All inclusive

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Inken B.

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Jedes Jahr werden wir Deutsche als Reiseweltmeister von quietschbunten Reisekatalogen becirct, die uns den schönsten Pauschalurlaub unseres Lebens versprechen.Mallorca, Kreta, Ibiza - immer schönes Wetter, weißer Strand und im "All inclusive" - Paket so viel Fressen und Saufen wie nur reinpasst.
"Toll!", denkt der Reisende da. Ja, wenn es denn so toll wäre! Ist man erst mal an seinem Urlaubsziel angekommen geht der Ärger doch schon los. Und zwar bei der Begrüßung im Hotel durch den windigen Vertreter des Reiseveranstalters. Der ahnungslose Tourist wird dazu meistens in die Hotelbar befohlen, kriegt ein Plastikbecherchen voll mit einer grellroten klebrigen Flüssigkeit in die Hand gedrückt und soll dieses Zeug als "Begrüßungsdrink" hinunterwürgen.
Dabei dient diese Art der Züchtigung zu nichts anderem, als den Hotelgast empfänglich zu machen für die blödsinnigen Angebote des Reiseleiters.
Der will einem alle möglichen Ausflüge aufschwatzen, natürlich alle hoffnungslos überteuert. Da soll man nach vier Stunden Busfahrt irgendwelchen alten Weibern beim Ziege melken zugucken, in halbzerfallenen Kirchen wurmstichige Ikonen anglotzen oder in einem heruntergekommenen Kaff bei einem Fest zu Ehren des heiligen Donnerbalkens kross gebratenen Regenwürmer futtern. Und das alles für nur 799 Euro! Da muss man doch zugreifen, das ist doch fremdländische Kultur! Da gibt es zu Hause was zu erzählen!
Natürlich macht so ein Urlaub Hunger. Und meistens fängt so ein Urlaubstag mit den erlesenen Spezialitäten an, die das Hotelfrühstück dem noch schlaftrunkenen Gast bietet. Spiegeleier, die geradezu graziös in einem Fettbad schwimmen, Obst, auf dem die hoteleigenen Fliegen ihre morgendliche Vollversammlung abhalten, Joghurt, in dem die rechtsdrehenden Milchkulturen Polka tanzen , Wurstaufschnitt mit dekorativem grünen Rand und pappiges Weißbrot, welches eher die Bezeichnung "Styropor" verdiente, zieren das Buffet. Niergendwo bewahrheitet sich der abgedroschene Spruch "Der Hunger treibt´s rein" so sehr wie beim Frühstücksangebot in den Urlauberabsteigen rund ums Mittelmeer. Dem hungergeplagten Urlauber bleibt nichts anderes übrig, als irgendwas von diesem liebevoll hergerichteten Buffet in sich zu stopfen. Na dann Mahlzeit!
Der Tagesablauf nach dem Frühstück ist eigentlich immer gleich. Rauf ins Hotelzimmer, Stuhlgang, Zähne putzen, Sonnencreme auf die Haut schmieren. Anschließend in Shorts, T-Shirt und Strandlatschen geschlüpft und sich vor dem Hotel einreihen in den Pilgerzug gen Strand.
Dort wird sich heldenhaft um die paar vorhandenen Strandliegen geprügelt und, hat man eine solche erobert, der Wohlstandsbauch der Sonne entgegen gereckt.
Da allzu viel Ruhe schädlich ist, beginnt der DJ schon am frühen Morgen den Strand aus riesigen Boxen mit der landestypischen Folkloremusik zu beschallen. Zusammen mit dem durchdringendem Geschrei der Kinder und dem Gezeter irgendwelcher alternden vertrockneten Strandladies gibt das eine Geräuschkulisse, die echtes Urlaubsfeeling aufkommen lässt.
Mittags rafft sich die ganze sonnenverbrannte Bagage auf, schlurft zum nächsten Strandimbiss, haut sich die Wampe mit Currywurst und Pommes Rot/ Weiß voll und knallt sich wieder auf die Strandliege. So geht das Tag für Tag.
Am Abend, nachdem jeder der Strandtouristen beim Baden mindestens drei Mal ins Mittelmeer gepisst hat, macht sich die Karawane auf ins Hotel, in Erwartung eines fulminanten Abendessens.
Bereits eine Stunde bevor der Speiseraum öffnet, findet sich eine aufrührerische Menschenmenge davor und begehrt Einlass. Dem Hungertod nahe wummert sie gegen die Tür und bleckt dabei gierig die Zähne. Allein das Hotelpersonal kennt keine Gnade und öffnet erst Punkt auf die Minute die Tore zum Essen, was ihnen manchen bösen Blick und bestimmt kein Trinkgeld einbringt.
Sind die Türen erst mal geöffnet ist es, als hätte man eine Lawine losgetreten. Sich gegenseitig niedertrampelnd stürzt sich die Meute auf das Abendbuffet. Gierig werden Schnitzel, Steak, Bratkartoffel oder gebackene Bohnen auf die Teller geschaufelt. Schubsend und drängelnd, unter Zuhilfenahme von Ellenbogen und Füßen wird um das Essen gerungen. Bei manchen Sachen auf dem Buffet weiß niemand so genau was es ist aber - egal - erst mal auf den Teller und dann hastig hinuntergeschlungen.
Vorsichtig schleicht der Getränkekellner durch die schmatzende Meute, die sich gegenseitig belauert, ob auch ja niemand mehr auf dem Teller hat als man selbst. Erst wenn der Touri kurz vor der Kotzgrenze ist wird der Speisesaal verlassen.
Mit schwerfälligen Schritten schleppt sich der Gast auf sein Zimmer, scheißt sich noch mal richtig aus und schafft damit Platz für diverses Gesäuf an der Hotelbar.
Und genau diese Hotelbar ist der Sammelpunkt für den Höhepunkt des Abends. Das Animationsprogramm!
Schon weit vor Beginn jenes Programms bevölkern Scharen von gut situierten Rentnern die Bar. Voller Inbrunst erzählen sie dem Barkeeper ihre langweilige Lebensgeschichte und denken ernsthaft diese interessiere den bedauernswerten Mann hinter der Bar, obwohl der dabei an Selbstmord denkt.
Irgendwann beginnt das Animationsprogramm und damit eine großartige Ansammlung von Peinlichkeiten. Eventuell will ein Hotelangestellter in alberner Landestracht den Pauschaltouristen einen heimischen Tanz beibringen und fordert zum Mitmachen auf. Es ist erstaunlich, dass sich immer wieder welche finden, denen das Motto "Jeder blamiert sich so gut er kann", ein leuchtendes Ziel vor Augen ist. Solchen Leuten ist wirklich nichts peinlich.
Albern hüpfen sie nach schiefer Keyboard-Musik und den Anweisungen des Pseudo-Tanzlehrers herum und halten sich tatsächlich für tänzerisch begabt.
Da hüppelt die 80jährige Rentnerin, der die schlecht angeleimten dritten Zähne nach dem vierten Takt aus dem Mund fallen neben dem schnauzbärtigen Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern und beide halten sich für absolute Tanztalente. Da dreht der kahlköpfige Verwaltungsangestellte aus Ottendorf-Okrilla auf der Tanzfläche seine spindeldürre Gattin hin und her und wundert sich, dass sie plötzlich in der Mitte auseinander bricht.
Bei der anschließenden Polonäse darf jeder dem anderen auf die Schultern grabschen, dabei blöde grinsen und bei Hits von Paul Kuhn durch die Hotelhalle schlurfen. Je höher der Alkoholpegel umso peinlicher wird die ganze Sache. Der Barkeeper musste sich schon zum fünften Mal von einem Pensionär aus der sächsischen Provinz die Geschichte von der Installation seines künstlichen Darmausgangs anhören, der Inkontinenz-Schlüpfer einer Mittsiebzigerin hat sein maximales Fassungsvermögen erreicht und tröpfelt nun wie ein defekter Duschkopf und alle denken dass es der schönste Urlaub seit langem ist.
Um Mitternacht dreht endlich jemand die Sicherung für die Musikanlage raus und es ist Ruhe. Eine trügerische Ruhe, denn bereits morgen früh um fünf Uhr stehen die ersten vor dem Frühstücksraum, diskutieren wie schön doch die Nacht war und können es kaum erwarten, das liebevoll hergerichtete Plastikfrühstück eilends hinunter zu würgen und danach ihren gemästeten Körper zum Strand zu hieven.
Schönen Urlaub noch!
 
P

Pagina

Gast
Meine Güte, was für Schmuckstückchen hier zu finden sind: darum verweigere ich auch jeden Mitmach beim Pauschalurlaub - und gehe lieber zum Straßenschlachtengucken in Farfaraway...
Schade, schade, daß Mann es Frauen mit Humor so schwer macht, indem Mann sie ohne den Sonnenschein eines Kommentares oder sonstwie teilnehmenden Wortes gerne mal aushungern lässt - während Mann sich hingegen in einem kleinen, erlauchten Männerfanclub beweihräuchert und gegenseitig zur gediegenen Wortwahl und Syntax beglückwünscht und krachend auf die Schulter klopft.
Bloss nicht aufgeben!
Schon, weil ich mich (hier) mal wirklich amüsieren möchte...!
Pagina sendet Grüsse
 



 
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