Der jährliche Weihnachtswahnsinn kommt Anfang Dezember so richtig in Fahrt. Neben den steigenden Besucheranstürmen in Kaufpalästen aller Art erleben nun auch die Supermärkte höher werdende Frequentierung, wenn es gilt, mit ersten Adventsveranstaltungen unter Freunden den kulinarischen Höhepunkt zum Fest einzuleiten.
Backbücher werden gewälzt, Omas altbewährte Plätzchenrezepte in loser Blattsammlung sortiert und erste Entscheidungen getroffen. Wie jedes Jahr die halbherzige Frage, ob denn die Zubereitung eines Christstollen nun endlich einmal gewagt werden soll oder ob es dafür nicht ohnehin zu spät ist – muss dieses Traditionsgebäck zur Entfaltung des ultimativen Aromas nicht vor dem Verzehr wochenlang ziehen, und wenn ja, wie gelagert? Die Frage geht in der reichhaltigen Auswahl der gewünschten Kekse unter, und wird wieder einmal verschoben. Nächstes Jahr dann aber wirklich mal einen.
Bestens ausgestattet mit einer meterlangen Zutatenliste – es empfiehlt sich neben der thematischen Zusammenstellung aller Ingredienzien die Einzelrezepte mitzuführen, um entsprechend der nicht auffindbaren Zutaten den Einkauf an die gewünschte Mindestmenge Backwerk anpassen zu können – startet der praktische Teil des Projekts „Zuckerbäckerei in der heimischen Küche“. Die Parkplatzsituation beim größten Supermarkt am Platze lässt erahnen, dass das Vorhaben so wenig neu wie unbeliebt ist. Nach mehrmaliger Umfahrung der zugehörigen privaten Parkraumbewirtschaftung ist der Eingang zum Fachhandel bei Einbruch der frühen Dämmerung nur noch einen kurzen Fußmarsch entfernt.
War noch in Anbetracht der Menschenmassen eine kleine Meditationsübung zum Zeitvertreib in der zu erwartenden Schlange in der Kassenzone angedacht, deutet der Tumult im Wartebereich für die Einkaufswagen an, dass doch volle Konzentration für den gesamten Projektauftakt gefragt sein wird. Der Begriff „kick off Meeting“ bekommt eine völlig neue Bedeutung, das saisonbedingt erhöhte Kaufverhalten scheint bei manchen Zeitgenossen erste Schübe Aggressionspotential freizusetzen, was jeden Gedanken an meditative Einlagen im Keim erstickt.
Freie Einkaufswagen stehen hoch im Kurs und werden bei Sichtung lautstark zum Eigentum des Entdeckers erklärt. Vorbesitzer weisen energisch auf ihr Recht auf Entladung vor Weitergabe hin und zeigen wenig Verständnis für den Siegestaumel der erfolgreichen Finder. Irgendwann ist es dann soweit, eine Pfandmünze sichert die Nutzungsdauer eines der begehrten Objekte und dem fröhlichen Einsammeln von Tütchen, Päckchen, Gläschen und Becherchen scheint nichts im Wege zu stehen.
Doch schnell macht sich Ernüchterung breit. Trotz unablässiger Berieselung mit deutsch- und englischsprachigen Weihnachtsklassikern ist die Stimmung im Laden wenig besinnlich. Die Idee des Filialleiters vom ruhig fließenden Strom der Konsumenten durch sein reichhaltiges Angebot wird empfindlich gestört, palettenweise neue Ware versperrt die Gänge. Einem Feldwebel alter Schule gleich erklärt er eine Schüler-Aushilfsriege zur Ursache für den gestörten Lauf der Dinge und liefert mit seiner Ansprache an dieselben eine mögliche Erklärung dafür, warum Jugendlichen das höfliche Formulieren ihrer Anliegen oft nicht geläufig zu sein scheint.
„Mama, warum schreit der Mann so?“, fragt ein vorbeigeschobener Knirps im Kindersitz einer Drahtschubse verängstigt seine Mutter, „und was ist ein Faulsäcke?“. Der Grundstock für Unhöflichkeiten im Umgang mit Mitmenschen wird früh gelegt. Die Antwort der bemühten Mutter geht im ohrenbetäubenden Lärm eines fallenden Bierkastens unter, der bereits leicht angetrunkene Verursacher dieser zusätzlichen Unpassierbarkeit macht lallend die erhöhte Schwerkraft in diesen Breitengraden für das Missgeschick verantwortlich.
Sogleich plantschen ausgebüxte Kleinkinder kichernd mit ihren Stiefelchen in einem Meer aus Gerstensaft und Scherben, kinderlose Kunden prangern wortreich die Verletzung der Aufsichtspflicht deren Mütter an, eine Seniorin stürzt erschrocken aber weich in die Joghurtauswahl, als ein Ladendieb die Beine in die Hand Richtung Ausgang nimmt. Die Käsethekenleitkuh weigert sich bühnenreif lamentierend, eine unentschlossene Kundin weiter zu bedienen, Babies schreien gegen die ungewohnte Geräuschkulisse aus den daunenbedeckten Tiefen ihrer Kinderwagen an, und eine Gruppe Schüler, augenscheinlich auf Klassenfahrt, bewertet den Trubel als ultimativen Grund, in einer Großstadt zu leben, und endgeil. Endlich mal was los! Der Marktleiter kocht.
„Sti-hille Nacht, heilige Nacht... Frau Schneider bitte Kasse 3, SCHON WIEDER STORNO!...nur das traute hochheilige Paar...“, tönt es aus den Lautsprechern an der Decke. Der Chef vom Dienst sucht Rettung vor dem Herztod im hysterischen Heranbeordern der Reinigungskolonne, die, wie sollte es anders sein, nichts als Pause im Kopf hat anstatt sich der aktuellen Einsatzgebiete anzunehmen. Ein paar studentischen Aushilfskräfte in Engels- und Nikolauskostümen lächeln gequält und verteilen stoisch Schokoladenkleinteile an die nicht enden wollende Prozession aus Einkaufswagen, während sie wohl insgeheim darüber nachdenken, ob die Stille der Nacht in dieser Jahreszeit nicht doch nur beim nächtlichen Austragen von Zeitungen zu finden sei.
Nur ein paar Katastrophenschauplätze weiter ist endlich der Kassenbereich in Sicht, oder besser, das Ende der Schlangen, hinter der er sich befinden muss. Jetzt heißt es erhöhte Aufmerksamkeit. Nach Besitznahme eines Transportmittels am Eingang und dem erfolgreichen Erjagen unvorhergesehener Sonderangebote mündet der Marathon hier in die alles entscheidende Schlussphase. Mit maximaler Auslastung der Ladekapazität des heroisch ergatterten Rollträgers gilt es nun, wenigstens Zeit beim Zahlen zu sparen, koste es, was es wolle. Dabei führt das Auftauchen von wenig beladenen und damit extrem wendigen Gefährten auf dem Weg zur „Maximal-10-Teile-Kasse“ zu ungeahnt innigen Allianzen zwischen den sonst verfeindeten Vollbeladenen, die auf Grund ihrer Masse und Unbeweglichkeit zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Und auch der entspannteste Wenigkäufer sieht schnell ein, dass nur geschicktes Rangieren und beherztes Voranschreiten im Gedränge um die besten Plätze geeignet ist, den Ort des Geschehens doch noch kurz vor Ende der verlängerten Öffnungszeiten verlassen zu können.
Sti-hille Nacht, heilige Nacht... ...alles schläft, keiner backt.
Backbücher werden gewälzt, Omas altbewährte Plätzchenrezepte in loser Blattsammlung sortiert und erste Entscheidungen getroffen. Wie jedes Jahr die halbherzige Frage, ob denn die Zubereitung eines Christstollen nun endlich einmal gewagt werden soll oder ob es dafür nicht ohnehin zu spät ist – muss dieses Traditionsgebäck zur Entfaltung des ultimativen Aromas nicht vor dem Verzehr wochenlang ziehen, und wenn ja, wie gelagert? Die Frage geht in der reichhaltigen Auswahl der gewünschten Kekse unter, und wird wieder einmal verschoben. Nächstes Jahr dann aber wirklich mal einen.
Bestens ausgestattet mit einer meterlangen Zutatenliste – es empfiehlt sich neben der thematischen Zusammenstellung aller Ingredienzien die Einzelrezepte mitzuführen, um entsprechend der nicht auffindbaren Zutaten den Einkauf an die gewünschte Mindestmenge Backwerk anpassen zu können – startet der praktische Teil des Projekts „Zuckerbäckerei in der heimischen Küche“. Die Parkplatzsituation beim größten Supermarkt am Platze lässt erahnen, dass das Vorhaben so wenig neu wie unbeliebt ist. Nach mehrmaliger Umfahrung der zugehörigen privaten Parkraumbewirtschaftung ist der Eingang zum Fachhandel bei Einbruch der frühen Dämmerung nur noch einen kurzen Fußmarsch entfernt.
War noch in Anbetracht der Menschenmassen eine kleine Meditationsübung zum Zeitvertreib in der zu erwartenden Schlange in der Kassenzone angedacht, deutet der Tumult im Wartebereich für die Einkaufswagen an, dass doch volle Konzentration für den gesamten Projektauftakt gefragt sein wird. Der Begriff „kick off Meeting“ bekommt eine völlig neue Bedeutung, das saisonbedingt erhöhte Kaufverhalten scheint bei manchen Zeitgenossen erste Schübe Aggressionspotential freizusetzen, was jeden Gedanken an meditative Einlagen im Keim erstickt.
Freie Einkaufswagen stehen hoch im Kurs und werden bei Sichtung lautstark zum Eigentum des Entdeckers erklärt. Vorbesitzer weisen energisch auf ihr Recht auf Entladung vor Weitergabe hin und zeigen wenig Verständnis für den Siegestaumel der erfolgreichen Finder. Irgendwann ist es dann soweit, eine Pfandmünze sichert die Nutzungsdauer eines der begehrten Objekte und dem fröhlichen Einsammeln von Tütchen, Päckchen, Gläschen und Becherchen scheint nichts im Wege zu stehen.
Doch schnell macht sich Ernüchterung breit. Trotz unablässiger Berieselung mit deutsch- und englischsprachigen Weihnachtsklassikern ist die Stimmung im Laden wenig besinnlich. Die Idee des Filialleiters vom ruhig fließenden Strom der Konsumenten durch sein reichhaltiges Angebot wird empfindlich gestört, palettenweise neue Ware versperrt die Gänge. Einem Feldwebel alter Schule gleich erklärt er eine Schüler-Aushilfsriege zur Ursache für den gestörten Lauf der Dinge und liefert mit seiner Ansprache an dieselben eine mögliche Erklärung dafür, warum Jugendlichen das höfliche Formulieren ihrer Anliegen oft nicht geläufig zu sein scheint.
„Mama, warum schreit der Mann so?“, fragt ein vorbeigeschobener Knirps im Kindersitz einer Drahtschubse verängstigt seine Mutter, „und was ist ein Faulsäcke?“. Der Grundstock für Unhöflichkeiten im Umgang mit Mitmenschen wird früh gelegt. Die Antwort der bemühten Mutter geht im ohrenbetäubenden Lärm eines fallenden Bierkastens unter, der bereits leicht angetrunkene Verursacher dieser zusätzlichen Unpassierbarkeit macht lallend die erhöhte Schwerkraft in diesen Breitengraden für das Missgeschick verantwortlich.
Sogleich plantschen ausgebüxte Kleinkinder kichernd mit ihren Stiefelchen in einem Meer aus Gerstensaft und Scherben, kinderlose Kunden prangern wortreich die Verletzung der Aufsichtspflicht deren Mütter an, eine Seniorin stürzt erschrocken aber weich in die Joghurtauswahl, als ein Ladendieb die Beine in die Hand Richtung Ausgang nimmt. Die Käsethekenleitkuh weigert sich bühnenreif lamentierend, eine unentschlossene Kundin weiter zu bedienen, Babies schreien gegen die ungewohnte Geräuschkulisse aus den daunenbedeckten Tiefen ihrer Kinderwagen an, und eine Gruppe Schüler, augenscheinlich auf Klassenfahrt, bewertet den Trubel als ultimativen Grund, in einer Großstadt zu leben, und endgeil. Endlich mal was los! Der Marktleiter kocht.
„Sti-hille Nacht, heilige Nacht... Frau Schneider bitte Kasse 3, SCHON WIEDER STORNO!...nur das traute hochheilige Paar...“, tönt es aus den Lautsprechern an der Decke. Der Chef vom Dienst sucht Rettung vor dem Herztod im hysterischen Heranbeordern der Reinigungskolonne, die, wie sollte es anders sein, nichts als Pause im Kopf hat anstatt sich der aktuellen Einsatzgebiete anzunehmen. Ein paar studentischen Aushilfskräfte in Engels- und Nikolauskostümen lächeln gequält und verteilen stoisch Schokoladenkleinteile an die nicht enden wollende Prozession aus Einkaufswagen, während sie wohl insgeheim darüber nachdenken, ob die Stille der Nacht in dieser Jahreszeit nicht doch nur beim nächtlichen Austragen von Zeitungen zu finden sei.
Nur ein paar Katastrophenschauplätze weiter ist endlich der Kassenbereich in Sicht, oder besser, das Ende der Schlangen, hinter der er sich befinden muss. Jetzt heißt es erhöhte Aufmerksamkeit. Nach Besitznahme eines Transportmittels am Eingang und dem erfolgreichen Erjagen unvorhergesehener Sonderangebote mündet der Marathon hier in die alles entscheidende Schlussphase. Mit maximaler Auslastung der Ladekapazität des heroisch ergatterten Rollträgers gilt es nun, wenigstens Zeit beim Zahlen zu sparen, koste es, was es wolle. Dabei führt das Auftauchen von wenig beladenen und damit extrem wendigen Gefährten auf dem Weg zur „Maximal-10-Teile-Kasse“ zu ungeahnt innigen Allianzen zwischen den sonst verfeindeten Vollbeladenen, die auf Grund ihrer Masse und Unbeweglichkeit zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Und auch der entspannteste Wenigkäufer sieht schnell ein, dass nur geschicktes Rangieren und beherztes Voranschreiten im Gedränge um die besten Plätze geeignet ist, den Ort des Geschehens doch noch kurz vor Ende der verlängerten Öffnungszeiten verlassen zu können.
Sti-hille Nacht, heilige Nacht... ...alles schläft, keiner backt.