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Leise Wege

Mitglied
Da drüben lagen wir und dürften nie -
Nie und nimmer uns erspüren. Wagende!
Sind du und ich im Uns Getragene,
Sag, wie wir uns leben können,- wie?

Dort sollen wir und sind Fragende,
bis uns grüne Galle Antwort spie.
Es treibt uns nur wie Herdenvieh
Einzeln sind wir! - Und Verzagende!

Ein Bleiben wär´ wie Tod zu sehen,
nie zu sich und zu einander stehen,
nie aus der Herde auszubrechen.

Komm! wir lassen die Gefühle sprechen,
wollen mit den ganzen Normen brechen,
Aller Lüge wahr entgegen gehen.
 

Franzi

Mitglied
Gefällt mir ...
Strophe 2 Zeile 1 müsstest du mal wegen Silbenanzahl schauen, das flutscht noch nicht so ganz (in meinem Ohr).
GGfs. sind noch andere kleine Stellen, wo in meinem Ohr die Metrik nicht so aalglatt ist, bin aber nicht ganz sicher, (ich) schau noch mal ...
LG, Franzi
 

presque_rien

Mitglied
Hi Moni,

ich finde das Gedicht sehr, sehr schön! Ich finde, deine Lyrik hat wirklich einen ganz besonderen eigenen Charakter. Und obwohl ich sonst immer die klassische Form verfechte, muss ich bei diesem Gedicht (wie schon bei "Schattenkind") sagen: Die unebene Form passt!

Am Anfang war ich etwas verwirrt:
Da drüben [red]lagen [/red]wir und [red]dürften [/red]nie -
Nie und nimmer uns erspüren. Wagende!
Ich habe mich gefragt, ob die Kombination von Vergangenheit im Indikativ und Gegenwart/Futur im Konjunktiv wirklich sinnvoll ist. Wäre nicht "liegen" vielleicht besser? (Oder ich verstehe was nicht.) (Schön: Der wiederholte ü-Laut!)

Insgesamt finde ich die Quartette gelungener als die Terzette: "Ein Bleiben wär´ wie Tod zu sehen" finde ich ungeschickt formuliert; und "auszubrechen/brechen" finde ich ebenfalls ungelungen, auch wenn man vielleicht argumentieren könnte, dass die Wiederholung die Intensität erhöhe.

Den Inhalt finde ich sehr komplex - mich zumindest treibt er zum nachdenken an. Für mich geht es hier um Liebe als den einzigen Schlüssel zum "echten" Leben. Sehr gelungen ist m.E. das Bild der Herde, in der man sich dennoch immer als ein "Einzelner" fühlt. Ich musste auch irgendwie an Darwin denken: Ohne Liebe ist der Mensch nur ein im Evolutionsprozess begriffenes Tier in einer Masse (einem Genpool). Ebenfalls sehr gelungen: Diese Mischung aus Angst und Hoffnung in deinem Gedicht. Angst, dass auch Liebe lediglich ein Evolutionsmechanismus, eine Lüge ist? ("Dort [blue](im Uns) [/blue]sollen [blue](!!!)[/blue] wir und sind Fragende,
bis uns grüne Galle Antwort spie.")

Vielleicht bin ich aber gerade auch zu sehr in mein Psychologiebuch vertieft? ;) (Examen steht an...)

In jedem Fall denke ich, dass jeder aus deinem Gedicht sehr viel schöpfen kann. Deshalb: 10 Punkte. :)

Lg presque
 

Leise Wege

Mitglied
@ Franzi
Danke Dir, Du hast schon Recht, es sind keine wirklichen Klangzeilen, deshalb flutscht das nicht so durch.
Gerade die Zeile, die Du anmerkst... sie ist sogar das Opfer an die Silbenzahl: das "und" benutzt statt einem Komma.
Hm, ich probier mal was, dann gehts vielleicht besser.

@ Balu
Dankeschön Knut, - nun, die Frage schwebt über allen Zeilen, schön, dass sie durch die Wiederholung des "wie" noch zu bekräftigen war.
Wow, - ein Meilenstein,
eines meiner Besten - ein Blümchen am Weg, den ich so gerne gehe. Schönes Lob, besonders da es von einem Autor kommt, der den Fokus in seinen eigenen Texten mehr als gut zu richten vermag.

Danke Euch und Lg
Moni
 

Leise Wege

Mitglied
@ presque
Woww, was ein Kommentar! Dankeschön!!
Ganz ehrlich, als ich es eingestellt hab, hab ich gedacht, ich krieg hier ganz gewaltig auf die Ohren :). Ich mag natürlich die klassischen Formen und liebe deren Klang. Auch dieses hier hatte ich versucht ganz ordentlich in Klangzeilen zu verwandeln, nur... dann war es totgeändert und flog ganz schnell ohne Wiederkehr in den Müll.
Natürlich muss es "liegen" heissen, - wird im Anschluss sofort geändert.
Deine Aufschlüsselung ist eine spannende und stimmige Variante. Die Herde könnte man als die Gesellschaft betrachten, in der der Wert Liebe gleich Null ist, für den Einzelnen jedoch kann er alles sein. Bleibt er aber Mitläufer(ein Herdentier), so trägt er Frage und bittere Antwort gleichermaßen, lebt Lüge. Moralvorstellungen hingegen stellt die Gesellschaft sehr wohl auf, und hier könnte auch der Blick auf die "verbotene" Liebe gerichtet werden, vielleicht einfach eine, die auf keinem Papier der Welt je zu finden sein wird. (S1 - dürfen nicht und tun doch) Die andere Blickrichtung entgegengestellt - dort gibt es wohl ein Papier, aber Liebe mags nicht sein - stößt bitter auf und kommt auch als Galle entgegen. Bricht da keiner aus, dann stellt sich auch hier Liebe als solche selbst in Frage. Noch einige andere Möglichkeiten des Assoziierens sind gegeben, die ich gern dem Leser überlassen möchte. Die Quartette sind mir gewohnter, als die Terzette. Mal gucken, ob ich sie noch verbessern kann.
10 Punte! - Das haut mich natürlich aus den Socken!
Vielen Dank für das lesen, die Auseinandersetzung und die Rückmeldung.
Lieben Gruß
Moni
 

Leise Wege

Mitglied
Da drüben liegen wir und dürften nie -
nie und nimmer uns erspüren. Wagende!
Sind du und ich im Uns Getragene,
sag, wie wir uns leben können,- wie?

Dort nun sollen wir, sind Fragende,
bis uns grüne Galle Antwort spie.
Es treibt uns nur wie Herdenvieh,
einzeln sind wir! - Und Verzagende!

Tödlich ist das Bleiben anzusehen,
nie zu sich und zu einander stehen,
nie aus der Herde auszubrechen.

Komm! wir lassen die Gefühle sprechen,
wollen auf die ganzen Normen dreschen,
aller Lüge wahr entgegen gehen.
 
H

Heidrun D.

Gast
Eigentlich ist schon alles gesagt.

Ich bin spät dran ...

Meine Lieblingsstrophe:

Dort nun sollen wir, sind Fragende,
bis uns grüne Galle Antwort spie.
Es treibt uns nur wie Herdenvieh,
einzeln sind wir! - Und Verzagende
Ach, ja!

Liebe Grüße
Heidrun
 

Leise Wege

Mitglied
Dankeschön Heidrun,

die Aussagekräftigste :)
Schön, dass Du hier warst.
Spät? ach iwo, Zeit ist doch soooo relativ.

Lieben Gruß Dir
Moni
 



 
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