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Schlagwort: Tragik

Sofja Tolstaja: Lied ohne Worte

Sofja Tolstaja: Lied ohne Worte

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Weltenleid und Liebesglück!

Mit einem Nachwort von Natalja Sharandak versehen und übersetzt von Ursula Keller erscheint der nachgelassene Roman von Sofja Tolstaja über das Leben einer Ehefrau im Russland des 19. Jahrhunderts jetzt zum ersten Mal.

Unschwer erkennt man, dass die Autorin ihre eigene Ehe zum Vorbild genommen hat, sich vieles von der Seele zu schreiben, was ihre Ehe mit Lew Tolstoi ausgemacht und in langen Jahren belastet hat.

Hier geht es um eine junge Ehefrau, Sascha, die mit dem Provinzbeamten  Pjotr Afanassjewitsch verheiratet ist. Er ist ein gutmütiger aber wenig einfühlsamer Mensch. Nach dem Tod der geliebten Mutter ist Sascha niedergeschlagen und verzweifelt und fühlt sich ganz und gar verloren in der Welt. Als sie in ihrem Sommerhaus vom Nachbarn Melodien von Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ hört, verliert sie ihren Kummer, und sie sieht sich getröstet und glücklich.

Unvergleichlich sind die poetischen Betrachtungen der als feinsinnig beschriebenen Frau in der Natur und beim Rauschen eines Baches. Sie begegnet ihrem Musiknachbarn bei einem Spaziergang an diesem Bach und ist freudig bis schamhaft erregt. Die Stille und Ruhe, die von der Schilderung des Lebens und den Umständen der Zuneigung von ihr zu dem Musiker ausgeht, ist von bestrickendem Zauber. Sätze wie diese: „nur der Bach mit seinem eintönigen leichten Murmeln unterbrach die Stille“… bieten Einblicke in eine ruhige Landschafts- und Seelenschau, wie sie nur das 19. Jahrhundert hervorbringen konnte. Das Glücksgefühl, das Musik im Menschen auszulösen kann, ist in der herrlichen Beschreibung enthalten, in der …“die wüste, peinigende Verzweiflung über die Vergänglichkeit und das menschliche Leben, das so voller Leiden, Verführungen und Übel war, sich löste“… und …“ alles wurde klar wie der Himmel nach einem Gewitter“…

Wie schon in „Eine Frage der Schuld“ werden von der Autorin Sofja Tolstaja Frauenbilder geschildert, die zart, sensibel und ätherisch den schönen Künsten zugetan und mit grobschlächtigen und wenig empfindsamen Männern verheiratet sind. Parallelen zu Sofjas eigener Ehe mit dem in ihren Augen egoistischen Tolstoi klingen an.

Sofja hat gegen den Widerstand ihres Mannes ihre eigenen geistigen Fähigkeiten und Interessen gelebt. In ihren Niederschriften findet sich das Bild der schöngeistigen und sensiblen Frau wieder, als die sie sich selber sah, verheiratet mit eigensüchtigen Ehemännern, gegen die sie sich behaupten müssen.

In ihren Romanen bleiben diese Frauen zarte und feinfühlige Gestalten. Sie befinden sich weit entfernt von rabiaten Emanzipationsstrebungen heutiger Zeiten und scheinen sich durch Beharrlichkeit und schwärmerische Begeisterung von ihren Ehemännern weg idealisierten Künstlern in platonischer Liebe zuzuwenden. Dass die Geschichte hier entgleitet und zu einem tragischen Ende führt: wer weiß, wie weit sich Sofja Tolstaja in ihrer Protagonistin wiedergefunden hat?

Die Autorin beweist mit diesem kleinen Roman erneut ihr Talent, das hinter dem großen Schatten ihres Mannes ganz verloren gegangen war. Poetisch, feinsinnig und von Gefühlsüberschwang beflügelt, ist ihr ein kleines romantisches Meisterwerk gelungen, das jeden Literaturliebhaber begeistern müsste.

Sofja Tolstaja
Lied ohne Worte
256 Seiten, gebunden
Verlag: Manesse
ISBN-10: 3717522108
ISBN-13: 978-3717522102

Paul Celan, Klaus und Nani Demus: Briefwechsel

Paul Celan, Klaus und Nani Demus: Briefwechsel

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Briefwechsel zwischen Freunden von ungewöhnlich enger Zugehörigkeit.

Paul Celans Schicksal als Dichter aus der Bukowina, der beide Eltern in Auschwitz verlor, ist den mit seiner Dichtkunst Vertrauten weitgehend bekannt.

Er wird in seinem Wesen und Charakter durch den Briefwechsel mit Freunden und seiner Frau Gisèle Celan – Létrange,  die in verschiedenen Ausgaben vorliegen, erst fassbar. Als eine geheimnisvolle, anziehende und tragische Erscheinung sehen wir ihn, dessen Gedichte von tiefer Ernsthaftigkeit und melodiöser Tiefenschärfe sind, immer ganz dicht bei dem Geschehen, dem er sich innerlich nahe fühlt.

Als er 1948 in Wien durch Vermittlung von Ingeborg Bachmann Klaus und Nani Demus kennen lernte, war er in den dortigen Künstlerkreisen angekommen. Mitglieder dieser Szene schildern ihn als einen sehr scheuen und zurückgenommenen Menschen. Seine Gedichte kamen nach Otto Basil, Herausgeber der Zeitschrift „Plan,“ als „traurige und sehr schöne, der östlichen Landschaft angepasste Lyrik“ an.

Klaus und Nani Demus, Kunsthistoriker, Dichter und Literaturwissenschaftlerin, erkannten neben Ingeborg Bachmann früh schon seine Genialität. Celan hat in besonderer Weise ein enges Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut und eine intensive Freundschaft entwickelt, die er Zeit seines Lebens beibehielt. Soweit Nähe zu ihm überhaupt möglich war, hatten diese beiden Zugang zu ihm.

1948 begab sich Paul Celan nach Paris, wo er sein weiteres Wirken  als Dichter des deutschsprachigen Raums  fortsetzte. Von dort datierten fast alle seine Briefe an Klaus und Nani Demus.

P. Celan und Klaus Demus dachten und dichteten sehr ähnlich. Demus bewunderte den älteren Freund, an dessen Werk er künstlerisch mit seinen Versen aber nicht heranreichte. Demus schreibt und zeigt seine Nähe zu Celan in Sätzen wie diesem:“ Weiße Flügel des Wassers über des Herzens schwarzer Wiese.“ Gegenüberstellungen von Helligkeit und Klarheit mit den düsteren Nebeln der Dunkelheit sind Merkmale beider Dichter. Sie schrieben sich zeitweise in Gedichtform, und es vereinte sie eine tiefe Sehnsucht nach Helligkeit und Schönheit, die sich fast immer in der Schwärze der Nacht verlor.

In tragischer Weise  zerbrach diese Freundschaft, die von beiden Seiten als einmalig empfunden wurde, an der Affäre Goll, die Celan in den seelischen Abgrund gestürzt hatte. (s. Paul Celan „Die Gollaffäre“ von Barbara Wiedemann.)

Zu viel erlittenes Leid machte Paul Celan empfindsam gegen jede Art von Kritik. Der von Klaus Demus vorgetragene Verdacht einer Paranoiaerkrankung bei Celan führte zum totalen Kontaktabbruch zwischen den Freunden, wenngleich Celan in der Tat als Folge seiner existenziellen und seelischen Nöte in eine Geisteskrankheit abgeglitten war.

Sehr viel Persönliches erfährt man über beide Briefpartner, denn ihr ganzes Leben, Denken und Fühlen spiegelt sich in den Briefen, in die ihre Frauen einbezogen waren.

Der Herausgeber des vorliegenden Briefwechsels, Joachim Seng, kommentiert in einem Nachtext die „Fremde“ und die „Nähe“ als das Kriterium, unter dem man sich Freundschaft mit Paul Celan vorstellen muss.

Der Briefwechsel beginnt mit einem Gedicht von Klaus Demus und endet vor Celans Tod mit letzten Versen aus seiner Feder im März 1970.

Wie in früher schon veröffentlichten Briefwechseln zwischen Celan und Freunden wird man Zeuge eines Lebensschicksals, das in seiner künstlerischen Größe und persönlichen Lebenstragik tief anrührend ist.

Paul Celan, Klaus und Nani Demus
Briefwechsel
Gebundene Ausgabe: 675 Seiten
Verlag: Suhrkamp
ISBN-10: 3518421220
ISBN-13: 978-3518421222