Alles geschenkt

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HelenaSofie

Mitglied
Alles geschenkt


Oma weiß viel. Oft sogar alles besser. Das sagte Mama zu Papa. Aber da war Oma nicht dabei.
Kaum war ich auf der Welt, da wusste Oma auch schon: „Der Junge hat die Haare vom Vater." Kurze Zeit später stand für sie fest: „Die Augen hat er von seiner Mutter." Hatte ich etwas angestellt, war zu hören: „Von wem er das bloß hat?" Stets fand Oma eine Antwort darauf. Irgendeiner aus der Verwandtschaft passte für sie immer.

Als meine Mutter sich Sorgen machte, weil ich mit zwei Jahren so wenig sprach, tröstete Oma sie: „Das hat er vom Großvater. Der war auch so mundfaul." Mit knapp drei Jahren sollte ich auch schon sauber sein, wie Mama das nannte. Weil das noch nicht so richtig klappte, war Papa wieder dran: „Das hat er von seinem Vater. Bei ihm hat das auch länger gedauert" , erinnerte sich Oma. Von Onkel Toni habe ich auch etwas bekommen. „Die Sturheit hat er von Toni.“ Dabei habe ich mich nur geweigert, an Fastnacht ein Prinzenkostüm anzuziehen.
Einmal habe ich den Nachtisch meiner Schwester geschenkt, weil sie nicht aufhörte, darum zu betteln. Darauf schaute Oma Papa vorwurfsvoll an: „Das hat er von dir. Du kannst auch nicht nein sagen. Man muss nur lange genug betteln, dann bekommt man, was man will." Meine Plattfüße, Mama nennt sie Senkfüße, habe ich von meinem Urgroßvater.

Heute bekam Oma Besuch von Ihrer Schwester. Ich sage immer Tante Maria zu Ihr, obwohl sie eigentlich nicht meine richtige Tante ist. Tante Maria wohnt weiter weg und kommt daher nicht so oft vorbei. Ich wurde von ihr natürlich gedrückt und von vorne und hinten angeguckt. Sie schenkte mir einen kleinen Karton mit Bausteinen. „Dann ist der Junge beschäftigt", meinte sie zu Oma.
Ich setzte mich auch gleich in die Ecke und begann aufzubauen. Zugehört habe ich aber trotzdem. Die beiden hatten sich viel zu erzählen, besonders Oma. Aber die Geschichten, die sie Tante Maria erzählte, waren oft ein klein bisschen anders, als Mama Papa sie erzählt hatte.
Dann fing Oma auch wieder davon an, was ich alles von wem habe.

Jetzt wollte ich es aber wissen: „Oma, was habe ich eigentlich von mir?"
„Du kannst einem aber Löcher in den Bauch fragen, genau wie dein Onkel Paul," antwortete sie und nahm sich noch ein Stück Streuselkuchen.
Tante Maria schaute mir eine Weile beim Bauen zu. Dann meinte sie: „Der Junge muss etwas für seinen Rücken tun, sonst bekommt er noch das Hohlkreuz von seiner Tante Frieda.“

Wenn Mama kommt, werde ich sie gleich fragen, was ich für meinen Rücken tun kann. Ich möchte nicht das Hohlkreuz von Tante Frieda haben. Ich will überhaupt nichts mehr von anderen haben.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ach wie wahr!

Das hat mich wieder mal an meine Kindheit erinnert.

Ich bin nämlich auch so eine Mutation aus mindestens zehn näheren und entfernteren Verwandten. Sehr genau kann ich mich auch an die Diagnose unseres Hausarztes erinnern, der mir wegen Knick-, Spreiz- und Senkfüßen ein leidvolles Fußgängerleben prophezeit hatte.

Jedenfalls kann ich mich heute auf nichts mehr verlassen, als auf meine Beine und Füße, denn die haben (ohne Promille) noch nie ihren Dienst versagt.

Ich lese solche Schilderungen immer wieder gerne und du hast das sehr anschaulich und humorvoll rübergebracht.

Mein Kompliment mit Gruß … Ironbiber
 

HelenaSofie

Mitglied
Alles geschenkt


Oma weiß viel. Oft sogar alles besser. Das sagte Mama zu Papa. Aber da war Oma nicht dabei.
Kaum war ich auf der Welt, da wusste Oma auch schon: „Der Junge hat die Haare vom Vater." Kurze Zeit später stand für sie fest: „Die Augen hat er von seiner Mutter." Hatte ich etwas angestellt, war zu hören: „Von wem er das bloß hat?" Stets fand Oma eine Antwort darauf. Irgendeiner aus der Verwandtschaft passte für sie immer.

Als meine Mutter sich Sorgen machte, weil ich mit zwei Jahren so wenig sprach, tröstete Oma sie: „Das hat er vom Großvater. Der war auch so mundfaul." Mit knapp drei Jahren sollte ich sauber sein, wie Mama das nannte. Weil das noch nicht so richtig klappte, war Papa wieder dran: „Das hat er von seinem Vater. Bei ihm hat das auch länger gedauert" , erinnerte sich Oma. Von Onkel Toni habe ich auch etwas bekommen. „Die Sturheit hat er von Toni.“ Dabei habe ich mich nur geweigert, an Fastnacht ein Prinzenkostüm anzuziehen.
Einmal habe ich den Nachtisch meiner Schwester geschenkt, weil sie nicht aufhörte, darum zu betteln. Darauf schaute Oma Papa vorwurfsvoll an: „Das hat er von dir. Du kannst auch nicht nein sagen. Man muss nur lange genug betteln, dann bekommt man, was man will." Meine Plattfüße, Mama nennt sie Senkfüße, habe ich von meinem Urgroßvater.

Heute bekam Oma Besuch von Ihrer Schwester. Ich sage immer Tante Maria zu Ihr, obwohl sie eigentlich nicht meine richtige Tante ist. Tante Maria wohnt weiter weg und kommt daher nicht so oft vorbei. Ich wurde von ihr natürlich gedrückt und von vorne und hinten angeguckt. Sie schenkte mir einen kleinen Karton mit Bausteinen. „Dann ist der Junge beschäftigt", meinte sie zu Oma.
Ich setzte mich auch gleich in die Ecke und begann aufzubauen. Zugehört habe ich aber trotzdem. Die beiden hatten sich viel zu erzählen, besonders Oma. Aber die Geschichten, die sie Tante Maria erzählte, waren oft ein klein bisschen anders, als Mama Papa sie erzählt hatte.
Dann fing Oma auch wieder davon an, was ich alles von wem habe.

Jetzt wollte ich es aber wissen: „Oma, was habe ich eigentlich von mir?"
„Du kannst einem aber Löcher in den Bauch fragen, genau wie dein Onkel Paul," antwortete sie und nahm sich noch ein Stück Streuselkuchen.
Tante Maria schaute mir eine Weile beim Bauen zu. Dann meinte sie: „Der Junge muss etwas für seinen Rücken tun, sonst bekommt er noch das Hohlkreuz von seiner Tante Frieda.“

Wenn Mama kommt, werde ich sie gleich fragen, was ich für meinen Rücken tun kann. Ich möchte nicht das Hohlkreuz von Tante Frieda haben. Ich will überhaupt nichts mehr von anderen haben.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hach schön. So isset, das Leben. Immer diese Vergleiche und das Suchen nach Ähnlichkeiten und Vererbungen. Dass jeder einzigartig ist, bleibt auf der Strecke.
Hab noch einen Text für Dich:

Willkommen in der Familie

die stirn wie der vater
die nase wie die mutter
der mund wie der opa
das kinn wie die oma
die ohren wie tante tine
die augen wie onkel willi
die hände wie das brüderchen
der popo wie das schwesterchen -

es ist zum aus der haut fahren!

(Manfred Hausin)

LG Doc
 

HelenaSofie

Mitglied
Ironbiber,

ich wünsche dir, dass du auch weiterhin auf deinen gescholtenen Beinen und Füßen gut zu Fuß bist.
Aus deinem Kommentar sehe ich, dass der Text hier richtig platziert ist.
Danke und ganz liebe Grüße
HelenaSofie

Hallo USch,

deine Antwort war eine weitere Bestätigung für das Einsetzen in Humor und Satire. War mir nicht so sicher.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und grüße dich
HelenaSofie

Liebe Doc,

danke, auch für deinen Zusatztext. Ja, mit der Einzigartigkeit ist das so eine Sache. Vielleicht sollten wir uns selbst auch öfter daran erinnern.
Die Nase habe ich doch glatt vergessen. Gerade diese wird oft für Vergleiche herangezogen.
Viele liebe Grüße
HelenaSofie
 

HelenaSofie

Mitglied
anonym,

klatsch, da ist die erste 5, die schlechteste Bewertung für mich nach fast vier Jahren bei der Leselupe.
Vielleicht findest du noch die Zeit, mir ein paar Verbesserungsvorschläge für den Text mitzuteilen.

LG HelenaSofie
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hey Helena, ich hatte schon mal ne Drei.
;-)
Besser eine anonyme 5 als gar keine Reaktion. Fehlende Begründungen können viele Ursachen haben. Freu dich doch, dass einer den Text gelesen hat.
LG Doc
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Not amused

Hier muss ich leider noch mal einhaken.

Tiefsinnige Betrachtungen über Noten sind wenig hilfreich und zudem völlig überflüssig. Bitte konzentriert Euch auf Form und Inhalt des Textes. Jeder Autorin und jedem Autor ist es freigestellt, zu kommentieren und die Qualität der Geschichte aus seiner Sicht mit Noten zu dokumentieren. Da kommen subjektive Eindrücke auf beiden Seiten schon mal vor.

Grüße vom Ironbiber
 



 
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