Abschied

lila

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Es war nicht der Wind, der mich geweckt hatte, es war auch nicht das Lied, das aus dem Radio klang, nicht die Vögel die draußen zwitscherten, es war sein Geruch, der in der Luft hing wie ein böses Omen, ich begann mich zu drehen, fasste das Kissen und drückte es auf mein Gesicht. Dieser Geruch war das Zeichen des Bösen, ich wußte, dass er gehen würde, ich wußte, dass er seine Sachen: die Seidenhemden, die Krawatten, die Anzüge, seine Schuhe zusammenpackte, dass er, wahrscheinlich mit ausdrucklosen Gesicht, in der Küche eine Tasche suchte, eine Tasche, die alles aufsammeln würde, sein altes Leben aus diesen Wänden vortragen würde.

Ich sah ihn vor mir, sein linkes Auge etwas zusammengekniffen, ohne seine Brille tastend nach der Schublade mit den zahlreichen Dingen, die auch er dort hineingelegt hatte, um das Chaos unseres Alltags zu bändigen. Plötzlich hörte ich Wasser, es tröpfelte, fast geräuschlos, in das Waschbecken, leise wie ein Flüstern, er will mich nicht wecken, dachte ich, er will nicht sehen, wie ich leide. Ein Vogel, noch unausgeschlafen, flog in der Dämmerung gegen die Fensterscheibe, ich erschrak, spürte meinen Körper, wie er zitterte, langsam stand ich auf: der Vogel lag vor dem Fenster, seine schwarzen winzigen Augen starrten mich an. Steh auf, dachte ich, steh auf und flieg! Seine Flügel zitterten, er schüttelte sich, hüpfte einige Male, sah mich noch einmal an, schien den Kopf zu schütteln: sei nicht so dumm, es ist vorbei - und flog davon.

In der Küche hörte ich das Rascheln der Tüte, dann Schritte, sanft und vorsichtig, ich lief zurück ins Bett, atmete ruhig, versuchte es zumindest, die Schritte kamen näher, ich roch wieder Parfum, diesmal ein weibliches, blumig wie ein Garten, ich hörte seine Stimme: komm her! Dann ein weibliches Flüstern: ich kann es kaum verstehen, wieso du sie verläßt, sie ist schön im Schlaf, schöner als ich.
Sie entfernten sich, die Tüte raschelte, der einzige Laut, der bis zuletzt blieb, dann das Zufallen der Tür. Stille.
 



 
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