"no time to stop"

pleistoneun

Mitglied
Streifenpolizist Jacob J. Cop fuhr gerade die 118th Mittelstreifen-Avenue entlang, als dieser azurblaue Wagen in affenartiger Geschwindigkeit an ihm vorbei raste - aber rechts bitteschön. Im Augenwinkel konnte er am Heck des Fahrzeugs noch einen provokanten Aufkleber ausmachen "no time to stop". So schnell konnte man gar nicht schauen, hatte der gewissenhafte Jacob seine Signalhörner aufgesetzt und auf volle Lautstärke gestellt, denn jetzt gab´s allen Anschein nach mal endlich wieder eine ordentliche Verfolgungsjagd.

Nach zwei Stunden Reifenquietschen, Abgasqualm und Menschengekreische hatte sich Jacob um einige Zentimeter an das Fluchtfahrzeug herangetastet. Im Tiefflug verfolgten drei Helikopter und ein Hubschrauber den Flüchtigen, der es sehr eilig zu haben schien und nicht im Entferntesten daran dachte, anzuhalten. Dutzende Polizeifahrzeuge bedrängten von allen Seiten den azurblauen Wagen, dessen erklärtes Ziel es zu sein schien, nicht irgendeinen Fluchtort zu erreichen, sondern einfach in Bewegung zu bleiben. Nach vier Stunden Hetzjagd rollten die ersten Streifenwägen mit leerem Benzintank von der Straße. Offensichtlich hatte nur Streifenpolizist Jacob dieses Pflichtbewusstsein, seinen Wagen vor Dienstantritt immer vollzutanken. Jetzt machte sich dieses Dekorum bezahlt. Jacob verfolgte trotz seiner Beharrlichkeit auch Benzin sparend. Sämtliche Lufthilfe war schon längst der Treibstoff ausgegangen und im Rückspiegel sah er nun auch den letzten Kollegen Jeffrey klein beigeben und ausrollen. So: nun gab es nur noch diesen Irren im azurblauen Wagen und Jacob, den tollkühnen Streifenpolizisten. Aber auch er musste jetzt Acht geben und die Benzinanzeige im Auge behalten. Es könnte knapp werden, er musste sich etwas einfallen lassen. Wie könnte er diesen Wahnsinnigen bloß stoppen?

Das zentimeterweise Annähern war nicht Erfolg versprechend, polizeiliche Übermacht auch nicht und die Lautsprecherdurchsagen "Bitte fahren Sie jetzt rechts ran" versickerten ebenfalls in den Wirren der Treibjagd. Doch dann fiel sie ihm ein: seine Marie-Ann, seine Braut im Halfter, seine Schusswaffe. Er zögerte nicht lange und ballerte wie wild das 24-Schuss-Magazin leer; im Pistolenrauch konnte er zuerst nicht erkennen, ob er getroffen hatte, erkannte aber sofort, dass der Qualm nicht mehr von seiner Waffe kam, sondern vom Verfolgten. Yes! Der azurblaue Wagen rollte langsam an den Straßenrand. Das Problem, dem sich Streifenpolizist Jacob nun gegenüber sah, war eine leere Schusswaffe, mit der er wohl kaum einen Verbrecher dieser Kategorie erschrecken könnte, aber zum Bedrohen reicht´s.

Gerade als Jacob seinen Wagen verlassen wollte, bemerkte er eine ungewöhnliche Körperschwere, ein seltsam bleiernes Gefühl in Armen und Beinen. Er spürte, dass dieses Gefühl sich auf seine Bewegungen und Wahrnehmungen ausweitete und ihn jetzt daran hinderte auszusteigen. Tatsächlich saß er nun bewegungsunfähig im Wagen und sah noch, wie die Menschen auf den Straßen und die Fahrzeuge ebenfalls von dieser Schwere betroffen zu sein schienen. Jacob J. Cop, dieser übereifrige Polizist, hatte in seiner Verfolgungslust den Fahrer gestoppt und damit weltweit das Leben Stillstand gebracht. Um genau 14:27:11 Uhr mittelamerikanischer Zeit hörten alle Uhren auf zu ticken, erlosch das pulsierende Leben in den Straßen und stellte der Tag sein Leben ein. Was Jacob J. Cop geschafft hatte, war den Flüchtigen anzuhalten; was er aber nicht wissen konnte: der Fahrer war die Zeit auf ihrem unbestimmten Weg in die Zukunft. Und da die Zeit nun selbst für sich still stand, gab es keine Möglichkeit mehr, sich selbst aus sich heraus zu beleben.

Und nur weil so ein Streifenpolizist mal wieder übereifrig war, musste der liebe Gott den "Reset-Knopf" der Schöpfung drücken.
 
Der Zusammenhang zwischen Eile und Zeit ergibt sich meiner Meinung nach nicht zwingend im Text, daher kommt das Ende ein wenig überraschend und unbefriedigend.

Für mich, aber vielleicht habe ich den Knackpunkt überlesen?
 

pleistoneun

Mitglied
Es geht ja eigentlich nur darum, mal zu überlegen, was passiert, wenn die Zeit still steht. Sie kann sich ja nicht - wie beschrieben - aus sich selbst wieder zum Laufen bringen, was dazu führt, dass alles einfriert. Naja, und dann muss - wie bei einem Systemcrash - der Himmelvater mal wieder einen Neustart machen. Man kann sich zusätzlich überlegen, was passiert, wenn der Polizist die Zeit überholt hätte, er wäre also der Zeit voraus gereist. Was daraus resultiert, sagt uns wie immer unser ALBERT EINSTEIN.
 

pleistoneun

Mitglied
Gibts hier eine Philosophieabteilung?

Überholen: okay. Aber, wenn ich richtig überlege, ist der Polizist beim Überholen der Zeit dann in der Zukunft und steht dann außerhalb aller vorhandener Materie, weil ja die Zeit erst durch das Voranschreiten jede Sekunde die Welt zu schafft. Er befindet sich im leeren Raum. Insofern wäre er entweder in einem Paralleluniversum, außerhalb der Materie oder tot. Und ganz so fiktiv wollte ich es dann ja doch nicht werden lassen. Danke aber für´s Mitüberlegen.
 
Er überholt die Zeit, existiert dann eigentlich zweimal, ein Zeitparadox. Er kann ja dann die Zeit nicht anhalten, da er ja auch gleichzeitig hinter ihr her ist und die Zeit stoppt auf Grund dieses Zeitparadox. Gott nimmt dann den Reset-Knopf und fängt am Ursprung an. Es werde Licht. Oder der große Knall.

Ist auch nicht fiktiver, oder?
 

pleistoneun

Mitglied
Ja, genau. Aus der Sicht unserer Herrgotts schaut das so aus, als hätte ein "Fehler in der Matrix" *g...äh.. ein Fehler im Schöpfungsprogramm (der übereifrige Polizist) dazu geführt, dass die immerwährende, treibende Kraft (die Zeit) zum Erliegen kommt und er dann "reseten" muss. Ob es den Polizisten dann 2x gibt, ist sekundär oder Thema einer weiteren Abhandlung. Magst du eine Geschichte darüber schreiben, jetzt, wo wir das Prinzip schon so tief diskutiert haben ?*g.
 



 
Oben Unten