Abschied

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B

Beba

Gast
Der Text wirkt poetisch, lyrisch durchgearbeitet. Es ist ein Abschied. Es wird ein Bündel genommen! Was mir hier fehlt (oder entgangen ist), das ist das Zündende, das Besondere. Der Funke, der den Leser fesseln soll. Vielleicht ist er hier verborgen:

sehe ich in dunkle, müde Augen.
Aber ich erkenne ihn nicht wirklich. Für mich ein zwiespältiger Text, weil rein sprachlich gut verfasst, aber inhaltlich für mich persönlich langweilig.

Ciao,
Bernd
 
Abschied...

Lieber Bernd,

auch wenn "langweilig" ein ziemlich hartes Urteil ist, danke ich dir ganz aufrichtig für deine ehrliche Meinng.

Dieses Gedicht ist die eigentliche, ursprüngliche Kurzfassung.
Ich wollte gern probieren, ob sie in diesem, anspuchsvolleren und dafür auch härteren, Forum wohl ergründet wird.

Nach längerem - zeitlichen - Abstand erscheinen mir diese spontanen Fassungen oft viel stärker und echter als die aufbereiteten.

Nun scheint es aber doch , als würden sich diese innersten Impulse einem unvorbereiteten Leser nicht so ganz freiwillig erschließen.

Die "dunklen, müden Augen" sind weniger der Kern, als der Hinweis, dass dieser Abschied, nicht der abenteuerlustigen, neugierigen, ungestümen Art ist, sondern vielmehr ein weiterer, nicht erhoffter, eher depressiv gefärbter Rückzug ist.

Die eigentliche Botschaft liegt in der Unterscheidung von Erinnerung und erinnerndem Lächeln.
Die Erinnerungen nimmt man, wohlverwahrt und imprägniert für die Ewigkeit, in seinem Reisegepäck mit.
De Fähigkeit, darüber zu lächeln oder gar zu lachen, scheint man, bereits auf der Treppe des Hauses, das man für immer verlässt, zu verlieren.

Man hat nur noch die Bilder, gleich Negativen.
Der Sinn für deren Komik, ihre Leben, scheint mt dem Abschied zu sterben.

Ich danke dir nochmals sehr herzlich
für deine Aufrichtigkeit.

Liebe Grüße
Kerstin
 

Tasso

Mitglied
Die Thematik des Abschieds immer wieder neu zu erfinden, ist schwer. Und das Gedicht würde mir eigentlich gefallen, besonders berühren mich die beiden Zweizeiler. Trotzdem, warum "funktioniert" dieses Gedicht nicht so recht. Es ist meines Erachtens die verbrauchte Metapher gleich zu Anfang des Gedichts: "kleines Bündel schnüren" <um sich wieder auf den Weg zu machen> sowie die eigentlich unnützen Adjektive "dunkle, traurig." Die Verdichtung des Textes und eine einfachere Sprache würden aus meiner Sicht diesem Gedicht gut anstehen?

Warum als Beispiel nicht so?

im gehen sehe
ich in müde augen

ein lächeln reicht
mir (s)eine erinnerung

wohl wissend um
sein bleiben


Gruß
Tasso
 
Reduktion oder Erzählen?

Lieber Tasso,

natürlich habe ich deine Homepage angesehen und damit vermittel sich mir auch dein Vorschlag sehr gut.
Nun weißich naürlich, dass wir beide eher konträre Scheiber sind.
ährend ich mich bei den Erzählern und Wortmalern einordnen würde, she ich dich (ganz im Eiklang mit deinem Vorschlag) doch mehr bei den Abstrakten, Reduktiven und Sprachkonstrukteuren.

Somit ist meine Gegenfrage auch mehr theoretischer Natur:
Was mag in deiner Fssung, die ir wirklich gefällt, aber natürlich nicht mehr meiner Art entspricht, verhindern, dass ein unvorbereiteter Leser folgendes aufnimmt:

"Ok, alter Kumpel,
es wird jetzt auch wirklich Zeit für mich,
ich bin arg müde.
Wir haben jetzt auch wirklich lange genug
von alten Tagen gequatscht.
Und, weißt du was?
Es war nicht wirklich lustig.
Also, nichts für ungut.
Wir sehen uns am Freitag!
Bis denne!"

Das ist natürlich provokativ überzogen.
Aber, nimmt nicht die Reduktion der Adjektive auch Information?
"Dunkle" Augen, nur als Beispiel, sind in meiner Erzählweise, nicht leeres, redzundantes Beiwerk.
Dieses Adjektiv soll helfen, den Ernst der Situation
zu erspüren. Es gibt ja viele Artren des Abschieds.

Ich mag die Formulierung des Bündelschnürens.
Ist es doch geringfügig romantischer, als würde ich erwähnen, dass ich mal wieder, wie im Schnitt alle 3 Jahre, den Umzugsservice anrufe.
(Was isch aus schwäbischem Geiz heraus, natürlich auch niemals täte.)
;

Dank deiner sehr konkreten Anregung,
die mich wirklich beschäftigt, wie du sicher schon merkst,
gerate ich in die Gefahr, hier den Rahmen einer angemessenen Antwort zu sprengen.
Tausend Dank für dein Hineinfühlen.
(Und natürlich sind es die Zweizeiler, die auch für mich den Kern dieses Gedichtes bilden.)
Nochmals herzlichen Dank.

Liebe Grüße
Kerstin
 

Tasso

Mitglied
Liebe Kerstin,

selbstverständlich gibt es unterschiedliche Ansätze, um an Lyrik heranzugehen. Die Reduktion ist mir wiederum persönlich wichtig, um aus meiner Sicht dem Leser mehr Spielraum für seine eigenen Interpretationen zu geben. Es ist der vielzitierte "Mehrwert" eines Gedichts, der sich daraus ergibt (Hilde Domin hat das auch so geschrieben). Aber um mich zu wiederholen, das sind unterschiedliche Ansätze, und ich schätze auch gute Gedichte, die anders gemacht sind. (Ansonsten hätte ich mich garnicht zu Deinem Gedicht gemeldet) So hat sich Dein Gedicht und das Thema bei mir im Kopf festgesetzt - passiert mir auch nicht alle Tage. Danke, dass Du Dich mit meinem Blog beschäftigt hast, und auf ein Wiederlesen hier oder anderswo in den Weiten des Internets:

Tasso

P.S. natürlich habe ich Deine HP auch gelesen. Hat mich natürlich interessiert. ;-)
 
Wenn ich mein kleines Bündel schnüre,
um mich wieder auf den Weg zu machen,
sehe ich in dunkle, müde Augen.

Und ein trauriges Lächeln
reicht mir eine Erinnerung.

Doch wir wissen,
dass es zurückbleiben wird.
 
Abschied

Wenn ich mein kleines Bündel schnüre,
um mich wieder auf den Weg zu machen,
sehe ich in dunkle, müde Augen.

Und ein trauriges Lächeln
reicht mir eine Erinnerung.

Doch wir wissen,
dass es zurückbleiben wird.
 



 
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