(Romanauszug)

*Aus einer uneinheitlichen Gruppe von Ballettschülern, von denen nur einige tanzten und andere zweite Besetzungen, "Covers", einstudierten oder aber Kulissen bauten, sich mit den Anfängen der Beleuchtung beschäftigten, Kostüme entwarfen, und ihrer Lehrerin und mir, die ich versuchte, alles, alles, mit der Kamera festzuhalten und nicht eine wunderschöne Position, nicht einen Gesichtsausdruck, nicht einen gelungenen oder gescheiterten Versuch zu verpassen, wurde im Frühjahr 1968 allmählich eine Gruppe, die ein gemeinsames Ziel hatte und wie im Fieber zu arbeiten schien. Das Klicken meiner Kameras, das Keuchen der Tänzer, der Scharren der in Kreide geriebenen Sohlen auf dem glatten Parkett, die hastig hingeworfen Worte, der Geruch von Schweiß, die Hitze, die die Scheinwerfer verbreiteten, die Kommandos von Frau Krisch, alles das gehörte dazu und formte eine Atmosphäre, die ich nie vergessen habe.
Artus, der von Sorgen gebeugt und von Nöten geplagt ist, Genevra, die sich ihm nähert, seine Frau, sein zweites Ich. "Sie geht nicht auf Spitze. Sie ist erdverbunden und stark, geradezu mütterlich, sie kommt, um ihn zu halten und zu trösten. Das Gesicht ist ihm zugewandt, sie sehen sich an."
Nur zwei Fingerspitzen, die einander berühren, den Fingerspitzen folgen die Finger, die Hände, den Händen folgen zwei Körper.
"So ist es richtig. Sie sind einander jetzt ganz nahe, nichts ist mehr zwischen ihnen, Mann und Frau sind ein Fleisch. Jetzt kommt etwas Neues dazu - sie ruft ihm seine mystischen Kräfte ins Gedächtnis; eine Bewegung mit den Händen, beider Hände bleiben aneinandergelegt, die Arme werden gestreckt, erst zur Seite - langsam! - dann nach oben, aber es ist Genevra, die die Bewegung initiiert, nicht er. Ganz nach oben, ganz hoch, jetzt gehst du auf Spitze. Nein, die Hände müssen ganz zusammenbleiben, wie aneinandergeklebt - er braucht seine Frau. So ist es gut." Der Körper der Frau scheint den des Königs zu nähren, Kraft, Mut und Zuversicht strömt aus ihr in ihn, er scheint zu wachsen, dem Licht, dem Himmel, der Sonne entgegen, während sie beide, er und sie, sich wiegen, wie ein einziger Baum im Wind."
"Und jetzt, aus dem Dunkel, kommt Lancelot. Was macht ihr denn da mit dem Scheinwerfer, das ist doch viel zu hell! Man soll ihn noch nicht sehen, man soll nur sehen, daß jemand da ist, eigentlich soll man ihn nur unbewußt wahrnehmen. Lancelot bleibt nur stehen, er macht gar nichts, er steht nur da." Und doch, sie, die Frau, die an den Körper des Königs geschmiegt ist, sie spürt es, spürt einen Blick in ihrem Rücken, man sieht es ihr an, obwohl sie keine Bewegung macht, sich nicht einmal ihr Atemrhythmus verändert, irgendetwas ist anders als es vor einer Sekunde noch war. "Es hat eine Kommunikation gegeben, eine Verständigung zwischen zwei Seelen, etwas Unerklärliches und auch Bedrohliches, aber noch bleibt sie stehen."
"Jetzt macht Lancelot einen Schritt nach vorne, an den Rand des Lichtkegels. Und niemals, bitte niemals, den Fuß bei gebeugtem Knie auf den Boden setzen. Die Knie müssen durchgestreckt sein, der Fuß wird dem Boden dargeboten wie ein Geschenk - Ich will sein Gesicht sehen!" Etwas ist geschehen, und wieder ist sie es, Genevra, die eine Bewegung in Gang setzt, eine Drehung, dann steht Artus dort, wo sie stand, mit dem Rücken zu Lancelot, so daß sie ihn zum erstenmal ansieht. "Wundervoll ... - und wieder die Drehung, bis alles so ist wie vorher ..." Aber nichts ist wie vorher, denn Genevra hat Lancelot erkannt, ihr Körper löst sich, nur unmerklich, von dem ihres Mannes, und dann - "Auf Spitze jetzt! Die Arme wollen Artus nicht loslassen, sie bleiben nach ihm ausgestreckt, aber eine unerklärliche Kraft zieht sie von ihm fort, rückwärts, hin zu Lancelot. Sie geht nicht, sie wird gezogen, wie von einem Magneten - so ist es wunderbar." Dann ist sie bei ihm, Genevra ist bei Lancelot. Und sehr langsam und seltsam zeremoniell, beginnt ein Tanz, dessen Tempo sich allmählich und unaufhaltsam steigert, der aus den Gebärden des Tastens und Haltens, des Essens und Tötens, des Fallens und Fliegens besteht, der von dunklen Göttern und Geheimnissen erzählt.
"Haltet mal an, ich habe eine Idee! Er hebt sie, und sie wickelt sich um ihn herum - Wenn sie das etwas langsamer macht, dann kann sie - während sich ihr Kopf hinter seinem Kopf befindet - ihr Haar lösen. Es fällt lang und wirr herunter, sie ist vollkommen enthemmt -"
"Ich sehe, was du meinst, aber - Na schön, versuchen wir das mal."
"Stop! Was war das gerade? Diese Bewegung mit dem Bein -? Das war zu undeutlich, das Bein schlingt sich um ihn herum, um seinen Rücken, und fesselt ihn an sie. Noch einmal, bitte. So ist es besser."
"Du mußt sie an dieser Stelle nicht heben, sondern ziehen - und die Bewegung kommt aus den Unterarmen, du ziehst sie an dich - ja, das war fast richtig!"
"Wenn ich sie so halte, muß sie sich danach aufrichten, Frau Krisch, und das ist total abgehackt - "
"Weil du sie nicht schnell genug ziehst. Mit etwas mehr Tempo steht sie ganz gerade, wenn du sie losläßt. Noch mal, bitte."
"Das ist phantastisch - jetzt zeig mir die Position, die danach kommt -"
"Ich kann nicht mehr stehen!"
"Noch'n bißchen, ich -"
Krach! "Jetzt habe ich ein Bild, wo du auf der Nase liegst."
"Das wird vernichtet!"
"Nein, wieso - ich finde es sehr schön. Tänzer sind auch nur Menschen."
"Und Fotografen sind Arschlöcher! Ich warne dich, Shula -"
"Jetzt kommt der Hofmeister zu Artus, aber Artus weist ihn ab. Eine einzige Kopfbewegung zu ihm, und eine wieder zurück."
"Das paßt aber nicht - wenn ich ihn an der Stelle ansehe, ist ein Bruch in der Bewegung da."
"Er hat recht, Frau Krisch. Es ist besser, wenn Bernard nur eine Bewegung mit der Hand macht - ihn so abweist, und die Augen nicht von uns wendet."
"Zeig es mir, dann sage ich dir, was ich darüber denke. - Na gut, lassen wir es bei der Handbewegung, aber dann muß sie schneller kommen. Ungeduldig!"
"Pause!"
"Nur noch das, dann könnt ihr -"
"Pause!"
"Sofort, ich will nur noch eben erklären, wie - "
"PAUSE!"
Elisabeth natürlich diskutierte nicht mit Frau Krisch, wenn sie einen Änderungsvorschlag hatte; sie tat einfach, was sie für richtig hielt, und wartete den Kommentar ihrer Trainerin ab. Manchmal war Frau Krisch nicht ihrer Meinung, so daß es bei der ursprünglichen Version blieb, doch Elisabeth hatte einen natürlichen Instinkt für die Dinge und oft veränderte eine kleine Bewegung eine banale Szene in ein Bild von unglaublicher Ausdruckskraft und Grazie. Elisabeth war eine Tänzerin, und auch Simon war in dieser Zeit und vorrangig ein Tänzer. Und für niemanden geschah das, was auf der Probebühne geschah, außerhalb des gemeinsamen, alle verbindenden Ziels, einer tänzerisch, ästhethisch und darstellerisch vollkommenen Aufführung der Geschichte von Artus und Genevra und Lancelot, für niemanden gab es etwas Wichtigeres, und für niemanden war die Welt, aus der wir kamen, wenn wir die Ballettschule betraten, viel mehr als ein Schattenreich, auf später verschoben, lästig und ein wenig verblaßt. Allen ging es so, auch mir ging es so, ganz sicher ging es Frau Krisch, der einzigen Erwachsenen unter uns, so. Elisabeth und Simon waren Tänzer, und die Götter des Tanzes hatten sie berührt. Und darum trat nicht, überhaupt nicht das Gefühl ein, von dem manche später glaubten, sagten, daß es eingetreten sein müsse, verdrängt, verdeckt, weggeschoben worden sei, aus Nachlässigkeit oder aus Feigheit, das Gefühl, von dem sogar Onkel Heinrich eine Spur, eine Ahnung unterstellt, wenn er glaubt, daß Antonie selbst diese falsche Information weitergegeben habe, das Gefühl von Unbehagen oder von Scham oder von Angst, wenn Genevra während einer einzigen, drehenden Bewegung um den sich drehenden Lancelot sein Gesicht in ihre beiden Hände nahm und ihre Lippen auf seine Lippen preßte in einer Geste von Zärtlichkeit und Gier, wenn Lancelot langsam vor Genevra in die Knie ging und seine Hände an ihrem Leib, den nur ein hauchdünnes, bodenlanges und durchsichtiges Gewand bedeckte, herabglitten in staunender Reverenz vor ihrer Schönheit, wenn Genevra und Lancelot endlich ineinander verschlungen waren, die Musik für einen Moment verstummte und nichts zu hören war als ein langes, ein tiefes Ausatmen aus beider Mund.
*
 

Conny

Mitglied
Verschachtelungen

Ich habe den Anfang gelesen und nur sehr wenig Bilder im Kopf gehabt. Alles wird zu theoretisch erklärt. Versuche deine Sätze kürzer zu halten. Deine Sätze nennt man Schachtelsätze, die nicht viele Leser erfreuen werden, da zu kompliziert und unklar.

Bitte als Tip verstehen, nicht als persönliche Kritik. :)

Lies dir deinen Text einmal selbst laut vor. Vielleicht verstehst du dann, was ich meine...


Alles Gute

Conny
 



 
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