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Schlagwort: New York

Lyndsay Faye: Das Feuer der Freiheit

Lyndsay Faye: Das Feuer der Freiheit

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Ein Brandstifter treibt sein Unwesen in New York. Sein Ziel sind Gebäude, die dem Stadtrat Robert Symmes gehören, der Näherinnen zwingt, für einen Hungerlohn zu arbeiten. So gerät Sally Woods in Verdacht. Sie ist eine ehemalige Arbeiterin, die zum Streik gegen die Arbeitsbedingungen aufgerufen hatte. Sie hat allen Grund, sich zu rächen. Polizist Timothy Wilde sieht natürlich die offensichtlichen Zusammenhänge, aber ihm ist auch sofort klar, dass es zu einfach wäre, Sally Woods festzusetzen. Sein Gefühl sagt ihm, dass viel mehr dahinter stecken muss. Und sein Bruder Valentine gibt ihm recht, auch wenn das bedeutet, sich mit dem Stadtrat anzulegen, der eifrig daran arbeitet, seine Macht auszubauen, und das um jeden Preis.

Das historische New York des Jahres 1848 bildet die Kulisse des Romans. Dass es der letzte Teil der Trilogie ist, mag ich gar nicht hinnehmen. Das Buch ist äußerst spannend geschrieben. Die Szenen sind lebendig, die Atmosphäre aufgeladen. Die Autorin schreibt sehr detailreich und mit Feingefühl. Sie lässt ihren Figuren viel Aufmerksam zukommen. Bei mir hat das Bilder entstehen lassen. Ich war mitten in der Handlung drin. Wobei ich auch zugeben muss, dass beim Lesen erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich ist. Die Handlung ist inhaltlich doch sehr anspruchsvoll.
Die Autorin lässt Timothy Wilde aus der Ich-Perspektive erzählen. Er ist ein Mann der sehr überlegt handelt, stets abwägt und Gefühle zulässt. Die Autorin fasst das sehr gut in Worte. Ihr Schreibstil ist einzigartig, sodass sich ein intensives Leseerlebnis einstellt. Der Fall ist interessant. Historische Aspekte spielen hier mit hinein, was sehr gut dargestellt und im Nachwort noch einmal erläutert wird. Es gibt ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus den vorangegangenen Bänden, sodass ein Gesamtbild entsteht, das alle drei Bücher erfasst.

Rezension von Heike Rau

Lyndsay Faye
Das Feuer der Freiheit
528 Seiten, Klappenbroschur
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423260866
ISBN-13: 978-3423260862
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Paul Auster: Winterjournal

Paul Auster: Winterjournal

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Selbstbiographie mit Tiefgang.

In diesem Herbst gilt es erneut einen wunderbaren amerikanischen Schriftsteller zu entdecken.

War ich bisher an seinen Werken gescheitert, so eröffnet dieses Buch der Erinnerungen eine Weite und einen Blick auf sich selbst und die Welt, wie man sie selten findet!

Blendend und einfühlsam hält der Dichter in seiner Autobiographie mit seinem imaginierten Selbst als Gegenüber Zwiesprache. Die Kindheit, das körperliche Wachsen, Gefühle und Ängste, Krankheiten, Unfälle und die große Liebe nach einigen voran gegangenen – sie alle machen den Reiz dieses Werkes aus. Die Perspektiven wechseln. Einmal erzählt der kleine Junge von seinen Kindheitserlebnissen, dann wieder ist der erwachsene und sogar alternde Mann das Gegenüber. Panik und Todesangst, Elternliebe und Verluste: Paul Auster hat eine Biographie verfasst, die seine sehr persönlichen Erfahrungswerte spiegeln.

Und immer siegt im Hintergrund stellvertretend für sein Alter von 66 Jahren der Winter mit einen Reizen und Irritationen! Sommerbilder sind eher die Ausnahme.

Selbstkritisch und schuldbewusst zählt er auf, wo er versagt hat. Die Liebe und körperliche Erfahrungen als Kind, Jugendlicher und erwachsener Mann prägen den Bericht ebenso, wie die liebevolle und zaghaft angedeutete Bewunderung für seine schöne Frau Siri Hustvedt. Mit den Innenansichten eines wachsenden Jungen und Mannes bestreitet der Autor den Inhalt seiner Biographie. Die seltene Offenheit, mit der uns Paul Auster an seinem Werden und Gedeihen während der letzten fünfzig Jahre seines Lebens teilnehmen lässt, ist bewundernswert. Seine Aufzeichnungen sind ehrlich aber nie indiskret, sie  sind poetisch und philosophisch und zeugen von einem sensiblen und einsichtigen Charakter, der aus seinen Fehlern Konsequenzen zog. So ist er nach einem schweren Autounfall nie wieder Auto gefahren.

Aus seinem Bericht kann man auch erfahren, dass er ein liebender und liebevoller Mann und Vater ist. Anrührend, zuweilen elegisch und von sicherer Distanz zu sich selbst berichtet Paul Auster über sein vergangenes Leben in Erwartung auf das Alter, das ihn nicht unberührt lässt.

Wer den Film über Siri Hustvedt gesehen hat, der vor einiger Jahren bei Arte gezeigt wurde, der weiß, dass dieses schöne Paar mit dem gemeinsamen Schriftstellerberuf bei einander Erfüllung gefunden hat!

Paul Auster
Winterjournal
256 Seiten, gebunden
Rowohlt, September 2013
ISBN-10: 349800087X
ISBN-13: 978-3498000875
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Georg Raab: Wasting the Big Apple

Georg Raab: Wasting the Big Apple

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Soll ich das Buch nun als “ungewöhnliches“ Tagebuch titulieren? Welches Attribut soll ich ihm geben? Es ist ein Tagebuch, ja. Es ist auch eine Reisebeschreibung, ja. Aber wie man es auch nennt, es lässt sich angenehm flüssig lesen und ist extrem unterhaltsam. Drei Monate, 87 Tage in New York, die der Autor beschreibt. Oft auf sehr humorvolle und abgehakte Art. Letzteres gehört zu einem Tagebuch, welches quasi stenografiert ist. Doch Raab hat gewisse Noten gesetzt, die es zu einem besonderen Tagebuch werden lassen.

Ungewöhnlich schreibt er in der ersten und zweiten Person abwechselnd. Es kommt klar zum Ausdruck, dass er auf der Reise nicht allein ist, sondern seine Freundin oft, aber nicht immer, dabei hat. So schreibt er vieles in der Ich-Form, stellt sich aber auch immer wieder vor, was sie in der einen oder anderen Situation gemacht oder gedacht hatte. Vieles liest er ihr dabei vom Gesicht ab. So wird aus dem Tagebuch ein Dialog, der immer wieder für Abwechslung sorgt. Das klingt dann in einer Bemerkung über die Nachbarin so: „Heute Morgen hast du dich bei Courtney beschwert, weil sie zum wiederholten Mal bis weit nach Mitternacht laut Musik gehört hat. „Wir konnten alles mithören! Wir haben dir doch gesagt, dass das Haus sehr hellhörig ist! Stupid bitch.“ Um eine Eskalation dieser Art zu vermeiden, hab ich dich gebeten, mit ihr Tacheles zu reden.“
Eine andere Note des Autors sind an nahezu jedem Abend die „Lessons learned“, die Lektionen bzw. Vokabeln, die er an diesem Tag hinzugelernt hatte. Teilweise sind es Abkürzungen und Vokabeln der amerikanischen Sprache, die so nicht im Schulenglisch vorkommen.
Immer wieder bringt der Autor kopfschüttelnd (Man sieht ihm dies wahrlich beim Lesen seines Buches an.) sein Unverständnis über die „verrückten“ New Yorker zum Ausdruck. Wie sie seine Wünsche im Restaurant oder beim Friseur ignorieren und ihm dann den vollen Preis dafür berechnen, obwohl er es so gar nicht bestellt hatte.
Die angemietete Wohnung ist von Anbeginn nicht sehr leise, doch dass er sich gelegentlich in dem ohnehin sehr lauten New York der relativen Stille wegen auf das gewisse Örtchen zur Erholung begibt, obwohl seine Freundin draußen an der Tür wartet, war ihm vor der Reise auch nicht klar gewesen.
Der Autor hat diese Stadt als Megacity wahrgenommen und das kommt in seinen Texten auch zum Ausdruck. Beispielsweise sind er oder seine Freundin oder beide ständig in irgendwelchen U-Bahnen oder Bussen oder Zügen unterwegs. Immer auf Achse, weil so gut wie kaum irgendetwas „um die Ecke“ liegt. Selbst, wenn es „einen Block“ weit entfernt ist, lohnt sich der Gang zur Metro.

Die vielen englischen Passagen und Floskeln, der Vergleich der Realität mit Beschreibungen von Max Frisch und Allen Ginsberg runden dieses quirlige Tagebuch ab und machen es zu einem kleinen Erlebnis. Wer New York kennenlernen möchte, macht bei diesem Buch nichts falsch. Wer sich auf eine Reise dorthin vorbereiten möchte, der liegt zu hundert Prozent richtig.

Georg Raab
Wasting the Big Apple
220 Seiten, broschiert
RomanVerlag, Riesa
ISBN-10: 3940373273
ISBN-13: 978-3940373274

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011

Truman Capote: Sommerdiebe

Truman Capote: Sommerdiebe

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Der Roman erzählt die Geschichte der schönen, reichen und widerspenstigen Grady, einem 17-jährigen Mädchen von der Upper East Side New Yorks. Sie hat einen ganzen Sommer sturmfreie Bude, denn die Handlung beginnt, als Grady zusammen mit ihrer Schwester die Eltern auf ein Kreuzfahrtschiff begleitet, weil diese mit der „Queen Mary“ eine mehrmonatige Reise nach Europa antreten. Obwohl sich die Mutter sorgt, die Tochter, die nach den Ferien ihr gesellschaftliches Debüt in der oberen Gesellschaft bestreiten soll, alleine daheim zulassen, kann sie dem Willen ihrer Tochter nichts entgegen setzen.

Noch bevor der Ozeanriese in See sticht, lernen wir den langjährigen Freund und ehemaligen Spielgefährten Gradys kennen und ahnen, dass zwischen ihnen eigentlich mehr als nur eine dicke Freundschaft stecken müsste. Doch es vergehen viele Wochen und die Hitze des Sommers im flirrenden und brodelnden New York, bis Grady in einem Anflug von Schimmer auf solche Gedanken kommt. Grady lernt in dieser Zeit ihre Heimatstadt von einer anderen Seite kennen, lernt Menschen kennen, die bislang in ihrem Umfeld keine besondere Rolle spielten.

Erst 2004 ist das ein halbes Jahrhundert verborgen gebliebene Manuskript dieses Erstlingswerks des amerikanischen Schriftstellers (bekannt geworden mit „Frühstück bei Tiffany“) wieder an die Oberfläche gelangt. Er selbst hatte immer wieder Andeutungen gemacht, dass er mal einen ganzen Roman vernichtet hatte, weil er ihn nicht für veröffentlichungswürdig hielt. Die Literaturexperten waren nach dem plötzlichen Auftauchen des Manuskripts ganz anderer Meinung. Zeugt der Roman doch von einer Reife, die für ein Erstlingswerk ungewöhnlich verfestigt scheint. Doch wäre an dieser Stelle auch anzumerken, dass das Manuskript zwar 1943 begonnen wurde, jedoch feilte Capote noch bis weit in die fünfziger Jahre hinein daran, obwohl er zwischenzeitlich längst Erzählbände herausgebracht hatte.

Mit sensibler Wortakrobatik und einer eigenen Stilistik, die sich in grammatikalisch falscher Interpunktion äußert, wird das Leben dieses jungen Mädchens mit all seinen Wünschen und Träumen gezeigt. Capote führt den Leser von einem Bild zum anderen und lässt ihn am Leben der Upper Class teilhaben. Lange, verschachtelte Sätze, die aber nie so lang sind, dass man den Anschluss verliert, gestalten Bilder von der drückenden Hitze im Central Park oder dem Vorbehalt der Mutter während der anfänglichen Trennungsszenen. Malerisch lässt Capote seine Protagonistin bekifft durch die Augen die Welt betrachten.

Doch so schön und gelassen sich anfangs noch die „heile Welt“ eines jungen Mädchens mit ihren Schulmädchenproblemchen ausnimmt, umso rasanter geht es mit den Gefühlen zu, je mehr Seiten umgeschlagen werden, bis der Leser schließlich einen Punkt erreicht, an dem er nicht mehr aussteigen kann, an dem ihn die Spannung festhält und er wissen möchte, welchen Weg Grady einschlägt.
Eine kurze und packende Sommergeschichte, die das Bild einer Gesellschaft zu Mitte des vorigen Jahrhunderts widerspiegelt und auf ein spannendes Ende hinausläuft.
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Truman Capote
Sommerdiebe
145 Seiten, gebunden
Kein & Aber
ISBN-10: 3036951571
ISBN-13: 978-3036951577
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

Raymond Federman: Eine Liebesgeschichte oder sowas

Raymond Federman: Eine Liebesgeschichte oder sowas

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Emigrantenschicksal einmal anders erzählt.

Eines Tages im Februar oder März zu Beginn der fünfziger Jahre an einem regnerischen Tag in New York sehen sich zwei Menschen zum ersten Mal: ein zaghaftes Lächeln bringt sie zusammen, den aus Frankreich geflüchteten Juden Moinous, der sich nur mühsam mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt, und die aus einer konservativen alteingesessenen Familie aus Boston stammende Sucette. Sie ist aus ihrer Gesellschaftsklasse ausgebrochen und beteiligt sich an politischen Demonstrationen gegen die Missstände in ihrem Land.

Nach der ersten Begegnung ist ausgemacht, dass sie sich wieder sehen werden. Gäbe es nicht die Taube Charlie, mit der sich Moinous angefreundet hat, -er wäre ganz alleine auf der Welt!

Moinous soll schon bald die Familie in Boston kennen lernen. Für das ungleiche Paar bleibt der Besuch unvergesslich.

Das Haus der Familie, das saturierte Benehmen der Familienmitglieder und das vornehme Ambiente mit Butler und Dienstboten versetzt Moinous in eine Art Trance, in der er alle anwesenden Familienmitglieder von den Nichten bis zur Urgroßmutter visionär entkleidet sieht und sie bei obszönen Handlungen beobachtet. Anders kann er sich diesem prätentiösen Gehabe nicht entziehen, bei dem er sich klein und erbärmlich vorkommt. Zwischen Moinous und Sucette, der er von seinen Visionen erzählt, entbrennt ein heftiger Streit. Auf die Vorhaltungen von Sucette über seine mangelnde geistige Integrität antwortet Moinous mit den treffenden Worten: “wir leben alle wie Küchenschaben in den Winkeln unserer verschrobenen Vorstellungen… schwanken hin und her zwischen Drüsenfunktionen und purer Lüsternheit, zwischen Einsamkeit und geistigem Unwohlsein“. Er fährt fort, ihr seine Ansichten vorzustellen, die von Ironie und Sarkasmus getragen direkt und ehrlich sind. Unabhängig davon treibt ihn die unstillbare Sehnsucht nach Liebe und Heimat zu ihr hin.

Die Liebesgeschichte nimmt einen unerwarteten Verlauf : Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen zu einem undefinierbaren Ganzen, denn Sucette schreibt einen Roman, der den Leser überraschen wird.

Nicht die Liebesgeschichte alleine steht im Fokus der Erzählung sondern auch das in den fünfziger Jahren von der McCarthy-Ära und vom Koreakrieg gebeutelte Amerika. Man sieht sich im Verlauf der Handlung mit einer heftigen und kritischen Analyse der amerikanischen Lebensweise konfrontiert. Witzig, immer wieder sarkastisch und mit beißendem Humor zeigt der biographisch gefärbte Roman von Raymond Federmann, wie man sich als Immigrant im Land der unbegrenzten Möglichkeiten fühlte.  In der Liebesgeschichte wird von den Hoffnungen und Träumen erzählt, die, wie könnte es anders sein, in Enttäuschungen münden werden.

Geistreich, witzig und brillant geschrieben, zeigt das Werk ein  ungewöhnliches in New York angesiedeltes Emigrantenschicksal. Raymond Federman ist ein großer Erzähler, der zu den amerikanischen Klassiken zählt. Der Roman wurde 1985 erstmals veröffentlich und 1986 mit dem American Book Award ausgezeichnet.

Raymond Federman
Eine Liebesgeschichte oder sowas
Übersetzt von Peter Torberg
221 Seiten, gebunden
Matthes & Seitz Berlin
ISBN-10: 3882216824
ISBN-13: 978-3882216820