Allein in einem Straßencafé in Rom

emaku

Mitglied
Die Sonne brennt mir in den Nacken. Ich bin nicht gern hier. Dieses garantiert schöne Wetter! Am Himmel keine Wolke – keine Sorgen. Keine Sorgen? Jedenfalls nicht um die Sonne. Die Autos fahren zu dicht vorbei. Abgase. Aber hier so üblich. Und Lärm. Vögel sollten zwitschern, aber hier gibt es kein Grün. Frühling auf der Piazza. Das sind die Menschen auf der Straße und rechts und links von mir an den kleinen Blechtischen. Und die Fliege, die den süßen Tropfen Espresso vom Rand der Untertasse schlürft. Ich bestelle noch einen. Ich bin allein. Der Kellner lässt sich Zeit. Er lehnt am Türrahmen und lässt seinen Blick über das bunte Treiben auf diesem Platz schweifen, ohne etwas Bestimmtes ins Auge zu fassen. Hat er mich gehört? Ich rufe ihn noch einmal. Er schaut nicht in meine Richtung, äußert einige Worte in dieser melodischen Sprache, die ich nicht verstehe und verschwindet in das Café. Es ist schon ziemlich warm. Zu Hause hat noch der Winter das Sagen, aber hier erinnert die Luft an den Sommer, denke ich mir die Abgase einmal weg. Ein gut gekleideter Mann, ein Italiener, ein Römer, zu gut gekleidet für dieses Straßencafé, kommt auf mich zu. Kennt er mich? Ich werde unruhig. Aber er bahnt sich nur seinen Weg zum Nebentisch. Mit ruhigen Bewegungen zieht er den Stuhl hervor und setzt sich. Gelassen schweift sein Blick über den tosenden Verkehr und wendet sich dann zum Kellner. Der steht schon neben ihm und eilt gleich mit der Bestellung davon. Ich ärgere mich, aber nicht allzu sehr. Ich habe Urlaub. Will mich nicht ärgern im Urlaub. Und über diesen Italiener schon gar nicht. Der mit seinem ölig glänzenden schwarzen Haar. Das Wort Lackaffe kommt mir in den Sinn. Vorurteile. Die lebenden Beweise machen sie noch lange nicht zu Tatsachen. Alles ist so beunruhigend lebendig hier! Und übertrieben. Viel zu bewegt. Um mich rauscht es. Ich fühle mich schwindelig, schließe die Augen. Hier das Hupen eines Autos, dort ein Bremsenquietschen, eine Fahrradklingel, in der Ferne das Schellen von Glöckchen, und immerzu und allüberall diese Stimmen, italienische Worte – Schimpfworte? Nicht unbedingt. Sie sprechen laut, rufen sich ständig etwas zu. Jemand redet auf mich ein. Verwirrt öffne ich die Augen. Der Kellner steht vor mir, fragt mich was. Espresso, sage ich. Espresso. Was anderes kann ich nicht bestellen, habe das Wörterbuch vergessen. Der Herr vom Nachbartisch ist verschwunden. Jetzt sitzt ein wild gestikulierendes Pärchen dort, ziemlich gewöhnlich gekleidet. Die Frau mit einem Oberteil, das ihren speckigen Bauch allen Blicken frei gibt. Der Mann, ein hageres Bürschchen mit blassem Gesicht und schwarzen Bartstoppeln macht einen übermüdeten Eindruck. Wahrscheinlich kriegt er keine Nacht ein Auge zu bei dieser Dame. Ich wollte allein sein. Jetzt will ich es auch genießen. Ich schließe die Augen wieder und versuche, in allem einen Wohlklang zu empfinden. Und tatsächlich! Eine zarte Melodie ist zu hören. Sie kommt von weit her, verschwindet und kommt wieder. Zwischen all dem Getöse – eine wunderbare Melodie! Ich öffne die Auge und schaue verwundert um mich. Was ist das? Ich erinnere mich an etwas und halte inne. Ein Lächeln erfasst meinen Mund und mein Gesicht und breitet sich in meinem Innern aus. Rasch lege ich das Espressogeld auf den Tisch und gehe fort. Ich habe noch viel vor.
 



 
Oben Unten