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Schlagwort: Verrat

Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

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Mutter ist zu dick!
Wie ein Mantra zieht sich diese Feststellung durch den ganzen Roman.

Dieses Buch über eine Familie im Hunsrück zu Beginn der 80ziger Jahre löst Mitgefühl, Empörung und Zorn aus. Zorn darüber, wie ein Mann seine Frau tyrannisiert, und wie diese Frau über Jahre mit dieser Tyrannei leben konnte.

Sie leben in einem kleinen Dorf im Hunsrück: Vater, Mutter und die Tochter Ela.
Von Beginn an merkt man, dass ein unerträgliches Klima des Zanks und des Streits in der Familie zu spüren ist.
Der Vater moniert ständig, dass seine Frau zu dick sei. Das Töchterchen Ela beobachtet und fühlt die Spannung, die fast zu jede Minute des Zusammenseins in der Luft liegt. Sie berichtet aus der Perspektive einer Sechs-bis Zehnjährigen über die Jahre zwischen 1986 bis 1990.

Ist die Mutter zu dick? Man glaubt es kaum, denn anlässlich eines Badeurlaubs in Italien denkt Ela, dass die Mutter schön ist. Im Laufe der Jahre sieht sie die Mutter aber mehr und mehr mit den Augen des Vaters.

Die hilfsbereite und soziale Mutter und der ambitionierte Vater bilden die Pole, zwischen denen das Befinden des Kindes schwankt.

Eine unausgesprochene Wut seitens der Mutter und die ständigen Nörgeleien des Vaters, der ihre Figur zur Ursache für seine eigenen Misserfolge erklärt, prägen das Geschehen. Hin und her gerissen zwischen der Liebe zur Mutter und dem Vater muss sich Ela einen eigenen Weg suchen. Sie ist ein fröhliches Kind, der „Sonnenschein“ der Familie.

Ela ist unschwer als das Alter Ego der Autorin zu erkennen. Sie beschreibt das Leben ihrer Mutter als einer Abhängigen, die sich der ständigen Kritik des Vaters nicht entziehen kann. Der Vater hat seine bäuerliche Herkunft verlassen und ist technischer Zeichner geworden. Er möchte Karriere machen. Seine Klagen über den Berufsalltag und die empfundene Ungerechtigkeit bei Beförderungen bestimmen sein Denken und die Gespräche bei Tisch.
Es ist ein schrecklich verklemmtes Spießerleben, voller Vorurteile und Klischees!

Zwischen den einzelnen Kapiteln des Romans reflektiert die erwachsene Tochter Ela das Verhalten der Eltern und stellt Fragen, ob wirklich alles so war, wie sie es sieht.

Während sich die Mutter mit Diäten quält, tänzelt der Vater mit immer neuen Ideen durchs Leben, braun gebrannt und dem Erfolg hinterher. Ein neues Auto, ein neues Haus: nichts scheint unmöglich, um Prestige zu gewinnen.

Auch die Großelternpaare streiten untereinander.
Das Motto in beiden Häusern war: “ Opa hat entschieden, Oma ist gelaufen. Er war der Kopf, sie die Beine“.

Die achtziger Jahre mit ihren gesellschaftlichen und familiären Zwängen werden ausgezeichnet wiedergegeben. Die Grünen ziehen in den Bundestag ein, und Kohl wird Bundeskanzler. Männerherrschaft in allen Bereichen wird überzeugend beschrieben. Mit der Emanzipation hat es in dem abgelegenen Dorf, und vielleicht nicht nur dort, noch nicht geklappt.

Das Buch liest sich flüssig. Es sind bedrückende Jahre ihrer Kindheit, die von der erwachsenen Ela/ Dröscher zu einem aufschlussreichen Familienporträt verarbeitet wurden. Man kann sich den Sog der Erzählung nicht entziehen.

Daniela Dröscher war mit dieser Arbeit auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

Daniela Dröscher
Lügen über meine Mutter
Kiepenheuer & Witsch, 3. Auflage, August 2022
448 Seiten, gebunden
ISBN-10: 346200199X
ISBN-13: 978-3462001990
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Jessica Durlacher: Die Tochter

Jessica Durlacher: Die Tochter

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Jüngste europäische Geschichte in einem an Spannungen reichen Roman.

Im Hause der Erinnerung an Anne Frank in Amsterdam, der im Krieg von den Deutschen zuerst ins KZ verbrachten und dann getöteten holländischen jungen Jüdin, begegnen sich eines Tages Sabine und Max. Er begleitet seine jüdische Familie zur Besichtigung, und Sabine arbeitet gelegentlich hier.

Es wird viel über Gefühle nachgedacht und die widerstreitenden Gedanken, die einen jeden in diesem Haus befallen. Die ganz schreckliche Nazivergangenheit mit ihrem unendlichen Leid, das sie über die Menschen und insbesondere über die jüdischen Menschen gebracht hat, wird in diesem Besuchen lebendig. Sabine nennt es „schaurig“, und dass das für immer in diesem Hause bleibt.

Warum Sabine so penetrant ein Gespräch mit Max sucht, wird erst allmählich klar.

In leicht mokanten Worten bis geheimen Widerwillen ersteht die Vergangenheit in Max.

Aus Amerika sind Onkel und Tante gekommen. Max ist sehr ambivalent in seinen Gefühlen allen gegenüber. Ob jüdischer Vater oder Mutter: er hat ein feines Gespür für die unterschwelligen Strömungen im Wesen und Gebaren seiner Eltern.

Nach längerer Vorgeschichte mit Einzelheiten aus ihrer beider Leben entflammt zwischen Max und Sabine eine heftige Liebe.

Jessica Durchlacher entwickelt daraufhin ein umfangreiches Panorama menschlichen Verhaltens und des Leids, das Menschen einander zufügen können: Geheimnisse, Misstrauen, Verrat, Liebe und Vertrauen wechseln in ihren Verknüpfung mit den Schicksalen.

Die Autorin hat ein ausgezeichnetes Repertoire an Fantasie und Worten, menschliche Tragödien aufzuzeigen, die in ihren Verstrickungen der Realität nahekommen. Der Bogen der Spannung wird weit gezogen. Juden/ Jüdinnen und holländische Kollaboration werden zum Thema. Lügen in den Familien sind bestimmt von dem Wunsch, die Vergangenheit zu vertuschen oder zu vergessen.

Begegnungen führen von Amsterdam nach Los Angeles und Jerusalem. Die Liebe der zwei Hauptprotagonisten wird immer wieder zerstört, weil sich Sabine in letzter Konsequenz allen Bindungen entzieht.

So vergehen Jahre, bis die Geschichte einem Höhepunkt entgegengeht.

Jessica Durchlacher nimmt Geschehnisse der jüngsten europäischen Geschichte zum Thema. Atmosphärisch dicht und realitätsnah erlebt man gewisse Intellektuelle in Europa und Amerika in ihrem Umfeld, um dem Kern in der Erzählung näherzukommen. Es rührt an das Mitgefühl des Lesers/ Leserin, wenn wieder einmal deutlich wird, wie verführbar der Mensch zum Bösen sein kann, und wie katastrophal das ganze Leben als Folge von Unmenschlichkeit bestimmt bleiben mag.

Bis zur letzten Minute bleibt die Geschichte spannend und anrührend. Eine volle Empfehlung von mir für ein Buch, dass bereits 2003 zum ersten Mal erschienen ist.

Jessica Durlacher
Die Tochter
Diogenes Verlag, 10. Auflage, Februar 2003
336 Seiten, broschiert
ISBN-10: 3257233515
ISBN-13: 978-3257233513
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Jean Philippe Blondel: This is not a love song

Jean Philippe Blondel: This is not a love song

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Eine Reise in die Vergangenheit.

Vincent und Susan leben in London und sind gut situiert. In Paris haben sie sich kennengelernt, und Vincent, der nicht so recht wusste, wohin sein Leben steuert, ist mit Susan nach London gezogen. Inzwischen haben sie zwei kleine Töchter, und es sieht so aus, als seien sie glücklich.
Eines Tages bittet Susan ihren Mann um eine Auszeit. Sie will sich mit den Kindern bei ihren Eltern vom Alltag erholen und meint, Vincent könne doch einmal seine Eltern in Frankreich besuchen.

Widerwillig macht er sich auf den Weg. Seine Eltern sind schlichten Gemüts, und sein Bruder Jerôme ist ein Langweiler mit einer strengen Frau. Besonderer Schicksalsschlag: die beiden können keine Kinder bekommen.
Vincent ahnt nicht, wie ihn auf dieser Reise in die Vergangenheit seine Jugend nochmal einholen wird.

Er hatte in jungen Jahren einen Freund, mit dem er lange in einer Wohngemeinschaft vereint war. Etienne ist auf die schiefe Bahn geraten und in der Obdachlosigkeit gelandet. Bei seiner Heimkehr erfährt Vincent nach und nach von den Umständen, in denen seine Freundinnen und Freunde ihr Leben verbracht haben. Da gibt es Trennungen, Scheidungen und — Etienne. Nicht zuletzt aber auch Céline, seine Schwägerin, die ihm in aller Ehrlichkeit die Wahrheit über Etienne sagt.

Philippe Blondel hat ein feines Gespür für die Brüche im Leben seiner Protagonisten. Man wird hineingezogen in eine verwirrende Geschichte aus Hass, Liebe, Treue, Verführung, Schuld und Versagen. Freundschaften sind sang-und klanglos vergangen, und niemand hat sich weiter füreinander interessiert. Besonders Vincent hat sein altes Leben und die ungeliebten Eltern samt Bruder und Schwägerin hinter sich gelassen. Man fragt sich natürlich, ob nicht jeder das Recht hat, seinen eigenen Weg und das Glück zu suchen. Die besonderen Verwicklungen zwischen allen Beteiligten hier in der Provinz machen den Roman jedoch zu einem spannenden Leseerlebnis. Atemlos folgt man dem Geschehen, das immer neue Verstrickungen offenbart.

Fein ziseliert sind die Charaktere gezeichnet und einprägsam das Milieu, in denen ein jeder sich am Ende wiederfindet.

Lebenswege sind oft unglaublich in ihren Abläufen, und die hier beschriebenen lassen den Gedanken aufkommen, dass die Geschichte aus dem richtigen Leben stammen könnte.

Philippe Blondel gelingen seine Milieustudien hervorragend. Man kann die Lektüre nur empfehlen.

Philippe Blondel
This is not a love song
Goldmann Verlag, Juli 2017
ISBN-10: 3442485932
ISBN-13: 978-3442485932
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Bregje Hofstede: Der Himmel über Paris

Bregje Hofstede: Der Himmel über Paris

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Fluch und Segen der Liebe…

Mit feinem Stift und klugen Worten erzählt die Autorin Bregje Hofstede von einem Paar, das sich auf ungewöhnliche Weise kennen lernt und sich zu einander hingezogen fühlt.

Der mittel alte Professor der Kunstgeschichte Olivier soll sich auf Bitten seines Dekans um eine junge holländische Studentin kümmern, die er vorübergehend bei sich aufgenommen hat. Diese erinnert Olivier in auffallender Weise an seine frühe Jugendliebe Mathilde. Immer wieder muss er hinschauen und sich wundern über diese Ähnlichkeit!

Seine jetzige Freundin Sylvie, mit der er nicht zusammen lebt, ist patent und gegenwärtig. Die frühere Freundin aber lebt noch immer in seinen Fantasien in ihm fort.

Zuerst nur zögerlich, dann immer interessierter beschäftigt sich Olivier mit Fie, wie die junge Studentin heißt. Er lässt sich dazu herab, ihre Übungen zu Kunstbetrachtungen zu überprüfen und mit ihr zu diskutieren. Fie ist spröde, zurückhaltend und wartet ab.

Mit diesem Beginn ist schon alles gesagt, was in dem Roman der jungen Autorin abgehandelt wird.

Verstrickt in Vergangenes und fasziniert vom Gegenwärtigen gerät der renommierte Professor immer tiefer in eine Lebenskrise. Sein ganzes bisheriges Leben kommt dabei auf den Prüfstand. Am Ende steht nicht mehr ein Stein auf dem anderen. Es gilt, neue Perspektiven zu finden und nach ihnen zu leben.

Bregje Hofstede erzählt prägnant und weitblickend. Was Menschen mit ihrem Leben anfangen, und was aus ihnen werden kann. Scheu und verloren wirken die einen, stark und sicher die anderen. Die junge Studentin verantwortet mit ihrem Verhalten allerlei Widrigkeiten, unter denen Olivier unterzugehen droht. Die Nebenfiguren bieten die Reibungsfläche, unter der Schicksale zu zerschellen drohen.
Gelegentlich verwischen die Konturen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Ist das aber nicht im wirklichen Leben sehr ähnlich?

Menschen können an sich selber verzweifeln, wenn sich Wahrnehmung und Fantasie vermengen.

Es geht in dem Roman um Liebe, Treue und Zuverlässigkeit und um Rache und Verrat.

Eine erstaunlich einfühlsame Studie ist der jungen holländischen Autorin und der Übersetzerin Heike Baryga mit diesem Roman gelungen.

Bregje Hofstede
Der Himmel über Paris
224 Seiten, gebunden
H.Beck, August 2015
ISBN-10: 3406683436
ISBN-13: 978-3406683435
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Laura Walden: Korallenherz

Laura Walden: Korallenherz

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Nach dem Tod ihrer Mutter werden Lucy und Miranda Clayton ins Kinderheim abgeschoben. Hier beginnt für die Mädchen ein unerträgliches Leben unter strenger Aufsicht. Es gelingt ihnen nicht, sich dem unterzuordnen. Als sie durch Zufall aus den Heimunterlagen erfahren, dass sie noch einen Vater haben, entschließen sie sich zur Flucht, auch wenn die Reise bis an ihr Ziel viele Tage dauern wird.

Auch Mandu, ein verschleppter Mischlingsjunge, hält es auf der Farm, auf der er arbeitet, nicht mehr aus. Als er des Mordes bezichtigt wird, obwohl es ein Unfall war, flieht auch er. Er hat eine Ahnung davon, wo er seine Mutter finden kann. Das ist sein Ziel.

Ebenfalls unterwegs ist auch der junge Neuseeländer Brian Milton. Er wurde von seiner Familie nach Australien abgeschoben, wie es scheint. Die Gründe dafür, behält er für sich. Sein Onkel, bei dem er unterkommen sollte, ist jedoch aus beruflichen Gründen nun an einem anderen Ort und Brian muss ihm auf eigene Faust hinterher reisen.

Lucy und Miranda begegnen den beiden. Sie schließen sich zu einer kleinen Gruppe zusammen und wollen gemeinsam nach Cairns reisen.

Die vier Jugendlichen haben kaum etwas gemeinsam. Außer Brian sind sie praktisch auf der Flucht. Während die Heimleiterin natürlich versucht, ihre Schützlinge wieder in ihre Obhut zu bringen, wird Mandu von einem Kopfgeldjäger verfolgt.

Eigentlich ist das Stoff für eine wirklich spannende Geschichte, die im Jahre 1897 in Australien spielt. An Tiefgang fehlt es jedoch. Die Autorin setzt auf Unterhaltung. Die jungen Leute, außer vielleicht Nandu mit seiner bewegenden Vergangenheit, nehmen die Dinge nicht allzu schwer. Sie vertrauen auf ihr Glück. Und die Autorin gesteht es ihnen zu. Es geht tatsächlich alles gut und das auf eine doch eher unglaubwürdige Weise. Die Mädchen haben nebenbei noch viel Zeit sich zu verlieben, als würden sie keine Existenzängste plagen.

Das Buch ist unterhaltsam, spannend und es liest sich auch gut, so wie man es von einfacher Unterhaltungsliteratur für die Zielgruppe von Kindern ab 12 Jahren erwarten kann.

Rezension von Heike Rau

Laura Walden
Korallenherz
400 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570156192
ISBN.13: 978-3570156193
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Tom Rob Smith: Ohne jeden Zweifel

Tom Rob Smith: Ohne jeden Zweifel

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Ein Thriller der besonderen Art!

Der Icherzähler dieses spannenden Romans beginnt mit gemütvoller Schilderung seinen Lebensbericht über seine Eltern und sich und das, was er mit diesen erlebt hat.

Die Eltern zogen eines Tages aus London nach Südschweden, woher seine Mutter stammte. Sie hatten ihre Gärtnerei in London verkauft und im Süden Schwedens einen etwas herunter gekommenen Hof erworben. Dort wollten sie bescheiden und glücklich ihren Lebensabend verbringen. Was wie eine romantische Idee aussah, entpuppte sich jedoch für Daniel, ihren Sohn, als wahre Schauergeschichte. Denn ohne Vorwarnung bekam er nach etwa einem viertel Jahr einen Anruf vom Vater, dass die Mutter an einer Psychose litte und in einer Klinik sei.

Nun nimmt eine Geschichte ihren Lauf, die mit Spannung zu immer neuen Höhen aufdreht.

Tilde, Daniels Mutter, flieht vor der schwedischen Psychiatrie nach London zu ihrem Sohn in der Hoffnung, dass er ihren vermeintlichen Wahnideen Glauben schenkt. Doch auch Daniel weiß sich nicht anders zu helfen, als seine Mutter nach wirren und fast unglaublichen Geschichten, die sie ihm breit und chronologisch  erzählt hat, in die Londoner Psychiatrie einweisen zu lassen.

Er macht sich am Ende selber auf die Suche nach der Wahrheit, immer auf der Flucht vor Fehlinformationen. In Schweden, wohin er reist, stößt er auf Geschichten, die ihn fast an sich selber und seinen Wahrnehmungen zweifeln lassen. Doch unverdrossen geht er seiner Spurensuche nach und stößt auf erstaunliche Belege für Dinge, die zunächst auch ihn an einen Wahn hatten denken lassen.

Fazit: mit Raffinesse und Geschick führt uns der Autor auf Spuren, die uns in die Irre führen und dringend der Aufklärung bedürfen. Es geht um Kindesmißbrauch und Inzest, um Adoption und immer wieder um Verwirrspiele, mit denen die Wahrheit um die diversen Mißbräuche verschleiert wird. Das düstere Schweden im Winter mit kargen Lebensbedingungen in Schnee und Eis, mit weiten Feldern, die wenig besiedelt sind, und tiefen Seen geben der Geschichte eine besondere Dynamik.

Dieser Psychothriller kommt ohne Mord und Totschlag aus. Dafür benutzt er die menschliche Psyche, die von Paranoia und Einbildung gesteuert alle Beteiligten ins Chaos zu stürzen scheint. Verwickelnd, spannend und bis zuletzt faszinierend kann Tom Rob Smith auf der Klaviatur zwischen Wahn und Wirklichkeit balancieren.

Sehr lesenswert!

Tom Rob Smith
Ohne jeden Zweifel
384 Seiten, gebunden
Manhattan, Oktober 2013
ISBN-10: 3442546788
ISBN-13: 978-3442546787
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Louis Begley: Erinnerungen an eine Ehe

Louis Begley: Erinnerungen an eine Ehe

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Untreue, Verrat und Betrug.

Louis Begley ist einem breiten Publikum bekannt durch seine Romane über Schmidt, den New Yorker Anwalt, den man über einige Jahre seines Lebens begleiten konnte. Der Autor hat mit seinen Reflexionen über das Leben und die verrinnende der Zeit den Menschen aus der Seele gesprochen.

An jene Erfolge kann Begley mit seinem neuen Roman „Erinnerungen an eine Ehe“ nicht unbedingt anknüpfen. Zu ausufernd benennt er Namen und Orte, an denen die Handlung spielt, und zu zahlreich und ausschweifend sind die vielen Nebenfiguren, mit denen die Erzählung angereichert ist. Sie werden in schneller Folge aufgezählt und eingeschoben und die Aufmerksamkeit des Lesers erlahmt ein wenig.

Zum Plot:

Philip, ein erfolgreicher Schriftsteller, der in New York und Paris zu Hause ist, hat schon früh Tochter und Frau verloren. Er führt ein recht einsames Leben. Nach Jahren kehrt er aus Paris nach New York zurück und trifft überraschend Lucy, eine frühere Bekannte und geschiedene Frau seines mittlerweile verstorbenen Freundes Thomas Snow. Philip und Lucy sind inzwischen um die siebzig Jahre alt, und Lucy tritt mit dem dringenden Anliegen an Phil heran, über ihre Ehe mit ihm zu sprechen. Ihr geht es darum, sich selber ins rechte Licht zu rücken und Thomas schlecht zu machen. Philip nimmt es mehr unwillig als wirklich interessiert zur Kenntnis, bis ihn die Neugierde überkommt, doch noch Näheres über die missglückte Ehe der beiden zu erfahren. Durch die ausführlichen Schilderungen anderer Freunde, die sowohl Thomas als auch Lucy kennen, rundet sich das Bild einer „femme fatale“ wie sie im Buche steht.

Es wird viel Alkohol konsumiert in den Gesellschaftskreisen der beiden, und man erlebt die New Yorker Partyszene zu Beginn des 21. Jahrhunderts als feier- und genussfreudig. Lucy ist eine Frau, die Männer benutzte und von diesen benutzt wurde. Sie hat sich vergeblich Selbstbestätigung aus ihren Affären versprochen. Jahrelange Analysen bei einem Psychoarzt konnten ihr nicht helfen. Am Ende ist aus der einst schönen Frau eine bissige und verbitterte Alte geworden.

Das New Yorker Gesellschaftsleben, das Gefälle zwischen Arm und Reich, eine gewisse Leichtigkeit des Seins und viele illustre Anwälte und Banker bevölkern den Roman, der zuletzt noch mit einem besonderen Kick den Charakter von Lucy De Bourgh beleuchtet!

Louis Begley zeigt einmal mehr sein Talent, Gesellschaftsklatsch, schöne Welt mit den Amouren seiner Figuren zu verbinden.

Wer sich im New York der Reichen und Schönen, der Erfolgreichen und Gebildeten umsehen möchte, wird trotz der oben genannten Einschränkungen seine Freude an dem Roman haben.

Louis Begley
Erinnerungen an eine Ehe
222 Seiten, gebunden
Suhrkamp Verlag, September 2013
ISBN-10: 3518423924
ISBN-13: 978-3518423929
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Kjell Eriksson: Schwarze Lügen, rotes Blut

Kjell Eriksson: Schwarze Lügen, rotes Blut

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Wer der Ermordete ist, erfährt man im Obdachlosenasyl. Es handelt sich um Bosse Gränsberg. Außerdem hatte er einen Zettel mit einer Telefonnummer in der Tasche. Diese gehört zu Anders Brant, der nicht erreichbar ist. Kommissarin Ann Lindell kennt ihn. Sie hat in den letzten Wochen viel Zeit mit ihm verbracht. Dabei hatten sie nicht viel miteinander geredet, vielmehr die Zeit im Bett verbracht. Lindell weiß, das Brant, der als freiberuflicher tätiger Journalist arbeitet, unterwegs ist. Für ein oder zwei Wochen hatte er sich von ihr verabschiedet, ohne große Erklärungen zu machen. Auch ihr Versuch, ihn zu erreichen, scheitert. So behält sie erst einmal ihre Bekanntschaft für sich und beobachtet die Ermittlungsarbeiten ihres Kollegen Sammy Nilsson.
Sie selbst ist ebenfalls mit einem kniffligen Fall beschäftigt. Es geht um das Verschwinden des Mädchens Klara Lovisa. Wobei keiner mehr Hoffnung hat, sie noch lebend zu finden.
Während Brant unauffindbar bleibt, wird seine Wohnung durchsucht. Die Polizei versucht einen Anhaltspunkt zu finden, um die Verbindung zwischen Brant und Gränsberg zu klären. Brant wird wie ein Tatverdächtiger behandelt. Im Moment gibt es aber auch keine andere Spur. Das macht Lindell sehr zu schaffen. Zumal ein paar unschöne Dinge über Brant herauskommen.

Kommissarin Ann Lindell, alleinerziehende Mutter, ist in einer sehr schwierigen Lage. Sie hat einen komplizierten Fall zu lösen, während in ihrem Privatleben alles drunter und drüber zu gehen scheint. Offenbar hat sie sich in den Falschen verliebt. Doch so recht glauben, will sie das nicht. Ein Rädchen greift ins nächste und so wird der Krimi immer faszinierender. Die Handlung ist sehr realistisch gehalten. Das überzeugt.

Der Blick fällt natürlich zuerst auf Ann Lindell, die sehr authentisch rüberkommt. Sie ist eine Frau mit Ecken und Kanten. Aber sehr sympathisch. Man kann ihr Handeln gut nachvollziehen, auch wenn sie mit ihrem Schweigen einen Fehler begeht, der ihr bewusst ist. Während der Leser halbwegs eingeweiht wird, was Anders Brant angeht, muss sie mit ihren Zweifeln allein fertigwerden. Beruflich nachlassen darf sie deshalb natürlich mit. Und so setzt sie alles daran Klara Lovisa zu finden und ihrem Mörder zu überführen.
Ann Lindell, Anders Brant und die Ermittlungsarbeiten Sammy Nilssons – man verfolgt also drei Erzählstränge. Jeder für sich genommen sehr spannend, bilden diese eine Einheit im Buch. Man wird gut unterhalten.

Rezension von Heike Rau

Kjell Eriksson
Schwarze Lügen, rotes Blut
Ein Fall für Ann Lindell
Kriminalroman
416 Seiten, broschiert
dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423212535
ISBN-13: 978-3423212533
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Donna Milner: River

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Glückliches Familienleben und unglücklicher Zerfall der heilen Welt…

Mit stiller Aufmerksamkeit und gebannt liest man von einer Familiengeschichte, die im Westen Kanadas angesiedelt ist und voller geheimnisvoller Andeutungen auf eine Tragödie hinausläuft.

Über das fröhliche, glückliche und zufriedene Familienleben war eines Tages ein trauriges Schicksal hereingebrochen.

Heiter und geruhsam lebte das Ehepaar Ward mit seinen vier heranwachsenden Kindern auf einer Milchfarm in Atwood, einem kleinen Kaff in Kanada unweit von Vancouver.

Carl und Morgan, Natalie und der älteste Bruder Boyer helfen bei der Arbeit auf der Farm, denn jede Hand wird gebraucht.

Boyer ist schon 22 Jahre alt und Nathalie liebt und bewundert ihren großen Bruder sehr! Wie hatte die Mutter gehofft, dass er die Universität besuchen würde! Doch Boyer bleibt wie seine Geschwister auf der Farm.

Heute im Jahre 2003 ist Natalie 52 Jahren alt und arbeitet als Journalistin weit entfernt von ihrem ursprünglichen Zuhause. Als sie eines Tages vom Bruder zur sterbenden Mutter gerufen wird, überkommen sie mit innerer Bewegung noch einmal Erinnerungen daran, wie alles einmal war, was dann so traurig endete.

Donna Milner berichtet aus verschiedenen Perspektiven, wie es zum Zerfall der Familie kommen konnte. Niemand ahnte in dem ruhigen heißen Sommer von 1966, dass die heile Welt der Jugend und Kindheit dramatisch zerbrechen könnte.

Eines schönen Tages taucht in der ruhigen Idylle des Farmlebens Richard Jordan auf, genannt „River“. Er ist ein Hippie, der friedlich und unaufgeregt in das heile Familienleben eindringt. Hippie, das bedeutete damals „make love, not war“, und das bedeutete Rebellion gegen die amerikanische Regierung, die sich in Vietnam einmischt und einen grausamen Krieg mit verursacht. River ist ein sanfter und ausgeglichener Mensch, der nach Kanada desertiert ist, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Als fleißiger Helfer und anregender Geist ist er in der Familie sehr willkommen.

Die Landschaft und das gemütliche Gemeinschaftsleben erfahren ausführlich Würdigung in Milners Erzählung. Küchendüfte, Heuernte und der liebevolle Umgang der Menschen untereinander deuten auf ein friedliches Landleben hin. Doch regen sich Zweifel, leise Hoffnungen und Liebesgefühle bei einzelnen Protagonisten, die auf mögliche Unruhe in der harmonischen Idylle hindeuten. Dass sich am Ende eine verwickelte, äußerst spannende und sehr anregende Familiensaga aus den Anfängen der Erzählung entwickelt, in der unglaubliche Ereignisse stattfinden, macht die Lektüre zu einem spannenden Schmöker, den man begeistert bis zum Ende liest.

Donna Milner
River
397 Seiten, broschiert
Piper (April 2010)
ISBN-10: 3492258743
ISBN-13: 978-3492258746

Paul Torday: Charlie Summers

Paul Torday: Charlie Summers

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Charlie Summers ist ein Hochstapler!

Mit Unverfrorenheit und Chuzpe nähert er sich in Frankreich zwei englischen Freunden, die dort zum Urlaub und Golfspielen verabredet waren.

Hector Chetwode- Talbot, genannt Eck, und sein Freund Henry Newark sind einigermaßen überrascht, als sich der schmuddelig aussehende Charlie Summers aufdringlich an ihre Fersen heftet.

Zurück in England nimmt Summers die Gelegenheit wahr, um einer leicht dahingesagten und nicht ernst gemeinte Einladung auf das Gut von Lord Newark zu folgen. Er nistet sich bald darauf in dem kleinen unansehnlichen Ort Stanton St.Mary in der Nähe von Stanton Hall ein, um von dort aus seine dubiosen Geschäfte mit angeblich aus Japan stammendem Hundefutter zu starten.

Inzwischen geht Eck seinen ebenfalls undurchsichtigen Geschäften mit Hedgefonds nach. Nachdem er die Armee verlassen hatte, war ihm ein Freund behilflich, ins Finanzgeschäft einzusteigen.

Was Summers im Kleinen tut, das veranstaltet Eck in großem Stil: er schafft mit seinen Beziehungen die Kontakte zu potenziellen Großanlegern. Nach und nach dämmert ihm, dass er bei Geschäftskontakten behilflich ist, die zu kriminellen Machenschaften bei der Anlage großer Summen führen.

Bankencrash und Finanzblasen, Freundschaften, Verrat an ihnen, die Liebe und unsaubere Geschäfte vereint Paul Torday zu einem spannenden Gesellschaftsbild, in dem Al Qaida und die Wirtschaftskrise von Ferne drohen und in dem sich der luderige Zeitgeist des 21. Jahrhunderts spiegelt.

Der Autor ist ein famoser Erzähler. Mit Witz, trockenem Humor und ironischen Betrachtungen nimmt er sich aktuellen Themen der Zeit an. Die Generosität der guten englischen Gesellschaft erfährt bei allem finanziellen Desaster Würdigung. Paul Torday legt in seinen Erzählungen den Finger auf Wunden gesellschaftlichen Wildwuchses und überzieht und karikiert damit aktuelle Zeitströmungen.

Nach seinem Roman „ Lachsfischen im  Jemen“ ist ihm erneut ein humorvoll und spannend  geschriebener Roman gelungen!

Paul Torday 
Charlie Summers
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Verlag: Berlin Verlag
ISBN-10: 3827008832
ISBN-13: 978-3827008831