Adsventszeit (Mikroprosaische Sätze)

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Nun ist sie wieder da, die Adsventszeit. Es duftet nach Plätzchen - selbstgebacken, versteht sich, - und die Stollen vermehren sich.
In der Zwischenzeit wird das Geld vermehrt, jedes Jahr erneut.

Apropos Adsventszeit. Als ich neu als technischer Redakteur in meinen Betrieb kam, wusste ich nicht, was Ads sind, wagte aber auch nicht, zu fragen, weil das mein Englisch sofort entlarvt hätte als das, was es ist, schwach. Daran ändern auch die guten Noten in Schule und Studium nichts.

Auch heute wieder schwemmten sich Ads in mein Postfach, sodass der Spambereich überlief. Und ich vermehrte mein Geld.

Meine Frau sagte, wie die von Hans-Georg Stengel: "Hast du schon wieder dein Geld vermehrt?" - und ich musste es kleinlaut zugeben. Und sie fügte hinzu: "Wenndst du das kaufen willst, sprich doch bitte vorher mal mit mir."
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Multimind,
Ads sind Werbeanzeigen.
Es ist also zum einen ein Kofferwort (Ads+Advent) und zum anderen eine regionale Aussprache, wie der Witz zeigt: Ein Wort mit drei "z" (Adsventszeit)

Hans-Georg Stengel war ein bedeutender Satiriker, der feine komische Gedichte mit Sprachspielen schrieb und auch eine Reihe von Veranstaltungen über die deutsche Sprache hielt.

Er schrieb über Palindrome und über Dialekte. Eins seiner Bücher verwendet im Titel ebenfalls ein Kofferwort "Mit Stengelszungen".
"Geld vermehren" bedeutet eben, es zu vermehren. Und das heißt im "sächsischen Signalsystem", es zu vermehren (auch vermähren schreibbar, aber das ist keine Standardschreibweise). Wenn man es vermehrt hat, ist es nicht mehr da. Weg. Fort, ohne Resultat, mindestens ohne sichtbares Resultat. Ein schönes Wort, das sich und sein Gegenteil bedeutet.
Wenn die Regierung sagt: "Wir wollen den Wohlstand vermehren!" (vergeuden, verschleudern), dann sagt sie immer die Wahrheit. Wenn man ihn genügend vermehrt hat, ist er weg. Nicht mehr da.

Leider habe ich die CD von Stengels vermehrt (verlegt).

Vor vielen Jahren startete ich als "technischer Redakteur" in einem Softwareunternehmen, wo "Ads" ein ganz wesentliches Wort ist. Ich schrieb Dokumentation in Englisch, aber ausgerechnet das Wort "Ads" kannte ich zu Beginn nicht.


Viele Grüße von Bernd, dem Hutschi,
der jetzt daran geht, seine Zeit zu vermehren (vertrödeln, totschlagen).
 
G

Grendel

Gast
Hallo Bernd,

diese sächsische Variante von vermehren war mir nicht bekannt. Ohne Deine Erläuterung hätte ich den Text nicht verstanden. Mit ist er witzig, gefällt mir richtig gut.

Ads konnte ich mir noch zusammenreimen, damit auch das Kofferwort enttarnen, das ich zunächst für einen Vertippser gehalten hatte. Und diese Ads haben mich dann auch auf eine falsche Fährte gelenkt. Es gibt die Möglichkeit über die Annahme von Werbe-Emails Geld zu verdienen. So ganz habe ich das System zwar nicht verstanden, aber es soll tatsächlich möglich sein, wenn man sich dazu als Tester anmeldet. Das sind dann natürlich nur Cent-Beträge, sodass die Tester mit sehr vielen Emails beschäftigt sind, um auch nur einen geringen Obulus zu verdienen. Mit dieser Information im Hinterkopf ließ sich Deine Geschichte auch lesen, war aber am Ende nicht ganz schlüssig, weil die Frage offen blieb, was sich der Erzähler denn kaufen wollte. Kurz: Für Nicht-Sachsen wäre eine Leseanleitung sinnvoll. ;-)

LG
Grendel
 

multimind

Mitglied
dialekt

die sache mit dem Dialekt - und das schreibe ich hier als Österreicherin / Wienerin - ist immer wieder spannend. Und wohl ein wesentliches Thema von Literatur, denn Einheitsbrei gibt es eh genug
 



 
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