Nur wer abgrundtiefer Hassgefühle mächtig ist, kann ermessen, welchen Groll der Mann auf den Anderen hegt, wann immer er nur an ihn denkt. Noch liegt er im Bett, verschwitzt von der Nacht, hat gut, manchmal auch schlecht geschlafen. Träge wachträumt er sich in die feindselige Realität des Alltags hinein, weiß, dass er gleich aufstehen muss. Und als Erstes wird er ihm begegnen …
Ihm, der noch nicht einmal einen Namen trägt, der ihm jeden Morgen das Aufstehen vergällt und die Frage offen lässt, ob denn der Tag ein guter werden kann. Er würde ihm am liebsten aus dem Weg gehen, wofür jedoch nicht die geringste Aussicht auf Erfolg besteht. Der Namenlose erwartet ihn jeden Morgen, erfüllt von der abartigen Befriedigung, ihn zu peinigen.
Woher weiß dieses Scheusal nur um meine masochistische Veranlagung?, hat er sich schon oft gefragt, denn nie hat er darüber gesprochen, mit dem Namenlosen schon gar nicht.
Ein paar Minuten hast du noch, sagt er sich, und begibt sich zurück in seinen Traum, den er unterbrochen hatte. Ein geträumter Coitus interruptus sozusagen, ein Traum, unter dem sich ein jeder Zuhörer – je nach ihm gegebener Fantasie – vorstellen mag, was ihm gerade dazu in den Sinn kommt.
Der Mann stiehlt sich mit dem Trugbild, das sein Wachtraum ihm geschenkt hat, noch ein paar Sekunden, schwelgt in der erhofften Erlösung, um seine Sinne für kurze Zeit zu ergötzen. Immer noch schläfrig, jedoch erfüllt von seinem Traum, schält er sich schließlich aus seinen Laken, versucht, sich zu erheben … und fällt – wie von einem bösartigen Blitz getroffen – rücklings aufs Bett zurück. Die Organe seines Körpers und der noch stotternde Kreislauf seines Blutes sind aus freien Stücken noch längst nicht bereit, ihr Tagewerk pflichtschuldigst zu verrichten. Er nimmt einen erneuten Anlauf, betulich und Glied für Glied, dieses Mal mit Erfolg. Schlaftrunken schwankt er zum Fenster, um es aufzureißen und der erfrischenden Morgenluft Eintritt ins Zimmer und seine lechzenden Lungen zu gewähren. Sie weckt seine Lebensgeister, einen nach dem anderen, und damit auch seine Bereitschaft, ihm entgegenzutreten. Ihm, dem Namenlosen, dessen Zunge – wie gewöhnlich – schon gespitzt ist, um ihm seine Morgenstimmung gründlich zu verderben. Der Mann schleppt sich ins Bad.
Wie jeden Morgen erwartet ihn sein Widersacher bereits und feixt ihn aus dem Spiegel an: Zerknittert die Haut und nach einer Rasur verlangend, grau-blau die Augen, dunkel umrandet und noch getrübt von der Nacht, ein unbedeutendes Überbleibsel früherer Haarpracht wirr auf seinem Kopf verteilt.
„Auch schon aufgestanden?“, grinst der Namenlose ihn unverfroren an. „Viele Zeitgenossen arbeiten um diese Zeit schon ein paar Stunden!“
„Lass mich in Ruhe mit deinem Spott, besonders am Morgen!“, antwortet der Mann mürrisch. „Ich kann den Tag auch ohne deinen Hohn beginnen.“
„Du glaubst, das kannst du? Wie willst du das denn anstellen? Übrigens siehst du heute Morgen ganz schön verhauen aus, wenn ich das einmal unverblümt sagen darf“, stellt der Namenlose fest und betrachtet kritisch den Mann vor dem Spiegel.
Der starrt wortlos in den Spiegel und gesteht dem Namenlosen schweigend zu, dass er mit seiner Feststellung nicht völlig falsch liegt. Er blickt ihn verbiestert und getroffen an.
(Der Namenlose erwidert verbiestert und getroffen den Blick.)
Der Mann fragt sich, warum guckt der so? Schließlich war er es doch, der seine Häme über mich ergoss, und er kratzt einen Pickel auf seiner linken Wange.
(Der Namenlose kratzt sich auf seiner rechten Wange).
„Musst du mir immer alles nachäffen wie ein Kleinkind?“, fragt der Mann.
„Wenn du mir sagst, wie sich das vermeiden lässt, könnte ich’s mir vielleicht überlegen“, zeigt der Namenlose einen Anflug seltener Großzügigkeit. Beiläufig fragt er, als interessiere es ihn: „Na, wie hast du denn geschlafen?“
„Das interessiert dich doch gar nicht wirklich. Warum fragst du?“, erwidert der Mann genervt.
„Sag das nicht! Ohne deinen Anblick – ob er mir nun gefällt oder nicht – kann auch mein Tag nicht beginnen … Du würdest den ganzen lieben Tag unrasiert und mit Zahnpastaflecken im Gesicht herumlaufen, wäre ich für dich nicht immer zugegen.“
„Ich werde dich für einen Orden vorschlagen, mein Gutester“, verspricht der Mann und prüft, ob der Altersfleck an seiner rechten Schläfe sich weiter ausgebreitet hat.
(Der Namenlose prüft indessen einen Altersflecken an seiner linken Schläfe.)
„Wie war denn dein Traum heute Morgen? Anregend?“, nimmt der Namenlose sein Fragespiel mit einem breiten Grinsen wieder auf.
Woher weiß dieses Monstrum das nur alles, fragt sich der Mann stirnrunzelnd …
(Der Namenlose runzelt ebenfalls die Stirn.)
… und schaut an sich hinunter, wo einer seiner Morgengeister eingedenk und in Erinnerung des Traumes lebendig geworden ist. „Oh …“, sagt der Mann verlegen wie ein kleiner Junge und bemerkt, dass dies dem Namenlosen nicht entgangen ist.
„Kannst du nicht woanders hingucken, du Spanner?“
Der Namenlose guckt nicht woanders hin und lästert unverschämt weiter: „Immer noch Lust oder schon wieder?“
Der Mann kühlt betreten sein Gesicht mit kaltem Nass, indem er sein Gesicht in seine wassergefüllten Hände taucht.
(Der Namenlose taucht sein Gesicht ebenfalls in seine wassergefüllten Hände – jedoch nicht betreten.)
Der Mann füllt den Zahnputzbecher mit warmem Wasser, drückt Zahnpasta auf seine Zahnbürste, nimmt sie in seine rechte Hand und putzt sich gründlich seine Zähne.
(Der Namenlose putzt sich seine Zähne mit der linken Hand; wie gründlich ist schwer zu beurteilen).
Anschließend spült der Mann seinen Mund aus und verteilt ein paar Wasserspritzer auf dem Spiegel.
(Auch der Namenlose spült seinen Mund aus. Sein Gesicht ist danach voller Wasserspritzer.)
Inzwischen fühlt sich der Mann so weit hergerichtet, dass er vermeint, sich nun seinem Tagewerk widmen zu können – nach einem ausgiebigen Frühstück selbstredend, ohne das bei ihm nichts läuft. Er starrt den Namenlosen an, kann sich von ihm noch nicht loslösen.
„Bist du mit deinem Aussehen noch nicht zufrieden?“, fragt der Namenlose. „Du hast dich nicht rasiert.“
„Eine schwierige Frage“, antwortet der Mann unbestimmt und denkt über sein Aussehen nach. „Kennst du jemanden, der vollkommen mit seinem Aussehen zufrieden ist? … Und aufs Rasieren verzichte ich heute“, weicht er einer Antwort aus.
„Wie soll ich dir diese Frage beantworten können? Ich kenne doch niemanden außer dir!“, kontert der Namenlose geschickt.
Augenblicklich wird dem Mann die Tatsache bewusst, dass seine Frage wenig intelligent war. Listig und großzügig zugleich schlägt er ihm vor, sich doch auch mal anderweitig umzusehen, um seinen Horizont zu erweitern, was schließlich noch niemandem geschadet habe.
„Nichts lieber als das!“, knurrt der Namenlose. „Es ist jedoch mein Schicksal, an diesen Ort gefesselt zu sein, um mir jeden Morgen dein griesgrämiges Gesicht anzuschauen. Du kannst mir glauben, dass ich mir durchaus ein angenehmeres Dasein vorstellen könnte, wie zum Beispiel eine Begegnung mit den Geschöpfen aus deinen morgendlichen Träumen.“ (…er grinst dabei unverschämt.)
In diesem Moment klopft es vernehmlich an die Tür, und mit energischer Stimme ruft die Frau des Mannes aus der Diele: „Seid ihr beide endlich fertig? Ich muss jetzt dringend ins Bad.“
Ihm, der noch nicht einmal einen Namen trägt, der ihm jeden Morgen das Aufstehen vergällt und die Frage offen lässt, ob denn der Tag ein guter werden kann. Er würde ihm am liebsten aus dem Weg gehen, wofür jedoch nicht die geringste Aussicht auf Erfolg besteht. Der Namenlose erwartet ihn jeden Morgen, erfüllt von der abartigen Befriedigung, ihn zu peinigen.
Woher weiß dieses Scheusal nur um meine masochistische Veranlagung?, hat er sich schon oft gefragt, denn nie hat er darüber gesprochen, mit dem Namenlosen schon gar nicht.
Ein paar Minuten hast du noch, sagt er sich, und begibt sich zurück in seinen Traum, den er unterbrochen hatte. Ein geträumter Coitus interruptus sozusagen, ein Traum, unter dem sich ein jeder Zuhörer – je nach ihm gegebener Fantasie – vorstellen mag, was ihm gerade dazu in den Sinn kommt.
Der Mann stiehlt sich mit dem Trugbild, das sein Wachtraum ihm geschenkt hat, noch ein paar Sekunden, schwelgt in der erhofften Erlösung, um seine Sinne für kurze Zeit zu ergötzen. Immer noch schläfrig, jedoch erfüllt von seinem Traum, schält er sich schließlich aus seinen Laken, versucht, sich zu erheben … und fällt – wie von einem bösartigen Blitz getroffen – rücklings aufs Bett zurück. Die Organe seines Körpers und der noch stotternde Kreislauf seines Blutes sind aus freien Stücken noch längst nicht bereit, ihr Tagewerk pflichtschuldigst zu verrichten. Er nimmt einen erneuten Anlauf, betulich und Glied für Glied, dieses Mal mit Erfolg. Schlaftrunken schwankt er zum Fenster, um es aufzureißen und der erfrischenden Morgenluft Eintritt ins Zimmer und seine lechzenden Lungen zu gewähren. Sie weckt seine Lebensgeister, einen nach dem anderen, und damit auch seine Bereitschaft, ihm entgegenzutreten. Ihm, dem Namenlosen, dessen Zunge – wie gewöhnlich – schon gespitzt ist, um ihm seine Morgenstimmung gründlich zu verderben. Der Mann schleppt sich ins Bad.
Wie jeden Morgen erwartet ihn sein Widersacher bereits und feixt ihn aus dem Spiegel an: Zerknittert die Haut und nach einer Rasur verlangend, grau-blau die Augen, dunkel umrandet und noch getrübt von der Nacht, ein unbedeutendes Überbleibsel früherer Haarpracht wirr auf seinem Kopf verteilt.
„Auch schon aufgestanden?“, grinst der Namenlose ihn unverfroren an. „Viele Zeitgenossen arbeiten um diese Zeit schon ein paar Stunden!“
„Lass mich in Ruhe mit deinem Spott, besonders am Morgen!“, antwortet der Mann mürrisch. „Ich kann den Tag auch ohne deinen Hohn beginnen.“
„Du glaubst, das kannst du? Wie willst du das denn anstellen? Übrigens siehst du heute Morgen ganz schön verhauen aus, wenn ich das einmal unverblümt sagen darf“, stellt der Namenlose fest und betrachtet kritisch den Mann vor dem Spiegel.
Der starrt wortlos in den Spiegel und gesteht dem Namenlosen schweigend zu, dass er mit seiner Feststellung nicht völlig falsch liegt. Er blickt ihn verbiestert und getroffen an.
(Der Namenlose erwidert verbiestert und getroffen den Blick.)
Der Mann fragt sich, warum guckt der so? Schließlich war er es doch, der seine Häme über mich ergoss, und er kratzt einen Pickel auf seiner linken Wange.
(Der Namenlose kratzt sich auf seiner rechten Wange).
„Musst du mir immer alles nachäffen wie ein Kleinkind?“, fragt der Mann.
„Wenn du mir sagst, wie sich das vermeiden lässt, könnte ich’s mir vielleicht überlegen“, zeigt der Namenlose einen Anflug seltener Großzügigkeit. Beiläufig fragt er, als interessiere es ihn: „Na, wie hast du denn geschlafen?“
„Das interessiert dich doch gar nicht wirklich. Warum fragst du?“, erwidert der Mann genervt.
„Sag das nicht! Ohne deinen Anblick – ob er mir nun gefällt oder nicht – kann auch mein Tag nicht beginnen … Du würdest den ganzen lieben Tag unrasiert und mit Zahnpastaflecken im Gesicht herumlaufen, wäre ich für dich nicht immer zugegen.“
„Ich werde dich für einen Orden vorschlagen, mein Gutester“, verspricht der Mann und prüft, ob der Altersfleck an seiner rechten Schläfe sich weiter ausgebreitet hat.
(Der Namenlose prüft indessen einen Altersflecken an seiner linken Schläfe.)
„Wie war denn dein Traum heute Morgen? Anregend?“, nimmt der Namenlose sein Fragespiel mit einem breiten Grinsen wieder auf.
Woher weiß dieses Monstrum das nur alles, fragt sich der Mann stirnrunzelnd …
(Der Namenlose runzelt ebenfalls die Stirn.)
… und schaut an sich hinunter, wo einer seiner Morgengeister eingedenk und in Erinnerung des Traumes lebendig geworden ist. „Oh …“, sagt der Mann verlegen wie ein kleiner Junge und bemerkt, dass dies dem Namenlosen nicht entgangen ist.
„Kannst du nicht woanders hingucken, du Spanner?“
Der Namenlose guckt nicht woanders hin und lästert unverschämt weiter: „Immer noch Lust oder schon wieder?“
Der Mann kühlt betreten sein Gesicht mit kaltem Nass, indem er sein Gesicht in seine wassergefüllten Hände taucht.
(Der Namenlose taucht sein Gesicht ebenfalls in seine wassergefüllten Hände – jedoch nicht betreten.)
Der Mann füllt den Zahnputzbecher mit warmem Wasser, drückt Zahnpasta auf seine Zahnbürste, nimmt sie in seine rechte Hand und putzt sich gründlich seine Zähne.
(Der Namenlose putzt sich seine Zähne mit der linken Hand; wie gründlich ist schwer zu beurteilen).
Anschließend spült der Mann seinen Mund aus und verteilt ein paar Wasserspritzer auf dem Spiegel.
(Auch der Namenlose spült seinen Mund aus. Sein Gesicht ist danach voller Wasserspritzer.)
Inzwischen fühlt sich der Mann so weit hergerichtet, dass er vermeint, sich nun seinem Tagewerk widmen zu können – nach einem ausgiebigen Frühstück selbstredend, ohne das bei ihm nichts läuft. Er starrt den Namenlosen an, kann sich von ihm noch nicht loslösen.
„Bist du mit deinem Aussehen noch nicht zufrieden?“, fragt der Namenlose. „Du hast dich nicht rasiert.“
„Eine schwierige Frage“, antwortet der Mann unbestimmt und denkt über sein Aussehen nach. „Kennst du jemanden, der vollkommen mit seinem Aussehen zufrieden ist? … Und aufs Rasieren verzichte ich heute“, weicht er einer Antwort aus.
„Wie soll ich dir diese Frage beantworten können? Ich kenne doch niemanden außer dir!“, kontert der Namenlose geschickt.
Augenblicklich wird dem Mann die Tatsache bewusst, dass seine Frage wenig intelligent war. Listig und großzügig zugleich schlägt er ihm vor, sich doch auch mal anderweitig umzusehen, um seinen Horizont zu erweitern, was schließlich noch niemandem geschadet habe.
„Nichts lieber als das!“, knurrt der Namenlose. „Es ist jedoch mein Schicksal, an diesen Ort gefesselt zu sein, um mir jeden Morgen dein griesgrämiges Gesicht anzuschauen. Du kannst mir glauben, dass ich mir durchaus ein angenehmeres Dasein vorstellen könnte, wie zum Beispiel eine Begegnung mit den Geschöpfen aus deinen morgendlichen Träumen.“ (…er grinst dabei unverschämt.)
In diesem Moment klopft es vernehmlich an die Tür, und mit energischer Stimme ruft die Frau des Mannes aus der Diele: „Seid ihr beide endlich fertig? Ich muss jetzt dringend ins Bad.“