Absteige

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Regenzauber

Mitglied
Absteige

Dann freilich war es spät, die Stunde war vergeben,
Und aus dem Nachbarraum drang keuchend fremder Atem.
Ob nahe du mir warst, als du so in mich drangst,
Dass sich dein Körper dunkelnd barg vor meiner Sicht?

Dann waren deine Glieder überall und heischten
Nach Einlass vor den längst bereiten, offnen Toren.
Es schrie die rote Nacht. Die Stirn zerriss der Puls,
Bis stöhnend ich mich gab im Widerstoß der Schenkel.

Spät wich die müde Nacht, die Stunde war vergeben.
Ein trocknes, rauhes Atmen traf mich schal und leer.
Auf meinem liebesfeuchten, ausgekühlten Leib
Lagst schwer und fremd du, den noch gestern ich geliebt.
 
B

bonanza

Gast
100% zu schwülstig - könnte man prima in einen groschenroman
einflechten.

bon.
 

zarah

Mitglied
Regenzauber,

altmodische Sprachwendungen müssen nicht unbedingt schlecht sein; gewollt eine schwülstige Atomosphäre aus früheren Epochen heraufzubeschwören kann durchaus interressant sein - sowohl für den Autor als auch für den Rezipienten (ich denke da gerade an den Film "Interview mit einem Vampier" - oder so ähnlich).
Dein Gedicht gibt für mein Empfinden durch den Titel und die Sprachwahl einen Hinweis darauf, dass es sich um einen auf frühere Zeiten bezogenen Text handelt. Wenn ja, dann fehlt da aber die erzählerische Komponente, wenn nein, dann frage ich mich: "Was will der Autor damit sagen".

Gruß
Zarah
 
B

bonanza

Gast
zarah, danke für die wortschöpfung "atomosphäre".

ich bezweifle, dass die künstlich antiquierte sprache von
regenzauber beabsichtigt ist.

bon.
 

Regenzauber

Mitglied
Absteige oder Eros-Center

@Bonanza

Schwulstig=schwülstig und steht für übertrieben, hochtrabend, bombastisch, dünkelhaft ..., das ist wohl dein Handkuss für meinen Bulettenkommentar.

Als ich vor Jahrzehnten Bukowski las und ihn dann bei Pivot seinen Drang erleichtern sah, entschied ich mich, T.S. Eliot als moderner anzusehen bzw poetische Bilderstürmer nicht allzu ernst zu nehmen.

Muss mich wohl geirrt haben und werde meinen Stil, vielleicht und demnächst, ändern.

Kannst du mir einen guten Groschenroman-Verleger empfehlen? Oder meintest du Comics?
 

Regenzauber

Mitglied
Was meinte ich wohl?

@Zarah

Wäre ich kühn und klug, wie sich so mancher hier zu geben gefällt, ich sagte nur, wenn ich erklären sollte, was ich hier gechrieben, dann hätte ich ja gleich die Erklärung hereinstellen können und das Erklärte könnte ungesagt verbleiben!

Doch da ich noch der alten Garde angehöre, weißt du, jener, die noch Bitte und Danke zu sagen pflegte, bevor man dieses als altmodisch untersagte, versuche ich eine Antwort zu finden, die auch mir sagt, warum ich diesen Text verfasste:

Die Grausamkeit, mit der wir unsere eigenen Träume durch deren Verwirklichung zerstören, die Unausweichlichkeit der Ernüchterung nach jeder Berauschung, die Ermordung des Eros durch die Libido, all dies schafft die Trauer des Nachher, den schalen Nachgeschmack von „Liebes“nächten.

Ich verstehe, dass man diese Reaktion als Zeichen der Unreife gerne abtun möchte, doch wenn wir uns nur die fernsten Erinnerungen an die Psychoanalyse bewahrt haben, dann wissen wir, dass Kultur eben auf Sublimierung beruht und geistige Disziplin und selbst harte Arbeit erfordern kann.

Sprach man früher vom Musenkuss, so will mancher Besucher des Musentempels heute nicht nur den Kuss, sondern den musischen Beischlaf.
 

Perry

Mitglied
Hallo Regenzauber,
bis auf ein paar Formulierungen gefällt mir die Dichte der beschriebenen Gefühle sehr gut. ich mache dir mal einen Vorschlag aus meiner Sicht, vielleicht ist eine Anregung für dich dabei.
LG
Manfred

Vorschlag:
Leer geliebt


Dann war es zu spät, die Stunde vergeben,
Aus dem Nebenraum drang keuchend dein Atem.
Ob du mir nahe warst, als du in mich drangst,
Dein Körper dunkel mir die Sicht nahm?

Du warst überall, heischtest nach Einlass
Vor längst bereiten offenen Toren.
Die Lust schrie in mir, zerriss den Gedankenfluss
Bis stöhnend ich mich dem Druck ergab.

Spät wich die Nacht, die Stunde war vergeben.
Dein trocknes raues Atmen traf mich schal.
Auf meinem ausgekühlten Leib lagen nur Erinnerungen
An dich, den ich gestern noch geliebt habe.
 

Regenzauber

Mitglied
Perry

Danke für deine Kommentare und Vorschläge.

Einschließlich des Titels schrieb ich 13 Zeilen, von denen du nur 4 ungeändert ließt. Ich will daher versuchen, jene Stellen, die dich zu Veränderungen anregten, ein wenig zu erörtern.

Der Titelvorschlag "Leer geliebt" ist in seiner Vieldeutigkeit sehr gut.

S.1 ist eine geringfügige Variante, bei der du das Verstellen der Sicht nicht als Folge des Eindringen betrachtest, sondern als Begleiterscheinung. Das ist Geschmacksache, aber ich werde mir diese Stelle noch überlegen.

S.2 Hast du gänzlich umgeformt. Ich rede von „Gliedern“ und das ist sicher nicht als Mehrzahl „des Gliedes“ zu verstehen. In diesen Situationen sagt etwa jemand „und das alles bist du…“, weil die Berührungen eben Hände und Beine und Lippen und und… betreffen.
Es ist ein Schrei der Lust, ich will in hören lassen, nicht nur innerlich erleben, deshalb lasse ich die Nacht schreien, da ich nicht sagen wollte „mein Schrei“, und diese Nacht ist rot, wie man auch bei Wutanfällen von „rot sehen“ spricht, denn mit dem Aufgehen in den Akt schlägt eine heiße Blutwelle in den Kopf, in dem der Puls einen wilden Herzschlag skandiert und kein passives „dem Druck Nachgeben“, sondern ein aktives Beitragen, ein Antworten, den Widerstoß fordert.

S.3 Ja, es sind Erinnerungen, die am Morgen geblieben sind. Aber da ist ja noch dieser Körper, der nun, da er seine „Pflicht“ getan, zu der das lyrische Ich sich vielleicht eine Liebe vorgestellt, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen, ein lästiger Ballast geworden. Wer kennt nicht diese Situation, wenn man noch die Liebesspuren auf der Haut vertrocknend trägt und man nach einer Dusche giert, woran man jedoch durch den schlaftrunkenen, schlappen, schweren Körper des Partners, der noch halb auf uns liegt, gehindert wird. Erinnerungen sind dagegen zahm.
 
B

bonanza

Gast
regenzauber, wie wär`s, du schreibst nur noch komms und
läßt die gedichte weg? die komms von dir sind spitze!

bon.
 

ENachtigall

Mitglied
Die Allegorie

Auf meinem liebesfeuchten, ausgekühlten Leib
Lagst schwer und fremd du, den noch gestern ich geliebt.
Der Körper, der hier ob des postcoitalen Fremdheitsgefühls als Absteige allegorisch funktioniert, imponiert mir in dieser literarischen Form. :) Wenn ich das mal so sagen darf...

Viele Grüße

Elke
 

Regenzauber

Mitglied
@ENachtigall

Dein Kommentar schob mir eine andere Überlegung ins Gehirn und zwar zum Begriff "Absteige".

Sicher ist es mit dem Absteigen vom Pferd, dem Wagen, aufgekommen, doch das ist jeweils ein Absteigen "von". Wie aber steht es mit dem Absteigen "zu"? Zur billigen Lust, zur Jause oder, wie es anderswo lauten könnte, zum Vesperbrot, zur Sünde und zur oder in die Hölle?

Und wenn man abgestiegen ist, steigt man auch wieder "auf"? Aufs Pferd ja, aber dann kommt die Übertragung, und da schwindelt sich sehr schnell das Aufsteigen, die Aszension ein, und, wenn ich ein formalgerecht religiöser Typ wäre, legte ich hier erst richtig los.

Bin ich aber nicht! Wir können uns diese Debatte also vorerst ersparen! Trotzdem danke ich dir, Elke, für diese erregende Anregung.
 



 
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