24 Stunden ( Manifest des Pessimisten )

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Bekanntlich gibt es jene Tage, an denen man besser nicht hätte aufstehen sollen. Leider zwingt uns unser sadistischer Biorhythmus, welcher von Mutter Natur gegeben und von ihrem Bastard namens Verstand verflucht wurde, jeden Morgen wieder die Frage nach der Resignation vor dem Neustart unseres Bewusstseins zu verneinen. Wir ergeben uns dem Leben, schleppen unsere physische Erscheinung, welche stark an dem psychischen Zerfall unseres Ego leidet, unter die Dusche und lassen uns von dem unwirklichem Wasserstrahl die Realität zurück in den Schädel hämmern. Wir reiben uns den Geruch des letzten 24-Stunden-Lebens beinahe manisch-anmutend von unserem Körper, welcher die letzte Assoziation zu unserem Ego bildet. Ein Blick aus dem Fenster nimmt einem auch diesen letzten Sinn für Individualität, wenn tausende von ausdruckslosen Fratzen durch die Strassen an unserem Fenster vorbei ziehen und uns nur als einen weiteren Schatten in ihrem Verstand entlarven. Es gibt Tage, an denen sollte man nicht sein. Die einzige Gnade, welche diese Tage für uns bereit hält, ist die Tatsache, dass es bei der Stellung dieser Frage unweigerlich zu spät ist. Sobald genug Bewusstsein vorhanden ist um diese Frage zu stellen haben wir uns schon wieder ein weiteres mal ergeben. Es gibt Tage, an denen sollte man nicht existieren. Sie bestimmen glücklicherweise nur 365 Tage im Jahr.
 

Rainer

Mitglied
...spitzenklasse...

@trc

damit auch noch die letzten (humor-und-satire-leser) einen depri kriegen!!!

@dante

auch wenn mir nicht klar ist, warum es hier steht: literarisch finde ich das teil klasse, unter experimentelles oder brückenspringertexte hätte ich es sicher nicht gefunden. schöne, ungewöhnliche bilder voller strahlkraft und in einer selten gelesenen kürze - bravo.


grüße

rainer
 
zugegeben... hab ebenfalls lange gegrübelt unter welche Kategorie man das am besten packen könnte. Aber da ich nun wirklich kein Pessimist bin und es ein völlig übertrieben dramatisiertes kleines Werk ist, hab ich es einfach mal als "persönliche Satire" angesehen und gehofft, dass jeder fundamentalistische Optimist ebenfalls nur schmunzeln kann, wenn er es liest. Die Rechnung scheint aber nicht wirklich aufzugehen.
 

Rainer

Mitglied
hallo dante,

die meisten der hier vertretenen berufsoptimisten missionieren lieber mit ihrem glauben, oder sind unerschütterlich von ihrem sex-appeal überzeugt. allerdings stellt dein "experiment" eine prima möglichkeit dar, dir gleichgesinnte zu entlarven - ich hoffe, es melden sich viele!!!
das mißverständnis dem ich aufgesessen bin, resultiert wahrscheinlich aus dem vor allem im herbst verstärkt auftretenden effekt, daß jeden tag mindestens eine selbstmordgeschichte-mit-begründung in den foren auftaucht.

trotzdem - ein text der spitzenklasse


grüße

rainer
 
R

Rote Socke

Gast
Also selbst....

... der unverbesserliche Optimist Rote Socke, sogar gläubig (@Rainer ;) ),ist begeistert von dem Text.

Dante, lass Dir gesagt sein, ich habe kräftig geschmunzelt und über jedes Wort sinniert.

Ok, ok, kleine Einschränkung, der letzte Satz.

Schöne Grüße
Socke
 



 
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