben besonders schwer. Gillian trägt ihr Schicksal und versucht, wieder in die Bahn zu kommen. Es ist ein langer Weg, den sie beschreiten muss!

Der erste Teil der Erzählung scheint mir gelungen. Im zweiten Teil zeigen sich für meine Begriffe Ermüdungserscheinungen, die auf lange Sicht der Geschichte die Stringens raubt, die den Beginn der Erzählung auszeichnet.

Der neue Roman von Peter Stamm ist dennoch eine interessante Lektüre.

Peter Stamm
Nacht ist der Tag
256 Seiten, gebunden
S. FISCHER, Juli 2013
ISBN-10: 3100751345
ISBN-13: 978-3100751348
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David Foenkinos: Nathalie küsst

David Foenkinos: Nathalie küsst

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Liebe, Liebe, Liebe…

Arme Nathalie!

Glücklich verheiratet und beruflich erfolgreich genießt sie ihr Leben und räkelt sich wohlig am Sonntag auf der Couch. Ihr Mann François will joggen gehen, und der Tag verläuft wie immer. Doch nein: nachdem Nathalie von einem kleinen Schläfchen erwacht, hat sich die Welt total verändert und nichts ist mehr wie vorher. François ist tot!

Lakonisch und realistisch schildert David Foenkinos das Geschehen, das Nathalies Leben so gravierend verändert.

In leichtem und schwingendem Tonfall setzt er seine Erzählung fort. Es ist die Geschichte einer Frau, die gleichsam vom Glück begünstigt schien und nun nicht ahnt, wie es in ihrem Leben weiter gehen soll. Sie lebt mit einer Aura des Verlassenseins, das sie anziehend und begehrenswert für Kollegen und Freunde macht.

Wie eine schwebende Schönheit und wie abwesend führt sie ihr Leben fort ohne denkwürdige Ereignisse. Ihr Chef Charlie, der sich große Hoffnungen auf eine Beziehung mit ihr gemacht hatte, sieht sich abgewiesen.

Klar und eindeutig kann Nathalie sich äußern. Sie tut, was sie für richtig hält und gestattet niemandem Eingriffe in ihr Leben.

Bis Markus in ihr Bürozimmer tritt: Sie nimmt unvermittelt seinen Kopf in die Hände und küsst ihn heftig.

In einer mäandernden Art und Weise beginnt nun etwas, das man als Liebestanz bezeichnen möchte. Markus und Nathalie nähern sich und entfernen sich. Sie hoffen und bangen, sie erleben Abweisung und Zuwendung, sie trauen sich nicht über den Weg und finden doch immer näher zusammen. Heiter und froh, teils aber auch traurig und melancholisch, klar und entschieden steuern hier zwei Liebende aufeinander zu. Man wartet neugierig auf das Ende. Doch zuerst gilt es noch zahlreiche Schikanen zu überwinden.

David Foenkinos findet einen leichten und unbeschwerten Stil, der aller Tragik im Leben Nathalies die Schwere nimmt und die seltene und kostbare Annäherung eines Liebespaars charmant und hoffnungsfroh gestaltet. Sehr lesenswert!

David Foenkinos
Nathalie küsst
239 Seiten, broschiert
Beck, August 2011
ISBN-10: 3406621627
ISBN-13: 978-3406621628
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Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer

Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer

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Von Frauen und Männern…

Fast traumatisiert stellt Mia mit ihren 55 Jahren eines Tages fest, dass ihr Mann eine „Pause“ von der Ehe sucht.
Die Pause: das ist eine 20 Jahre jüngere Kollegin, mit der er sich verlustiert.

Es entspräche nicht der klugen, tiefsinnigen Siri Hustvedt, wenn sich hinter dieser Geschichte nicht mehr verbirgt!

Und so ist es denn auch: ihre sensible und feinsinnige Heldin landet zuerst in der Psychiatrie, bis sie sich zu einer Auszeit von ihrem Leben in Brooklyn NY entschließt. Sie verbringt einige Monate in der Nähe ihrer Mutter, die in einem Altenheim in Minnesota lebt.
Hier gibt Mia Kurse in kreativem Schreiben und lernt die alten Freundinnen ihrer Mutter mit ihren Geheimnissen kennen und eine Anzahl junger Mädchen, die von erotischen Nöten und Träumen bedrängt werden.

Zu dieser Zeit beginnt Mia ihr eigenes Leben zu reflektieren und taucht tiefgründig in Erinnerungen an die Kindheit, Schulzeit, an Gefühle von Verlust, Liebe und Ausgestoßensein ein. Ihre Einsichten erfahren Bereicherung in der Begegnung mit den fünf alten Damen, von Mia liebevoll die „Schwäne“ genannt. Sie sind von ungewöhnlicher Frische und nachdenklichen Lebensweisheiten und bieten Mia indirekt Trost und Hilfe. Abigail zeigt ihr einen versteckt in einen Gobelin gewebten Spruch „Gedenke, dass mein Leben ein Wind ist…“, den man im Buch Hiob im Alten Testament findet.

In der Adaption der Erkenntnisse und Erfahrungen aus ihren Begegnungen mit den alten Damen und eigenen Beobachtungen gewinnt Mia innere Festigkeit und neue Einsichten. Zu diesen gehört die Feststellung, dass es eine Zeit gibt, von der an man mit Schicksalsschlägen rechnet.

Siri Hustvedt beschreibt in ihrer lebhaften, intelligenten und einfühlsamen Diktion Dinge, die unmittelbar an eigenes Erleben rühren. Dabei umfasst sie mit ihren Analysen einen ganzen Kosmos von immer gleichen Erfahrungen aus der Menschheitsgeschichte.
Von Witwen und Verstoßenen, von Müttern und Töchtern, von der Liebe sehr junger Mädchen und sehr alten Damen und von traurigen und heiteren Begebenheiten weiß sie zu berichten. Immer sieht sie mit unsichtbarer Brille hinter Fassaden und entdeckt versteckte Signale, aus denen man herausdestilliert, wie es um uns Menschen, um Männer und Frauen und um deren Zusammenleben bestellt ist. Doch auch das eigene Erleben und Leiden kommt nicht zu kurz.

Das neue faszinierende Buch der gebildeten und sensiblen Autorin, die eine herausragende Rolle in der New Yorker Intellektuellenszene spielt, begeistert den Leser mit einem dichten Netz von eindrucksvollen Bildern. Siri Hustvedt ist eine mit Empathie und Mitgefühl ausgestattete Philosophin. Der Roman gehört für mich zu den Highlights diesjähriger Neuerscheinungen.

Siri Hustvedt
Der Sommer ohne Männer
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Rowohlt, 2. Auflage, März 2011
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3498030108
ISBN-13: 978-3498030100
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