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Felicitas von Lovenberg: Und plötzlich war ich zu sechst

Felicitas von Lovenberg: Und plötzlich war ich zu sechst

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Familienkonstellationen in modernen Zeiten…

In lockerem und leichtem Ton erzählt Felicitas von Lovenberg, wie es ihr erging, als sie einen Mann mit zwei Kindern kennen und lieben lernte.

Sie ist über dreißig Jahre alt und hatte nach einer geschiedenen Ehe, die sie hinter sich hat, eigentlich dem Familienstand „Ehe“ abgeschworen.

Doch dann begegnet ihr der „Mann ihres Herzens“. Sie muss sich allerdings zugleich in zwei kleine Kinder verlieben, denn ohne diese kann sie den Mann nicht haben! Ihre eigenen Erfahrungen sind die Quelle, aus der sich der hier vorliegende Bericht speist.

Die Autorin bezieht sich in ihren Aufzeichnungen auf Untersuchungen, Statistiken und Veröffentlichungen zum Thema „Patchworkfamilie,“ deren Titel man im Anhang aufgeführt findet.

Mit ihren klugen theoretischen Erörterungen, Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis und Beobachtungen an sich und anderen beschreibt sie die Achterbahnfahrt, die man erlebt, wenn man sich erst einmal auf die Form von getrennten und neu gegründeten Familien mit allen dadurch bedingt verzweigten Verwandtschaftsbeziehungen einlässt.

Geistreich, witzig und schlagfertig sind die Situationskomiken, mit denen sie sich konfrontiert sieht. „Das hat unsere Mutter aber anders gemacht“ bezeichnet sie als Killerargument, gegen das es nichts zu sagen gibt.

Im Bekanntenkreis mit befreundeten Familien des neuen Mannes wird sie argwöhnisch begutachtet. Mit schmissigen Bemerkungen weiß sie über ihre Beobachtungen zu berichten. Sie ist ganz bei der Sache und doch distanziert genug, um ihre Erfahrungen mit Humor und Überlegenheit zu analysieren. Aus ihren Anmerkungen lugt gelegentlich der Schalk hervor, mit dem sie sich teils über sich selber oder über die anderen Beteiligten sehr reflektiert auslässt. Das heißt nicht, dass ihre Ausführungen nicht substantiell sind und auf ernster Grundlage basieren.

Warmherzig, einfühlsam und beherzt geht sie ihren neuen Lebensabschnitt an. Es ist ein langer Weg, bis sie zu der Einsicht gelangt, dass sie „Stiefmutter“ der Kinder ihres Mannes ist und bleiben will, nicht Freundin, Kumpel oder sonst wie geartete Begleiterin. Sie setzt ihre Regeln durch und bietet damit den Kindern ein sicheres Gegenüber. Dass bei diesem Prozess die Liebe zu ihrem Mann überdauert, ist Ausdruck von Stärke und Sicherheit im Urteil. Als Krönung ihrer „Arbeit“ als Patchworkerin bekommt sie nach Jahren zwei eigene Kinder. Erst dann scheint sie sich als richtige Familie zu fühlen. Auch hier bleibt sie jedoch kritische Beobachterin ihrer eigenen Gefühlswelten.

Ihre Analysen sind raumgreifend und detailgenau, wenn auch gelegentlich nicht ganz korrekt. Harz IV Empfängerinnen mit drei Kindern müssen nicht mit nur 490,00€ auskommen. Da gibt es noch Kindergeld und Mietzulagen.

Wie verwirrend aber das Zusammenspiel so vieler alter und neuer Stiefmütter- Väter und Großeltern sein kann, macht sich der unerfahrene Leser nicht klar. Da gibt es ungeahnte Kombinationen und Dynamiken, die es schwer machen, noch die richtige Zusammenhörigkeit zu orten. Insgesamt ist das eine gescheite und umfassende Studie, die neue Formen von Familienleben eruiert.

Felicitas von Lovenberg ist eine gut aussehende, strahlende und imponierende Gestalt im deutschen Literaturbetrieb, die als Leiterin des Feuilletons der FAZ schon einige Preise und Ehrungen einheimsen konnte. Man sieht mit Staunen, wie mutig sie sich ihrer neuen Aufgabe als Stiefmutter gestellt hat und wünscht ihr nach ihren Ausführungen, dass es ihr gelingen möge, das Familienglück zu erhalten.

Felicitas von Lovenberg
Und plötzlich war ich zu sechst
256 Seiten, gebunden
S. FISCHER, Mai 2014
ISBN-10: 3100800338
ISBN-13: 978-3100800336
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Chimanda Ngozi Adichie: Americanah

Chimanda Ngozi Adichie: Americanah

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Leben und Wachsen in unterschiedlichen Zivilisationen…

Mit dem Roman „Americanah“ von Ch. Adichie findet erneut nach Taiye Selasi und Ayana Mathis eine farbige Schriftstellerin den Weg in die Öffentlichkeit. Er wird Furore machen!

Ch. Adichie stammt aus Nigeria und hier beginnt auch ihre Erzählung von Ifemelu und Obinze, einem Paar zu Beginn ihres Studiums in Nsukka und Ibadan. Die Ereignisse beginnen um das Jahr 1990.

Adichie beschreibt das Leben einer gebildeten Schicht in Lagos/Nigeria. Fröhlich und heiter geht es da zu. Doch die Dozenten an den Universitäten streiken, denn die Arbeitsbedingungen und das Geld sind ständiger Anlass für Konflikte. Der Trend der besser gestellten Familien geht dahin, ihre Kinder in Amerika studieren zu lassen. Das aber kostet Geld!

Ifemelu schafft den Sprung nach Amerika. Dort muss sie sich als Kindermädchen, Kellnerin oder mit anderweitigen Dienstleistungen durchbringen, denn ihr Stipendium würde für das tägliche Leben nicht ausreichen.

Für die Liebenden schien die Zukunft gesichert, wenn sie erst ihr Studium beendet hätten. Doch es kommt alles anders!

Die Liebe zwischen Ifemelu und Obinze bildet den Tenor in einem Werk, das allumfassend Rassenproblematik, Leben in Nigeria, Amerika und England umfasst. Die Liebe zwischen den beiden ist tief und sieht sich zahlreichen Anfechtungen ausgesetzt. Um sie gestaltet sich ein Gesellschaftsbild, das aufschlussreiche Einblicke in die Fragen von Bildung, Aufstieg und Leben im Westen wie in der dritten Welt bietet.

Menschen schwarzer Hautfarbe sind in Afrika Gleiche unter Gleichen in Amerika hingegen mehrheitlich Nachfahren von Sklaven. Das alleine schon erzeugt eine je eigene Identitätsbildung.

Ifemelu verliert durch eigene Schuld den Kontakt zu Obinze, der seinen Weg über England zurück nach Lagos in Nigeria nimmt und nach Jahren als erfolgreicher Geschäftsmann dort arbeitet. Auch Infemelu kehrt aus Amerika zurück in die Heimat, wo man diese Rückkehrer „Americanah“ nennt!

Atemlos liest man sich durch die Seiten dieses opulenten Werks, das immer neue Einblicke in die Lebensstrategien einzelner Protagonisten gestattet.

Die Autorin ist eine blendende Erzählerin. Ihre Dialoge sind eindringlich und facettenreich. Es entsteht ein emphatisches Bild verschiedener in Afrika oder Amerika lebender Menschen schwarzer oder auch weißer Hautfarbe. Die Kinder aus den gebildeten Schichten farbiger Herkunft müssen sich in Amerika der Hautfarbe wegen einem schwierigen Verfahren von Anpassung, Unterwerfung und eigenem Durchsetzungsvermögen stellen. Yale, Princeton und Harvard als Eliteuniversitäten sind die Stationen, in denen sich Afrikaner und Afroamerikaner mit besonderer Begabung ihrem Studium widmen. Der Abschluss an diesen Universitäten bietet zwar ungeahnten Möglichkeiten des Aufstiegs; doch in der Realität sieht das Leben der Studenten zuweilen sehr dramatisch aus. In ihren Studentenjobs sehen sie sich als Toilettenputzer oder müssen als Escortmädchen arbeiten, was häufig mit unerträglichen Avancen der Auftragsgeber verbunden ist. Dass dabei die Würde Schaden nehmen kann, ist eine der Ursachen, die zu Identitätskrisen und Enttäuschungen mit lang anhaltenden Folgen kommen mag.

Voller Enthusiasmus starten Adichies Romanfiguren ins Leben, bis sie zuletzt mit den Einschränkungen nicht erfüllbarer Liebeserlebnisse oder Lebenspläne zurecht kommen müssen

Ein vielfarbiges Gesellschaftspanorama und nachdenkenswerte Eindrücke beleben eine Geschichte, die gesellschaftspolitische Aspekte mit dem ganz alltäglichen Leben verbindet. Nebenbei ist der Roman ein hinreißender Liebesroman: “Er nahm auf dem Tisch ihre Hand in seine, und zwischen ihnen wuchs eine Stille, eine uralte Stille, die sie beide kannten. Sie war in dieser Stille, und sie war in Sicherheit.“

Chimanda Ngozi Adichie
Americanah
608 Seiten, gebunden
S. FISCHER, April 2014
ISBN-10: 3100006267
ISBN-13: 978-3100006264
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