8: Beelzemertel und das Mädchen

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Uschka

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„Heut ist mir alles egal. Ich schnapp mir das nächstbeste Kind, und lass ihm keine Wahl“, sang Beelzemertels froh gelaunt vor sich hin. „Ob Mädchen oder Junge, Hauptsache, ich habe mal wieder was in meinen Sack.“ Und wenn ich mich nicht all so dumm anstelle, sollte es auch bald klappen-
Vor lauter Vorfreude rieb sich Beelzemertel genüsslich die Hände. Er hatte nun schon die zweite Verwarnung von seinem Oberboss erhalten. Ganz schön gemeckert hat der. Von wegen ich sei faul, oder gar zu dumm für diese Arbeit. Das wollte er so gar nicht auf sich sitzen lassen. Nein, dem werde ich es schon zeigen. Ja, sogar staunen würde der Oberboss und ihm vielleicht sogar noch eine extra Prämie zukommen lassen, machte er sich Mut. Frohen Mutes stampfte er durch die herrliche Winterlandschaft. Sieht es nicht wunderschön aus, wie sich der Schnee auf den Tannenzweigen hin und her schaukeln lässt? Unter meinen Schuhen knirscht es jedes Mal auf, so als wolle mir den Schnee was sagen. Ja, so eine verschneite Winterlandschaft hat schon was für sich-

„Ei, was ist denn mit dem Beelzemertel los? Der hat doch noch nie einen Blick für seine Umwelt gehabt, und überhaupt solche Gedanken. Hm, da stimmt doch was nicht!“, flüsterten die Tiere im Wald und machten einen großen Bogen um ihn, denn man konnte ja nicht wissen, was er so vor hat.
„Bestimmt nichts Gutes, das war doch klar“, schob ein Hase, der schon viele Jahre auf dem Buckel hatte, nach. „Ich kenne den, und weiß nichts Gutes über ihn zu berichten.“ Nehmt euch ja in Acht!“, warnte er noch schnell und verschwand hinter einem Busch. Nicht dass der alte Hase Angst vor ihm hatte. Nein, wahrlich nicht, aber man konnte Beelzemertel so gar nicht vertrauen. Dazu war der viel zu listig!

„Na, schau mal, wen haben wir denn da?“, rief Beelzemertel erfreut auf. Schnell hatte er das kleine Mädchen am Kragen erwischt, das sich gerade gemütlich auf einen Baumstamm setzen wollte.
„Na, du bist genau das richtige für meinen Sack, und dabei schaute er sich das Kind genauer an. Lange blonde Zöpfe umrahmten ein liebliches Antlitz. Strahlend blaue Augen blickten ihn neugierig an. Ein braunes Pelzjäckchen und eine karierte Hose, aus der sehr kleine Füßchen in Pelzstiefeln hervor schauten, waren der Rest von dem Mädchen.
„Lieb siehst du ja aus, aber das ist bestimmt nur Tarnung. Du willst mich nur täuschen, damit ich dich laufen lasse. Du bist ein freches Kind, denn du läufst hier in der Dämmerung alleine durch den Wald. Zu dieser Zeit sind alle anständigen Kinder Daheim in der warmen Stube!“, meinte er brummig. „Schau mich nicht so an, damit erreichst du gar nichts bei mir!“, brabbelte er weiter und steckte sie flugs in seinen Sack. Er konnte ihren stummen neugierigen, fragenden Blick nicht länger ertragen. „Kannst du denn nicht reden. Verstehst du mich denn überhaupt?“ , fragte er und schaukelte dabei den Sack in der Hand hin und her.
„Klar versteh ich dich, und hör mit dem Schaukeln auf!“, antwortete das Mädchen leise. „Und überhaupt, ich heiße Lisa-Marie!“, schob sie noch nach, um dann wieder ins Schweigen zu fallen.
„Hört, hört“, lachte Beelzemertels. „Lisa-Marie heißt sie!“, und amüsierte sich prächtig dabei. Schwang sich seinen Sack auf den Rücken und stiefelte in Richtung See los. Keiner von beiden sprach ein Wort, und so war nur der aufkommende Wind zu hören.

Endlich am See angekommen flüsterte Beelzemertels sehr leise seine Parole, denn er wollte auf keinen Fall, dass ihn dabei jemand belauschen konnte. Prompt öffnete sich das Wasser mit leisem Geräusch und er gelangte ohne Störung in seine Höhle. Mit einem Schwung holte er sich den Sack von seiner Schulter, um ihn gleich zu öffnen. Lisa-Marie sprang sofort heraus, und sah sich staunend um.
„Also, gemütlich sieht es aber bei dir nicht aus!“, meinte sie und zog ihre kleine Nase kraus. „Buh, hier stinkt es aber gewaltig, und lüften könntest du ja auch mal wieder.“
„Ja gibt’s denn so was, kaum hier und das Gemeckere geht los. Du bist hier mein Gast und da hast du dich zu benehmen, alles klar!“; fauchte er leicht erzürnt das Mädchen an. „Ich bin der gefürchtete Beelzemertel und du das freche Gör. Ich kann jetzt mit dir machen, was ich will. Und überhaupt, ich will, dass du erst einmal hier aufräumst und nicht nur rum meckerst, verstanden?“ Dabei schaute er sie so finster an, dass sie sich schnell hinter einen Stuhl stellte, um Schutz zu suchen. Dass der Stuhl sehr wackelig und überaus schmutzig war, bemerkte sie in diesem Moment nicht.
„Prima, so gefällst du mir schon besser“, donnerte Beelzemertel laut los. „Ich, nur ich bin der Herr in dieser Höhle, merke dir das! Mir sagt keiner, was zu tun oder nicht zu tun ist.“ Dabei zog er sich seine schmutzigen Stiefel aus und warf sie mitten in den Raum. „Na, was ist, willst du sie denn nicht aufheben und blank putzen!“, fuhr er Lisa-Marie böse an und rollte dabei wütend mit seinen tief schwarzen Kulleraugen. Lisa-Marie huschte schnell zu den Stiefeln hin, hob sie auf und schaute sich suchend nach Schuhputzzeug um.
„Was glotzt du so dumm in der Gegend herum, schau, dort in der Ecke liegen alte Putzlappen, die kannst du nehmen.“ Und zeigte in die Finsternis hinein.
Lisa-Marie eilte ganz schnell hin und fuhr dann erschrocken zurück. Denn Kater Nimmersatt sprang ohne Vorwarnung hervor, direkt vor ihre Füße, um sich dann in ihrer Hose fest zu krallen.
„Nein, bitte lass dass!“, wies sie Nimmersatt zu recht. Aber er ließ nicht ab von ihr. Dabei fauchte er genauso böse wie sein Herr. Seine scharfen Krallen kratzten nun auf ihrer Haut. als er seine Kratzspuren hinterlassen hatte, ließ er von ihr ab, und eilte zu seinem Herrchen.

„Ha, ha, ho, ho“, lachte Beelzemertel aus vollem Hals und schlug sich dabei die Hände auf seine Oberschenkel. „Das hast du gut gemacht, Katerchen!“, lobte er und kraulte ihn liebevoll. Ja, er war sehr mit sich und der Welt sehr zufrieden. Mal sehen, wie lange ich das Mädel hier habe? Ich hoffe, mein Herr und Meister lässt sich ein paar Tage damit Zeit, denn dann muss ich nicht so bald wieder raus und mir ein neues Kind suchen! Und Spaß werde ich dabei auch noch haben, ho, ho-
„Ihr seid beide sehr gemein. So böse habe ich mir euch nicht vorgestellt!“, meinte Lisa-Marie, mehr zu sich selbst und putzte dabei seine Stiefel blank.
„Wie oder was meinst du damit?“, fragte Beelzemertels und horchte lauernd auf. „Na ganz einfach, ich habe im Wald schon des öfteren auf dich gelauert. Und endlich hat es heut geklappt. Ich wollte dich halt mal kennen lernen und erfahren, ob du wirklich so ein garstiger Geselle bist, wie die Leute alle erzählen“, klärte ihn Lisa-Marie auf und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dass sie dabei so allerliebst aus sah, war ihr gar nicht bewusst.
„Willst du mir damit sagen, dass du gar kein ungezogenes, freches Kind bist!“, grollte er böse auf und sein Katerchen verzog sich mit einem großen Buckel fauchend in eine Ecke. Ein braves Kind war ja noch viel schlimmer als eine gute Fee, dachte er erbost. Beide waren entsetzt, was sie nun hier in ihrer Höhle hatten.
„Pfui, pfui, so eine Schande, da bin ich also einem arglistigen Kind in die Falle gegangen!“, heulte Beelzemertels laut auf, um dann wieder in sich zu sacken. „Wie konnte mir das nur passieren?“, jammerte er weiter.
„Schau, das ist doch nicht deine Schuld“, versuchte Lisa-Marie ihn zu trösten, und kam einige Schritte auf ihn zu.
„Nein, bleib wo du bist. Komm mir bloß nicht in meine Nähe“, warnte Beelzemertel und hob abwehrend seine Hände, als ob er etwas Böses abwehren müsste.
„Ich tue dir doch nichts. Will euch beiden doch nichts Böses. Wollte euch nur mal kennen lernen, das war alles“, klärte sie ihn auf und blieb nun mitten in der Höhle mit seinen Stiefeln in den Händen stehen. „Schau, habe ich sie nicht schön blank poliert?“
Beelzemertel hob nun seinen Blick und starrte zu Lisa-Marie herüber. Jetzt wusste er auch, warum er ein so komisches Gefühl bei ihr gehabt hatte. Die ganze Zeit war er beunruhigt gewesen. „Warum hast du mir denn nicht gleich gesagt, was du von mir wolltest!“, klagte er nun weinerlich herum.
„Na, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich dich und deinen Kater nur kennen lernen wollte, hättest du mich doch niemals mit in deine Höhle genommen, oder?, antwortete sie und ging bis zu ihm hin.
„Stimmt, dich hätte ich verjagt, keinen Blick für dich übrig gehabt!“, erwiderte Beelzemertel und bedauerte sich sehr. „Was soll ich jetzt nur machen? Mein Herr und Meister könnte jeden Moment kommen(Komma) um das freche Kind abzuholen. Der bemerkt doch gleich, dass hier was nicht stimmt. Nein, diese Blamage, das überlebe ich nicht“, beklagte er sich bei Lisa-Marie. „Alle, aber auch wirklich alle werden über mich lachen“, stöhnte er Herz erweichend auf, so dass Lisa-Marie nun ihrerseits großes Mitleid mit ihm hatte.
„Bring mich doch einfach ganz schnell wieder an die Wasseroberfläche und niemand wird von deiner Schande erfahren“, meinte sie und schaute ihn treuherzig an. „Ich werde keinem, noch nicht einmal meiner allerbesten Freundin, von euch erzählen, großes Ehrenwort!“, und dabei hob sie ihre rechte Hand.
„Dumm bist du nicht, das muss ich schon sagen. Aber woher weiß ich, dass du mir auch die Wahrheit sagst!“, fragte Beelzemertel lauernd und kniff seine Augen zusammen. Aus der Ecke war Nimmersatts Gemautze und Fauchen zu hören, als wollte er seinem Herrchen warnen und beistimmen. Beelzemertel überlegte hin und her, rang sich dann zu einer Antwort durch. „Also, gut, ich bringe dich nach oben und sogar bis an den Dorfrand, da, wo du wohnst. Aber wage niemals, dein Versprechen zu brechen, dann gnade dir Gott“, meinte er mit gefährlichem Unterton, so dass Lisa-Marie fürchterliche Angst und eine Gänsehaut bekam und sich innerlich schüttelte.
„Nein, bestimmt nicht“, beeilte sie sich zu sagen. „Niemals werden Worte über dich und Nimmersatt über meine Lippen kommen!“, beteuerte sie abermals und schluckte tapfer.
„Nun, ich will dir glauben. Na, dann komm und schlüpfe wieder in den Sack, denn keiner darf wissen, wie es hier rein und raus geht, auch du nicht!“ Dabei warf er ihr den schmutzigen Sack zu und sie schlüpfte mit angehaltener Luft ganz schnell hinein. Sie wagte kaum zu atmen, so sehr stank es darin. Aber das war ihr fast egal, Hauptsache, sie kam ungeschoren wieder nach Hause.

Oben angekommen rannte Beelzemertel so schnell er konnte los. Nicht dass ihn noch sein Herr und Meister über den Weg lief. Sein Kater Nimmersatt kuschelte, als die beiden die Höhle verlassen hatten, friedlich auf der Schlafstätte und war wieder zufrieden mit sich und der Welt. Das war ja schlimmer als der größte Hunger, dachte er noch bei sich. Ja, alles hatte jetzt wieder seine Ordnung.

Am Ortsrand ließ Beelzemertel Lisa-Marie aus seinem Sack. Den ganzen Weg hatten beide geschwiegen.
„Wir sind hier und denk an dein Versprechen!“, ermahnte Beelzemertel ruppig und verschwand, ohne einen Blick und weiteres Wort zu verlieren, im Wald.
Lisa-Marie war erleichtert, wieder fast zu Hause zu sein. Sie hielt ihr Wort und keiner hat je etwas davon zu hören bekommen. Zu sehr hatte sie nun Angst und Respekt vor dem Beelzemertel. Beelzemertel seinerseits war auch froh, dass diese dumme Geschichte niemals erwähnt wurde, denn das hätte ihn tatsächlich den Job gekostet. Dass er mal wieder ohne Beute war, war besser zu ertragen, als das Gespött aller Beelzemertels dieser Welt. In der Höhle zurück, schmollte Nimmersatt eine ganze Weile mit ihm. Er wusste, dass er in Zukunft besser aufpassen musste, was er mit in seine Höhle nahm.
 



 
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