Abschied

france

Mitglied
Abschied

"Adieu", dieses Wort kam leise über seine Lippen, schwach, zögerlich,
gerade so als ob er Angst gehabt hätte, es auszusprechen. Er wollte dieses
Wort nicht sagen, den Zeitpunkt hinauszögern, nicht daran denken und doch hatte es ihn beschäftigt , immer wieder. Ja, er hatte Angst vor diesem Wort, vor seinen Folgen.

"Adieu", er hielt ihre Hände leicht zwischen den seinen. Er fühlte die
Vergangenheit und die Gegenwart in seinen Händen. Ihre Liebe, ihr
gemeinsames Erleben lief wie ein Film im Schnelldurchgang ab. Seine Hände
zitterten, sie waren unsicher; sie wussten nicht, ob sie festhalten oder
loslassen sollten. Müssten.

Seine Bewegungen waren ungelenk als er sie umarmte.
Er schaute an ihr vorbei zu den Bäumen, zu den Blättern, die sich im Winde bewegten. Sie sollte seine Tränen nicht sehen.

"Adieu", es war ein Stich in sein Herz, es verkrampfte, ein Stahlband
legte sich um seine Seele, hinderte ihn am Atmen; er wollte wegrennen, heil herauskommen aus dieser Situation. Das alles konnte, durfte nicht wahr sein!
Doch es war Realität.
Kälte schlich durch seinen ganzen Körper, ergriff ihn, lähmte ihn, legte sich über seine Gedanken, sein Fühlen. Er war nicht mehr er selbst.

"Adieu", er ließ ihre Hand los, sah die Bäume und die Blätter, die der Wind zu
Boden wehte. Nichts konnte ihren Lauf aufhalten.

"Adieu!"
 
A

Annabelle

Gast
Hallo France,

ich habe soeben deine Kurzgeschichte "Abschied" gelesen. Sie hat mich total beruehrt! Nicht dass ich mich im Moment in solch einer Situation befinde, aber ich verbringe gerade einige Monate im Ausland und habe jemanden getroffen, den ich sehr liebe. Auch fuer uns wird es einen Abschied geben, wenn ich zurueckgehe. Zwar ist er Deutscher, aber da wir nicht in derselben Stadt leben, wird die Distanz bleiben. Das musste mal raus!

Annabelle
 

Andrea

Mitglied
3 von 10 Punkten

An den meisten Stellen werden die Gedanken durch Aufzählungen dargestellt. Zwar ergibt das meist das Gefühl der Dringlichkeit, der Verzweiflung, aber insgesamt sollte an der ein oder anderen Stelle noch ein Verb eingebaut werden.

Der Absatz nach "Doch es war Realität" ist ebenfalls zu knapp geraten. Vielleicht solltest du daraus besser vier oder fünf Sätze machen (und die Tatsache, daß er nicht mehr er selbst ist, z.B. dadurch illustrieren, daß du erklärst, wie er denn vorher normalerweise wäre).

Einen logischen Fehler habe ich auch noch gefunden: Kaum hat er ihre Hände losgelassen, der endgültige Abschied steht also direkt bevor, da beobachtet er die Bäume und Blätter. Haben seine Augen in dem Moment nicht ein wichtigeres Ziel, sie zum Beispiel? Wenn er die letzte Möglichkeit hat, ihr Gesicht oder meinetwegen auch nur ihren Rücken zu sehen, dürfte er sich kaum mehr um Tränen und seine Männlichkeit scheren. Wenigstens erwähnt werden sollte ein solcher letzter Blickkontakt.
 

france

Mitglied
Andreas Kommentar

Danke Andrea,
genau das waren auch meine Überlegungen und die Originalversion berücksichtigte alle deine Einwände. Dann wollte ich die Geschichte "komprimieren" um der Fantasie mehr freien Lauf zu lassen. Beide Versionen legte ich einigen Lesern vor und deshalb stellte ich die kurze Fassung hier ein. :cool:
france
 

maskeso

Mitglied
Ich finde die Geschichte gut, gerade wegen ihrer Kürze (Herzschmerz wäre übrigens das pssendere Forum gewesen).
Andreas Einwände kann ich nur sehr begrenzt nachvollziehen: Den Absatz, in dem auch das Wort "Realität" vorkommt, hättest du dir in meinen Augen sogar ganz sparen können. Zwar sind die Übergänge generell wenig weich (gekürzt halt), aber dieser Teil wirkt nur aufgesetzt. Der "logische Fehler" ist meines Erachtens keiner - er will ihr nicht noch mal in die Augen blicken, hat Angst - was ist daran unlogisch?
Insgesamt finde ich es einfah stimmig und stimmungsvoll. Der Verzicht auf unnötige Ausschweifungen, die Reduktion auf das Wichtig-Nebensächliche hat mir gefallen.
 
G

Guest

Gast
Bravo, france! Sehr gut geschrieben, bildlich und trefflich.
Besonders toll ist der Satz, wo die Frau seine Tränen nicht sehen darf. Die Männer weinen nicht! Das ist goldrichtig. Dann kan mann sich ein bisschen wie Frau fühlen. Ich dachte schon, dass Männer waren mit Dinosaurien ausgestorben ...

En Grüessli
Marina
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Männer weinen nicht?

Ich finde die kleine Geschichte auch sehr schön und bin wie maskeso der Meinung, man sollte sie so lassen. Ein wenig feilen vielleicht, denn das hilft immer.
An Marina: Du behauptest, Männer weinen nicht? Oh, ich denke doch. Du liebst Remarque? Dann mach doch mal einen Test. Gib Männern das Buch "Drei Kammeraden" und laß es sie lesen. Mit dem Mann, dessen Augen trocken bleiben, stimmt etwas nicht.

Gruß Ralph
 



 
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