Abenteur im Supermarkt

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P Maria F

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Der jährliche Weihnachtswahnsinn kommt Anfang Dezember so richtig in Fahrt. Neben den steigenden Besucheranstürmen in Kaufpalästen aller Art erleben nun auch die Supermärkte höher werdende Frequentierung, wenn es gilt, mit ersten Adventsveranstaltungen unter Freunden den kulinarischen Höhepunkt zum Fest einzuleiten.

Backbücher werden gewälzt, Omas altbewährte Plätzchenrezepte in loser Blattsammlung sortiert und erste Entscheidungen getroffen. Wie jedes Jahr die halbherzige Frage, ob denn die Zubereitung eines Christstollen nun endlich einmal gewagt werden soll oder ob es dafür nicht ohnehin zu spät ist – muss dieses Traditionsgebäck zur Entfaltung des ultimativen Aromas nicht vor dem Verzehr wochenlang ziehen, und wenn ja, wie gelagert? Die Frage geht in der reichhaltigen Auswahl der gewünschten Kekse unter, und wird wieder einmal verschoben. Nächstes Jahr dann aber wirklich mal einen.

Bestens ausgestattet mit einer meterlangen Zutatenliste – es empfiehlt sich neben der thematischen Zusammenstellung aller Ingredienzien die Einzelrezepte mitzuführen, um entsprechend der nicht auffindbaren Zutaten den Einkauf an die gewünschte Mindestmenge Backwerk anpassen zu können – startet der praktische Teil des Projekts „Zuckerbäckerei in der heimischen Küche“. Die Parkplatzsituation beim größten Supermarkt am Platze lässt erahnen, dass das Vorhaben so wenig neu wie unbeliebt ist. Nach mehrmaliger Umfahrung der zugehörigen privaten Parkraumbewirtschaftung ist der Eingang zum Fachhandel bei Einbruch der frühen Dämmerung nur noch einen kurzen Fußmarsch entfernt.

War noch in Anbetracht der Menschenmassen eine kleine Meditationsübung zum Zeitvertreib in der zu erwartenden Schlange in der Kassenzone angedacht, deutet der Tumult im Wartebereich für die Einkaufswagen an, dass doch volle Konzentration für den gesamten Projektauftakt gefragt sein wird. Der Begriff „kick off Meeting“ bekommt eine völlig neue Bedeutung, das saisonbedingt erhöhte Kaufverhalten scheint bei manchen Zeitgenossen erste Schübe Aggressionspotential freizusetzen, was jeden Gedanken an meditative Einlagen im Keim erstickt.

Freie Einkaufswagen stehen hoch im Kurs und werden bei Sichtung lautstark zum Eigentum des Entdeckers erklärt. Vorbesitzer weisen energisch auf ihr Recht auf Entladung vor Weitergabe hin und zeigen wenig Verständnis für den Siegestaumel der erfolgreichen Finder. Irgendwann ist es dann soweit, eine Pfandmünze sichert die Nutzungsdauer eines der begehrten Objekte und dem fröhlichen Einsammeln von Tütchen, Päckchen, Gläschen und Becherchen scheint nichts im Wege zu stehen.

Doch schnell macht sich Ernüchterung breit. Trotz unablässiger Berieselung mit deutsch- und englischsprachigen Weihnachtsklassikern ist die Stimmung im Laden wenig besinnlich. Die Idee des Filialleiters vom ruhig fließenden Strom der Konsumenten durch sein reichhaltiges Angebot wird empfindlich gestört, palettenweise neue Ware versperrt die Gänge. Einem Feldwebel alter Schule gleich erklärt er eine Schüler-Aushilfsriege zur Ursache für den gestörten Lauf der Dinge und liefert mit seiner Ansprache an dieselben eine mögliche Erklärung dafür, warum Jugendlichen das höfliche Formulieren ihrer Anliegen oft nicht geläufig zu sein scheint.
„Mama, warum schreit der Mann so?“, fragt ein vorbeigeschobener Knirps im Kindersitz einer Drahtschubse verängstigt seine Mutter, „und was ist ein Faulsäcke?“. Der Grundstock für Unhöflichkeiten im Umgang mit Mitmenschen wird früh gelegt. Die Antwort der bemühten Mutter geht im ohrenbetäubenden Lärm eines fallenden Bierkastens unter, der bereits leicht angetrunkene Verursacher dieser zusätzlichen Unpassierbarkeit macht lallend die erhöhte Schwerkraft in diesen Breitengraden für das Missgeschick verantwortlich.
Sogleich plantschen ausgebüxte Kleinkinder kichernd mit ihren Stiefelchen in einem Meer aus Gerstensaft und Scherben, kinderlose Kunden prangern wortreich die Verletzung der Aufsichtspflicht deren Mütter an, eine Seniorin stürzt erschrocken aber weich in die Joghurtauswahl, als ein Ladendieb die Beine in die Hand Richtung Ausgang nimmt. Die Käsethekenleitkuh weigert sich bühnenreif lamentierend, eine unentschlossene Kundin weiter zu bedienen, Babies schreien gegen die ungewohnte Geräuschkulisse aus den daunenbedeckten Tiefen ihrer Kinderwagen an, und eine Gruppe Schüler, augenscheinlich auf Klassenfahrt, bewertet den Trubel als ultimativen Grund, in einer Großstadt zu leben, und endgeil. Endlich mal was los! Der Marktleiter kocht.

„Sti-hille Nacht, heilige Nacht... Frau Schneider bitte Kasse 3, SCHON WIEDER STORNO!...nur das traute hochheilige Paar...“, tönt es aus den Lautsprechern an der Decke. Der Chef vom Dienst sucht Rettung vor dem Herztod im hysterischen Heranbeordern der Reinigungskolonne, die, wie sollte es anders sein, nichts als Pause im Kopf hat anstatt sich der aktuellen Einsatzgebiete anzunehmen. Ein paar studentischen Aushilfskräfte in Engels- und Nikolauskostümen lächeln gequält und verteilen stoisch Schokoladenkleinteile an die nicht enden wollende Prozession aus Einkaufswagen, während sie wohl insgeheim darüber nachdenken, ob die Stille der Nacht in dieser Jahreszeit nicht doch nur beim nächtlichen Austragen von Zeitungen zu finden sei.

Nur ein paar Katastrophenschauplätze weiter ist endlich der Kassenbereich in Sicht, oder besser, das Ende der Schlangen, hinter der er sich befinden muss. Jetzt heißt es erhöhte Aufmerksamkeit. Nach Besitznahme eines Transportmittels am Eingang und dem erfolgreichen Erjagen unvorhergesehener Sonderangebote mündet der Marathon hier in die alles entscheidende Schlussphase. Mit maximaler Auslastung der Ladekapazität des heroisch ergatterten Rollträgers gilt es nun, wenigstens Zeit beim Zahlen zu sparen, koste es, was es wolle. Dabei führt das Auftauchen von wenig beladenen und damit extrem wendigen Gefährten auf dem Weg zur „Maximal-10-Teile-Kasse“ zu ungeahnt innigen Allianzen zwischen den sonst verfeindeten Vollbeladenen, die auf Grund ihrer Masse und Unbeweglichkeit zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Und auch der entspannteste Wenigkäufer sieht schnell ein, dass nur geschicktes Rangieren und beherztes Voranschreiten im Gedränge um die besten Plätze geeignet ist, den Ort des Geschehens doch noch kurz vor Ende der verlängerten Öffnungszeiten verlassen zu können.
Sti-hille Nacht, heilige Nacht... ...alles schläft, keiner backt.
 
Liebe Maria,

zuerst mal herzlich willkommen hier im H&S-Forum.

Nun zu Deinem Text:

Erstens: was mir gleich mal auffällt sind die sperrigen Sätze. Viel zu lange und konstruiert. Also: kürzen, zerspalten, und die Worte angepasst.

Zweitens: Thema. Ein bekanntes und oft verwendetes Motiv. Dass heisst für Dich: jede Menge Konkurrenz z.B. Die Eskalation der Besinnlichkeit, Eine Wintergeschichte und Weihnachtsbeleuchtung.
Das heisst weiters, Du solltest nicht nach Schema F verfahren, sondern Deine eigene originelle Herangehensweise verwenden. Viele Leser kennen zumindest einen der genannten Texte.

Noch was: die Beschreibung eines Betrunkenen, der irgendwelche Bierkisten umwirft, ist meistens nicht lustig.

Ein Fehler in dem Text ist meiner Meinung nach auch der geringe Fokus auf vielleicht eine konkrete Person. So sind das nur Allgemeinplätze (Kinder, die elternlos herumlaufen blablabla). Mach's konkreter. Mach's z.B. aus der Sicht einer Mutter oder besser, eines überforderten, schusseligen Vaters mit seinem Naseweis. Bring nicht das "eh erwartete", sondern überrasch uns, z.B. der Knirps der mit dem rollstuhlfahrenden Grossvater durchrollt, aber das Vernünftigkeitsverhältnis umgedreht ist (beispielsweise - und ich spinn jetzt bewusst los - der Grossvater eigentlich gaga ist und vermeintlich auf Benimm der Kinder achtend, der Knirps aber die Situation rettenmüssend).

"Drahtschubse" fand ich originell, diese Begriff kannte ich noch nicht.

Marius
 

P Maria F

Mitglied
Lieber Marius,

danke für Dein Willkommen!

ich grübele noch über Deine Kritikpunkte zu meinem Text, die ich inhaltlich noch nicht so ganz nachvollziehen kann. In einem Punkt geb ich Dir schon mal recht: das Motiv bietet sich im Moment an.
Ist das Grund genug, das Motiv zu meiden? Oder bezieht sich das darauf, Texte dieser Art hier nicht einzustellen? Ich bin noch neu und frag mich das.
Die 3 Beispiele, die Du nennst, gehen alle in einer Art Tagebuch/Logbuch daran. Ob meine Heransgehensweise grundsätzlich originell ist oder nicht, mag jeder anders sehen, eindeutig ist sie anders als die Beispiele. Immerhin ;-)
Aus ähnlichem Grund habe ich eine Situation ohne Personenfokus gewählt. Hauptakteur ist die Hektik, all die Kleinigkeiten, die passieren, jede für sich nicht weltbewegend und doch in der Ballung ein Abenteuer.

Deine Anmerkung, dass die Sätze zu lang und sperrig seien, erstaunt mich gleich zweifach. Zum einen gibt die Satzkonstruktion die Lage vor Ort wieder. Zum anderen, es gibt den Text in vertonter Version, 1:1 mit Hintergrundgeräuschen. Weder vom Sprecher noch von den Zuhörern kam das Argument "sperrig". Nun überlege ich, ob die gesprochene Version einfacher zu verstehen sein könnte... wobei der Sprecher ja auch erst mal nur den Text hatte... aber Übung hat mit solchen Sachen...

Jedenfalls vielen Dank für Deine Argumente, jede Kritik bringt mich mit meinen Texten weiter.

Wie auch immer, schöne und/oder ruhige Feiertage ;-)

Maria
 
Das thema selber ist in Ordnung, nur wenn Du das hier in Humor&Satire postest, dann kann man davon ausgehen, dass dieses Thema in anderer Form von den Lesern schon wo gesehen wurde. D.h. Deine Herangehensweise muss originell sein, denn bei H&S ist das Überraschungselement das wichtige.
Wenn Du bei einem Krimi schon von der ersten Seite weisst, wer der Mörder ist (weil die Geschichte so schon einmal woanders erzählt wurde), dann ist das nur in den seltensten Fällen interessant.

In Deinem Fall las ich und las ich und dachte mir die ganze Zeit: also wo wird der Text jetzt originell, im Vergleich zu den Texten, die ich kennen? Als dann nix kam, war für mich nur ein schales Gefühl. Auch wenn Du die Texte nicht kennst, Deine Leser mögen Sie kennen und es ist die Pflicht des Autoren, ein bisserl die "Konkurrenz" in dem Gebiet zu kennen, um die Leser nicht als schalen Abklatsch zu enttäuschen.

Weiters ist im humoristischen Fach ist eine einfachere Satzkonstruktion meistens besser. Deine Sätze erstrecken sich über 4-5 Zeilen. Das ermüdet.
Ich gebe Dir dieses Feedback, weil wir hier im Forum genau solche Texte auf die humoristischen Elemente analysieren. Was geht, was geht nicht. Und Satzlänge ist ein wichtiges Element, das zu berücksichtigen ist. Das mal der obligate lange Satz vorkommen darf, ist natürlich klar, solange es ein humoristisch bewusst eingesetztes Element ist. Das scheint mir aber im vorliegenden Text nicht der Fall zu sein.
Ebenso sehe ich mehr eine Hektik die Du beschreiben willst. Und Hektik wird am besten durch kurze knappe Sätze beschrieben.

So wie der Text jetzt ist, sind's Allgemeinheiten (was an sich nicht schlecht ist), aber darum sind sie für mich noch lange nicht lustig oder satirisch.

Ein Zuhörer wird Dir in der Regel nur das Feedback geben, ob's ihm gefallen hat oder nicht, aber er wird's Dir kaum erklären können. Die meisten - vor allem wenn sie Dich persönlich kennen - werden Dir auch nie ehrliches Feedback geben. Erwarte nie konstruktiv wertvolles Feedback von Deinem (auch erweiterten) Freundes- und Familienkreis. Und der Sprecher ist nicht hier, Deinen Text zu verbessern (sonst wäre er ja selber Schriftsteller geworden), sondern ist da, den Text möglichst gut zu lesen.

Servus und ebenso schöne Feiertage.

Marius
 

Eve

Mitglied
Hallo Maria,

auch ich habe deinen Text gelesen und komme zu einer ähnlichen Meinung wie Marius ... das Humorige bzw. die Pointe fehlt. Viel eher sind ein paar Szenchen drin, die einem ein Schmunzeln entlocken, die dann aber auch schnell wieder zu Ende sind, quasi nur angerissen. Um deinem Argument Rechnung zu tragen, dass du ja gerade nur einen Anriss bringen wolltest, ist das sicherlich stimmig - mir als Leserin fehlt dann aber doch die Möglichkeit, in den Text und die Situation eintauchen zu können. Am besten geht das immer noch, wenn man sich einer Person im Text anschließen kann und etwas durch deren Augen sieht und erlebt.

Die Idee ist nachvollziehbar - jeder hat in der Vorweihnachtszeit im Supermarkt schon geflucht und genau das alles erlebt, was du beschreibst. Aber um deinen Text als Satire oder "witzig" verstehen zu können, fehlt das wirklich Witzige.

Da geht es mir wie Marius, wenn ich das Forum "Humor & Satire" auswähle, will ich lachen, da erwarte ich eine knackige Geschichte mit Pointe.

Vielleicht wäre es eine Idee, hieraus eher eine Kurzgeschichte zu machen, z. B. aus Sicht eines Penners am Eingang, der all diese Begebenheiten jedes Jahr wieder zu sehen bekommt, unbeteiligt bleibt und still vergnügt in sich hinein beobachtet - und dabei zufrieden an seiner Flasche nuckelt ;-) ...

Viele Grüße,
Eve
 



 
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