Abschied

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Haremsdame

Mitglied
Abschied

Heute früh bist Du gegangen. Für immer.
Nie wieder werden wir Deine Stimme hören.
Nie wieder in Deine blauen Augen sehen.
Nie wieder Deine wohlbekannten Hände streicheln.
Nie wieder werde ich Dich in die Arme nehmen, Dir den Rücken massieren,
Dir einen Pullover holen, weil Dir kalt ist.
Nie wieder wirst Du vor Dich hinflüstern, dass Du Angst hast.

Angst, die Dir niemand nehmen konnte.
Angst vor etwas Unbekanntem, das Du nicht beschreiben konntest.
Angst vor Helligkeit, Angst vor Dunkelheit,
Angst vor Stimmen, Angst vor Ruhe.
Angst vor der inneren Unruhe?
Angst vor dem Vergessen, Angst vor dem Vergessen werden?

Es war schlimm, Dir diese Angst nicht nehmen zu können.
Es war schlimm, Dein Leid auszuhalten.
Es war schlimm, Dich nicht mehr wärmen zu können.
Es war schlimm, in Deiner Gegenwart die eigene Hilflosigkeit zu spüren.

Hilflosigkeit herrschte auch im Krankenhaus.
Hilflosigkeit auf unserer Seite, da sich die Ärzte auf ihren Eid bezogen und trotz Patientenverfügung „lebensverlängernde Maßnahmen“ einleiteten.

Doch Du wusstest es besser und hast auf die Medikamente nicht mehr reagiert.

Hast Du den Engel gehört, der Dich rief?
Hat er Dir Deine Angst nehmen können?
Hat er Dich ins Licht begleitet?
Hat er Dir die abhanden gekommene Wärme geben können?

Geht es Dir nun endlich wieder besser?
Du wirst mir diese Frage nicht mehr beantworten.
Nun muss ich mich auf meinen Glauben verlassen.

Mein Glaube sieht Dich im Licht.
Mein Glaube sieht Dich in der Wärme.
Mein Glaube sagt mir, dass Du uns all unsere Verfehlungen verzeihst.
Mein Glaube sagt mir, dass Du uns noch ein glückliches Leben wünschst.

Dafür danke ich Dir.
Ich bin dankbar, dass Du uns losgelassen hast.
Ich bin dankbar, Dir begegnet zu sein.
Ich bin dankbar, an Dir und Deiner Alzheimer-Krankheit gereift zu sein.
Ich bin dankbar, dass Dein Leiden zu Ende ist.
Ich bin dankbar, dass Du nun Deine Ruhe gefunden hast.

Hoffentlich dürfen wir uns immer an Dich erinnern!
Hoffentlich holt uns das große Vergessen nie ein!

Was bleibt, ist Liebe.

gst 28.09.07
 
H

Haki

Gast
Hallo Haremsdame,

dieser Text klingt sehr persönlich. Ich weiß jetzt nicht, ob er vielleicht doch fiktiv ist, aber auf mich wirkt es so, als verarbeitest du deine Gefühle. UNd da du dein Werk im Kurzprosaforum veröffentlicht hast, werde ich ihn auch wie Kurzprosa behandeln.

Nun zum INhaltlichen. Sicher ein sehr ernstes und vor allem trauriges Thema behandelst du hier. Und auch der positive, gar zuversichtliche Ton in deiner Sprache gefällt mir. Jedoch und das finde ich schade, kann ich mich nicht damit identifizieren. Oder nein, besser: Ich kann nciht mitleiden, mithoffen. Woran könnte es liegen? Mir missfallen die zahllosen Anaphern. Sie nehmen dem text, in ihrer Überfülle, einfach die Leichtigkeit.
Dazu kommen in meinen Augen zu simple Beschreibungen.
Bspsweise hier:

Nie wieder in Deine blauen Augen sehen.
Mach es bildlicher! Und vor allem in ungewöhnlichen Bildern solltest du es ausdrücken.
Überhaupt sollte Kurzprosa in meinen Augen ein wenig abstrakter sein. Du sprichst ja ganz kalr alles an, wie zum Beispiel hier:

Ich bin dankbar, an Dir und Deiner Alzheimer-Krankheit gereift zu sein.

Nun ja, ich halte deinen Text für Kurzprosa ungeeignet, vielleicht solltest du ihn in das Tagebuch-Diary Forum verschieben. Dort würde er an anderen Kriterien gemessen. So kann es hierfür nur 4 Punkte geben. Tut mir leid. Aber solltest du ihn verschieben, löscht sich ja meine Wertung und ich würde mich noch einmal damit befassen;)

Sehr ernstes Thema, hoffnungsvoller SChluss. Aber die Verpackung finde ich nicht gut.

Ganz liebe Grüße,
Haki
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Haki,

vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text.

Du hast recht: ich habe damit versucht, einen realen Tod zu verarbeiten. Trotzdem habe ich den Text bewusst hier und nicht im Tagebuch eingestellt. Denn jeder hat einmal mit dem Tod zu tun. Auch wenn es ein ungeliebtes Thema ist, gehört es zum Leben.

Die Anaphern sind "von alleine" entstanden und sie gefielen mir. Aber es kann schon sein, dass sie auf Außenstehende nicht so wirken, wie auf diejenigen, die alles "von innen" miterlebt haben.

Mich würde interessieren, wie andere das sehen. Ich würde an diesem Text gerne arbeiten, weil er mir sehr am Herzen liegt.

Was die "Leichtigkeit" angeht: in meinen Augen muss so ein Text keine Leichtigkeit haben. Dieses Thema darf schwer daher kommen. Es darf belasten - wie ein schwerer Rucksack.

Du sprichst "simple Beschreibungen" an. Wie kann ich Deiner Meinung nach die "blauen Augen" bildlicher beschreiben? Was wäre Deine Meinung nach dafür ein "ungewöhnliches Bild"?

Warum stört Dich das klare Ansprechen der "Alzheimer-Krankheit"? Ich will damit die Hoffnungslosigkeit, die Unmöglichkeit einer Heilung ausdrücken. Den langsamen, stetigen Verfall, die Veränderung des Menschen. Das tägliche Abschiednehmen über viele Jahre hinweg...

Ich glaube, andere Krankheiten verlaufen für diejenigen, die den Kranken begleiten, anders; sind von mehr Hoffnung geprägt... Aber: "Glauben heißt nicht wissen."

Ich bin neugierig auf Verbesserungsvorschläge!

Grüße von der Haremsdame
 
H

Haki

Gast
Sicher darf der Text "schwer" daherkommen, aber diese Schwere sollte nicht in der Sprache zu stark zum Tragen kommen, da sonst das Lesen nicht fließend von statten geht, eher träge, holprig.
Die Schwere, die du in deinem Text mitschwingen lassen willst, muss auf anderen Wegen sichtbar und fühlbar werden.
Die Anaphern sind ind er Fülle einfach zu viel. Es scheint auf mich so, als sei der Topf übergelaufen und die Suppe breitet sich auf dem Herd aus. Die komplette Form muss m.E. überdacht werden, um Kurzprosa aus deinem Text zu machen. Denk dir eine Geschichte aus, oder überlege dir eine mögliche, sinnvolle Anhäufung von Metaphern und Symbolen. Ansonsten ist es mir zu direkt, zu nah an der Wahrheit, wodurch in meinen Augen dein Text zu einem Tagebucheintrag wird.

Wie kann man das ändern?
Also, du schreibst von blauen Augen, in die nie mehr blicken wirst. Ein ganz einfaches Bild wäre das Meer, in dem sich dein Blick früher verlor. Nun ist aber das Meer(das blau der Augen) ausgetrocknet, was bleibt ist Sand(für Knochen, Verwesung stehend). Etwas ind er Art, nur wenn möglich noch ungewöhnlicher.

Wie könnte man darüberhinaus die Alzheimerkrankheit mit seiner Einzigartigkeit ausdrücken?
Nun, vielleicht könntest du den immer wiederkehrenden, sich vergessenden Abschied, verbunden mit seiner Hoffnungslosigkeit, versuchen als Thema zu nehmen. Da könnte es sich anbieten, einen Kreis zu nehmen, den dein Prota immer weider und wieder durchläuft. die Landschaften sind kahl und wirken trostlos(hoffnunsglosigkeit) und immer weider sieht er eine Krähe(Tod) auf einem Baum sitzen und ihn närrisch anblicken, er läuft stets weiter und sobald die Krähe aus seinem Blickfeld verschwindet, überkommt ihn ein wehmütiges Gefühl(Abschied).

SO in der Art, solltest du es verpacken. Aber das ist nur meine Meinung. SIcherlich gefallen anderen bereits deine Form. Ich fädne es so schöner. Suche Metaphern und Symbole für das, was du ausdrücken möchtest, sammle sie und überlege wie man sie am sinnvollsten verbinden könnte. Dazu müssen einige Bilder gestrichen werden, einige gestrafft etc. Bis sich ein Gesamtbild bildet.

Hoffe ich kann dir helfen.
ABer es bleibt DEIN Text und daher musst du nichts von meinen Vorschlägen umsetzen...

Liebe Grüße,
Hakan
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Liebe Haremsdame,

es ist schwer hier Verbesserungsvorschläge zu machen. Schreibe lieber eine Kurzgeschichte darüber und "lege" dieses Werk ins Tagebuch (Ist es dort nicht schon zu finden?)

Ich wünsche dir viel Stärke.
Lieben Gruß
Franka
 



 
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