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Schlagwort: Trennung

Hans-Peter Rodenberg: Marlene Ernest – Eine Romanze

Hans-Peter Rodenberg: Marlene Ernest – Eine Romanze

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Vielleicht ungewöhnlich für mich, ein Sachbuch zu besprechen, doch dieses hat mir außerordentlich gefallen. Es ist nämlich keine Biografie. Der Hemingway-Kenner Rodenberg hat sich dieses Mal der außergewöhnlichen Liebesbeziehung der außergewöhnlichen Figuren der Zeitgeschichte Ernest Hemingway und Marlene Dietrich angenommen, dem Dichter und der Diva. Wobei Ersterer durchaus auch als männliche Diva durchgehen täte. Die beiden verband eine enge Freundschaft – oder waren sie doch ein Liebespaar? Obwohl sie räumlich oft getrennt lebten, waren beide so eng miteinander verbunden, gingen beide so vertraut miteinander um, wie es Liebespartner, Lebensgefährten oder Eheleute miteinander nur tun.

Marlene und Ernest lernten sich 1934 auf dem Ozeandampfer »Ile de France« kennen. Von da an sollte es lebenslang zwischen ihnen knistern. Sie sang für ihn im Pariser »Ritz« auf dem Rand seiner Badewanne, er nannte sie liebevoll »My dear little Kraut«, in ihren unzähligen Briefen vertrauten sie einander alles an. Marlene und Ernest verfolgt die zärtliche Beziehung der beiden und ihre Lebensgeschichte von jener ersten Begegnung 1934 bis zu Hemingways Tod 1961.

Mir hat besonders der saloppe Stil des Autors gefallen. Die zahlreichen Informationen, die in den einzelnen Kapiteln stecken, lassen sich einfach aufnehmen. Abwechselnd sind die Kapitel gestaltet, mal die Sicht auf Hemingway, mal die auf Dietrich. Interessant sind die einzelnen Details, die einem vielleicht nicht immer fremd waren, aber die durch die Betrachtung der beiden als Paar in einem neuen Licht erscheinen.

Leicht zu konsumierendes Buch über unvergessene Größen der Vergangenheit und ihre Beziehung zueinander.

Rodenberg, Hans-Peter
Marlene & Ernest – Eine Romanze
Insel Verlag
ISBN-10: 3458357947
ISBN-13: 9783458357940

© Detlef Knut, Düsseldorf 2014

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Thommie Bayer: Die kurzen und die langen Jahre

Thommie Bayer: Die kurzen und die langen Jahre

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Simon und Sylvie lernten sich im Jahr 1974 über zwei Todesfälle kennen: Simons Vater wurde eines Tages ermordet und zu gleicher Zeit auch Sylvies Mann Konrad. Wie konnte es dazu kommen?

Simon lebt in Konstanz und Sylvie in Lindau am Bodensee. Simon ist gerade 22 Jahre alt, Sylvie ist acht Jahre älter. Er verliebt sich sehr in diese ältere Gefährtin, die ihm eine echte Gefährtin nicht sein will!

Die beiden bleiben die ganze Zeit im Mittelpunkt der Geschichte. Sie fühlen sich auf subtile Weise von einander angezogen.

Der Bogen der Geschichte aber ist weit gespannt von 1964 bis zum Jahr 2014. Er bietet zahlreiche unerwartete Überraschungen.

Als Klavierstimmer schlägt sich Simon durchs Leben und hilft zwischendrin in einer Musikalienhandlung aus. Dort trifft er seinen guten Freund Manni, der eine Band hat. Auch Knut gehört zu der Clique und Anke und ihre Schwester. Man lebt und feiert zusammen und freut sich der gegenseitigen Zuneigung. Freundschaften entstehen, und Liebesbeziehungen bringen Freude oder auch Trauer.

Insgesamt ist es eine freudvolle Jugend mit allen Spielarten, die das Alter so mit sich bringt.

Simon wartet und sehnt sich nach Sylvie, und sie bleibt ihm eng verbunden; doch wirklich nahe kommen sie sich vor allem in ihren Briefen. Hier öffnet Sylvie ihr Herz, und Simon wartet sehnsüchtig auf diese Briefe.

Mit feiner Ironie und in sanften Farben malt Thommie Bayer das Leben in den Siebzigern in Deutschland. Die Jahre brachten politischen Aufruhr und die RAF, die mit ihrer Killermentalität die Republik erschütterte. Das sind die äußeren Umstände, in denen die Handlung angesiedelt ist. Im Inneren geht es um das alte Lied von Liebe, Treue, Abschied und Schmerz.

Spannend, einfühlsam und gelegentlich melancholisch berichtet Thommie Bayer von der Beziehung der beiden Hauptprotagonisten. Sie umkreisen sich und verlieren sich, nähern sich erneut und bleiben doch in einer sicheren Distanz zu einander. Dass sich hinter allem Geschehen noch ein Kriminalfall verbirgt, dass Kindergeburten und unerwartete Todesfälle eine geheime Dramatik entfalten, gibt der ganzen Geschichte einen besonderen Anstrich.

Thommie Bayer schreibt einen sanften Stil, hinter dem man diese Dramatik zunächst nicht vermutet. Es ist eine gelungene Geschichte: abenteuerlich, anspruchsvoll und faszinierend. Man sollte sich diesen Autor merken!

Thommie Bayer
Die kurzen und die langen Jahre
208 Seiten, gebunden
Piper, März 2014
ISBN-10: 3492054811
ISBN-13: 978-3492054812
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Thomas Klugkist: Hanna und Sebastian

Thomas Klugkist: Hanna und Sebastian

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Eine Liebesgeschichte, differenziert, knallbunt, ausschweifend und sehr intelligent!

Thomas Klugkist hat in der Form eines Briefromans einen  Liebesroman geschrieben, in dem er Gedanken zu Nähe und Distanz in Paarbeziehungen und zu innerer und äußerer Freiheit zwischen Liebenden abhandelt. Nichts Denkbares bleibt ausgespart in der Offenheit, mit der sich die Liebenden, und als solche zeigen sie sich in ihren Briefen, einander mitteilen.

Hanna und Sebastian, die sich noch aus der Schule kennen, haben 2000 ein wunderschönes Wochenende zu zweit in Rom verbracht. Sie sind Ende zwanzig und mögen sich sehr! Er ist Rundfunkredakteur in Berlin und sie Ärztin in der pathologischen Abteilung einer Klinik in München.

Basierend auf dem Treffen in Rom beginnen sie einen lebhaften Briefwechsel. Auf hohem Niveau tauschen sie tiefsinnig, hoch reflektiert und im Wechsel zwischen ernsten und leichten Themen ihre Gedanken aus. Da geht es um die Arbeit, ihre Familien, ihre jeweiligen inneren Befindlichkeiten, ihre Liebhaber und Liebhaberinnen und die richtige Lebensform. Doch ein Wiedersehen ist erst in zehn Jahren geplant!

Der Briefwechsel umfasst folglich mit Unterbrechungen 10 Jahre.

In diesen Jahren passiert viel!

Das Paar nähert sich mit ihren freimütigen Bekenntnissen über ein erträgliches Maß hinaus und überschreitet damit Grenzen. Die Akzeptanz dieser Offenheit scheint nur in der räumlichen Distanz möglich. Hanna erzählt über ihre Affären, die nach einigen Jahren und heftigen Turbulenzen sehr ausschweifend werden. Sebastian berichtet im Gegenzug von seinen erotischen Erlebnissen.

Die subtile Erzählform, in der sich beide immer näher kennen lernen, zeugt von hoher Bildung, tiefer Empfindungsfähigkeit und eloquenter Sprachgewandtheit. In ihren Briefen, Mails und SMS’ spürt man eine dauerhaft unterschwellige erotische Anziehung. Ihre Freiheit, die ihnen die Entfernung bietet, ist einerseits prickelnd und andererseits störend. Sie wollen mehr und bleiben doch in ihrem Schwebezustand zwischen Nähe und räumlicher Distanz. Dass es sich um eine symbiotische Beziehung handelt, wird schon bald überaus deutlich.

Doch gibt es eine stärkere Nähe, als die aus der selbst gewählten Distanz?

Mit atemloser Spannung folgt man den Geschehnissen im Leben der beiden. Sie leben jeder auf eigene Weise ihre Wünsche und Möglichkeiten aus.

Thomas Klugkist nimmt seine Leser mit in den Umkreis der Generation der achtziger und neunziger Jahre und bis in das Jahr 2010 hinein. Wie das alles enden wird?

Klugkists Protagonisten sind empfindsam, nachdenklich und selbstkritisch. Es gibt Tragödien, wie in vielen Familien, und es gibt die bodenständigen und klaren Charaktere, denen das Leben nichts anzuhaben scheint. Die Dialogform macht den Roman zu einem fast realistischen Zeitdokument. Klugkist ist ein scharfer Denker, der in seiner Geschichte literarisches und philosophisches Gedankengut verpackt und psychologische Folgerungen anklingen lässt.

Das Lesevergnügen mit Anstößen zum Nachdenken ist unvergleichlich und lässt den Leser bis zuletzt nicht los.

Thomas Klugkist
Hanna und Sebastian
432 Seiten, gebunden
C.H.Beck, Januar 2014
ISBN-10: 3406659608
ISBN-13: 978-3406659607
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Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

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Poesie und Leben!

Tsukuru Tazaki ist ein nachdenklicher junger Mensch. In einer wohlhabenden Familie in der Stadt Nagoya in Japan aufgewachsen hat er die Schule besucht, Freunde gewonnen und ist danach zum Studium nach Tokio gegangen. Er gehörte zu einer sich nahestehenden Clique von drei Jungen und zwei Mädchen. Doch unerwartet und vollkommen unverständlich für ihn brach der Kontakt zu den vier anderen ab, als er zu den Semesterferien nach Hause fuhr. Die unerklärliche Trennung setzte ihm arg zu. Er magerte ab, veränderte sein Aussehen und wurde regelrecht depressiv. Nach Jahren entwickelt er eine zögerlich beginnende Freundschaft zu Sara, die seine Traurigkeit spürt und ihn auf die Suche nach den Ursachen für die Trennung schickt. Er ist mittlerweile 36 Jahre alt geworden.

Liszts Klavierstück  „Années de pèlerinage“ innitiiert dabei die Stimmung, in der sich unser Held befindet: traurig, melancholisch und von Todessehnsucht erfüllt.

Man fühlt sich unmittelbar angesprochen, wenn Tsukuru eine neue Bekanntschaft macht und sich in Gesprächen über das Sein und das Wesen seiner menschlichen Beziehungen auslässt.

Im Laufe der Zeit tastet er sich zaghaft an neue Beziehungen heran. Die Vergänglichkeit seiner tiefen, treuen und verlorenen Gemeinschaft der Jugendzeit bleibt dabei immer präsent. Der Roman entfaltet eine Dynamik, die an eine japanische Papierblume erinnert: Immer neue Geschichten einzelner Personen fügen sich in die Handlung ein behalten aber ihren Zugang zu dem Hauptprotagonisten Tsukuru Tazaki. Auf der Suche nach seinen vergangenen Freundschaften tritt eine geheimnisvoll merkwürdige Kriminalgeschichte zutage. Sie steigert die Spannung und treibt immer neue  Blüten.

Dass Tsukuru kein starkes Selbstwertgefühl hat, ist die eine Seite seines Charakters. Die andere aber zeigt ihn als der Poesie zugänglich mit feinem Gespür für Musik und die Schönheiten der Natur. Man ist voller Mitgefühl und spürt der Kälte nach, die ein Mensch erlebt, wenn er gute Freunde aus dunklen Gründen verliert.

Sensibilität und feines Gespür für andere zeichnet Haruki Murakamis Figuren aus. Es sind empfindsame Seelen, denen das Leben und Zusammenleben mit anderen nicht immer leicht fällt. Tsukuru Tazaki empfindet sich im Gegensatz zu seinen Freunden als farblos und nicht liebenswert. Doch was erwartet er vom Leben? Unterliegt er nicht Erwartungen und Fantasien, die übertrieben sind?

Murakami besitzt die Gabe, Naturschönheiten so zu beschreiben, dass man den Gesang der Vögel, den Duft der Blumen und die Schönheit der Bäume zu spüren meint.

Wie immer bei Haruki Murakami sind seine Figuren ungewöhnlich in ihrer Lebensart, feinfühlig und tiefsinnig auf der Suche nach dem wahren Selbst und der Vergangenheit. Eine wunderschöne, liebenswerte und inhaltsreiche Erzählung erwartet den Leser bei der Lektüre!

Haruki Murakami
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
350 Seiten, gebunden
Dumont Buchverlag, Januar 2014
ISBN-10: 3832197486
ISBN-13: 978-3832197483
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Amity Gaige: Schroders Schweigen

Amity Gaige: Schroders Schweigen

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Schon als Kind denkt er sich einen neuen Namen aus. Er glaubt, als Eric Kennedy viel leichter einen Platz im Ferienlager ergattern zu können. Er behält diese Identität, mogelt sich durch, wird erwachsen, heiratet und bekommt eine Tochter. Nach der Trennung von seiner Frau, beginnt die selbst erschaffene Identität zu wackeln. Sie erfüllt ihren Zweck nicht mehr und beginnt sich aufzulösen. Übrig bleibt nur die Liebe zu seiner Tochter Meadow. Doch auch die soll ihm genommen werden. Das Sorgerecht übernimmt die Mutter, die bald versucht, den Kontakt von Vater und Tochter auf ein Minimum zu reduzieren. Ein Sorgerechtsstreit entbrennt, bei dem Eric sich durch seine Gutmütigkeit schon bald als Verlierer sieht. So chancenlos genießt er jede ihm noch bleibende Minute mit der sechsjährigen Tochter. Und so wird aus einem Ausflug fast unbemerkt eine Entführung.

Erik Schroder oder Eric Kennedy ist ein erwachsener Mann. Er weiß schon, was er tut. Aber er ist auch ein Träumer und so schafft er es, die Realität auszublenden. Die Autorin lässt der Geschichte ihren Lauf. Ihr Protagonist trifft praktisch eine Entscheidung, indem er keine Entscheidung trifft und den Dingen ihren Lauf lässt. Das ist psychologisch sehr interessant, einfach immer weiter zu fahren mit der Tochter im Auto. Er ist der Vater, was kann falsch daran sein? Die Tochter liebt ihn, ist freiwillig mit ihm unterwegs. Wie kommen andere dazu, das eine Entführung zu nennen?
Als Leser kann man Schroder verstehen, auch wenn er mit seiner falschen Identität schon mal Minuspunkte gesammelt hat, vor allem, weil er nicht an einer Aufklärung seiner Frau gegenüber interessiert ist. Er träumt lieber weiter.
Das Buch ist ausgesprochen lesenswert. Der Autorin gelingt es mit Leichtigkeit, den Leser für diese außergewöhnliche Geschichte zu interessieren.

Rezension von Heike Rau

Amity Gaige
Schroders Schweigen
Aus dem Amerikanischen von Monika Schmalz
320 Seiten, gebunden
Hanser Berlin
ISBN-10: 3446243666
ISBN-13: 978-3446243668
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Patti Callahan Henry: Die schwere des Lichts

Patti Callahan Henry: Die schwere des Lichts

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Ellie Calvin ist 47 als sie ihn zur Beerdigung ihrer Mutter wiedersieht. Hutch O’Brien ist ihre Jugendliebe. Über die Trennung ist sie nie hinweggekommen. Sie hat einen anderen geheiratet, Rusty, und mit ihm eine Tochter bekommen. Doch die Gefühle für Hutch sind nicht erloschen. Aber auch er ist an eine andere vergeben.

Ellie kümmert sich um den Nachlass ihrer Mutter. Auch die verschlossenen Schublade sieht sie sich an, weil ihr Vater sie darum gebeten. Sie findet hier das Tagebuch ihrer Mutter. Es gibt nur einen Eintrag pro Lebensjahr, der aber sehr ausführlich gehalten ist.

Ausgerechnet Hutch O’Brien hat im Rahmen einer Ausstellung mit Ellies Mutter zusammengearbeitet und möchte diese Arbeit nach ihrem Tod zu Ende führen. Er bittet Ellie um ihre Hilfe, denn es gibt Lücken in ihrem Lebenslauf, die er füllen möchte.

Durch das Tagebuch erfährt Ellie von einem Mann, denn ihre Mutter vor ihrer Geburt über alles geliebt haben muss. Nie wird sein Name genannt. Und auch andere Dinge, von denen sie nichts geahnt hatte, werden nun offenbar. Ihre Mutter hatte viele Geheimnisse.

Es geht um die Liebe im Buch. Vor allem um die unerfüllte. Es geht um Entscheidungen, die einst getroffen wurden und die im Rückblick bereut werden. Ellie fühlt sich in der unglücklichen Liebe mit Rusty gefangen, ohne das direkt an etwas festmachen zu können. Er ist kein schlechter Kerl, aber eben sehr berechnend. Ihre wahre Liebe ist Hutch. Nun versucht sie die Jahre aufzuarbeiten und herauszufinden, was sie wirklich will. Dieser Prozess wird im Buch dargestellt.

Allerdings fällt es recht schwer, Ellie hier zu folgen, die sich doch sehr in ihr Gefühlschaos zu verstricken scheint. Sie scheint zu egoistisch, zu sehr auf sich selbst bedacht und auch zu naiv für ihr Alter. Diese Oberflächlichkeit wird verstärkt durch weitere Charaktere ohne wirkliche Tiefe und Dialoge, die nicht wirklich aussagekräftig sind. Dazu kommt, dass die Geschichte vorhersehbar ist und das nimmt leider viel Spannung weg.

Rezension von Heike Rau

Patti Callahan Henry
Die schwere des Lichts
Aus dem Amerikanischen von Karen Sanden
313 Seiten, broschiert
Aufbau Taschenbuch
ISBN-10: 3746629551
ISBN-13: 978-3746629551
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Yael Hedaya: Alles bestens

Yael Hedaya: Alles bestens

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Die Liebe kommt, und die Liebe geht.

Maja lernte vor einem Jahr auf einer Purim-Party den Gärtner Nathan kennen. Sie ist Akademikerin, alleine und sehnt sich nach Partnerschaft. Sehr schnell beginnen die beiden eine Affäre.

Unterdessen wollen sich Majas Eltern nach dreißig Jahren Ehe scheiden lassen. Talli, Majas jüngere Schwester, ist glücklich verheiratet und lebt mit Mann und Kindern in Kalifornien.

Wie das Leben so spielt: die Liebe kommt, und die Liebe geht. Doch zuweilen bleibt sie, und gelegentlich bleibt sie unerfüllt. So geht es Maja, die eines Tages entdeckt, dass Nathan schon seit Jahren mit einer anderen Frau liiert ist, die immer nur für zwei Tage in der Woche erscheint.

Maja ist die Beobachterin und die Leidende, die mit Nathan zwar ihr Nächte verbringt, doch am Ende nie weiß, wie es mit ihm weitergehen wird.

Teils aufgebracht und teils melancholisch reflektiert die Autorin die verschiedenen Erscheinungsformen der Liebe. Von Dreiecksgeschichten ist hier die Rede. Sie lassen häufig einen von dreien zurück, der leidet, und gelegentlich leiden sogar alle drei. Majas Mutter neidet dem Vater die erste Frau, die früh verstorben ist. Maja muss erleben, dass Nathan vollkommen unentschlossen mit zwei Frauen seine Zuneigung teilt. Liebt er überhaupt eine von beiden?

Yael Hedaya beherrscht die Zwischentöne, mit denen man von der Liebe spricht, über sie nachdenkt und ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen erlebt. Sie lässt uns teilnehmen am Schicksal mehrerer Paare,die ihre Beziehungen mit unterschiedlicher Passion leben und den jeweils anderen unbefangen lieben, missverstehen oder gar an ihm vorbei leben. Maja bleibt die unglücklich Liebende, die mit Neid und Trauer auf die anderen schaut. Die eigenen Eltern sind es am Ende, die Maja zeigen, dass es die vollkommene Liebe nicht gibt.

Sie sind alt und müssen diese Einsicht nach einer realistischen Klärung der gemeinsamen Ausgangslage anerkennen.

Eine psychologische gekonnte Studie über das Leben zu zweit oder zu dritt gibt den nötigen Pepp, um an die Vielzahl in Form und Schattierung menschlicher Liebesbeziehungen zu erinnern. Hedaya geht tief und durchschaut das menschliche Miteinander, das selten einfach und komplikationslos verläuft. Das ist das Fazit guter Literatur: in ihr spiegelt sich die Welt, wie wir sie täglich erleben. Und aus ihr lernen wir, wie man mit Zweifeln umgeht und der Realität ins Auge schaut.

Yael Hedaya lebt in Tel Aviv und schreibt für verschiedene israelische Zeitschriften.

Yael Hedaya
Alles bestens
159 Seiten, broschiert
Diogenes, 26. März 2013
ISBN-10: 325730014X
ISBN-13: 978-3257300147
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Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S.

Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S.

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Wege und Irrwege.

Aus den bewegten sechziger Jahren, der 68-ziger Bewegung und einer Zeit des Aufruhrs und des Aufbruchs resultiert dieser kleine biographisch gefärbte Roman von Ulrike Edschmid.

Sie ist eine der Protagonistinnen, die in den Strudel der Ereignisse gerät, als die Unruhe und Auflehnung gegen die „Alten“ das Leben der damals jungen Generation durcheinander gewirbelt hat.

Früh schon hat die Icherzählerin einen kleinen Sohn von einem Mann, der sich davon gemacht hat. Als sie Philip S. kennen lernt, ist sie fasziniert von diesem in sich gekehrten, leisen Mann. Er ist ein stiller Rebell, der seine schweizerischen Eltern und ihr bürgerliches Leben aufgegeben hat. Ohne Gepäck und besessen alleine von der Fotografie und dem Filmemachen lebt er mit der Icherzählerin das Leben der Boheme in abgerissenen Wohnungen in Berlin und immer im Strudel der Ereignisse. Als Rudi Dutschke angeschossen wurde und Benno Ohnesorg starb, sind die beiden liiert. Sie fahren einen Sommer lang nach Rom im Wohnungstausch mit einem sozialistischen Professors.

Ulrike Edschnid schreibt einen abgerissenen Stil. Kurz und teilweise nur in Andeutungen formuliert, bekommt man die beklemmende Atmosphäre mit, in der sich das Leben unter der Ägide zahlreicher aufrührerischer Studenten abspielte. Die Zeit von A.S. Neill’s „Summerhill“ und seine freie Pädagogik ist en Vogue. Man gründet die ersten Kinderläden und allenthalben wird die bürgerliche Ordnung vergangener Jahre in Frage gestellt. In diesem Milieu geht die sichere Orientierung an alten und bewährten Lebensmustern von zugegebenermaßen zuweilen auch miefigen und spießigen Lebensformen verloren.

Die vermeintliche Freiheit und auf ihre Weise auch wieder Angepasstheit und Unterdrückung wird fassbar in kurzen und fast neutralen Erzählungen, mit denen Ulrike Edschmid über ihr damaliges Leben berichtet.

Es ist eine schwere und bleierne Zeit. Aus den Anfängen der Freiheitsbewegung entwickelt sich die militante RAF (Rote Armee Fraktion) mit dem Ziel des politischen Umsturzes. Philip S. ist ein sensibler Freund und Ersatzvater für Ulrike Edschmids Sohn. Doch auch er wird in den Sog des Untergangs gezogen.

Ulrike trennt sich zaghaft und besonnen von ihm, während er seinen verwirrten eigenen Regeln folgt.

Eine atmosphärische überzeugende Sozialstudie ist der Autorin gelungen. Man kann nachfühlen, wie zerrissen die jungen Frauen und Männer waren. Auf unterschiedliche Weise suchen sie Lösungen für ihre Traumata aus autoritären Erziehungsstilen und Orientierungslosigkeit. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Handeln und gleiten ab in den Terrorismus.

Auch in anderen Ländern, besonders in Frankreich, fanden revolutionäre Auswüchse statt. Sie hatten allerdings keine  vergleichbar tragische Dimension wie in unserer deutschen Vergangenheit mit ihren zahlreichen Opfern, die als Folge irre geleiteter Täter zu beklagen waren.

Wer sich ein Bild machen will von diesen politisch aufregenden und strapaziösen Phasen unserer Geschichte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, kann das hier erfahren.

Ulrike Edschmid schreibt feinfühlig, traurig und angerührt von den Ereignissen. Sie richtet den Fokus allein auf die Unruhe und das Abgleiten ihres Freundes in die Terrorszene, so als sei das eine zwingende Entwicklung gewesen, die niemand aufhalten konnte.

Sehr lesenswert!

Ulrike Edschmid
Das Verschwinden des Philip S.
157 Seiten, gebunden
Suhrkamp Verlag, März 2013
ISBN-10: 3518423495
ISBN-13: 978-3518423493
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Hiromo Kawakami: Bis nächstes Jahr im Frühling

Hiromo Kawakami: Bis nächstes Jahr im Frühling

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Langsame Trennung.

Das gleichmütig dahin plätschernde Leben von Noyuri bietet dem Leser den Einstieg in eine Liebesgeschichte, wie sie Hiromi Kawakami in zahlreichen Abwandlungen immer wieder zum Thema ihrer Romane nimmt. Noyuri ist eine etwas langweilige Person. Sie ist seit sieben Jahren mit Takuya verheiratet. Dieser hat seit längerer Zeit eine Geliebte.

Mit ihrem Onkel Makoto verbindet sie eine geschwisterliche Freundschaft. Er vermittelt ihr einen Job in einer Arztpraxis. Sie ist fleißig und genau und wird doch zum Ende des Jahres wieder entlassen.

Nouyri nimmt alle Gegebenheiten gelassen hin. Insgeheim ahnt man, dass sie unter ihren Misserfolgen in der Ehe und im Beruf leidet. Doch irgendwie bleibt sie ein Blatt im Winde, das leicht dahin schwebt, ohne Aufstand und Widerspruch.

Hiromi Kawakami ist eine Autorin, die ihren Figuren diese schwebende Gleichmütigkeit eingibt. Vieles bleibt unausgesprochen. Doch nicht alles ist verborgen. Ihre Figuren, die sich voneinander entfernen, schweben wie zarte Schneeflocken und Kirschblütenblätter durch den Raum. Fragen nach dem wohin werden sehr direkt gestellt. Noyuri wirkt naiv und ist doch voller Sehnsucht nach Hingabe und der großen Liebe. Ihr Mann bleibt ihr fremd, denn sie lässt ihn seinen Wünschen nachgehen, ohne aufzubegehren oder zu rebellieren. Unter der äußeren Schicht ihres Auftretens spürt man eine Melancholie und eine Abschiedsstimmung, die sich durch das ganze Buch zieht. Noyuri wird nach und nach mutiger und blickt lakonisch der sich anbahnenden Trennung von ihrem Mann ins Auge. Die Würde ihrer Einfachheit macht die Lektüre so eindrucksvoll und anziehend. Da gibt es keine großen Gefühlseruptionen oder anstrengende Kämpfe um das eigene Wohl und Wehe. Das Leben gleitet wie ein leise rauschender Fluß vorbei, und man möchte Noyuri ermuntern, auf das eigene Wohlergehen mehr zu achten.

Hiromi Kawakami ist hier zu Lande schon lange bekannt für ihre einfühlsamen und leicht gesponnenen Liebes- und Ehegeschichten.

Hiromo Kawakami
Bis nächstes Jahr im Frühling
224 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Januar 2013
ISBN-10: 3446241280
ISBN-13: 978-3446241282
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Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so

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Familie in Not!

Inspiriert von Toni Morrison hat Taiye Selasi sich an ihren ersten Roman gewagt. Er beinhaltet eine Familiengeschichte und ist ein seltenes Gemisch aus Trauer, Wirklichkeit und Erinnerung.

Kweku Sai, ein aus Ghana stammende Arzt und Familienvater, stirbt eines Tages einfach so. Man findet ihn eines Morgens im feuchten Gras. Er ist erst 57 Jahre alt und niemand begreift, wie er so unauffällig sterben konnte. War er doch ein hervorragender Arzt, der die Vorzeichen eines Infarkts hätte bemerken können. Er lebte zuletzt in Ghana mit seiner zweiten Frau Ama.

Warum ist er vor 16 Jahren zurückgekehrt in das Land seiner Väter?
Das ist die Ausgangslage für einen Familienroman der seinesgleichen sucht.
In langen assoziativen Passagen erlebt man Kweku als jungen Arzt in Amerika mit seiner Frau Fola und den vier gemeinsamen Kindern.

Die Erinnerungen an sein Herkunftsland Ghana sind stets gegenwärtig. Seine letzte heiße, urwüchsige und einfache Behausung in Ghana steht gegen ein schönes, großes und praktisches Haus in Boston/Amerika. Kweku arbeitete leidenschaftlich gerne. Er rettete Menschen- und Säuglingsleben, so auch das seiner jüngsten Tochter Sadie.

Als schweren Schicksalsschlag erreicht den berühmten und hervorragenden Arzt Kweku aufgrund einer Intrige eines Tages die Kündigung aus seinem erfolgreichen Job. Nachdem die Prozesse, die er gegen die Kündigung angestrengt hat, verloren sind, kehrt er beschämt und verarmt seiner Frau und den vier Kindern den Rücken und verschwindet unauffindbar. Er lebt bis zu seinem frühen Tod in Ghana.

Die Kinder machen auf verschiedene Weise ihren eigenen Weg. Die je eigenwilligen Berufswege zeigen sie als außergewöhnliche und individuelle Charaktere. Fola bleibt allein.

Der Tod Kwekus führt die Familienmitglieder nach vielen Jahren alle noch einmal in Ghana zusammen.

Insgesamt ist die Geschichte traurig. Die bürgerliche Ordnung, die Kweku und seine Frau anstrebten, geht unter der Infamie einer Intrige und bodenloser Beschuldigungen gegen den erfolgreichen Chirurgen zugrunde. Auch rassistische Elemente spielen hier keine geringe Rolle.

Freie Assoziationen bilden den Humus, auf dem die Geschichte entwickelt wird. Es gibt keinen durchgehenden Erzählstrang. Wie im Traum folgt man Erinnertem mit Gegenwärtigem. Über Kontinente und Großstädte hinweg bleibt die Familie zwar verbunden. Innerlich jedoch geht ein Riss durch ihr Leben.

Als folgte man einer sporadisch ablaufenden Gedankenkette, findet man sich in einer Erzählform wieder, in der es Wärme, Liebe und Geborgenheit neben Ehrgeiz und Erfolg und Verlorenheit gibt. Hat man sich einmal in die poetischen Feinheiten, die zwischen den Ereignissen zu finden sind, eingelesen, kann man sich der Faszination der Erzählung nicht mehr entziehen. Hingerissen lauscht man den atmosphärischen Klängen, mit denen man in die wechselnden Stimmungen und das Ambiente hineingezogen wird.

Ein außergewöhnlicher Roman ist Tayie Selasi gelungen. Nicht umsonst wird sie als „neue internationale Stimme jenseits von Afrika“ gepriesen.

Ihre Vorfahren stammen selber aus Ghana. Sie wuchs in London und Massachusetts auf. Ihre Eltern waren Bürgerrechtler und Ärzte.

Taiye Selasi
Diese Dinge geschehen nicht einfach so
400 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 7. März 2013
ISBN-10: 3100725255
ISBN-13: 978-3100725257
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