hallo @revilo,
lass dich nicht irre machen!
lyrik ist nicht automatisch immer nur dann, wenn eine lyra im marschtakt dazu klingeln kann und sich "städtchen" halbwegs auf "mädchen" reimt, während die soldatenstiefel im takt knallen - sie besteht zumindest seit der aufklärung und der französischen revolution wesentlich darin, dass etwas sinnblidlich und indirekt zum ausdruck gebracht wird und ein "lyrisches ich" erkennbar ist, das vom leser teilhabe verlangt.
lyrik okkupiert nicht wie quälend verreimte besserwisserei oder moralinsaures, nervt nicht wie herumgeschüttelte kalauer und ödet nicht an wie die ewiggleiche liebetodundeifersucht-ratatouille, sondern läßt ahnen: man frißt sie nicht, sondern schnuppert nur.
die dumme frage, was an deinem text lyrisch sei, ist schnell beantwortet: dass gedanken asyl suchen, dass sie sich tagsüber verkleiden, dass sie sich beschmutzen können, dass man sich ihrer entledigen möchte wie eines unlieb gewordenen kleides, dass man die nackte seele dahinter liebt, sie aber dennoch gleich wieder im dunkel verbirgt.
wie melodien "umgebrochen" werden, entscheidet der komponist; die partitur dient dazu, dass sein stück so reproduziert wird, wie er es sich vorstellte. ließe man alle pausen, fermaten und atemzeichen weg, wär's nur gedudel.
wer will, @revilo, kann deine bilder in seine eigene (intim)sprache übersetzen und sich wiederfinden oder nicht. texte, die einem solches ermöglichen, nennen alle unterwasserlebewesen lyrisch.
liebe grüße aus münchen
bluefin