Abenteuer Bahn Teil II

Abenteuer Bahn Teil II

Er, der geschätzte Leser, der bereits den ersten Teil der Bahnfahrmemoiren eines Fahrgastes, übrigens zahlender Bahnkunde, dem geneigten Auge zugeführt hat, wartet wahrscheinlich bereits schon sehnsüchtig auf die Geschichte mit der Verspätung von nur 75 Minuten, mit der er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, sein Heim erreichte.

Und auch hier zeigt sich wieder, die Preiserhöhungen der Bahn sind berechtigt, denn wer so viel Abenteuer für seine Kunden organisieren muss, der kann dies zu so niedrigen Preisen nicht realisieren. Die ganze Geschichte beginnt natürlich wieder mal

18:10 Uhr München Ostbahnhof

Die S-Bahn hatte, wie öfters, mal wieder etwas Verspätung. Normal wäre sie, die S-Bahn, um 17:56 Uhr am Ostbahnhof. Aber irgendwie gehen die Zeiger der Uhr bei der Bahn wohl manchmal anders. Nun ja, überlegt sich der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, fahr ich halt gleich durch bis zum Hauptbahnhof. Denn den Interregio am Ostbahnhof noch zu erwischen, ist schon zu knapp. WENN ER, DER INTERREGIO MAL PÜNKTLICH IST, dann erreiche ich ihn nicht mehr.

Gedacht, getan, zum Hauptbahnhof durchgefahren.

Mit dem Erreichen des Hauptbahnhofs fing das Drama an.

18:23 Uhr München-Hauptbahnhof

Die den Lesern des ersten Teils bekannte Anzeigetafel für abfahrende Züge über dem Service Point zeigt bereits eine Bemerkung hinter dem Interregio an: ca. 20 min. verspätet.

Der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, wendet sich wieder dem Gleis 17 zu. Auch hier die Anzeige: ca. 20 min. verspätet.

Nun denkt sich der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, dann kann ich ja in aller Ruhe mal vorlaufen.

Auf halbem Wege knackt der dem bewußten Leser des ersten Teils bereits bekannte Lautsprecher: „Meine Damen und Herren, der Interregio von Salzburg nach Karlsruhe verspätetet sich voraussichtlich um weitere 10 Minuten. Der Eurocity nach Basel darf heute bis Stuttgart zuschlagsfrei benutzt werden. Dieser Zug steht abfahrbereit am Gleis 18.“

Eine wichtige Durchsage, denkt sich der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, was mach’ ich, wenn sich der Interregio noch mehr verspätet, außerdem weiß ich nicht, wann ich daheim bin. Also nehme ich den Eurocity bis Augsburg und fahre dann mit der Regionalbahn weiter bis Günzburg. Vorausgesetzt, die Verspätung des Interregio bleibt.

Er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, dreht sich um und geht den bereits zurückgelegten Weg zurück, um sich dann zum Nachbarbahnsteig mit den Gleisen 18 - 19 zu begeben. Der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, sucht und findet, worüber er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, sehr erstaunt ist, noch einen freien Platz.

Weiter vorn im Waggon waren sogar noch zwei freie Plätze sichtbar. Sie, die Sitzplätze, waren aber nicht sehr lange frei. Einige Pendler waren auf der Suche nach freien Plätzen. Und so kam, was kommen mußte, die Plätze waren schnell belegt, wobei es bei einem Platz zu einem Wettlauf zwischen einem Krückstock schwingenden grauhaarigen Rentner und einem elegant gekleideten Juppi kam.

Der Wettlauf wurde von ihm, dem Rentner, um eine Krückstocklänge gewonnen. Manche Rentner können sehr schnell sein, wenn es um einen Sitzplatz geht.

18:47 Uhr München Hauptbahnhof

Der Eurocity nach Basel setzt sich mit zwei Minuten Verspätung in Bewegung. Sämtliche Fahrgäste im Inneren des Zuges frohlocken. Die Chancen, pünktlich in Augsburg anzukommen, steigen nahe an die 100%-Marke. Aber nahe 100% heißt vielleicht nur, 99,9 oder 98,7 oder noch weniger %.

Ein, wenn auch noch so geringes Restrisiko, ähnlich den bei Atomkraftwerken, bleibt also für all diejenigen, die unbedingt noch einen Anschluß, sei es Bahn, Bus oder Flugzeug, erreichen müssen. Auf dieser Fahrt zeigte sich nun, daß das Restrisiko nicht umsonst Restrisiko heißt.

Er, der Eurocity, bleibt ohne erkennbaren Grund scheinbar einfach so stehen. Bei zweimal 6 - 8 Minuten kann sich also durchaus eine Viertelstunde Verspätung daraus ergeben, legt man die Uhren der Bahn zugrunde.

Nun bedeutet dies aber, der Zug trifft verspätet in Augsburg ein.

Er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, blickt auf die Bahnhofsuhr. Seine gekrauste Stirn glättet sich wieder.

19:27 Uhr. Die Regionalbahn nach Ulm über Gessertshausen, Dinkelscherben, fährt um 19.25 Uhr, wartet aber normalerweise auf die Fahrgäste des Eurocity. Merke: Rechne bei der Bahn nie mit dem Normalen, glaube an das Abnormale und du wirst nicht enttäuscht.

Die Regionalbahn nach Ulm vom Gleis 8 Nord stand natürlich nicht mehr dort, sondern war pünktlich abgefahren.

Zurück zur Bahnhofshalle an die Anzeige für abfahrende Züge. Beim Interregio nach Karlsruhe stand als Bemerkung: 60 min. später. Nett, das bedeutet, Abfahrt 20:00 Uhr statt 19:00 Uhr ab Augsburg. Und weil die Regionalbahn nach Ulm über Günzburg nur alle 60 Minuten fährt, hat man diese wohl fahren lassen. Also hin zum Service Point der Bahn und sich beschweren. Es gab da nur ein Problem: der Service Point war umlagert von vielen Menschen, die ihre Begeisterung darüber kundtaten, daß die Regionalbahn nicht gewartet hatte.

Er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, erinnert sich daran, daß er Anfang des Jahres schon einmal hier stand. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Viele neue Bezeichnungen für den Bediensteten hinter dem Schalter lernte der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, heute.

20:00 Uhr Augsburg Hauptbahnhof, Bahnsteig Gleis 2 - 3

Sinnend betrachtet er, der Fahrgast, übrigens zahlender Bahnkunde, die Anzeige am Bahnsteig Gleis 2. Dort stand zu lesen: 60 min. verspätet. Das würde bedeuten, der Zug müßte jetzt so langsam kommen. Auf einmal klappen die Buchstaben um. Vom Gleis 2 fährt jetzt der ICE nach Hamburg. Am Gleis 3 steht jetzt dafür die Anzeige des Interregio.

Nachdem 8 Minuten vergangen waren, fuhr tatsächlich der Interregio am Gleis 3 ein. Drei Minuten später kam dann der ICE nach Hamburg. Türen auf. Leute steigen aus, Leute steigen ein. Trillerpfeife. Die Türen gehen zu. Der ICE fährt, der Interregio steht.

Nach weiteren vier Minuten ertönt auch hier die Trillerpfeife. Die Türen des Interregio schließen sich und er, der Interregio, setzt sich tatsächlich mit 75 Minuten Verspätung von Augsburg aus in Bewegung.

Und die Moral von der Geschicht:
Mußt du mal pünktlich sein, die Bahn ist’s nicht.
 
Hallo,

Schreiben hat durchaus was Therapeutisches. Auch ich habe, wie es bestimmt jeder schon einmal getan hat, Beschwerden formuliert und diese dann am Ende doch in Mülleimer geworfen, weil man eigesehen hat, dass es nix bringt. Seit einigen Jahren jedoch gibt es aber für solche Fälle das Internet, denn wenn man schon Zeit investiert hat, dann sollte es wenigstens auch jemand lesen. - Recht hast Du!

Nur eines, - wieviel kostet es eigentlich vom Ostbahnhof nach Günzburg?

Schöne Grüße,

Gerhard
 



 
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