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Schlagwort: Trennung

Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer

Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer

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Eine ausweglose Liebe…

New York zu Beginn des 21.Jahrhunderts.

Durch Zufall begegnen sich in dieser Stadt Liat aus Israel und der Maler Chilmi aus Palästina.

Ungewöhnlich der Zufall und ungewöhnlich die heiße Liebe, die spontan zwischen den beiden entbrennt.

Wie konnte das passieren?

Nun, Künstler und Studierende aus aller Welt wohnen in New York, in dem man internationale Kontakte pflegt. NY ist eine Weltstadt mit einnehmendem Flair. Locker, leicht und kontaktfreudig begegnen sich hier Fremde, die schnell zu Freunden werden. So ergeht es auch Liat und Chilmi. In ihren Gesprächen klingt früh an, wie unterschiedlich es sich in Israel und Palästina lebt. Liat schwärmt vom Meer, das Chilmi nur aus sehr wenigen Besuchen im Gazastreifen kennt. Palästina grenzt sonst nirgends ans Meer. Der Satz von Chilmi „Eines Tages wird das Meer uns allen gehören“ lässt Hoffnung aufklingen. Doch noch wissen beide, dass ihre Beziehung niemals von den jeweiligen Familien des anderen akzeptiert würde.

Dorit Rabinyan erzählt eine Geschichte, die voller Liebe und Wärme steckt. Sie fängt die Atmosphäre zu Beginn einer tiefen Liebe in Herz erwärmender und anrührender Weise ein. Gekonnt flicht sie den Palästina-Israelkonflikt in die Geschichte ein. Fern des Landes Israel/ Palästina, in dem die Spannungen nie ein Ende zu nehmen scheinen, zeigt sie zwei Menschen, die, befreit von der Konfliktträchtigkeit ihrer unterschiedlichen Herkunft als Araber und Israelin, gelöst und unbefangen sein können, wie sie es zu Hause nie wären. Enthält die Geschichte einen tieferen Sinn? Sind es die Grenzen politischer und religiöser Gegensätze, die Menschen zu Feinden machen, die sie in einer freien Umgebung niemals empfinden würden?

Man kennt das aus dem West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim, der junge Menschen aus verfeindeten Staaten vorübergehend zum Muszieren zusammenbringt, und man weiß aus den Balkankriegen, wie durch Gebietsansprüche oder gegensätzliche Religionen aus Freunden und Nachbarn Feinde wurden.

Diesen Kontrast eingefangen zu haben, ist Dorit Rabinyan hervorragend gelungen.

Die sehr individuelle Liebesgeschichte eignet sich gut, einem das Konfliktpotenzial nahezubringen, in denen Länder und Menschen verfangen sind. Eine menschliche Tragödie nimmt hier Gestalt und Form an. Da sich die Erzählung anregend liest und überschaubar bleibt, ist es ein lehrreiches Stück Geschichte, das uns vor Augen führt, wie unendlich verfeindet und in kriegerischen Verstrickungen Menschen aus zahlreichen Ländern in dieser Welt leben müssen.

Der Roman ist anspruchsvoll und ernsthaft in seiner Ausführung. Beste Empfehlung!

Die Autorin ist die Tochter iranisch-jüdischer Eltern und lebt in Israel.

Dorit Rabinyan
Wir sehen uns am Meer
384 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, August 2016
ISBN-10: 3462048619
ISBN-13: 978-3462048612
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Lot Vekemans: Ein Brautkleid aus Warschau

Lot Vekemans: Ein Brautkleid aus Warschau

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Lot Vekemans hat ein ergreifendes Romandebüt verfasst.

Jeder weiß, wie schwerwiegend die Folgen der Judenverfolgung auch und gerade in Polen während der Nazizeit waren.

Hier geht es um eine junge Frau, die aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen stammt. Ihre Mutter ist eine harte Frau, die der Tochter nichts durchgehen lassen will.

Auf einer Rückreise aus Warschau in ihr Dorf kommt Marlena mit einen jungen Mann in Kontakt, der ihr zum Abschied seine Telefonnummer zusteckt. Sie ruft ihn an, und schon bald sind sie ein Liebespaar. Natan ist Amerikaner. Er ist Jude und ist nach Polen gereist, um nach den Spuren seiner Vorfahren zu fahnden, die ursprünglich hier beheimatet waren. Seine jüdische Familie ist teilweise im Holocaust umgekommen oder nach Holland und Amerika geflohen.

Die beiden sind sehr verliebt und müssen ihre Liebe verstecken, denn Marlenas Mutter würde diese Beziehung nie dulden.

Auf Vermittlung von Natan beginnt Marlena bei seinem Onkel Szymon in dessen Hotel als Küchenhilfe zu arbeiten. Der Onkel soll später noch eine besondere Rolle im Leben der beiden Liebenden einnehmen.

Kurzfristig wird Natan nach Amerika zurückgerufen. Marlena und Natan geben sich das Versprechen, sobald wie möglich voneinander hören zu lassen. Marlena ahnt nicht, dass sie schwanger ist.

Kurz darauf schlägt sie sich tapfer mit ihrem Sohn Stan durch. Sie hat keine Adresse von Natan und hört nichts mehr von ihm.

In der Folge beginnt eine verzweifelte Lebensgeschichte. Aus vielerlei Versäumnissen heraus muss Marlena einen einsamen Weg gehen, der sie nicht glücklich macht. Enttäuschte Hoffnungen und verzweifelte Überlebensstrategien pflastern ihren Weg, der sie nach Holland führt.

Lot Vekemans erfindet subtile Geschichten, mit denen sie ihre Protagonisten in einzelnen Kapiteln in der Ichform erzählen lässt. Trauer, Täuschung und Enttäuschung paaren sich mit dem Kampf um Liebe und Verstehen. Doch das Schweigen beherrscht das Leben aller Figuren und lässt sogar den kleinen Stan für viele Monate ganz verstummen. In diesem Klima kann Vertrauen kaum wachsen, und jeder bleibt mit seinem Schicksal allein.

Eine gewisse Melancholie liegt über dem Geschehen. Doch ist das Buch nicht bedrückend. Eher erfasst den Leser eine unterschwellige Spannung, wie sich die Beziehungen  entwickeln werden, und wie man aus Dilemma der verworrenen  Zusammenhänge herausfinden könnte.

Zum Ende hin bleiben viele Fragen offen, doch ist man in die Familiengeschichte tief eingetaucht.

Lot Vekemans lebt mit ihrer Familie in New York.

Lot Vekemans
Ein Brautkleid aus Warschau
253 Seiten, gebunden
Wallstein, Februar 2016
ISBN-10: 383531601X
ISBN-13: 978-3835316010
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Nina George: Das Traumbuch

Nina George: Das Traumbuch

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Mit dem Roman „Das Lavendelzimmer“ hat Nina George internationale Beststellergeschichte geschrieben. „Das Traumbuch“ soll nun nachziehen.

Dabei geht es zunächst um die drei Personen Henri, Eddie und Sam. Henri rettet einem jungen Mädchen das Leben, wird unmittelbar danach aber von einem Auto erfasst und liegt jetzt im Koma. Eigentlich war er gerade auf dem Weg zu Sam, seinem Sohn. Beide waren sich noch nie begegnet. Sams Mutter hatte etwas dagegen, dass er Kontakt zu seinem Vater hat. Doch nun setzte sich Sam darüber hinweg und hatte seinen Vater zu einem Treffen eingeladen. Doch dann passiert dem dieser Unfall. Schließlich ist da noch Eddie, eigentlich Edwina. Sie ist die Ex-Freundin von Henri. Vor zwei Jahren hatte Henri ihr gesagt, dass er sie nicht liebe. Doch sie wurde nun von der Klinik informiert, weil sie noch in Henris Patientenverfügung als wichtige Kontaktperson eingetragen ist. Gerade in dem Moment, als sie mit ihrer Liebe zu Henri abgeschlossen und einen neuen Lebensgefährten hat.

In dieser Konstellation entwickelte Nina George eine gefühlvolle, nicht immer schmerzfreie, Beziehungsgeschichte. In von ihr gewohnter Weise findet sie bildreichte und treffende Worte, Metaphern und Vergleiche, um die Gefühle aller Protagonisten den Leser mitspüren zu lassen. Die Kapitel sind immer aus der Sicht eines der Protagonisten jeweils in der ersten Person erzählt. Das animiert den Leser, das Geschehen und vor allem die Gefühle der jeweiligen Person mitzuerleben und zu fühlen. Leser mit ähnlichen Erfahrungen werden in der einen oder anderen Situation Empathie empfinden können. In von den Figuren gemeinsam erlebten Situationen bekommt der Leser winzige Überschneidungen aus unterschiedlicher Perspektive dargeboten, um den jeweils neuen Standpunkt einnehmen zu können. Ich fühlte mich sehr wohl damit.

Womit ich mich zunächst, Betonung liegt auf „zunächst“, nicht so wohl fühlte, war das Thema Krankheit und Tod. Krankenhaus, Schläuche, Apparate und Kanülen, nichts für mich. Aber vielleicht war die authentische Gestaltung der Gefühle daran schuld. Doch die Geschichte der drei Personen wird dann so packend, dass man sich ihnen nicht verschließen kann und sie einfach mögen muss. Der Gegenspieler, der zwar in jeder Zeile des Romans mitschwingt, gibt so viel Raum, dass sich Sympathie für die Figuren, sowohl Haupt- als auch Nebenfiguren, zwangsläufig einstellt. Es braucht halt eine gewisse Zeit der Annäherung, des Kennenlernens, damit sich eine intensive Beziehung zwischen Leser und Protagonisten aufbauen kann. Bis es schließlich zu erster Gänsehaut kommt, wenn der junge Sam zwei Menschen ein Versprechen gibt. Spätestens ab hier lässt der Sog den Leser nicht mehr los.

Auf diese Weise, gefesselt in einer Klinik, erzählt Nina George die Lebensgeschichte dreier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Ob es sich dabei um die Storys des Kriegsberichterstatters Henri handelt, der auch in Afghanistan unterwegs war, die Überlegungen der Verlegerin Eddie, um guten Geschichten eine Chance zu geben, oder das Erwachsenwerden des pubertierenden Teenagers Sam.

Ein großartiger Roman um Liebe, Sehnsucht, Verlassensein und Erwachsenwerden.

George, Nina
Das Traumbuch
Droemer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426653852

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Friedrich Ani: Der einsame Engel

Friedrich Ani: Der einsame Engel

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Ich muss gleich zu Beginn gestehen, dass dieser Roman ein ganz besonderes Gefühl beim Lesen in mir hervorrief. Ein Gefühl, welches sich nicht bei jedem Buch einstellt, auch wenn es mit der höchsten Punktzahl meinerseits bewertet wird.

Doch worum geht es? Tabor Süden arbeitet als Detektiv in der Detektei bei Edith Liebergesell. Der Detektei geht es finanziell nicht besonders, außerdem müssen alle den Tod eines Kollegen verarbeiten. Die Firma bekommt den Auftrag zur Suche eines verschwundenen Geschäftsmannes. Die Ex-Freundin und Noch-Angestellte des Gemüsehändlers hat sich nach zwölf Tagen aufgerafft und die Detektei beauftragt. Ihren Worten nach war sie zuvor bei der Polizei, doch da der Mann sein eigenes Leben führte, außerdem eine neue Partnerin hatte, war das für die Polizei keine Vermissung. Er könne jederzeit wieder auftauchen. So gelang der Fall an Tabor Süden. Dieser ermittelt akribisch, er befragt zunächst die Auftraggeberin, danach noch weitere Personen. Er hat jedoch immer das Gefühl, nie die Wahrheit zu hören.

Hier zeichnet sich der besondere Stil von Friedrich Ani ab. Er ist ein ausgesprochen guter Beobachter und dringt tief in die Köpfe der Menschen, um ihr Innerstes nach oben zu führen. In ungemein sanfter Weise lässt er auch seinen Ermittler Tabor Süden seine Fragen stellen, Recherchen durchführen und über sich und das Leben nachdenken. Der Fragestil Südens, der mehr auf Feststellungen denn aus Fragen besteht, ist eine ganz besondere Methode. Als Leser wird man dabei dem Gedankengang des Protagonisten folgen können. Krimileser sind häufig darauf bedacht, mit denen Ermittlern „mitzuermitteln“. Dabei versuchen sie meist, mehr zu erfahren, als die Ermittler wissen. Ani hingegen zeigt dem Leser eine (sympathische) Nase. Mit der Fragetechnik Südens wird dem Leser immer wieder aufgezeigt, dass Süden mehr weiß bzw. ahnt, als der Leser zu vermuten vermag. Das erzeugt einen ganz besonderen Reiz, eine ganz besondere Spannung beim Lesen.

Ein anderer Charme bei der Lektüre dieses Romans liegt in der Sinnlichkeit, in der Gemütlichkeit des Geschehens. Es gibt keine überbordende Hektik und Aktion, die die Handlung treibt. Es sind vielmehr die leisen Töne, die Gedanken des Protagonisten, die für den Genuss beim Lesen sorgen. Das schafft bei weitem nicht jeder Roman, eher wird man einen solchen Roman vielleicht alle zwei Jahre in die Hände bekommen. Diese besondere Ruhe, die ich verspürte, erinnerte mich ganz stark an die Romane von Siegfried Lenz.

Man kann es eigentlich nicht in Worte fassen, als abschließend zu sagen: Schön! Ich gebe gerne eine volle Punktzahl für diese Geschichte und bin gespannt auf den weiteren Lebensweg von Tabor Süden.

Ani, Friedrich
Der einsame Engel
Droemer Verlag, München
ISBN 9783426281475

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Thees Uhlmann: Sophie, der Tod und ich

Thees Uhlmann: Sophie, der Tod und ich

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Dieses Buch ist eine unglaubhafte Geschichte, in welcher der Ich-Erzähler eines Tages an der Wohnungstür von einem Mann überrascht wird. Es ist der Tod, gekommen, um ihn zu holen. Denn schließlich sei er jetzt an der Reihe und stehe im Auftragsbuch des Todes. Doch der Ich-Erzähler nötigt dem Tod noch einige Stunden ab, weil er ein letztes Mal seinen Sohn sehen möchte. Den hat ihm seine Ex-Frau mit der Scheidung gerichtlich entzogen. Mit von der Partie auf dieser Reise zum Sohn ist Sophie, Ex-Freundin von „ich“, und später auch dessen Mutter.

Thees Uhlmann als Musiker zu hören ist die eine Seite, seinen Roman zu lesen eine andere. Einzelne Passagen und Dialoge auf dem Roadtrip durchs Leben sind witzig und machen Spaß. Stellenweise kann der Leser lachen. Doch in der Gänze ist die Geschichte, falls es überhaupt eine gibt, zu dünn und unglaubhaft. Allein durch die Figur des Todes driftet sie ab in die Welt der Fanasy und des Science Fiction. Der Rahmen wirkt aufgesetzt auf eine Sammlung von Beobachtungen und Kurzgeschichten, wie sie dem Musiker Thees Uhlmann und seinem Umfeld tasächlich pssiert sein können. Diese Begebenheiten allerdings mit einer konstruierten Handlung zu verknüfen, lassen sie deshalb nicht interessanter werden.

Schade, dass dadurch das Pulver der einzelnen Geschichten verschossen wurde. In einem Buch mit mehreren Erzählungen wären sie besser aufgehoben gewesen und hätten den Lesern mehr Freude bereitet. So aber bleibt nur ein fader Beigeschmack, der manchen Leser kein zweites Mal zu einem Buch von Thees Uhlmann greifen lässt.
Getreu dem Motto: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ oder „In der Kürze liegt die Würze“, greife ich lieber nach einer CD von Thees Uhlmann. Da hat er bewiesen, wie gut er mit kurzen Texten umgehen kann.

Uhlmann, Thees
Sophie, der Tod und ich
Kiepenheuer&Witsch, Köln
ISBN: 9783462047936

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Sandra Hughes: Fallen

Sandra Hughes: Fallen

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Familientragödie…

Der fünfzehnjährige Luca will nur noch rasch zum Bankomaten, um sich Geld für eine Reise zu ziehen. Doch seine Rückkehr dauert sehr lange. Seine Mutter wird unruhig und zeigt sich besorgt.

In der Folge wird klar, dass dem Jungen etwas zugestoßen sein muß. In langen Sentenzen ergeht sich die Autorin Sandra Hughes im Schmerz einer Mutter. In ihren Fantasien befürchtet sie das Schlimmste.

Intensive Assoziationen und frei flottierende Gedanken um die Abwesenheit des Sohnes lassen den Leser unmittelbar teilnehmen am Innenleben einer schon immer ängstlichen Mutter. Wie oft hat sie in Gedanken Unheil befürchtet! Nun ist es also so weit!

Sandra Hughes ist empathisch berührt in ihren Gefühlen für eine Mutter, die zwischen Zweifel und Hoffen, nach und nach auch Verzweiflung und Wut, hin und her gerissen wird. Sie erfuhr schließlich, dass Luca lange ohne Hilfe auf dem Pflaster vor dem Bankomaten gelegen hat, bevor ihn ein Rettungswagen ins Krankenhaus brachte. Passanten haben ihn nicht wahrgenommen oder eigenen Ängsten Rechnung getragen. Er ist nach einem Hirnschlag schwerstbehindert. Hätte man ihm besser helfen können, wenn er früher in ärztliche Obhut gelangt wäre?

Mit diesen Fragen und gramvollen Gedanken schlägt sich eine Mutter herum, die schon in der langsamen Lösung des Sohnes hin zu mehr Selbständigkeit Schmerz und Ängste empfunden hat.

Nicht der Plot um den Unfall bildet den Kern der Erzählung, sondern die Trennung von Mutter und Sohn. Diese in allen Facetten zu beleuchten und zu reflektieren gelingt der Autorin ausgezeichnet.

„Fallen“ kann man als Metapher dafür verstehen, wie einem das Leben in Sekunden entgleiten kann. Unwiederbringliche Ereignisse, die außerhalb unseres Einflussbereichs passieren, legen das ganze bisherige Leben lahm. Neuorientierung und Umgestaltung aller bisherigen Normen und Formen sind die Folge! Die Summierung von Krankheit und schon zuvor begonnener Trennung wird in allen Schichten erforscht. Herausgekommen ist das Psychogramm einer Frau, die an ihrem Schicksal beinahe zugrunde geht. Leere, Angst und Verzweiflung sind darüber hinaus das Ergebnis einer schon längst angelegten Fehlentwicklung in Ehe und Familie. Sandra Hughes geht der Geschichte mit Akribie und tiefenpsychologischer Kenntnis auf den Grund.

Im Nachsatz erfahren wir, dass die Erzählung einer wahren Begebenheit nachempfunden ist.

Die Schweizer Autorin Sandra Hughes lebt und arbeitet in der Schweiz.

Sandra Hughes
Fallen
160 Seiten, gebunden
Dörlemann, Februar 2016
ISBN-10: 3038200298
ISBN-13: 978-3038200291
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Verschwunden

Verschwunden

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Ein stiller Ort am Meer in Irland: Galway an der Atlantik Küste.

Eine Mutter verbringt hier ihren ersten Weihnachtsurlaub alleine mit dem Sohn Tomas. Der Vater hat sie verlassen.

In sehr stimmungsvollen Bildern wird uns die Ruhe, der Geruch des Meeres, Sturm und das Tosen der Brandung nähergebracht.

Tomas bekommt einen Neoprenanzug zu Weihnachten. Er liebt es, im Meer zu sein. Mit seinen 13 Jahren ist er schon kräftig. Aber er ist auch unfügsam und ungebärdig. Außerdem ist er gehörlos.

Man erfährt noch, dass er ein russisches Kind war, das Rebecca und ihr Mann eines Tages adoptiert haben.

Am Morgen nach dem Fest ist Tomas verschwunden.

In dieser wilden, herben Landschaft ist man den Gezeiten ausgesetzt wie nirgendwo.

Colum McCann kann sehr aufwühlend und sensibel von dem Beisammensein von Mutter und Kind berichten.

Konnte Rebecca keine eigenen Kinder haben? Warum hat sie sich ausgerechnet dieses damals sechsjährige Kind in Russland ausgesucht?

Man weiß es nicht. Nur so viel: sie liebt diesen angenommenen Sohn sehr und ist fassungslos, als er nun plötzlich nicht mehr auffindbar ist.

Die poetisch und fein beschriebenen Vorgänge lassen einen gar nicht los. Sie erzeugen unter der ruhigen Oberfläche eine unterschwellig wahrnehmbare Spannung, die einen ganz in Bann zieht. Vor allem meint man immer wieder den aufgerissenen Himmel und die raue Luft zu spüren, die mit den tragischen Ereignissen um Mutter und Sohn korrespondieren.

Diese kurze aber feine Erzählung liest sich leicht und schnell und eindrucksvoll. Sie eignet sich bestens auch als kleines Geschenk für diverse Gelegenheiten.

Nikolaus Hansen, der Herausgeber dieser kleinen netten Reihe Edition Kattegat im Dörlemann Verlag fügt der Erzählung noch einige Eindrücke im Zusammensein mit Colum McCann an. Sie erhellen den Blick auf einen außergewöhnlichen Autor.
Er fügt wunderbar feinfühlig Realismus mit Fiktion zusammen.

Colum McCann wurde in Dublin geboren und lebt heute mit Frau und Kindern in New York.

Colum McCann
Verschwunden
112 Seiten, gebunden
Dörlemann, Januar 2016
ISBN-10: 3038200301
ISBN-13: 978-3038200307
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Jennifer Niven: All die verdammt perfekten Tage

Jennifer Niven: All die verdammt perfekten Tage

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Finch steht auf dem Glockenturm seiner Schule und überlegt, ob es wohl einen besten Tag zum Sterben gibt. Er hat die Diagnose erhalten, dass er unaufhaltbar sterben wird. Warum dann nicht jetzt? Vielleicht ist heute doch der beste Tag dazu, denkt er. Warum sollte er dem Tod die Auswahl des Zeitpunktes überlassen? Doch dann erblickt er auf dem Mauersimms des Turms Violet. Sie schaut ihm in die Augen und scheint ihn anzuflehen, nicht zu springen… Aber Finch ist sich gar nicht so sicher, ob sie nicht vielleicht selbst springen würde. Die Situation ist mehr als verfahren. Zudem scheint Violet Angst vor einem Sturz zu haben. Indem Finch Violet for einem Absturz schützt, schützt sie ihn vor seinem Selbstmord.
Im zweiten Kapitel erfährt der Leser etwas mehr über Violet, die vor einigen Monaten ihre Schwester bei einem Unfall verloren hat, an dem sie sich selbst die Schuld gibt. Außerdem war ihre Schwester zugleich ihre beste Freundin, was den Schmerz besonders tief macht. Violet ist deshalb in Therapie.
In abwechselnden Kapiteln, die jeweils aus der Sicht von Finch oder Violet erzählt werden, erlebt der Leser, wie sich beide behutsam näherkommen und welche Möglichkeiten sie erfahren, ihre Schicksale nicht ihr alltägliches Leben bestimmen zu lassen. Es steuert alles auf eine anrührende Liebe zu. Als beide für den Leser längst sichtbar ineinander verliebt sind, sprechen sie selbst nur von Freundschaft. Als sie von ihrer Liebe ahnen, sprechen sie in Gegenwart ihrer Klassenkameraden und Eltern von Freundschaft.

Jennifer Niven hat die Geschichte aufgebaut wie ein großes Puzzle. Viele Kapitel (deren Überschriften wie eine Tagebuchnotiz wirken), besonders die kleineren, erscheinen wie detaillierte Beobachtungen des ganz normalen Alltags von Jugendlichen. Gespräche über den ersten Kuss, die gestrige Party. Diese kleinen Details wirken banal. Sie sind es aber angesichts des tragischen Hintergrundes der Schicksale der beiden Protagonisten mitnichten. Sie zeigen, dass das normale Leben weitergeht. Dass es selbst vor der Liebe kein Entrinnen gibt, selbst, wenn ein großes Unheil droht. Die Komposition all dieser Einzelheiten zu einem komplexen Bild einer herzlichen Beziehung zweier junger Menschen macht dieses Buch zu einem wahren Stück Literatur. Doch leider nicht bis zum Ende des Buches. Das ist sehr schade. Die Auflösung der Geschichte erfolgt viel zu früh. Alles, was danach kommt, ist nicht mehr spannend und liegt an der Grenze zum Sachbuch. Auch anschließende Adressen zu Selbsthilfegruppen von selbstmordgefährdeten Jugendlichen verstärkt diesen Eindruck. Das wertet den Roman leider ab, der ohne diesen Schluss ein sehr, sehr starker Roman hätte sein können. Doch den erhobenen Zeigefinger ignorierend darf sich der Leser auf eine wunderschöne und unterhaltsame Geschichte freuen.

Niven, Jennifer
All die verdammt perfekten Tage
aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst
Limes Verlag, München
ISBN: 9783809026570

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

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Petra Durst-Benning hat mit dem vorliegenden Roman ihren ersten Gegenwartsroman veröffentlicht. Nach überragenden Erfolgen mit historischen Romanen hat sie sich in ein anderes Genre gewagt. Auch dies erfolgreich, wie ich finde. Denn auch in dieser Geschichte geht es um Frauen, Frauen, die ihr Leben auf den Kopf stellen wollen oder müssen, Frauen, die sich durchsetzen, und am Ende ihr Glück finden … oder auch nicht.

Therese hat in ihrem Heimatdorf Maierhofen im Allgäu einen Landgasthof zum Erfolg gebracht. Als Bürgermeisterin möchte sie solch einen Erfolg auch für das Dorf schaffen. Es gibt nur ein Hindernis: Eine Diagnose „Krebs“ liegt ihr im Nacken und lässt sie immer häufiger den Optimismus verlieren. Durch Zufall wird sie an ihre Cousine Greta erinnert, die sie seit ihrer Kindheit nie wieder getroffen hatte und die eine erfolgreiche Werbefachfrau geworden ist. Das bringt sie auf die Idee, Greta in das beschauliche Maierhofen zu holen und auf fachfrauliche Hilfe bezüglich des Dorfes zu hoffen. Greta, der gerade in der Agentur, in der sie arbeitet, eine viel jüngere neue Werbefrau an die Seite gestellt wurde, verliert die Lust an der Arbeit für diese Agentur. Aber ebenso wenig kann sie sich zunächst eine Kampagne für ein Dorf vorstellen. Sie ist ausgebrannt. Doch sie greift die Idee einer Auszeit und eines kleinen Checkups in dem Allgäu-Dorf ihrer Kindheit auf. Als ihre Ideen für eine Kampagne Gestalt annehmen, wird sie zusätzlich von Thereses Freundin Christine, der Frau des örtlichen Autohändlers und von Beruf Hausfrau, unterstützt.

Petra Durst-Benning zeigt mit diesem spannenden Roman Wege auf, um sich von persönlichen Tiefschlägen nicht in die Knie zwingen zu lassen. Sie will Mut machen und plädiert dafür, den Kopf nie in den Sand zu stecken, immer nach vorne zu schauen und gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten. Das Buch trägt selbst in den Wintermonaten, in denn die Handlung teilweise spielt, so viel Sonne in sich, dass man glaubt, stets von dieser beim Lesen begleitet zu werden. Die Figuren, nicht nur die weiblichen, bringt uns die Schriftstellerin über ihr Handeln und Denken sehr nah. Es ist alles nachvollziehbar und plausibel. Es braucht nicht lange, um sie als Freunde ins Herz zu schließen.
Geschmückt wird der Aufbruch des Dorfes mit vielen Rezepten, die Leserin oder Leser gleich ausprobieren kann. Selbst Edy vegane Bratwurst ist dabei. Und wer beim Lesen Appetit auf ein dickes Butterbrot, bestreut mit Kräutersalzen, bekommt, muss sich keinen Zwang antun. Drei kleine Gläschen mit Kräutersalzen gehören ebenfalls zum Buch. Eine wunderschöne Idee für ein wunderschönes Buch, welches Lust auf die Zukunft macht.

Durst-Benning, Petra
Kräuter der Provinz
Blanvalet, München
ISBN 9783734100116

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Helen Brown: Glück mit kleinen Fehlern

Helen Brown: Glück mit kleinen Fehlern

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Am Tag ihres fünfzigsten Geburtstages erfährt Lisa Katz vor versammelter Familie, dass ihr Mann nicht treu ist. Der riesige und ausgesprochen teure Blumenstrauß ist nicht für sie bestimmt, sonder sollte an die Geliebte ihres Mannes geschickt werden. Jake gibt sich geschlagen und verlässt die Wohnung. Lisa, die vom Bücherschreiben lebt, fängt sich schnell. Sie beschließt, nicht in New York zu bleiben. Sie wagt einen Neuanfang und kehrt nach Australien zurück. Hier lebt eines ihrer erwachsenen Kinder, ihr Sohn Ted, und auch ihre Schwester Maxine, bei der sie unterkommt, bevor sie Tumperton Manor, das herrschaftliche Haus ihrer Vorfahren, kauft.

Das Anwesen ist heruntergekommen und seltsame Geschichten werden darüber erzählt. Es muss sehr viel getan werden, um das Haus bewohnbar zu machen und es wieder in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Um die nötigen finanziellen Mittel zur Hand haben zu können, schreibt sie weiter an ihrer Romantrilogie, von der sich das erste, bereits erschienene Buch gut verkauft. Sie bekommt außerdem Hilfe von Scott, der ein Landschaftsgärtner ist und der weitere Unterstützung durch die Grey Army veranlasst. Die Handwerker im Ruhestand legen sich mächtig ins Zeug bei den Renovierungsarbeiten.

Das Buch unterhält sehr gut. Die Geschichte ist leicht zu lesen und so kann man Lisa Katz auf ihrem Weg ins Glück gut folgen. Probleme werden ohnehin immer als Chance gesehen. Und Stolpersteine auf ihrem Lebensweg lösen sich allezeit schnell in Wohlgefallen auf. Immer ist ein Retter in brenzligen Situationen zur Verfügung oder ein entgegenkommender Helfer und wenn das Geld nicht reicht, stirbt eine reiche Tante und dann gibt es eben eine Erbschaft. Die Liebe kommt natürlich auch nicht zu kurz. Das Buch erfüllt also alle Anforderung an gute Unterhaltungsliteratur.

Rezension von Heike Rau

Helen Brown
Glück mit kleinen Fehlern
Aus dem Englischen von
Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck
384 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552062777
ISBN-13: 978-3552062771
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