'Gorm sein Hunt'

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angela

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Bereits in den letzten zwei Tagen war es Gorm aufgefallen, aber nun gab es keinen Zweifel mehr: Die Stallburschen grüßten ihn, als wäre er ein guter Bekannter von ihnen. Wobei er absolut keinen Schimmer hatte, was sie dazu brachte. Bisher hatten sie ihn ignoriert, höchstens ein geknurrtes 'Herr Gorm' oder 'Gnädiger Herr' kam, als würden sie nur ungern mit ihm reden.
Woran vermutlich sein Klumpfuß und sein verkrümmter Arm schuld gewesen waren. Seine Missbildungen waren vielen Menschen unheimlich, als fürchteten sie, er könnte ihnen deshalb Unglück bringen. Der jüngste der Stallburschen war heute besonders mutig, kam auf ihn zu und sagte: „Der Auftrag war einfach zu erledigen. Wir stehen jederzeit wieder zur Verfügung und danken für die gute Bezahlung.“
Gorm nickte verwirrt. Auftrag und Bezahlung?
„Gute Arbeit, Jungs! Muss leider weiter, aber wir sehen uns wieder.“
Es gab nur eine einzige Erklärung. Eine, die fast immer passte: Lara!
Vor drei Tagen hatte sie ihn um Geld angebettelt.
„Gorm, ich kann etwas fantastisch Gutes bekommen. Ein Geheimnis. Gib mir nur eine kleine Silbermünze und du wirst begeistert sein.“
Lara und ihre Ideen waren meistens eine Münze wert und so hatte er sich von ihr breitschlagen lassen. Bis gerade eben hatte er diese Geschichte vergessen, aber was zum Donner hatte Lara mit dem Geld von den Stalljungen erkauft? Noch wichtiger, warum sollte Gorm es in Auftrag gegeben haben?
Langsam dämmerte ihm wenigstens das 'Was'. Sonntag, Kirche, fetter Priester. Wein. Gut, nicht ganz Wein.
Seit Wochen hatte er nicht mehr so lange und heftig gelacht und er war nicht der Einzige gewesen. Master Fein, der Berater seines Vaters, hatte die Kirche mit todernstem Gesicht vorzeitig verlassen. Aber Gorm hätte geschworen, seine Schultern hätten kurz vor dem Ausgang zu zucken begonnen, als müsse er hemmungslos loslachen. Master Fein! Der Mann lachte nicht, er lächelte höchstens herablassend.
Lara schuldete ihm dringend eine Erklärung.
„Marga, ist Lara nicht da?“
Die Heilerin bereitete in ihrem kleinen Haus gerade eine stinkende Salbe zu, rührte dafür mit einem großen Holzlöffel in einer braunen Masse, die für Gorm ziemlich ekelerregend aussah.
„Nein, sie ist natürlich nicht da!“ Ohne Zweifel war Marga zornig auf Lara, die ihr eigentlich zur Hand gehen sollte. „Bei dir steckt sie also auch nicht! Das Fräulein wird entweder eine sehr gute Erklärung haben müssen oder sehr interessante Stunden mit meinem Märtyrerbuch verbringen.“
Gorm hatte die dicke Schwarte bereits auf dem Küchentisch liegen sehen.
Marga schlug Lara nie und bestrafte sie für ihre häufigen Vergehen auch nicht durch Essensentzug. Nein, sie hatte ihr berühmtes Buch, das Lara seitenweise abschreiben musste. Vermutlich die schlimmste Strafe für den kleinen Unruhegeist.
„Ich habe ihr vor einiger Zeit gesagt, sie solle mir Kräuter aus unserem Garten holen, seitdem ist sie verschwunden.“
Gorm nickte. „Ich werde sie besser suchen. Vielleicht ist ihr was zugestoßen.“
Marga sah ihn kritisch an: „Lara? Sie stößt anderen zu, nicht umgekehrt.“
Gorm lachte. So war es auch ihm ergangen. Lara war ihm vor einem Jahr begegnet und nur kurze Zeit später hatte er sie ihrem Besitzer für die horrende Summe von zehn Goldtalern abgekauft. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lara im Sterben gelegen, weil der brutale Bruder ihres Herren ihr in einem Wutanfall den Schädel eingeschlagen hatte, und nur Margas außergewöhnliche Heilkräfte hatten sie retten können. Seit Lara gesundet war, arbeitete sie für die Heilerin und wohnte bei ihr, auch wenn er ihr eigentlicher Besitzer war. Wobei er sich ernsthaft fragte, wer hier wem gehörte, so, wie Lara manchmal über ihn bestimmte. Sie war die einzige Sklavin auf dem Hof ihres Herren gewesen und wenn dort jemand versucht haben sollte, ihr Gehorsam und etwas wie Disziplin beizubringen, war derjenige, genau wie er, an dieser Aufgabe kläglich gescheitert.
Wobei er sie genau so mochte, wie sie jetzt war.
Gut, manchmal überspannte sie den Bogen und dann war es nötig, dass er oder Marga ein ernstes Wort mit ihr redeten.
„Warte Gorm. Schmerzt dein Fuß noch immer?“
Gorm verneinte kopfschüttelnd. „Die Umschläge haben mir sehr geholfen. Danke Marga.“ Die Knochen in seinem verwachsenen Fuß hatten wieder aneinander gerieben und jeder Schritt war eine Qual gewesen. Marga hatte seinen Vater einen neuen Spezialschuh in Auftrag geben lassen, ihm einen Absud für kühlende Umschläge mitgegeben und tatsächlich ging es jetzt viel besser.
Gorm suchte Lara zuerst in der Hofküche, dann im Waschhaus, aber niemand hatte sie gesehen.
Sie verließ niemals allein die Burganlage, nachdem sie sich bei einem unerlaubten Ausflug in der Stadt verlaufen hatte und in einem üblen Viertel wegen ihrer dunklen Hautfarbe fast gesteinigt worden wäre. Aber vielleicht hatte sie einen Begleiter gefunden oder war bis zum Wachhaus gelaufen, um sich von den Soldaten ihre geliebten Abenteuergeschichten erzählen zu lassen. Dort würde er jetzt nach ihr suchen. Wenn er sie nicht finden würde, musste er hoffen, sie würde bis zum Abendessen wieder auftauchen. Lara war immer hungrig und eine Mahlzeit ausfallen zu lassen, kam für sie nicht in Frage. Wenn sie für so lange Zeit verschwunden blieb, würde das kleine Mädchen mit ihm Ärger bekommen und dies nicht zu knapp. Auch wenn sie es gerne vergaß, er war immer noch ihr Besitzer und sie sollte ihm und Marga gehorchen. Wichtiger war, dass er sich Sorgen um sie machte.
Der Weg zum Burgtor war lang und sein Klumpfuß begann zu schmerzen. Hoffentlich war seine Suche erfolgreich.
Tatsächlich sah er sie aus einiger Entfernung auf sich zulaufen. Eine dünne, kleine, dunkle Gestalt mit wirren, zerzausten Haaren und Beinen, die wie dünne Äste aus ihren Hosenbeinen wuchsen.
Für ihre knapp zwölf Jahre war sie viel zu zart und winzig, nur Haut und Knochen.
Sie rannte, einen von Margas geflochtenen Körben in der Hand, und wollte ohne anzuhalten an ihm vorbeilaufen.
„Bleib stehen, Lara!“
„Geht nicht. Ich muss zu Marga. Sie hat mir einen Auftrag erteilt und wartet auf mich.“
„Klar wartet sie und sie wartet bereits zu lange. Wenn du es wissen willst, das Buch wartet auch auf dem Tisch.“
Lara stöhnte laut auf, blieb aber stehen und kam zu ihm. Ihr Gesicht war, wie der Rest von ihr, schmutzig und in ihren Haaren hatten sich Grashalme verfangen. Marga würde sie in diesem Zustand nicht in ihre Hütte lassen.
„Wenigstens habe ich die Kräuter hier im Korb dabei. Ich war nur einen winzigen Moment weg, Gorm.“
Auch wenn sie ihn noch so bittend ansah, er würde ihr diesmal nicht helfen können.
„Dein Korb tropft, Lara. Was immer da drinnen ist, es läuft aus.“ Lara hob den Korb etwas höher und murmelte einen saftigen Fluch.
„Lara, keine Schimpfworte, wie du genau weißt! Sag mal, was habe ich mit dem Auftrag an die Stallburschen zu tun? Sie waren es, die den Wein ausgetauscht haben, nicht wahr?“
Lara sah ihn mit ihren schwarzen Knopfaugen unschuldig an.
„Ist doch klar. Wenn ich es den Jungen aufgetragen hätte, hätten sie es nie gemacht. So habe ich ihnen zusammen mit dem Geld deinen Befehl vor die Nase gehalten. Das Blatt hatte sogar ein wunderschönes königliches Siegel mit Unterschrift. Zwar nur von mir fabriziert, aber da sie nicht lesen können, war es egal. War doch eine gute Idee. Du hast wieder richtig viel lachen können, oder? Eigentlich fanden es bisher alle lustig, außer dem blöden Priester natürlich.“
So war es gewesen. Als der Priester den ellenlangen Gottesdienst mit seinem obligatorischen Weinsegen hatte beenden wollen, hatte er den Kelch bereits zum Trinken angesetzt, als er ihn mit angeekelter Miene fallen ließ. Was immer in ihm gewesen war, es war kein Wein.
„Was war in dem Kelch, Lara?“
„Die anderen waren für Pferdepisse, aber ich war der Meinung, das stinkt zu sehr. Ich glaube, die Jungs haben eine Eigenspende gemacht.“
Gorm musste lachen. Der Priester hatte notdürftig die Messe beendet, die Gottesdienstbesucher herausgescheucht und dann sofort losgeschrien und geschimpft.
Laras Name war einer der Ersten gewesen, der bei der nachfolgenden Untersuchung genannt wurde, aber sie war notgedrungen für unschuldig erklärt worden, weil sie
diesen Sonntagmorgen mit Bauchschmerzen das Bett hatte hüten müssen und daher keine Möglichkeit gehabt hatte, den Wein vor dem Gottesdienst umzutauschen. So hatte es Gorm zumindest den Kommentaren seines älteren Bruders Draak entnommen. Gorm war nicht entgangen, dass Laras Bauchschmerzen sehr passend auftreten konnten.
Er selbst hätte ihr diese spezielle Tat nicht zugetraut. Nicht weil sie es nicht machen würde, denn sie konnte den Priester nicht ausstehen, aber sie mied die Kirche, wie der Teufel das Weihwasser und kam freiwillig niemals auch nur in ihre Nähe. „Das ist ein Ort, der mir nicht gefällt, Gorm. Zu viele Lügen und Verbote sind dort in der Luft.“
Gorm hatte sie zu Beginn einmal gezwungen, den Gottesdienst zu besuchen. Erst hatte sie die in der Kirche lebenden Mäuse mit Brotkrümeln angelockt und dann, nach einem Rüffel des Priesters, getan, als wäre sie eingeschlafen, wobei sie laut und deutlich geschnarcht hatte. Zwar hatte Gorm sie für dieses rüpelhafte Verhalten mit Zuckerstangenentzug bestraft, aber nach diesen Erlebnissen hatte er sie ihr Heidentum weiter pflegen lassen, denn in seinem Herzen verstand er sie nur zu gut. Auch er wäre lieber den langen, selbstverliebten Monologen des Priesters fern geblieben, aber als ein Sohn des Herrschers von Lark war es seine Pflicht an den Gottesdiensten teilzunehmen und dies auch noch, ohne zu gähnen oder einzuschlafen.
Lara zog aus ihrer Hemdtasche ein zusammengefaltetes Blatt und zeigte es Gorm. „Hier, ich habe noch mehr Aufträge. Einen Sinn muss die blöde Abschreiberei von Margas Texten doch haben. Ich hätte euch nie sagen sollen, dass ich lesen und schreiben kann.“ Gorm griff nach dem Papier und faltete es auf. Ein Teil der Leidensgeschichte des heiligen Amber.
„Eine interessante Geschichte, wie sie ihm seine Därme aus dem Leib gezogen und um einen Ast gewickelt haben. Richtig spannend “, meinte Lara.
„Hör auf, du blutrünstiges kleines Monster! Du hast mit deinem eigenen Namen unterschrieben, wie verräterisch. Zumindest bist du in den Adelsstand aufgerückt, als 'Lara, Sklavin von Gorm'. Und das Siegel sieht für mich sehr nach einfachem Kerzenwachs und einer aufgedrückten Münze aus. Zufällig eine kleine Silbermünze?“
„Zum Glück sind nicht alle so klug und gebildet wie du, Gorm.
Ich wollte dich nicht mit hineinziehen, sonst hätte ich deine Schrift bestimmt nachmachen können.“
„Mit deiner Kritzelschrift wohl kaum. Wenn die Jungen erwischt worden wären, dann wäre ich in den Augen meines Vaters dennoch schuldig gewesen.“
„Warum?“
„Weil du mir gehörst und ich für dich verantwortlich bin. Das Geld kam auch von mir, du kleiner Dummkopf.“
„Oh, daran hatte ich nicht gedacht. Tut mir leid.“
Einen Moment sah Lara tatsächlich so aus, als meine sie das Gesagte, dann aber grinste sie wieder. „Aber es ist gut gegangen, nicht wahr. Man könnte auch noch was anderes ... “
„Lara, ich warne dich. Du strapazierst meine Nerven und meine Geduld. Lass es, was immer dir vorschwebt. Gib mir auch deine übrigen fabrizierten Aufträge. Sofort!“
Murrend gehorchte Lara und gab ihm drei weitere Seiten ihrer unfreiwilligen Fleißarbeit. Auch sie trugen bereits die nachgemachten Siegel und Unterschriften.
„Ich geh dann mal lieber Marga besänftigen.“
Gorm wollte eigentlich nur noch in sein Zimmer und seinen Fuß kühlen. Diese Rennerei war eindeutig zu viel für ihn gewesen. „Gut, bis morgen. Aber wasch dich, bevor du hineingehst und klopf deine Kleidung ab. Wenn Marga dich so sieht, gibt es noch mehr Ärger. Ach, und du hast auch Gras in den Haaren“, warnte er sie, als ein deutliches 'Wuff' aus dem Korb zu hören war.
„Was hast du im Korb, Lara? Doch keinen Hund? Du weißt genau, dass Marga dir keinen Hund erlaubt.“ Das 'Wuff' wurde lauter. Lara sah den Korb an und dann Gorm, als überlege sie etwas.
„Gut, dann bekommst du dein Geschenk zum Geburtstag schon heute, auch wenn du erst morgen fünfzehn wirst.“
Sie stellte den Korb auf den Boden und öffnete den geflochtenen Deckel. Was nun zum Vorschein kam, war der hässlichste kleine Hund, den Gorm bisher gesehen hatte.
„Gott im Himmel, was ist das für eine Mischung?“
„Von allem was. Ist er nicht süß. Ein hübsches Tier, ganz niedlich und schon fast stubenrein.“
Wie Gorm gerade gesehen hatte.
Lara nahm den Welpen aus dem Korb und drückte ihn dem verdutzten Gorm in die Arme, bevor der sich wehren konnte.
„Ich habe ein Halsband für ihn besorgt und sein Name steht drauf. Auch, wem er gehört.“
Tatsächlich, er trug ein ledernes, geflochtenes Halsband, an dem eine kleine Metallplakette befestigt war, auf der in kritzeliger Schrift eingraviert war: „Krumpel. Gorm sein Hunt.“
Als Name kam 'Krumpel' hin, aber 'Gorm sein Hunt'?
„'Hunt' ist falsch geschrieben, Lara. Besser wäre: 'Gorms Hund', oder 'Hund von Gorm'. Hund schreibt man aber mit einem 'd'.“ Hoffentlich pinkelte ihm die hässliche Töle nicht über das Hemd.
Der kleine Kerl schien nur aus Riesenpfoten und verknitterten Ohren zu bestehen. Was sollte er mit diesem hässlichen Viech nur anfangen? Dem Hund schien es bei Gorm zu gefallen, den mit seiner großen, schlabberigen Zunge begann er ihm das Gesicht abzulecken.
„Ich fand, es sieht gut auf dem Schild aus und hört sich auch gut an. Ist doch egal, ob es richtig oder falsch geschrieben ist. Ist er nicht süß, wie er dich ableckt?“
Mit Lara war nicht zu diskutieren. Einen Moment lang wollte er ihr den Köter zurückgeben, aber dann sah er in ihr Gesicht. Zwar lächelte sie ihn mit ihrem Mund, der von einem Ohr zum anderen zu reichen schien, breit an, aber er kannte sie zu gut und konnte es in ihren Augen lesen: Sie hatte Angst. Fürchtete, er wolle ihr Geschenk nicht annehmen und sie würde den Hund zurückbringen müssen, was vermutlich nicht ging. Niemand mit Verstand und Augen im Kopf würde ihn haben wollen. Gorm seufzte innerlich. Er konnte diesem verrückten Kind nicht unnötig wehtun.
„Danke, Lara. Ein schönes Geschenk. Ich habe mir immer schon einen eigenen Hund gewünscht.“
Lara strahlte über das ganze Gesicht. „Nicht wahr, er war der Schönste des Wurfs. Master Fein hat mir sogar Geld gegeben, dass ich das Halsband kaufen konnte.“
Gorm nickte schwach.
Wenn dieser Hund der Schönste des Wurfs war, dann mussten seine Geschwister mit Schweineschnauzen zur Welt gekommen sein.
„Warum zum Teufel hat dir Fein Geld geschenkt, Lara?“
Die zuckte nur die Achseln und meinte dann erfreut: „Du hast gerade auch geflucht, Gorm. Master Fein ist ein netter Mann. Ich verstehe nicht, warum du das nicht auch so siehst. “
Master Fein ein netter Mann! So nett, wie einer sein konnte, der Attentäter zur Ermordung irgendwelcher Feinde losschickte und ständig kleine Giftfläschchen mit sich herumtrug. Es wurde allerhöchste Zeit für heute aus Laras Dunstkreis zu verschwinden, bevor sie ihn noch mehr verwirrte. Aber erst musste er ihr noch etwas sagen.
„Lara, die Kräuter da in deinem Korb, die kannst du Marga nicht mehr geben.“
„Warum, ich wasche sie etwas ab und sie sind wie neu.“
„Der Hund hat darauf gemacht!“
„Und, was ist dabei? Ist doch abwaschbar.“
„Lara!“
„Gut, wenn ihre Hochwohlgeborenheit darauf besteht, werfe ich sie weg. Aber schade drum, es sind nicht alle Leute so empfindlich wie du, Gorm. Nun lauf ich aber los.“
Weg war sie, rannte wie ein kleiner Irrwisch in Richtung Margas Hütte.
Auf dem Weg zum Haupthaus versuchte Gorm Krumpel von seinem Gesicht fernzuhalten, was nicht einfach war.
„Wie ich sehe, hast du dein Geschenk von Lara bereits heute erhalten.“ Master Fein kam gerade aus der Tür, als er hineingehen wollte, und streichelte Krumpel über dessen buntscheckiges Fell.
„Ihr wusstet davon? Der Hund ist absolut scheußlich, oder was sagt ihr dazu?“
Master Fein nickte verständig.
„Hässlich, sehr hässlich.“
„Gut, ich dachte, ich hätte vielleicht was an den Augen. Also hat Lara ihn vermutlich nur retten wollen und schiebt ihn mir als niedlich unter. Typisch Lara.“
„Vielleicht sieht sie aber auch die inneren Werte des Kleinen und zumindest hat er ein wunderschönes Halsband um.“
„Das ihr bezahlt habt.“
„Habe ich? Tatsächlich. Nun, der letzte Gottesdienst war der Beste meines Lebens. Das musste belohnt werden, oder?“
Master Fein musterte ihn ernst.
„Lara ist etwas Besonderes. Seit sie bei dir ist, hast du dich verändert, übernimmst wie ein größerer Bruder die Verantwortung und versuchst sie zu erziehen. Was vermutlich unmöglich ist. Wo ist der wehleidige Krüppel geblieben? Nein, dieser kleine Kobold war jede Münze wert, die du für sie bezahlt hast. Ein guter Kauf.“
Mit diesen Worten ging Master Fein weiter und ließ Gorm stehen. Fein hatte ihn gerade tatsächlich gelobt, oder? Was für ein denkwürdiger Tag!
Der Mann sagte die Wahrheit, wenn auch sein Vater und sein Bruder Draak sich noch immer über Laras viel zu hohen Kaufpreis mokierten. Dieses Kind hatte sein unglückliches, einsames Leben in kürzester Zeit völlig umgekrempelt. Ihre Lebensfreude war ansteckend und über ihre verrückten Ideen amüsierte er sich königlich. Durch sie fand er ständig neue Bekannte und wenn es nur Stallburschen, Wäscherinnen oder Küchenhilfen waren.
Sie hatte auch Ängste, das wusste er nur zu gut.
Davor, zurückgeschickt oder weiterverkauft zu werden, von Marga und ihm weg zu müssen, wieder von einem Verrückten halb tot geschlagen zu werden. Nichts davon würde ihr widerfahren, dafür würde er sorgen.
Nun konnte er sich nicht länger drücken: Er würde sich den spöttischen Kommentaren seines großen Bruders und den abfälligen Blicken seines Vaters stellen müssen, denn bestimmt niemand sonst auf dieser Welt hatte einen einmalig hässlichen Hund wie Krumpel. Wenn er ihn so ansah, fand Gorm ihn bereits nicht mehr ganz so scheußlich.
Doch.
Was auch ein Gutes hatte: Krumpel würde die Blicke der Menschen auf sich ziehen und sie würden ihn nicht mehr ständig neugierig anstarren, als wäre er eine kostenlose Jahrmarktsattraktion.
Lara saß über dem Märtyrerbuch und schrieb die völlig idiotische Geschichte der heiligen Ignata ab. Die Frau konnte Feuertiere sehen und mit ihnen reden. Deshalb hatte man sie erst lebendig verbrannt und dann, nachdem eine angemessene Zeit verstrichen war, heiliggesprochen. Tiere im Feuer sehen, was war daran so außergewöhnlich? Lara konnte das auch. Kurz sah sie zum Kamin und streckte dem arroganten Löwen, der sie wieder ein Mal herablassen musterte, die Zunge heraus. Sie sah häufig Wesen im Feuer und einige redeten auch mit ihr. Das war ihr Geheimnis, von dem selbst Gorm nichts wusste. Sie wollte nicht komisch angesehen werden oder in so einem Langweilerbuch landen, als unheilige Lara mit aufgewickelten Därmen, igitt.
„Marga, ich habe Gorm sein Geschenk bereits heute gegeben. Einen kleinen Hund. Die Wachmänner wollten ihn ertränken, da habe ich ihnen erzählt, Gorm wolle genau so einen Hund haben.
Krumpel ist ziemlich hässlich. Aber Gorm habe ich gesagt, ich fände ihn schön und niedlich, was leider nicht so ganz stimmt.“
„Was er dir vermutlich keinen Moment geglaubt hat.“
Lara sah Marga verwundert an.
„Er durchschaut dich, genau wie ich. Unterschätze ihn nicht, nur weil er ein gutes Herz hat und dich freundlich behandelt. Schreibe weiter, mein Kind. Die Seite muss noch fertig werden. Dann gibst du mir alles Geschriebene, denn ich möchte nicht, dass auf diese Weise Aufträge für Streiche vergeben werden. Denn dafür hast du sie benutzt, wie ich dich kenne. Ich habe eines deiner Machwerke gefunden, als ich deine heimlichen Essensvorräte in deiner Schlafkammer nach Mäusespuren kontrolliert habe. Fein hatte mich bereits gefragt, wie du die wundersame Weinverwandlung aus der Ferne organisiert haben könntest.“
Lara stöhnte laut auf. All diese Mühen und langweiligen Schreibereien völlig sinnlos. Das Leben konnte zutiefst ungerecht sein!
 

Stalker

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Durch die abwechslungsreiche Sprache ist der Text wieder kurzweilig zu lesen. Im Vergleich zu "Maikätzchen" empfinde ich den Erzählfuß auch ausgewogener ("Maikätzchen" gefiel mir in der Mitte, insbesondere beim Auffinden des Kindes, am besten, wurde dann aber etwas zu schnell). Besonders gelungen finde ich die Beschreibung von Lara: "Beinen, die wie dünne Äste aus ihren Hosenbeinen wuchsen" und vor allem das Gras im Haar, denn sind die kleinen Details, die mir eine Welt plastisch werden lassen.
 

angela

Mitglied
Freut mich, dass sie euch gefällt. War mir nicht sicher, ob
die Story nicht zu zuckerig rüberkommt, aber ich habe einen Hang zu bedingungsloser Freundschaft, Vertrauen, gemeinsam durch die Hölle und zurück und so.
 

Rikyu

Mitglied
Fantastik?

Die Geschichte an sich ist ja recht hübsch, aber ich weiß nicht so recht, was sie in dieser Rubrik zu suchen hat. Irgendwie fehlt mir hier das fantastische Element.
Gut, die Heilerin spielt ihre Rolle, aber die gibt es auch in realen Kulturen.
Ein undichter Hund, ein ungnädiger Priester und ein werdender 'Herr' sind nichts, was ich zur Fantastik zählen würde.

Das einzige, das für unseren Kulturkreis ein wenig aus dem Rahmen fällt, ist der Sklavenstatus, der in der Geschichte offenbar als normal gilt.

Formal fällt mir der eine oder andere Nebensatz auf, der hier als eigenständiger Satz verwendet wird. Das mag umgangssprachlich noch angehen, hat aber im Schriftdeutsch nichts zu suchen. Ausnahme wäre Umgangssprache in wörtlicher Rede oder etwas Ähnliches.
Beisiele:
'Wobei er absolut keinen Schimmer hatte, was sie dazu brachte'
'Was vermutlich unmöglich ist'
 

Rikyu

Mitglied
Autor?

Ich blicke hier nicht so recht durch.
Da ist der Text von Angela, eingestellt im Mai letzten Jahres.
Und da ist auch der Text von Flammarion, zuletzt geändert heute.

Beide haben Gorm und Lara als Protagonisten.

Sind Angela und Flammarion denn identisch, Schwestern oder Freundinnen, die zusammen an einem Thema arbeiten?

Außerdem ist die Korrektur von Flammarion auch nicht ganz in Ordnung, aber das sind nur einzelne kleine Ausrutscher, nichts Bewegendes.

Wenn dieser Text als Mehrteiler konzipiert ist, wäre ein aussagekräftiger Klappentext mehr als sinnvoll - er wäre bitter notwendig.

Die beiden Texte hängen, abgesehen von den Hauptpersonen, nicht erkennbar zusammen. Sie spielen auch nicht zeitlich in greifbarer Nähe zueinander.

Wie gesagt: ich blicke hier nicht durch.

Helft ihr mir, Angela und Flammarion?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
lieber

rikyo, entschuldige bitte, dass wir dich so verwirrt haben. wir haben nicht damit gerechnet, dass jemand so aufmerksam liest.
die korrekturvorschläge - ich habe sie inzwischen gelöscht - betreffen kapitel eines unfertigen romans. uns fiel kein anderer weg als dieser ein.
wir sind weder schwestern noch dicke freundinnen, nur freaks.
allerdings könnten mich die fehler interessieren, die ich beim korrekturlesen gemacht haben soll.
weiterhin viel spaß auf der lupe wünscht dir
 

Rikyu

Mitglied
Wozu sind wir eigentlich hier, wenn nicht, um Texte aufmerksam zu lesen?
DAS zumindest sollte für uns selbstverständlich sein.

Zu den kleinen Fehlern sage ich später noch etwas; ich habe jetzt einige Amtstermine, die nicht warten können.
 



 
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