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Schlagwort: Soziales Abgleiten

Ingeborg Gleichauf: Das Leben der Gudrun Enslin

Ingeborg Gleichauf: Das Leben der Gudrun Enslin

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Noch immer, auch nachdem so viele Jahre seit der RAF Zeit (Rote Armee Fraktion) vergangen sind, steht man dem Phänomen der Verwandlung von Gudrun Ensslin in eine militante Radikale ratlos gegenüber.

Es ist das Verdienst von Ingeborg Gleichauf, der Biographie von Gudrun Ensslin nochmals in allen Einzelheiten nachzugehen.

Bekanntermaßen stammte Gudrun Ensslin aus einem kinderreichen Pastorenhaushalt. Sie wuchs behütet und wohl versorgt an verschiedenen Wohnorten im Schwäbischen heran. Begabt und aufgeweckt konnte sie nach dem Abitur ein Studium in Tübingen beginnen. Fest verwurzelt in der Literatur war sie eifrig und intensiv bestrebt, ein Stipendium als Studienstiftlerin des Deutschen Volkes zu bekommen. Es dauert einige Zeit, bis die Gutachter sich zu einer Zustimmung durchringen konnten. Dabei fiel sie als fröhliche, kluge, analytisch denkende und fleißige Studentin auf. Nicht nur die Literatur auch die Philosophie haben es ihr angetan.

Aus der Bahn geworfen wurde sie eines Tages durch den Kontakt zu Berliner Studentenkreisen, die sich avantgardistische Gedanken über den Staat und seinen Zustand machten.

Sie lernte Bernward Vesper kennen, mit dem sie eine erste Liebe verband.

Vesper war eine in sich zerrissene Persönlichkeit, die mit der Nazivergangenheit des Vaters nicht zurechtkam. Gudrun hatte mit ihm bald einen Sohn. Als dann Andreas Baader ins Spiel kam, begab sich Gudrun ganz unter dessen Einfluss. Es wird berichtet, dass Baader eine faszinierende Persönlichkeit war, der Menschen in seinen Bann ziehen konnte. Er studierte nicht, machte sich aber schon früh in subversiver Manier zum Sprecher einer außerparlamentarischen Opposition. Nach dem unglücklichen und unschuldig zu Tode gekommenen Tod von Benno Ohnesorg im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den Shah von Persien 1967 begann eine Zeit steter Unruhe und revolutionärer Gedanken unter den Studenten, zu deren Sprechern Rudi Dutschke gehörte. Damals war die Opposition noch nicht gewalttätig sondern stark intellektuell gesteuert.

Andreas Baader verführte Gudrun und zwei andere zum Kaufhausbrand in Frankfurt, weil die Revolution von unten die einzige Waffe gegen den nach seiner Meinung verrotteten Staat sei.

Damit endete Gudrun Ensslins Leben als bürgerliche Zeitgenossin.

Es ist müßig, hier nochmals alle Taten der bekannten Outlaws aufzuführen. Jeder weiß, wohin diese Zeit in den siebziger Jahren mit hinterhältigen Morden, Erpressungen und Zersetzungsversuchen gegenüber dem ungeliebten Staat führte.

Wichtig alleine scheint mir, wie Ingeborg Gleichauf sowohl die politische Entwicklung jener Jahre als auch die Besonderheit der Begegnungen aufführt, die fast schicksalhaft Menschen zusammenführte, deren Lebenswege dann in den Untergang mündeten.

Gudrun Ensslin, eine hoch begabte, intelligente, hübsche, empfindsame und nachdenkliche junge Frau aus gutem Elternhaus gerät wie durch einen Zufall in eine Falle des Abseits, in der sie jeden Halt und jede Vernunft ausschaltet. Ein Zurück gibt es nicht mehr, denn sie ist dem Gedankengut der Zersetzung und dem vermeintlich besseren Weg für ein demokratisches Deutschland verfallen. Handeln statt Denken wird zu ihrer Devise.

Am Beispiel der Figur von Gudrun Ensslin kann man erfahren, wie unwahrscheinlich und wechselvoll Lebensschicksale verlaufen können. Die Entwicklung zu einer revolutionären Rebellin ist nur im Zusammenhang zu verstehen, den die Radikalisierung gewisser Studentenkreise mit sich brachte und der Begegnung mit dem anarchisch gesteuerten Andreas Baader. Ingeborg Gleichauf hat sich intensiv in das Leben von Gudrun Ensslin eingefühlt, Zeugnisse gesichtet und Zeugenaussagen herangezogen. Letztlich bleibt es rätselhaft, wie weit sich ein Mensch von seinen Wurzeln entfernen kann und alle guten Gaben in den Dienst einer Sache stellts, die über alle Beteiligten nur Unglück bringen konnte.

Insgesamt ist das Buch eine lesenswerte Studie, die den Versuch macht, Motive und Handeln der betroffenen Personen verstehbar zu machen.

Ingeborg Gleichauf
Das Leben der Gudrun Ensslin
350 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, Januar 2017
ISBN-10: 3608949186
ISBN-13: 978-3608949186
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