'Die zwischenmenschliche Kommunikation' oder 'Wie lerne ich wen kennen'

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Es beginnt im ersten Lebensjahr. Begegnet dir ein Fremder, der genauso ein windeltragender Krabbelmensch ist wie du, wird erst mal ein Spielzeug geklaut oder mit spitzem Zeigefinger ins erstaunt dreinblickende Gesicht des neuen Gegenübers gepiekst. Damit ist die Kontaktaufnahme meist erledigt. Du gehst zu gemeinsamen Aktivitäten über oder wendest dich eigenen Aufgaben zu.

Kaum auf zwei Beinen und mit einem gewissen Sprachschatz ausgestattet, wirst du ebenso kleine Zweibeiner sofort als neue Freundin oder neuen Freund identifizieren. Meist erfährst du irgendwann auch mal den Namen des Freundes. Ebenso schnell können diese innigen Blitzbeziehungen aber auch wieder vorbei sein – etwa, wenn die Sandschaufel nicht hergegeben wird. Dann ist Schluss mit Lustig. Diplomatie ist nicht gefragt. Kurz und bündig wirst du verkünden „ Du bist nicht mehr mein Freund!“

Die ersten Schuljahre bringen endlich Struktur in die Art und Weise des Kennenlernens. Ist die Mutprobe bestanden, die richtige Bande gefunden, bist du wer und jeder kennt dich. Trägst du eine doofe Brille oder hast sonst irgendein Gebrechen, wendet jeder sich ab, wenn du nur in die Nähe kommst.

Die Jugendzeit bringt schließlich die Wende. Jetzt kommt es nur darauf an , ob du Junge oder Mädchen bist. Nicht etwa üblich sind „ Guten Tag, mein Name ist…“. Nein! „Willste tanzen?“ oder „Trinkste auch was?“ sind eindeutiger. Wer die beste Anmache beherrscht, lernt wen kennen. Und wenn Junge Jungen kennen lernt, geht das über die Kumpels. Bei Mädchen eher über die Klamotten.

Bist du erst mal volljährig, kommt die leichteste Phase. An der Theke stehst du keine fünf Minuten einsam und allein, jeder quatscht dich voll. In der Disco geht das nicht, weil die Musik keine verbale Kommunikation zulässt. Da wird mittels Körpersprache alles (r)ausgedrückt, was man so hat. Praktischerweise schauen da alle Gaffer zu, ist fast so wie eine Rede halten, wenn du auf der Tanzfläche zuckst.

Die gesetztere Generation steht nun voll im Berufsleben und damit höheren gesellschaftlichen Normen gegenüber. Du stellst dich höflich vor. Wenn du nicht allein daherkommst, natürlich auch deine Begleiterin oder deinen Begleiter. In welcher Reihenfolge lernst du entweder im guten Elternhaus oder im Knigge. Und wehe dir, du machst was falsch. Dann sperrt man dich gleich in eine imaginäre Schublade.

Du stehst zum Beispiel auf einem Empfang herum und siehst einen entfernten Bekannten, den du gerne begrüßen möchtest. Die Schwierigkeit ist nur, wird er dich erkennen? Außerdem ist er ins Gespräch vertieft. Und dummerweise hast du auch noch seinen Namen vergessen. Neben dir steht deine Freundin, die laufend mit deinem Nachnamen und einem „Frau“ davor angeredet wird. Die Leute gucken immer komisch, wenn du richtig stellst, dass ihr nicht verheiratet seid. Nur Mut, es gibt auch Lehrgänge für solche Situationen.

Wenn du das Glück hast, das Elterndasein zu erleben, bewegst du dich bald wieder auf sicherem Terrain. In Krabbelgruppen und auf Spielplätzen gelten einfache Gesetze, die sich auf Väter wie auf Mütter übertragen. Nichts leichter als Kontakte knüpfen. Eine immer wieder gern genommene Begrüßungsformel ist: „Hat Ihrer schon Zähne?“

Und bist du schließlich alt und grau, beherrschst du die nötigen Anreden ohne zu überlegen.
Wenn du also wirklich noch jemanden kennen lernen möchtest, obwohl du schon so viele Leute kennst, von denen du jetzt schon noch kaum einen Namen weißt, dann sei froh, wenn es gerade regnet.

Denn gemeinsam über das Wetter schimpfen, das verbindet ungemein.
 
Die zwischenmenschliche ....

Hallo Heike,
es hat mir Spaß gemacht, deinen Artikel zu lesen. So stelle ich mir eine Glosse vor. Kurz und alles auf den Punkt gebracht.
Liebe Grüße -Bernhard-
 
Lieber Bernhard,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Schön, dass der Text Dir gefallen hat. Ich war mir nicht sicher, wie er wirkt.
Gruß, Heike
 

Frieda

Mitglied
Liebe Heike,

Witzig und treffsicher beschrieben, deine "Kontaktaufnahmen". Nebenbei, auch Hundehalter haben es leicht, bei ihren regelmäßigen Gassigängen neue Leute kennenzulernen. Und sollte ihnen ein "hundloser" Mitmensch begegnen, sagen sie gerne: "Keine Angst, der macht nichts".

Liebe Grüße
von Frieda
 



 
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